Der Fluss war aufgewühlt und schlammig, trotzdem erkannte Dorn deutlich die langen, gepanzerten Rücken der Krokodile, die unter der Wasseroberfläche lauerten. Er kratzte sich am Kinn. Ein paar dieser Schuppentiere sonnten sich im gefleckten Sonnenlicht am gegenüberliegenden Ufer und sahen aus, als dösten sie vor sich hin. Doch die im Wasser waren wachsam und hatten die Augen geöffnet. Aber er traute selbst den dösenden Krokodilen nicht über den Weg.
Ein wenig abseits, in der Krone eines schattigen Baums, hatten es sich zwei Hochblätter aus dem Rat bequem gemacht. Gähnend warteten sie darauf, dass die beiden jungen Paviane ihre Aufgabe erfüllten. Eine Beobachterin war Mango. Sie pickte einen Zweig aus Asts Fell und steckte ihn sich träge ins Maul. Sie wirkten beide unbeteiligt, aber Dorn wusste, dass ihren halb geschlossenen Augen nichts entging.
Hinter Dorn und Matsch war Heldenmut und trat unruhig von einer Pfote auf die andere. Dorn sah, dass sein Löwenfreund sehr besorgt war. Wir haben Zeit bis zum Sonnenuntergang, ermahnte er sich. Wenn wir bis dahin die Hochtat nicht vollbracht haben, sind wir endgültig gescheitert.
»Wer hat sich das bloß ausgedacht?«, maulte Matsch neben ihm. »Den Krokodilsfluss überqueren, also wirklich.«
»Es soll beweisen, dass wir schnell sind«, erwiderte Dorn. »Und dass wir mutig sind.«
»Es beweist, dass wir verrückt sind«, grummelte Matsch.
»Also, ich glaube an euch«, verkündete Heldenmut.
Die Zuversicht des Löwen rührte Dorn. Er wusste, dass Heldenmut enttäuscht war, weil sein Plan, die Hochtaten selbst zu vollbringen, nicht funktioniert hatte. Es war wirklich nett von ihm, sie so zu unterstützen. Der junge Löwe kauerte sich nieder, sah auf das träge dahinfließende Wasser und leckte sich die Lippen.
Unweit stocherte eine Schar von Störchen mit ihren großen gelben Schnäbeln in den Untiefen am Flussufer und rührte bisweilen mit ihren langen Beinen das Wasser auf. Die Krokodile beachteten sie nicht, manche von ihnen hatten sich zu den Pavianen umgedreht und beobachteten sie.
Plötzlich regten sich Mango und Ast auf ihrem Baum. Dorn folgte ihren Blicken und sah, wie Fang, ein Freund von Nuss, in den Fluss hüpfte und, wie Dorn vermutete, mehr von Panik als von Entschlossenheit getrieben, rasch an den Krokodilen vorbeischwamm. Sein Kopf hüpfte wie eine glänzende, nasse Frucht auf und ab. Dann erreichte er das andere Ufer, wo er an Land kraxelte und johlend, brüllend und hüpfend seinen Sieg verkündete. Die beiden Hochblätter nickten anerkennend.
Dorn seufzte, er wäre gern der Erste gewesen. Die Krokodile waren jetzt gewarnt. Eins kroch sogar ans Ufer und verfolgte Kerbe, die sich weit vorgewagt hatte. Kreischend vor Angst flitzte sie außer Reichweite. Das Krokodil zog sich wieder ins Wasser zurück und murmelte seinem Nachbarn etwas in rauer Sandzunge zu, woraufhin die beiden Schuppentiere krächzten. Es klang wie ein schreckliches Gelächter, das Dorn einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
»Sei vorsichtig«, flüsterte Matsch zitternd. »Mutter hat gesagt, dass Krokodile das Gesetz nicht beachten. Sie jagen nicht nur, wenn sie Hunger haben. Sie töten, wie es ihnen passt, und hören auf niemanden – nicht einmal auf Große Mutter.«
Dorn holte tief Luft. Ich muss es schaffen, sonst kann ich nicht mit Beere leben. Ich habe keine andere Wahl.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine jähe Bewegung wahr. Er drehte sich um und sah Nuss, der unter dem Jubel seiner vom Uferrand zusehenden Kumpane ins Wasser sprang. Die drohenden Krokodile nicht aus den Augen lassend, paddelte Nuss ein kleines Stückchen vor und kletterte dann auf eine im Wasser treibende Insel aus verfilzten Pflanzenabfällen.
Dieses Floß wird ihn nicht retten, wenn er sich nicht beeilt, dachte Dorn, dem das Herz bis zum Hals schlug. Die Krokodile werden ihn einfach herunterstoßen. Er mochte Nuss nicht, aber er wollte auch nicht, dass er gefressen wurde.
Aber Nuss sprang bereits behände über Holzstämme, Steine und heruntergefallene Äste und wich geschickt den schnappenden Mäulern aus. Bei seinem letzten Sprung landete er auf dem gezahnten Rücken eines riesengroßen Krokodils. Bevor dieses sich im Wasser umdrehen und ihn abwerfen konnte, war er schon wieder fort und hechtete platschend auf das Ufer zu. Leichtfüßig flitzte er vor den Krokodilsmäulern davon, erreichte das Ufer und stieß ein Siegesgeheul aus.
»Ich bin ein Mittelblatt! Merkt euch das, ihr Kroks!«
Mango und Ast, die ihn von ihrem Aussichtspunkt beobachteten, wechselten einen zustimmenden Blick. Die Freunde von Nuss johlten und droschen auf den Sand.
»Nuss hat es geschafft.« Dorn war beeindruckt, aber ein Blick auf Matsch zeigte ihm, dass sein Freund verängstigter war als je zuvor.
»Komm schon, Matsch«, sagte er und bemühte sich um einen zuversichtlichen Tonfall, »jetzt oder nie.« Dorn stupste seinen kleinen Freund sanft zum Ufer hin.
»Viel Glück!«, schnurrte Heldenmut. »Denkt daran, einfach immer weitergehen.«
Dorn stand mit seinen Pfoten im Wasser. Die Krokodile ließen sich träge treiben und beobachteten ihn. Sie hatten keine Eile. »Bleib dicht bei mir, Matsch«, flüsterte er. Vielleicht kann ich Matsch einfach mitschleppen, wenn wir in Schwierigkeiten kommen …
Mit einem entschlossenen Schnaufen ließ er sich in den Fluss fallen. Matsch war dicht hinter ihm. Nicht weit von ihnen befand sich eins der treibenden Zweignester, die Nuss als Floß benutzt hatte. Dorn paddelte hektisch darauf zu.
»Wir schaffen das!«, keuchte er.
Plötzlich wurde das Wasser von auftauchenden Krokodilen und peitschenden Schwänzen aufgewühlt. Erschrocken sah Dorn sich um.
»Das ist Nuss«, rief Matsch und spuckte grünes Wasser aus. »Er schmeißt Steine auf die Krokos.«
Dorn sah zum Ufer zurück. Tatsächlich, der boshafte junge Pavian bücke sich gerade nach einem neuen Stein.
»Das muss ein bisschen spannender werden!«, grölte Nuss. Er grinste bösartig, stützte sich auf seinem langen Vorderbein ab und schleuderte den Stein auf den schuppigen Rücken eines Krokodils. Das riesige Tier schoss mit aufgerissenem Maul aus dem Wasser, sodass eine Fontäne aus weißem Schaum aufspritzte.
»Oh, diese Zähne«, stöhnte Matsch.
»Himmelsstein noch mal«, flüsterte Dorn schaudernd. Die spitzen Zähne sahen gefährlich groß aus und säumten das Maul des Krokodils von vorne bis hinten.
Nuss warf einen Stein nach dem anderen. Sie polterten auf zähe Krokodilshaut, platschten ins Wasser und brachten die Krokodile in rasende Wut. Das Wasser brodelte und eine Welle schwappte in Matschs Gesicht. Prustend kam er wieder an die Oberfläche.
»Hör auf, du Idiot!«, gellte Dorn.
Nuss beachtete ihn nicht und warf immer mehr Steine. Störche brachten sich mit lautem Flügelschlagen in Sicherheit, und erboste Krokodile jagten durch das Wasser und verfolgten jeden Pavian, den sie zu Gesicht bekamen. Ein besonders großes Krokodil tauchte unter Wasser, und wo es verschwunden war entstand eine pfeilförmige Wellenspur, die sich schnell und zielstrebig auf Dorn und Matsch zubewegte.
Es schwimmt genau auf uns zu!
»Raus! Raus!«, schrie er aufgeregt, drehte sich um und schwamm platschend zum Ufer zurück. Als er und Matsch wieder trockenen Boden erreichten, hörte er, wie das Krokodil hinter ihnen durch die Wasseroberfläche brach und wütend auf Sandzunge schimpfte. Die beiden jungen Paviane rasten auf allen vieren zu Heldenmut zurück, der unter den Bäumen auf sie wartete. Das Krokodil gab auf und glitt grummelnd ins Wasser zurück.
»Dieser egoistische, gemeine kleine – Affe!«, fauchte Dorn. Es war das wüsteste Schimpfwort, das ihm einfiel. »Nuss möchte einfach verhindern, dass jemand anderes die Hochtaten erfüllt!«
»Und es sieht so aus, als würde ihm das gelingen«, meinte Matsch traurig und sah zu den Krokodilen hinüber, die jetzt hellwach waren.
»Mango! Ast!«, schrie Dorn zu den beiden Hochblättern hinauf. »Habt ihr gesehen, was Nuss getan hat?«
Ast zuckte bedauernd die Schultern. »Wir sind nur hier, um die erfolgreichen Paviane zu melden. Mango, was denkst du? Verstößt das gegen die Regeln?«
»Ich weiß nicht.« Mango kratzte sich in der Achselhöhle. »Habe noch nie gehört, dass so etwas gemacht wurde, aber eine Regel gibt es dazu nicht. Soviel ich weiß.«
Wütend verfluchte Dorn die beiden Hochblätter, aber so leise, dass sie es nicht hörten, dann trottete er zu Matsch zurück. »Ich werde nicht aufgeben«, knurrte er. »Vor allem nicht wegen Nuss. Irgendetwas müssen wir doch tun können.« Er sah sich um und überlegte. »Baumstämme, Matsch – erinnerst du dich, dass wir mit Baumstämmen geübt haben? Vielleicht könnten wir einen Baumstamm über den Fluss legen.«
»Super Idee«, meinte Matsch.
Nun stapften sie gemeinsam durch den Wald. Die Augen auf den Boden geheftet, scharrten sie Rindenreste fort, schoben Zweige zur Seite und scheuchten Spinnen auf, wenn sie Steine oder Holzstücke umdrehten. Auf dem Waldboden befand sich eine dicke Schicht aus vermoderten Blättern und Moos, und von den Bäumen hingen üppiges Blattwerk und Farnsträucher, aber es fehlte eindeutig an größeren, abgebrochenen Ästen.
»Hier gibt es nichts, das für unseren Zweck lang genug wäre«, seufzte Matsch schließlich. »Oder doch, schaut mal, dort oben …«
Dorn und Heldenmut folgten seiner ausgestreckten Pfote. Matsch zeigte auf einen dicken Kigeliabaum-Ast, der sich über ihre Köpfe neigte.
»Es hängen keine Früchte daran«, überlegte Heldenmut. »Er könnte abgestorben sein. Lässt sich wahrscheinlich leicht abknicken.«
»Und wie sollen wir das anstellen?«, fragte Dorn.
»Ach, das ist gar nicht schwer«, belehrte ihn Matsch und deutete mit dem Kopf auf Heldenmut. »Er hat früher schon einmal Äste abgebrochen.«
»Genau!« Heldenmut riss sein Maul auf und grinste. »Diesmal könnte ein großer, schwerer Baumlöwe sogar nützlich sein.«
»Es wäre einen Versuch wert.« Dorn schlug aufgeregt auf den Boden. »Also los, du Pavian-Löwe!«
Er nagte nervös an seinen Pfoten, als Heldenmut aufmerksam den Baum umrundete. Schließlich machte der junge Löwe einen Sprung und umklammerte den Baumstamm mit allen vieren. Seine Krallen in die Rinde hauend, hievte er sich Pfote um Pfote nach oben.
Dorn schluckte, sein Puls raste. »Ich hoffe, es klappt, Matsch. Und ich hoffe, er verletzt sich nicht.«
Heldenmut zog sich auf den großen, tief hängenden Ast hinauf. Sein Schweif schlug hin und her. Dann holte er noch einmal tief Luft und schob sich am Ast entlang nach außen. Dorn konnte kaum hinsehen, als sich Heldenmut immer weiter nach vorn bewegte, nur von seinen im Ast verharkten Krallen gesichert. Ächzend neigte sich der Ast immer weiter nach unten.
»Es funktioniert!«, rief Matsch.
Heldenmut wippte ein wenig auf dem Ast, der sich daraufhin noch stärker nach unten senkte. »Ich glaube, er ist ziemlich morsch«, rief er.
»Kannst du noch ein bisschen weiterkriechen?«, fragte Dorn mit bebender Stimme.
Heldenmut kroch weiter. Der Ast bog sich dramatisch und machte ein dumpfes, knackendes Geräusch.
»Ja!«, brüllte er, als der Ast abbrach und er und der Ast zu Boden krachten, aber nicht so tief wie beim letzten Mal. Der junge Löwe sprang hoch und hüpfte unverletzt von dem abgebrochenen Ast herunter.
»Du bist ein Held, Heldenmut!«, rief Dorn und rieb sich die Pfoten.
»Und nun schaffen wir ihn zum Fluss«, sagte Matsch zufrieden.
Gemeinsam machten sich die drei Freunde daran, den Ast zum Fluss zu ziehen. Die Paviane benutzten dafür ihre Pfoten, Heldenmut seine Zähne. Es war ein hartes, umständliches Unternehmen, denn der Ast blieb an sämtlichen Steinen, Bodenunebenheiten und vorstehenden Zweigen hängen. Vor Erschöpfung keuchend, rollten sie ihn schließlich auf das aufgeweichte Ufer. Die anderen jungen Paviane, die den Fluss noch überqueren wollten und deren Pläne von Nuss’ Aktion ebenfalls durchkreuzt worden waren, beobachteten die drei Freunde mit einer Mischung aus Argwohn und Neid. Diesen gelang es schließlich, den dicken Ast in die richtige Position zu bringen. Eingeklemmt zwischen zwei Steinen lag er über dem träg dahinfließenden Fluss. Die Krokodile zogen Kreise und beobachteten sie lauernd.
»Er reicht nicht ganz hinüber«, jammerte Matsch enttäuscht.
»Das ist unsere einzige Chance«, entgegnete Dorn grimmig. »Wir müssen es versuchen.«
»Ich setze mich hier auf dieses Ende«, bot Heldenmut an. »Dann wackelt er nicht so.« Er ließ sich auf das zersplitterte Ende des Asts fallen, sodass dieser durch sein Gewicht stabilisiert wurde.
»Jetzt.« Dorn rieb seine Pfoten aneinander und stieg auf den Ast. Matsch kraxelte hinter ihm hinauf. Kriechend machten sich die beiden jungen Paviane auf den Weg über den Fluss.
»Autsch«, schrie Matsch, als einer von Nuss’ Steinen seine Flanke traf. Ausgelassenes Johlen schallte über das Wasser.
»Er will einfach nicht aufhören«, schimpfte Dorn. »Und er schreckt immer noch die Krokodile damit auf.«
Einige Krokodile hatten herausgefunden, woher die Steine kamen, und fingen an, Nuss aus dem Wasser heraus zu attackieren. Doch dieser war schnell und gelenkig und wich ihnen leichtfüßig aus, bis sie es aufgaben. Dann wandten sich die riesigen Schuppentiere wieder den anderen Störenfrieden zu und Nuss nahm sein Steinewerfen wieder auf.
Das gewaltige, offene Maul eines Krokodils schoss aus dem Wasser und schnappte dicht vor Dorns Pfoten zusammen. »Uuh! Es wird uns hinunterstoßen. Zurück! Zurück!«
»Ich hasse Nuss«, murmelte Matsch und rutschte hastig wieder zum Ufer zurück.
»Ich weiß«, sagte Dorn bitter und folgte ihm. »Aber wir werden es ihm zeigen.«
Kaum hatten sie das Ufer erreicht und kletterten die sandige Böschung hinauf, hörten sie das hämische Gackern von Nuss und seinen Kumpanen. Dorn beachtete sie nicht und sah sich verzweifelt nach einer anderen Lösung um. »Ah!«
Die Störche hatten sich ein wenig weiter oben am Fluss niedergelassen. Dort stocherten sie im Wasser herum und wühlten mit ihren langen Beinen den Grund auf. Von den Krokodilen und den Pavianen nahmen sie keine Notiz.
Dorn sagte lachend zu Matsch: »Ich habe eine Idee.«
Er drehte sich um und rannte am Ufer entlang zu den Störchen, Mango und Ast beobachteten ihn neugierig. Kurz bevor er die Storchenschar erreichte, holte er noch einmal tief Luft und sprang mitten in sie hinein.
Das war wesentlich spaßiger, als einen todbringenden Fluss zu überqueren. Kreischend plumpste er zwischen die Vögel und gellte: »Aus dem Weg, ihr Affenhirne! Ihr Schlammduscher!« An ihrem wütenden Schnabelhacken und den Schreien auf Himmelszunge merkte er, dass sie seine Beleidigung in der fremden Zunge sehr wohl verstanden. Dorn wedelte mit den Armen, johlte und brüllte und wich den Störchen, die aufgeregt mit den Flügeln schlugen, geschickt aus. Die Vögel, Empörung auf den roten Gesichtern, breiteten ihre weiß-grauen Flügel aus und hoben einer nach dem anderen ab. Bald hatte sich die ganze Schar in einem Gewirr aus Federn und langen Beinen in die Luft erhoben und segelte vor dem hüpfenden und kreischenden Pavian davon.
Von einer Storchenwolke umgeben, hetzte Dorn zu der Astbrücke zurück. Weiße Flügel schlugen ihm ins Gesicht, aber das machte ihm nichts aus. Er schrie Matsch zu: »Jetzt!«
Im Schutz der umherschwirrenden Störche sprang Dorn auf den Ast und machte sich daran, ihn zu überqueren. Matsch staunte nicht schlecht, als er begriff, was Dorn vorhatte, und folgte ihm keuchend.
In dem Durcheinander aus Federn, Beinen und gelben Schnäbeln konnte Dorn das Ende des Asts kaum erkennen, aber er hielt seinen Blick starr geradeaus. Aus den Augenwinkeln bemerkte er die schnappenden Kiefer und das spritzende Wasser, als die Krokodile wütend nach den Störchen schnappten und wieder ins Wasser zurückfielen, aber er achtete nicht darauf. Das Ende des Asts war nun in Sicht und er rannte noch schneller. An der Spitze angelangt, hechtete er mit einem Sprung ins Leere.
Seine Pfoten prallten im seichten Wasser auf und bewegten sich weiter, bis er den körnigen, trockenen Sand zwischen seinen Zehen spürte. Ich habe es geschafft! Ich bin ein Mittelblatt!
Mit glücklichem Geheul wich er einem Krokodil aus, das ans Ufer gekommen war, rannte leichtfüßig vor ihm davon und schwang sich auf einen überhängenden Ast.
»Ich hab’s, Matsch!«, johlte er. »Du bist beinahe da! Renn!«
Matsch hatte das Ende des Asts fast erreicht, aber die Wolke aus Störchen klarte jetzt auf, die Vögel beruhigten sich und kamen wieder zu Boden, plusterten ihre Federn auf und putzten sich.
»Beeil dich!«, schrie Dorn, plötzlich beunruhigt.
Doch Matsch erstarrte vor Angst. Die Störche befanden sich alle wieder am Boden und pickten mit ihren Schnäbeln im seichten Wasser. Matsch war auf dem Ast wieder völlig den Krokodilen preisgegeben. Aus dem trüben Wasser schossen sie nun hervor, rissen ihre Mäuler auf und zeigten ihre riesigen, scharfen Zähne, während sich vom Ufer weitere näherten. Eins drehte sich zur Seite und zeigte seinen bleichen, ledrigen Bauch, sein mächtiger Krokodilschwanz peitschte das Wasser.
Die Schwanzspitze erwischte Matsch, der einen Augenblick lang gefährlich ins Schwanken kam, die Augen weit aufgerissen.
Mit einem Schreckensschrei tauchte er unter die schäumende Oberfläche des Wassers.