Kapitel 49

Was ist denn los, mein Liebling?«, fragte Miles und schlenderte durchs Wohnzimmer im Apartment in der Walton Street. »Gefällt dir die Kette nicht?« Er schaute auf sie hinunter, die Augen zusammengekniffen, und versuchte zu ergründen, warum sie so traurig aussah.

Christina legte die Hand an den Hals und berührte das feingesponnene Gewebe von zarten Goldketten, das mit Diamanten und Opalen besetzt war, dann senkte sie den Blick, um es zu betrachten. »Miles, es ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe. Ich bin sehr glücklich darüber.«

»Und warum machst du dann so ein trauriges Gesicht, Christie?« Er ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder und ergriff ihre schlanke, feinnervige Hand. »Weil ich das Christfest nicht mit dir verbringen kann? Falls es daran liegt, werde ich irgendwie versuchen, mich freizumachen. Du, ich habe eine Idee – ich werde den Tag des Heiligen Abends bei dir sein«, improvisierte er rasch. »Dann fahre ich abends nach Suffolk, um mit den Jungen und meinen Eltern zu essen. Ich verbringe den ersten Weihnachtstag mit ihnen und komme dann am zweiten zurück zu dir ...«

»Nein, Miles, ich werde es nicht zulassen, dass du dich so zweiteilst und in letzter Sekunde deine Pläne über den Haufen wirfst. Außerdem könnte ich unmöglich jetzt noch etwas ändern. Meine Eltern wären viel zu enttäuscht, wenn ich nicht zu ihnen nach Yorkshire kommen würde. Sie haben sich so darauf gefreut, und ich habe in der letzten Zeit nicht sehr viel von ihnen gesehen, das weißt du ja.«

»Candida wird nicht dort sein, wenn du das denkst. Sie fährt mit Monica nach Schottland. Sie wollen in der Jagdhütte ihres Vaters mit ihm Weihnachten feiern.« Ratlos schüttelte Miles den Kopf. »Ich werde wohl nie herausfinden, wieso sie plötzlich gesagt hat, ich könne die Jungen haben.«

Christina starrte ins Kaminfeuer.

Miles hob die Hand und sah sie an. »Das ist die aufrichtige Wahrheit, Liebling. Candida wird nicht in Broxley Hall sein.« Als sie immer noch nichts sagte, rief er: »Du glaubst mir doch, Christina, nicht wahr?«

Sie hörte die Angst in seiner Stimme und sah sein besorgtes Gesicht, dann drückte sie seine Hand. »Ja, Miles, ich weiß genau, dass du mich niemals belügen würdest, es liegt nicht in deiner Natur.«

Miles sah ihr gebannt ins Gesicht. Man konnte ihre Gefühle immer an ihren Augen ablesen. Sie sagten ihm meist alles. Er sah, dass sie nach wie vor bedrückt war, beschloss aber, sie im Moment nicht zu bedrängen. Sie würden sich eine Woche lang nicht sehen, so lange waren sie in den vergangenen sechs Monaten nie getrennt voneinander gewesen. Dies sollte ein ganz besonderer Abend werden, und er hatte nicht die geringste Absicht, ihn zu verderben.

Als hätte sie seine Gedanken erraten, rang sich Christina ein fröhliches Lächeln ab und sprang auf. »Lieber, leg doch noch ein paar Holzscheite nach und mach den Champagner auf, wir wollen mit unserem festlichen Abend anfangen. Ich werde deine Geschenke holen ... schließlich ist das heute Abend unser Weihnachten.«

»Genau«, sagte er, stand auf und lächelte sie an. Dann zog er sie an sich, küsste ihre Halsgrube. »Ich liebe dich über alles.«

Sie machte sich sanft los und lief ins Schlafzimmer, drehte sich in der Tür noch einmal um. Er stand da und beobachtete sie. Sie warf ihm eine Kusshand zu.

Miles machte sich noch mit dem Korken zu schaffen, als sie zurück ins Zimmer geschwebt kam, die Arme voller Päckchen. »Die sind doch nicht alle für mich, oder?«

Sie lächelte ihn verschmitzt an und trug sie zum Kamin. »Noch ein Gang, das wär’s dann.«

Er schüttelte den Kopf, lachte mit ihr, und das Herz floss ihm über vor Liebe. Es gab auf der ganzen Welt keine Frau wie seine Christie.

»Du hast es dir gewünscht«, sagte sie, kam auf ihn zu, ein großes, in Packpapier gewickeltes Paket im Arm. »Und ich wollte auch, dass du es haben solltest. Für dich, mein Liebling.«

Er nahm das Paket, wusste, dass es eins ihrer Bilder war. Da er sie alle liebte, wusste er nicht, welches. Er lächelte sie an. »Danke, Christie. An der Form sehe ich, dass es ein Bild von dir ist ... bloß welches?«

»Mach es auf und sieh nach.« Sie stand mit dem Rücken zum Feuer, sah ihm zu, wie er das Paket zum Sofa trug und das Papier abwickelte. Als er das Bild in den Händen hielt, hob er es hoch und rief: »O Christie, Lilie bei Hadley ... Christie, wie großzügig von dir, dass du mir gerade dies geschenkt hast. Ich weiß ja, dass es dein Lieblingsbild ist. Danke.« Er lehnte das Bild an das Sofa, kam zu ihr und schloss sie fest in seine Arme.

Christina sah, dass er sich freute, und das machte sie glücklich. »Es wurde erst mein Lieblingsbild, nachdem wir uns in Hadley Court begegneten ... darum möchte ich, dass du es hast, weil es dich immer an mich erinnern wird.«

Sein Lächeln verschwand, stirnrunzelnd sah er sie an. »Willst du weggehen?«

»Nein, du Dummerchen, warum fragst du?«

»Weil du gesagt hast ›es wird dich an mich erinnern‹ ... als hätte ich das nötig, wo du doch immer bei mir bist.«

»Natürlich bin ich das, Miles. Und wie steht es nun mit einem Glas Champagner, bevor du deine restlichen Geschenke aufmachst.«

Er schenkte ihnen ein. »Ich habe eine Weihnachtskarte und ein gekritzeltes Briefchen von Ralph und Dulcie bekommen. Sie bleiben wohl ein Weilchen in New York, weil dieser Film bald in Hollywood gedreht werden soll und sie eventuell auch in einem Stück am Broadway mitspielen. Und was hast du in der letzten Zeit von Jane gehört?«

»Sie beschwerte sich darüber, dass die kleinen Ungeheuer zu Weihnachten nach New York kommen wollten, als sie mich gestern im Büro anrief. Aber sonst gibt es bei ihr nicht viel Neues. Sie wird die Kostüme für das neue Hal Prince-Stück am Broadway machen, und sie sagte, sie würde noch sechs Monate länger dableiben.«

»Gut für sie. Jane ist ein begabtes Mädel.« Miles brachte ihre Gläser, und sie stießen an. »Fröhliche Weihnachten, mein Liebling.«

»Fröhliche Weihnachten, Miles.«

Sie saßen vor dem Kamin, leerten langsam die Flasche Champagner, während Miles nacheinander seine vielen Geschenke auspackte, sich überschwänglich bei ihr bedankte und begeistert all die Bücher und Jazzplatten, Krawatten und den seidenen Morgenmantel bewunderte.

Aber am meisten beeindruckten ihn die Manschettenknöpfe mit den Saphiren. »Sie sind ganz unglaublich«, rief er schließlich und hielt sie in der Hand, schaute sie an. »Du bist einfach zu extravagant.«

»Wer im Glashaus sitzt ...«, sagte sie und kniete neben seinem Sessel nieder, sah verliebt zu ihm empor. »Magst du sie wirklich?«

»Das weißt du doch.«

»Ich auch ... sie sind wie deine Augen.«

Er lächelte, steckte die Hand in die Tasche und holte eine kleine Schachtel heraus. »Und hier ist noch ein Weihnachtsgeschenk von mir.«

Es war ein Ring, ein großer Opalring, der mit lauter Diamanten besetzt war. Er passte zu der Kette, die er ihr zuvor geschenkt hatte, und war von ebenso erlesenem Geschmack.

»Vielen Dank, Miles. Wie schön er ist.« Sie ließ ihn auf ihren rechten Ringfinger gleiten und streckte die Hand aus, sah ihn an.

Miles bemerkte: »Das ist die falsche Hand, Süße.« Er zog den Ring ab und steckte ihn auf die linke Hand. »Da mag ich ihn lieber ...« Er unterbrach sich und sah sie scharf an. In ihren schönen grauen Augen standen Tränen, und ihre Lippen zitterten. »Christie, was ist denn nur los?«

Sie schüttelte den Kopf, wischte sich mit der Hand über die Augen und schluckte. »Miles ...«

»Ja, Liebling, was ist? Was ist denn passiert?«

Christina schaute ihn aufmerksam an. Ihr Blick hielt seinen fest. »Ich bin schwanger.«

Sie sah die plötzliche Freude, den Stolz in seinen Augen, das unwillkürliche Lächeln, das er nicht unterdrücken konnte und das so viel sagte. Dann wurde sein Gesicht ganz ausdruckslos. »O Christie«, sagte er und schüttelte langsam den Kopf. »O Christie ...«

Der bedrückte Tonfall konnte ihr nicht entgehen, der Schmerz in seinen Augen, die Sorgen, die ihn nun bedrückten. Sie kannte ihn viel zu gut. »Aber eben hast du dich noch gefreut!«, rief sie und ergriff seine Hand. »Das weiß ich genau!«

»Natürlich habe ich das, aber ...« Er konnte nicht weitersprechen. Miles schluckte, und in seinem Innersten wusste er, dass er sie noch nie so geliebt hatte wie in diesem Augenblick.

Sie sagte: »Ich wollte es dir heute Abend nicht sagen. Wenn du nicht den Ring von meiner rechten Hand gezogen und auf die andere gesteckt hättest, hätte ich auch nichts gesagt.«

»Ich freue mich aber, dass du’s getan hast ... wir stecken doch beide darin. Du kannst so eine Last nicht allein tragen, Christie.«

»Ich wollte dir keine Sorgen machen, da doch Weihnachten vor der Tür steht. Ich wollte dir nicht das Fest verderben ... du siehst ja so schon zu wenig von deinen Jungen.«

Er berührte ihre Wange. »Du bist immer so rücksichtsvoll, meine schöne Christie.« Dann lehnte er sich im Sessel zurück und sagte: »Da haben wir aber jetzt ein Problem, nicht wahr, Süße?«

Sie nickte. »Miles, ich möchte keine ... Abtreibung machen lassen, ich möchte es einfach nicht. Es ist mir klar, dass ein Baby schwierig für dich ist, aber ich habe mir gedacht ...«

»Christie, ein Baby ist nicht schwierig, es ist ganz unmöglich. Ich möchte auch nicht, dass du dich einer Abtreibung unterziehst.« Seine Stirn zog sich zusammen. »Ich weiß nur in diesem Moment nicht, was es sonst für eine Lösung geben soll.«

»Warum könnte ich denn das Baby nicht behalten, Miles? Wer wüsste denn, dass es von dir ist? Nur du und ich ... und finanziell bin ich unabhängig, ich kann allein zurechtkommen, und ...«

»Ich bin nicht sicher, dass das funktionieren würde«, unterbrach er sie schnell. »Und was, wenn etwas durchsickern würde? Meine politische Karriere?«

»Ja, ich weiß, es gibt so vieles zu bedenken.«

»Seit wann weißt du es?«

»Seit vier Tagen.«

»Du hättest es mir früher sagen sollen, ich finde die Vorstellung ganz unerträglich, wie du dir Sorgen gemacht haben musst, Christie. Es war falsch von dir, dich mir nicht gleich anzuvertrauen.«

»Ich wollte dich vor Weihnachten nicht aufregen.«

»Und wie schwanger bist du?«

»In der sechsten Woche.«

Er zog sie in seine Arme und hielt sie dicht an sich gedrückt, streichelte ihren Kopf. »Wir werden schon die richtige Lösung finden«, murmelte Miles. »Mach dir keine Sorgen, Liebling. Wir werden uns nach den Feiertagen um alles kümmern.«