Heinrich hatte den größten Teil seiner Kindheit und seiner frühen Regierungsjahre in Sachsen zugebracht. Diesem Land galten auch einige seiner herrschaftlichen Aktivitäten, die sich als besonders ungewohnt und konfliktträchtig erwiesen. So ist es kaum zufällig, dass der erste große Konflikt in seiner Zeit in Sachsen entstand, als der sächsische Adel, einige sächsische Bischöfe und das sächsische „Volk“ sich gegen Heinrich erhoben, um den Herrscher zu wesentlichen Veränderungen seiner Politik zu zwingen.1
Zum Verständnis dieses Konfliktes ist es vorweg wichtig zu berücksichtigen, dass die sächsische Seite zwei herausragende Chronisten gefunden hat, die in außergewöhnlicher Detailliertheit über die Einzelheiten der Auseinandersetzung berichten: Bruno und Lampert. Diese an sich höchst erwünschte Ausgangslage wird dadurch zum Problem, dass beide Autoren jeweils beträchtliche argumentative Mühe aufwenden, um Handlungen und Motive des Königs vollständig ins Unrecht zu setzen. Auf Seiten Heinrichs gibt es dagegen nichts Vergleichbares. Wir hören zu den Sachsenkriegen ganz vorrangig die Meinung der Gegner Heinrichs. Die Glaubwürdigkeit beider Autoren ist daher seit langem das Problem. Man kann die gebotenen Nachrichten und Wertungen häufig nicht zur Rekonstruktion der Politik und der Ziele Heinrichs verwenden; sie sind lediglich Zeugnisse dafür, was die Sachsen dachten und dem König vorwarfen. Immerhin müssen die Autoren die Nachrichten für so relevant gehalten haben, dass sie der Meinung waren, sie seien als Argumente gegen den König wirkungsvoll.2 Das muss beileibe nicht heißen, dass alles hätte wahr sein müssen, was kolportiert wurde.
Seit dem 19. Jahrhundert gibt es denn auch zahlreiche Versuche, die Glaubwürdigkeit der beiden Historiographen durch minutiöse Vergleiche zu prüfen und zu erschüttern. Dabei ist weniger die böswillige Erfindung als die tendenziöse Darstellung von Geschehen beobachtet worden.3 Zudem aber kolportieren beide in beachtlicher Intensität abenteuerliche Geschichten über Schandtaten des Königs auf den unterschiedlichsten Gebieten, so dass in der Tat nicht zweifelhaft sein kann: Beide Schriftsteller versuchen mit viel Energie, mit den von ihnen berichteten Handlungen und Entscheidungen Heinrichs IV. zu beweisen, dass seine Herrschaft nichts anderes sei als Tyrannei. Warum aber war ihnen dies so wichtig?
Zum Verständnis dieser durchaus ungewöhnlichen „Geschichtsschreibung“ ist es wohl nötig, sich zu vergegenwärtigen, dass im Verlauf der Sachsenkriege geradezu permanent Versuche einer gütlichen Beilegung der Streitigkeiten unternommen wurden.4 Bei diesen Versuchen sollen die Sachsen häufig gefordert haben, man müsse die gesamte Lebens- und Amtsführung des Königs einer Untersuchung unterziehen. Sie taten dies offensichtlich in der Gewissheit, genügend glaubwürdiges Material gegen den König in der Hand zu haben, aus dem seine Unfähigkeit und Unwürdigkeit, weiter die Königswürde zu bekleiden, hervorgehen würde. Einige Male, von denen später zu handeln sein wird, sind solche Untersuchungen in der Tat zustande gekommen mit dem Ergebnis, dass „den Fürsten die Ohren klangen“ und sie sich gegen Heinrich entschieden.5 Es hat also allem Anschein nach „Beweise“ auf Seiten der Sachsen gegeben, die sich erfolgreich gegen Heinrich IV. verwenden ließen. Viel spricht daher dafür, dass der „Geschichtsschreibung“ Bruns und Lamperts diese „Materialsammlungen“ der Gegner Heinrichs zugute gekommen sind. Namentlich Bruns Werk ist in Duktus und Diktion in weiten Teilen wie eine Anklageschrift formuliert. Sein Werk scheint so etwas wie die Summe der Argumente zu bieten, die man in Sachsen gegen Amts- und Lebensführung des Königs zur Verfügung hatte. Aber auch Lampert verwendet teils lange Argumentationsketten dazu, Hinterlist, Unaufrichtigkeit und Falschheit des Königs am Verlauf der Ereignisse zu zeigen. Auch seine Argumente waren in jeder Verhandlung gegen Heinrich zu verwenden. Insgesamt waren diese Vorwürfe gewiss ein wichtiger Bestandteil der politischen Realitäten, da sie von relevanten politischen Kräften in der Überzeugung gesammelt und vorgebracht wurden, dass sie der Wahrheit entsprächen. Diese Vorwürfe und Argumentationen werden daher im Folgenden dahingehend ernst genommen, dass sie Teil der politischen Auseinandersetzung waren. Relativ unabhängig von der Frage, ob sie der Realität entsprachen oder Erfindungen oder Gerüchte darboten, waren sie ein wichtiger Teil der Auseinandersetzung um die Amts- und Lebensführung des Königs. Und deshalb dürfen sie bei der Darstellung des Konflikts nicht fehlen.
Bei der Behandlung des Konflikts selbst ist es überdies ratsam, seine strukturellen Ursachen und den konkreten Anlass seines Ausbruchs auseinander zu halten. Beides wird in der pointierten Darstellung der sächsischen Autoren deutlich unterschieden und dies wird zum Teil auch durch ein Preisgedicht auf Heinrich IV. nach seinem Sieg über die Sachsen bestätigt. Anlass für den Ausbruch des Konflikts war ein Hoftag am Feste der Apostel Peter und Paul (29. Juni) des Jahres 1073, zu dem Heinrich nach Goslar eingeladen hatte. Die sächsischen Großen wollten diesen Hoftag nutzen, um dem König ihre Beschwerden über sein bisheriges Verhalten vorzutragen und eine Änderung in ihrem Sinne zu erzwingen. Dieses Vorhaben misslang nach Bruns Darstellung aus folgendem Grund – und das war nach seiner Einschätzung „die erste Ursache des Krieges, der Anfang aller folgenden Übel“:
„Das Fest wurde also feierlich begangen, und als der Tag herangekommen war, den man für Verhandlungen festgesetzt hatte, versammelten sich die Bischöfe, Herzöge, Grafen und die übrigen Fürsten am frühen Morgen vor der Pfalz und warteten dort vergeblich, daß der König zu ihnen herauskäme oder sie zu sich hineinriefe. Denn er hatte die Türen seiner Kammer verschlossen und trieb innen mit seinen Schranzen Würfelspiel und andere unnütze Dinge unbekümmert darum, daß er so viele bedeutende Männer vor seiner Tür warten ließ, als seien sie die niedrigsten Knechte. So verging der ganze Tag, ohne daß er selbst oder ein Bote, der die Wahrheit berichtet hätte, herauskam. Als es schon Nacht geworden war, kam einer von seinen Höflingen heraus und fragte die Fürsten höhnisch, wie lange sie dort noch warten wollten, da der König schon zu einer anderen Tür hinausgegangen sei und in schnellem Ritt zu seiner Burg eile. Da gerieten alle über die schmähliche und hochmütige Behandlung seitens des Königs derart in Erregung, daß sie ihm noch in dieser Stunde alle zugleich und ohne jede Scheu offen die Treue aufgesagt haben würden, wenn nicht Markgraf Dedi dank seiner Klugheit ihren Zorn besänftigt hätte.“6
Das Verhalten Heinrichs gegenüber dieser Delegation sächsischer Fürsten wirkt in der Darstellung Bruns bewusst ehrverletzend und überaus provokativ. Es mag zugespitzt und übertrieben sein, gänzlich erfunden hat Brun diese Situation aber allem Anschein nach nicht, denn auch die neutraleren Altaicher Annalen erzählen, die sächsischen Großen seien kaum zum König vorgelassen worden; man habe sie zudem ohne Ehre und eine zufrieden stellende Antwort wieder entlassen.7 Das geschilderte Verhalten des Königs lag damit ganz auf der Linie, die bereits zuvor Anlass zu Beschwerden gegeben hatte: Der König verweigere jede Beratung anstehender Probleme, so hören wir es von gegnerischen Stimmen ja immer wieder.
Es fragt sich andererseits jedoch, ob es üblich und erlaubt war, sich auf die geschilderte Weise den Zugang zum König zu erzwingen und sich eigenmächtig in Fragen Gehör zu verschaffen, die man mit dem König beraten wollte. Die Antwort ist nicht ganz einfach, denn die Entscheidung, wann und über was beraten wurde, stand eigentlich nur dem König zu. In der Darstellung Bruns warteten die sächsischen Repräsentanten ja auch geduldig den ganzen Tag und versuchten keinesfalls, den Zugang zu erzwingen. Dass sie mit ihrem Verhalten den König jedoch stark unter Druck setzten, kann nicht zweifelhaft sein. Dieser Nötigung aber hat er sich verweigert. Folgerichtig brachte die Verhöhnung durch einen der Höflinge dann das Fass zum Überlaufen. Dies aber war nur der Anlass, nicht die Ursache des folgenden Konflikts.
Die desavouierten sächsischen Großen fühlten sich so sehr im Recht und so sehr beleidigt, dass sie sich noch in derselben Nacht in einer Kirche trafen und dort eine Schwureinung mit dem Ziel eingingen, „lieber den Tod“ zu erleiden, „als ein solches Leben in Schmach und Schande zu führen“.8 Sie taten aber nicht nur dies. Sie riefen auch einen Stammestag nach Hoetensleben ein in der Absicht, alle Sachsen davon zu überzeugen, dass gegen Heinrichs Herrschaft nun Widerstand geleistet werden müsse. Mehrfach sind in den Quellen in diesem Zusammenhang die Gravamina detailliert aufgezählt, die die Sachsen Heinrich zum Vorwurf machten. Diese stellten die eigentlichen Ursachen des Konflikts dar. Bruno hat Herzog Otto von Northeim den Kernvorwurf in seiner Eröffnungsrede auf dem Tag von Hoetensleben aussprechen lassen:
„Unbill und Schmach, die unser König bereits seit langem über jeden einzelnen von euch allen gebracht hat, sind groß und unerträglich; aber was er noch zu tun vorhat, falls es der allmächtige Gott zuläßt, ist noch weit größer und schwerer. Starke Burgen hatte er, wie ihr wißt, in großer Zahl an von Natur aus festen Plätzen errichtet und ziemlich bedeutende Kräfte seiner Vasallen, mit aller Art Waffen reichlich versehen, in sie gelegt. Was diese Burgen bedeuten, haben die meisten bereits erfahren, und wenn es nicht Gottes Barmherzigkeit und eure Macht verhindern, werden es bald alle wissen. Denn nicht gegen die Heiden, die unser ganzes Grenzgebiet verwüstet haben, sind sie errichtet, sondern mitten in unserem Land, wo ihn niemals jemand zu bekriegen gedachte, wurden sie mit solchem Bollwerk befestigt. Euch, die ihr in der Nähe wohnt, nahmen sie mit Gewalt eure Habe und verschleppten sie in diese Burgen. Eure Frauen und Töchter mißbrauchten sie nach Gefallen zu ihrer Lust. Eure Knechte und euer Zugvieh fordern sie nach Belieben zu ihrem Dienst; ja sogar euch selbst zwingen sie, jede Last – und sei sie noch so schimpflich – auf euren Schultern zu tragen. Aber wenn ich mir in Gedanken vorstelle, was unser noch harrt, erscheint mir alles, was ihr jetzt erduldet, noch erträglich. Wenn er nämlich seine Burgen in unserem ganzen Land erst nach Gutdünken erbaut und sie mit bewaffneten Kriegern und allem übrigen Bedarf ausgerüstet haben wird, dann wird er eure Habe nicht mehr vereinzelt plündern, sondern alles, was ihr besitzt, wird er euch mit einem Schlag entreißen, wird euer Gut an Fremde geben und euch selbst, freie und adlige Männer, unbekannten Menschen als Knechte dienen heißen.“9
Kernpunkt des Vorwurfs, der hier mit beträchtlichem rhetorischem Geschick und Aufwand erhoben wird, ist der Burgenbau Heinrichs in Sachsen und die damit einhergehenden oder unterstellten Beeinträchtigungen sächsischer Freiheiten. Es lohnt sich daher, die Berechtigung dieses Vorwurfs eingehender zu prüfen. In der Forschung hat man lange Zeit die Rechtmäßigkeit dieses Burgenbaus betont. Heinrich habe die Burgen angelegt, um auf diese Weise die Wiedererlangung entfremdeten Reichsguts in die Wege zu leiten und zu sichern. Im Zuge des Übergangs von den Ottonen zu den Saliern sei Reichsgut unrechtmäßig in sächsische Hände gelangt; in der Zeit der Regentschaft sei weiteres verschenkt oder entfremdet worden. Der König habe diesen Prozessen mit seiner Revindikationspolitik gegenzusteuern versucht und sich hierbei vorzugsweise landfremder Burgbesatzungen bedient, bestehend namentlich aus Schwaben. Erstmals erwähnt wird dieser Burgenbau zum Jahre 1067, er soll dem König schon von Erzbischof Adalbert angeraten und vom Baumeister Bischof Benno von Osnabrück geleitet worden sein.10
Was also die Sachsen als Verletzung ihrer Rechte und in zugespitzter Polemik als den Versuch der Verknechtung ganz Sachsens deklarierten, soll in Wirklichkeit die Wiederherstellung alter Königsrechte gewesen sein. Systematische Untersuchungen haben aber deutlich gemacht, dass Verluste von Königsgut im fraglichen Raum kaum in größerem Umfang nachzuweisen sind.11 Und selbst wenn es in den Zeiten der Regentschaften in größerem Umfang zu Schenkungen gekommen sein sollte, war es dann erlaubt, diese Vergabungen gegen den Willen ihrer neuen Besitzer wieder einzuziehen? Wohl kaum. Man wird überdies gegen solche Konstruktionen einwenden dürfen, dass Heinrich IV. sich im Frieden von Gerstungen 1074, der ein von Vermittlern ausgehandelter Ausgleich war, dazu bereit erklären musste, alle Burgen schleifen zu lassen. In diesem ersten Frieden hat man also den Bau der Burgen nicht als gerechtfertigte königliche Maßnahme, sondern als ein zu beseitigendes Gravamen angesehen. Die Argumentation der Sachsen gegen diese Burgen entsprach mit anderen Worten einem verbreiteten Rechtsbewusstsein, dem sich auch der König beugen musste. Bedenkt man, in welch hohem Maße vorherige Könige um die Ehrung und Belohnung ihrer wichtigsten Helfer bemüht gewesen waren, wird schnell einsichtig, dass Zwangsmaßnahmen wie der geschilderte Burgenbau mit allen seinen Folgeerscheinungen von Bedrückungen und Übergriffen kein anderes Ergebnis bringen konnten als eine Vergiftung des politischen Klimas und die Herausforderung von Widerstand.
Auf dem Stammestag zu Hoetensleben setzte sich denn auch die Argumentation Ottos von Northeim durch, unterstützt von einer Reihe weiterer Klagen gegen Heinrich, die vornehme Sachsen aus persönlicher Erfahrung vortrugen. Die bereits existente Schwureinung gegen den König verbreiterte sich zu einer Bewegung, die alle Versammelten umfasste – und das war ein maximus exercitus.12 Dieses Heer wurde ganz bald aktiv und erschien, für den König völlig überraschend, drohend vor der Harzburg, in der sich Heinrich aufhielt. In den notgedrungen eingeleiteten Verhandlungen artikulierten die Sachsen noch einmal, was sie an der Amtsführung des Königs auszusetzen hätten und in welchen Punkten sie auf einer Änderung bestünden. Anderenfalls würden sie gegen ihn einen „gerechten Krieg“ führen. Sie hatten durch ihre drohende Haltung nun endlich erreicht, dass der König und seine Helfer sich auf ihre Beschwerden einlassen mussten. Die sächsischen Forderungen schildert Lampert von Hersfeld in einem langen Katalog, während Bruno im gleichen Zusammenhang nur die Niederlegung der Burgen als sächsische Forderung nennt. Lampert dagegen bringt ein ganzes Bündel von Vorwürfen, das gewiss die Berechtigung zu einem bellum iustum, einem gerechten Krieg, nach den Maßstäben der Zeit lieferte, wenn die Vorwürfe denn auch nur einigermaßen begründet waren. Es ging nun in der Tat, wie man neuerdings formuliert hat, um „das Aufbäumen gegen einen herrscherlichen Zugriff, den man als willkürlich und ungerecht, als die Freiheit beraubend und tyrannisch empfand“.13 Hiergegen richteten sich die folgenden Forderungen der Sachsen:
Sie „verlangten, daß ihnen die Teilnahme an dem vom König geplanten Feldzug gegen Polen erlassen würde. […] Außerdem verlangten sie, er solle die Burgen niederlegen lassen, die er überall auf Bergen und Hügeln zur Vernichtung Sachsens erbaut hatte; er solle ferner den sächsischen Fürsten, deren Güter er ohne gerichtliche Untersuchung eingezogen hatte, auf Grund eines Urteilsspruches ihres Fürstengerichts Genugtuung leisten; er solle Sachsen, wo er schon seit seiner Kindheit residiere und in Müßiggang und Faulheit schon nahezu völlig erschlafft sei, zeitweise verlassen und auch einmal andere Teile seines Reiches aufsuchen; er solle das Gesindel, durch dessen Ratschläge er sich und das Land zugrunde gerichtet habe, vom Hof verjagen und die Verwaltung der Reichsgeschäfte den Fürsten überlassen, denen sie zustehe; er solle auch den Schwarm der Konkubinen verabschieden, denen er gegen die kanonischen Bestimmungen beiwohnte, ohne vor Scham zu erröten, und die Königin, die er sich nach den Satzungen der Kirche zur Genossin des Ehebettes und Mitinhaberin des Thrones erwählt habe, als seine Gemahlin behandeln und lieben; er solle den sonstigen ruchlosen Schändlichkeiten, durch die er als junger Mann die königliche Würde entehrt habe, wenigstens jetzt bei reiferem Verstand und Alter entsagen. Zuletzt baten sie ihn bei Gott, sie nicht zu einem folgenschweren und ungewöhnlichen Vorgehen zu zwingen, sondern ihren berechtigten Forderungen stattzugeben.“14
Zwar steht die Forderung nach Beseitigung der Burgen immer noch an prominenter Stelle dieses Katalogs, sie ist nun aber flankiert von Forderungen teils politischer, teils moralischer Art, die einen tiefen Einblick in die sächsische Auffassung vom Königtum Heinrichs IV. erlauben. Bemerkenswert ist gewiss die Entschiedenheit, mit der die Beratungspraxis des Königs verurteilt wird. Genauso entschieden klingen aber die moralischen Vorwürfe, die Heinrich hinsichtlich seiner Lebensführung gemacht werden.
Was von Lampert hier abstrakt als Forderung der Sachsen formuliert ist, findet sich interessanterweise in konkreten Geschichten wieder, mit denen Brun in seinem Buch vom Sachsenkrieg die Unfähigkeit Heinrichs zur Königsherrschaft zu beweisen versucht. In nicht weniger als zehn Kapiteln bringt der Chronist Beispiele für Heinrichs sexuelle Zügellosigkeiten und seine willkürlichen Mordakte an Vertrauten, die seinen Unwillen erregt hatten. Man wird unabhängig vom Wahrheitsgehalt der einzelnen Geschichten unterstellen dürfen, dass diese von den Sachsen für wahr gehalten wurden. Zusätzlich zu den Vorwürfen wegen des Burgenbaus und der Beratung mit den falschen Leuten gründete der sächsische Widerstand daher auf einem vernichtenden Urteil über die fehlende moralische Integrität des Königs, die man nicht länger zu akzeptieren bereit war.
Brun hatte bereits im ersten Kapitel seines Buches seine Darstellung der Jugend Heinrichs IV. mit einigen durchaus pessimistischen Äußerungen eingeleitet: „Das Dornengestrüpp der Lüste macht ja in dieser Welt selbst denen Mühe, die es durch häufiges Fasten im Innern ausdörren und durch anhaltendes Gebet völlig entwurzeln. Um so üppiger aber wucherte es in ihm [sc. Heinrich], weil weder er selbst, der im ersten Feuer der Jugend brannte und in den Genüssen königlichen Überflusses schwelgte, es aus dem Acker seines Herzens ausjätete, noch irgendeiner wagte, es mit dem Schwert des Tadels zu vernichten; denn der König duldete keine Mahner.“15
In den nächsten Kapiteln konkretisiert Brun dann diese allgemeinen Äußerungen: „Zwei oder drei Konkubinen hatte er zur gleichen Zeit, aber auch damit war er noch nicht zufrieden. Wenn er hörte, jemand habe eine junge und hübsche Tochter oder Gemahlin, befahl er, sie ihm mit Gewalt zuzuführen, wenn er sie nicht verführen konnte. Zuweilen begab er sich auch selbst mit ein oder zwei Begleitern bei Nacht dorthin, wo er solche wußte. Manchmal gelangte er ans Ziel seiner üblen Begierde, manchmal war er auch nahe daran, von den Eltern oder dem Gemahl seiner Geliebten umgebracht zu werden.“16
Es folgt eine phantastische Geschichte, die allen literarischen Ansprüchen an den Erzähltyp vom betrogenen Betrüger gerecht wird: Heinrich habe einen seiner Vertrauten damit beauftragt, die Königin, seine Gemahlin, zu verführen, um diese dann verstoßen oder sogar töten zu können. Die Königin durchschaute nach der Geschichte jedoch die bösen Absichten ihres Gemahls und ließ sich zum Schein auf die Sache ein. Sie nutzte jedoch in der Nacht mit ihren Dienerinnen die Gelegenheit, den König, der Zeuge des Ehebruchs werden wollte, grün und blau zu schlagen, indem man so tat, als verabreiche man dem Verführer die verdiente Tracht Prügel.17
Diese und viele vergleichbare Vorwürfe über Willkürakte Heinrichs und seiner Helfer gehörten also zu den Gravamina, mit denen die Sachsen in die Verhandlungen gingen, die vor der Harzburg stattfanden und die mit dem Ziel geführt wurden, den König entweder zu einer Veränderung seines Verhaltens zu bewegen oder das Joch seiner Herrschaft mit Gewalt abzuschütteln. Geführt haben diese Verhandlungen auf Seiten der Sachsen in erster Linie Otto von Northeim, von Seiten des Königs der Herzog Berthold von Zähringen, der Münsteraner Bischof Friedrich und der königliche Kaplan Siegfried, die jedoch nicht imstande waren, den König zu dem geforderten Einlenken zu bewegen, „so sehr sie sich auch bemühten“.18 Die gegnerischen Chronisten nutzen diese Gelegenheit wieder zu einem massiven Vorwurf an die Adresse Heinrichs: „Da traute er selbst seinen engsten Freunden nicht mehr, weil sie ihm nicht den Rat gegeben hatten, den er hören wollte. Er entfernte sie alle und überlegte ganz allein, was er tun solle.“19
Ergebnis dieser Überlegung war seine heimliche Flucht aus der Harzburg, die er mit wenigen Begleitern unternahm. Drei Tage lang irrten sie durch die dichten Wälder, ehe sie in Eschwege und Hersfeld wieder bekanntes Terrain erreichten und auf die Kontingente der Reichsfürsten stießen, die sich verabredungsgemäß zu dem geplanten Polenfeldzug eingefunden hatten. Heinrich sei dort den Fürsten zu Füßen gefallen, berichten seine Gegner, und habe Klage geführt über „das Verbrechen der Majestätsbeleidigung, das nicht ihn allein betreffe, sondern eine öffentliche Beschimpfung all derer sei, die ihn zum König gewählt hätten […]. Als er so sprach, entlockte er durch seine schmachvollen Erlebnisse wie durch die Ergüsse seiner mitleiderregenden Klage allen Anwesenden Tränen.“20
In der Tat gab es einige Fürsten, die bereit waren, ihre Krieger nun gleich gegen die Sachsen zu führen, um die Beleidigung des Königs zu rächen, doch entschied die Mehrheit offensichtlich behutsamer: Sie trugen „mehr Sorge für ihre eigene Ehre als die des Königs und versprachen ihm Hilfe unter der Bedingung, daß die Sachsen zu einer Verhandlung berufen würden und sie sorgfältig die Sache beider Parteien untersuchen könnten“.21 Heinrich erreichte keine direkte Vergeltungsaktion, sondern nur die Bereitschaft, sich im Oktober erneut zu einem Feldzug gegen die Sachsen einzufinden. Bis dahin blieb einige Zeit für Vermittlungsbemühungen. Die Sachsen selbst nutzten diese Zeit zum einen zu einem Bündnis mit den Thüringern, die ob ihres Zehntstreits mit dem Mainzer Erzbischof nur allzu bereit waren, mit ihren Nachbarn gemeinsame Sache gegen den König zu machen. Zum anderen begannen sie erfolgreich, die verhassten Burgen zu belagern und zu erobern. Durch Austausch mit der Besatzung der Lüneburg kam nun endlich auch Magnus Billung wieder in Freiheit.22
Heinrich IV. trug der misslichen Lage seiner Burgbesatzungen in Sachsen insofern Rechnung, als er die Erzbischöfe von Mainz und Köln beauftragte, in Verhandlungen einen Ausgleich mit den Sachsen zu suchen. Anno von Köln hat sich aus unbekannten Gründen dieser Aufgabe zwar entzogen, doch verhandelte Siegfried von Mainz am 24. August mit den Sachsen in Corvey, und der Ausgang dieser Verhandlungen war einigermaßen überraschend: „Diese [sc. die Sachsen] brachten außer den allgemein bekannten Rechtswidrigkeiten, durch die der König ihnen großen Schaden zugefügt hatte, noch wichtige Gesichtspunkte vor zum Beweis dafür, daß er ohne schwere Schädigung des christlichen Glaubens nicht länger regieren könne; habe er doch gegen seine vertrautesten Freunde, gegen seine Gemahlin, gegen seine eigene Schwester, die Äbtissin von Quedlinburg, und gegen andere, ihm durch Verwandtschaft aufs engste verbundene Personen derartige Schandtaten begangen, daß in einem Gerichtsverfahren nach dem Kirchenrecht ein Urteil auf Ehescheidung, Entzug des Rittergürtels, völligen Ausschluß vom weltlichen Leben und erst recht von der Regierung ergehen müßte. Nach langen Debatten kam schließlich der Beschluß zustande, daß zwölf Bürgen aus ihrem Stamm und zwölf von seiten des Königs gestellt werden sollten, die ihnen sicheres Geleit zu einer Verhandlung mit den übrigen Reichsfürsten gewährleisteten, damit die gegen den König erhobenen Beschuldigungen von diesen untersucht und nach ihrem Urteil darüber entschieden würde, und zwar, wenn es ihnen förderlich erscheine, in Gegenwart des Königs, der dann, wenn er dazu imstande sei, die Anklagen widerlegen könne.“23 Als Termin wurde der 20. Oktober und als Ort der Untersuchung Gerstungen im thüringisch-hessischen Grenzgebiet bestimmt.
Man sieht an diesen Ausführungen, dass die Sachsen ihre Linie, die sittlichen Verfehlungen des Königs zum Thema zu machen und so seine Amtseignung in Frage zu stellen, voll beibehielten. Ihre Argumente wurden allem Anschein nach nun noch konkreter und massiver, denn die vorgebliche Schandtat gegen die Äbtissin Adelheid von Quedlinburg benennt Brun beim Namen – und nach ihm auch andere Autoren: „Nur dieses eine möge hier noch zuletzt angefügt werden, was der gerechte Richter nicht ohne Strafe lassen möge, die Schande nämlich, die er seiner Schwester angetan hat, als er sie mit eigenen Händen niederhielt, bis sie ein anderer auf seinen Befehl und in Gegenwart des Bruders vergewaltigt hatte. Es nützte ihr nichts, daß sie die Tochter eines Kaisers, daß sie seine von beiden Eltern her ausgezeichnete Schwester, daß sie durch den heiligen Schleier Christus anverlobt war.“24
Abb. 3: Quedlinburg. Krypta der ehemaligen Damenstiftskirche St. Servatius. Grabmäler der Äbtissinnen Adelheid I., Beatrix und Adelheid II. (von links).
Es stellt sich hier wohl in besonderer Eindringlichkeit die Frage, ob man eine Aussage über den Wahrheitsgehalt dieser ungeheuerlichen Anschuldigung machen kann. In aller Vorsicht wird man folgende Hinweise für gerechtfertigt halten: Die Anschuldigung war Bestandteil der angesprochenen politischen Verhandlungen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie als unberechtigt oder gar als abwegig verworfen worden wäre. Diese Art von Vorwürfen gegen Heinrich IV. blieb überdies ein Dauerthema seiner Herrschaft und wird uns später wieder beschäftigen.25 Diese Hinweise berechtigen natürlich nicht dazu, die Vorwürfe für wahr zu halten. Sie warnen aber auch davor, sie allzu schnell als Hirngespinste fanatischer Gegner oder als Gerüchte abzutun. Gewiss definiert Isidor von Sevilla es als Wesenszug von Tyrannen, dass sie eine Begierde nach wollüstiger Herrschaft hätten.26 Wenn man also jemand als Tyrannen charakterisieren wollte, lag es nahe, ihn als schamlos darzustellen – und das am besten möglichst drastisch. Es fragt sich aber, ob diese Überlegung allein ausreicht, das Entstehen der zitierten Vorwürfe gegen Heinrich IV. zu erklären. Schließlich wurden sie in Verhandlungen eingebracht, in denen Anhänger des Königs überzeugt werden sollten.
Jedenfalls kann man die Sachlage nur als höchst brisant einstufen, als sich tatsächlich am 20. Oktober 1073 die Parteien wie verabredet zu den entscheidenden Verhandlungen in Gerstungen trafen. Die sächsischen Unterhändler kamen im Schutze einer großen Zahl von Kriegern, während die Vertreter Heinrichs IV., der selbst nicht anwesend war, sondern in Würzburg den Ausgang der Verhandlungen abwartete, eine hochkarätige Delegation darstellten: Zu ihr gehörten die Erzbischöfe Anno von Köln und Siegfried von Mainz, die Bischöfe Hermann von Metz und Hermann von Bamberg sowie die Herzöge Gozelo von Lothringen, Rudolf von Schwaben und Berthold von Kärnten. Man kann also ohne jeden Zweifel sagen, dass in dieser Krisensituation die ranghöchsten Reichsfürsten die Initiative übernommen und ihr Gewicht in die Waagschale geworfen haben.27
Wir haben für diese Verhandlungen nun die exzellente Möglichkeit, auch die Bewertung der Seite Heinrichs IV. in die Interpretation einzubeziehen, denn auch das Preisgedicht auf Heinrichs Sieg im Sachsenkrieg kommt ausführlich auf die Verhandlungen von Gerstungen zu sprechen.28 Es schildert die Vorbereitungen zu den Verhandlungen mit dem Versprechen der Sachsen, den Rat der Großen des Reiches zur Wiederherstellung von Frieden und Eintracht befolgen zu wollen: „Ihr, die ihr für das Reich sorgt, Getreue des Königs, daß ihr eure Hilfe einsetzt zum Wohle des Friedens und durch euren Rat Gefahr vermieden wird, ist die Hoffnung der Unsrigen. Sie wollen ihm stets folgen und bekennen, sich gegen den König vergangen zu haben. Doch gemäß eurem Befehl wollen sie dies sühnen, wie es dem König gefällt. Gewährt also den Bittenden nur diese Gnade, mit euch zusammenzutreffen und euch die Sache der Reihe nach zu erläutern, und beschließt, was ihr ihnen befehlen wollt.“29
Auch die gegnerische Stimme akzentuiert also den Versuch der Sachsen, die Fürsten durch Argumente von der Rechtmäßigkeit der eigenen Position zu überzeugen. Sie verurteilt dies zwar als List und Ränkespiel, kann aber nicht verhehlen, dass es erfolgreich war: „Die Bischöfe also, die Vornehmsten, Grafen und Herzöge, trafen mit den Sachsen auf dem Feld zusammen. Manche Klage führten die Sachsen über den König, bald auch erinnerten sie an die oben genannten Beschwerden, daß sie nur gereizt begonnen hätten, solches zu betreiben. Mit solchem Ränkespiel brachten sie die Fürsten vom rechten Weg ab, so daß jeder ihr Beginnen billigte und sie die feste Zusicherung gaben, den König zu mahnen, daß er ihnen das Recht der Väter zurückgebe und das Vorgefallene verzeihe. Wenn er das aber nicht wolle, würden sie ihnen, die gerechte Forderungen erhöben, nicht schaden. Durch welche Künste jedoch sich die Fürsten verleiten ließen, daß sie jenem Volk damals die verbrecherische Zustimmung gaben, das soll an anderer Stelle offenbar werden – möge mir Leben und Gesundheit erhalten bleiben.“30
Letzteres Versprechen hat der Autor nicht eingelöst, wir wissen nicht, welche Künste es waren, die die Sachsen anwandten. Die Ausführungen bieten aber einen Schlüssel zum Verständnis der Verhandlungen, denn sie bezeugen klar, dass die Sachsen mit ihren Argumenten die Fürsten des Reiches überzeugten, sich für die Gerechtigkeit der sächsischen Sache beim König einzusetzen und ihn zu zwingen, den Konflikt ohne Schaden für die Sachsen zu beenden und überdies seine bisherige Politik vollständig zu revidieren. Dieses Eingeständnis des königlichen Panegyrikers korreliert vollständig mit den Bewertungen, die die sächsischen Autoren von den Verhandlungen in Gerstungen und ihren Ergebnissen überliefern. Die Sachsen haben in der Tat in den Verhandlungen die Fürsten der königlichen Seite überzeugt, und diese haben Friedensbedingungen zugestimmt und in der Folge auch durchgesetzt, die eine weitgehende Aufgabe der bisherigen Politik Heinrichs bedeuteten. Die eindringlichste und zugleich in der Sache extremste Version bietet Lampert: „Die sächsischen Fürsten baten die Abgesandten des Königs fußfällig um Gottes Willen, bei der Behandlung ihrer Sache genau zu prüfen und gerecht zu richten und dabei nicht in Betracht zu ziehen, was für ein folgenschweres und im Reich ungewöhnliches Unternehmen sie in Angriff genommen, sondern durch welche Notlage sie zu diesem Äußersten gezwungen worden seien. Als ihnen dann das Wort erteilt wurde, legten sie nacheinander dar, was für abscheuliche Verbrechen der König gegen jeden einzelnen wie gegen ihren ganzen Stamm begangen habe und durch welche unerhörten Schandtaten er außerdem noch die Majestät des königlichen Namens befleckt habe. Da staunten die vom König abgeordneten Fürsten, und wegen der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen klangen, wie der Prophet sagt, allen die Ohren, und sie meinten nun, daß die Sachsen nicht deshalb zu tadeln seien, weil sie für ihre Freiheit, für Frau und Kind zu den Waffen gegriffen, sondern weil sie mit weibischer Geduld unerträgliche Schmach so lange ertragen hätten. Drei volle Tage lang hielten sie nun Rat und erwogen in gemeinsamer Bemühung, was zu tun sei; schließlich beschlossen sie einstimmig, den König abzusetzen und einen anderen zu wählen, der für die Regierung des Reiches tauglich sei. Man beschloß jedoch, dies nicht vorzeitig der Öffentlichkeit preiszugeben.“31
In der Forschung ist vor allem der letzte Teil der Ausführungen Lamperts auf Skepsis gestoßen, da Aktivitäten zur Wahl eines neuen Königs in der Folgezeit gänzlich ausblieben. Der Kern seines Berichts, die Übereinstimmung der Sachsen und der Fürsten, ist dagegen nicht anzuzweifeln, da er durch die folgende Entwicklung bestätigt wird. Die nächsten Monate sahen nämlich eine Fülle verdeckter Bemühungen, den König dazu zu bewegen, in den Frieden einzuwilligen, und Versuche des Königs, doch noch ein Heer gegen die Sachsen zusammenzubringen und den Konflikt militärisch zu entscheiden.
In die Wintermonate fällt ein aufsehenerregendes Ereignis, das die Hektik und das allseitige Misstrauen schlagend verdeutlicht. Ein Vertrauter des Königs namens Reginger ging plötzlich mit der Beschuldigung an die Öffentlichkeit, Heinrich IV. habe ihn dazu veranlassen wollen, die Herzöge Rudolf und Berthold zu ermorden.32 Zum Beweis der Richtigkeit seiner Beschuldigung bot er, wie einstmals Egino, an, in einem Zweikampf mit dem König oder einem Stellvertreter zu beweisen, dass die Anschuldigung wahr sei. In der Tat wurde ausgemacht, dass Reginger zu einem bestimmten Termin mit einem Vertreter des Königs, Ulrich von Godesheim, die Sache im Gottesurteil des Zweikampfes austragen solle. Wenige Tage vor dem Termin wurde dieser Reginger jedoch „von einem bösen Dämon befallen und starb eines grauenvollen Todes“. Die Wirkung dieser Geschichte auf das Verhältnis des Königs zu den genannten Herzögen und weit darüber hinaus kann man sich leicht ausmalen. Und es fragt sich, ob der mysteriöse Tod dieses Reginger geeignet war, den Verdacht, er habe die Wahrheit gesagt, zu zerstreuen.33
So kam es dann zwar dazu, dass sich Truppen Heinrichs IV. und der Sachsen im tiefsten und bitterkalten Winter 1074 feindlich gegenüberstanden. Doch zwangen nun die Fürsten in seinem Heer Heinrich IV. dazu, in einen friedlichen Ausgleich einzuwilligen, in dem die wesentlichen sächsischen Forderungen erfüllt wurden. „Deshalb mußte der König auf Geheiß seiner Fürsten zu den Sachsen schicken und ihnen versprechen, alles zu tun, was sie ihm vorschreiben würden, wenn sie ihm nur die vom Vater vererbte Würde nicht versagen wollten […]. Darauf überredeten Herzog Otto und andere, denen große Versprechungen gemacht worden waren, die übrigen, den König unter folgenden Bedingungen wieder anzuerkennen: Er müsse seine Burgen zerstören und dürfe sie nie wieder herstellen; er dürfe ihr Land nicht mehr plündern und müsse in Sachsen alle Anordnungen nach dem Rat der Sachsen treffen; er dürfe keinen Mann aus fremdem Stamm als Berater bei ihren Angelegenheiten hinzuziehen und sich niemals an einem von ihnen wegen seiner Vertreibung rächen.“34 Heinrich willigte in diesen Frieden ein, der nichts anderes als einen vollständigen Verzicht auf seine bisherigen Positionen und eine totale Niederlage bedeutete, die ihm wesentlich von den eigenen Großen bereitet worden war.35
Man kann und muss also von einer ersten Phase der Sachsenkriege sprechen, nach der durch das Eingreifen der Reichsfürsten die sächsischen Forderungen in einem Friedensschluss akzeptiert wurden und vor allem die Zerstörung der Burgen von Heinrich zugesagt wurde. Damit war ein ziemlich eindeutiges Urteil über die bisherige Politik des Königs gefällt. Ohne dass es zu einer Schlacht gekommen wäre, hatten die Regeln gütlicher Konfliktbeilegung gegriffen, die Fürsten hatten als Vermittler die Verantwortung für den Frieden übernommen und die sächsischen Forderungen als gerechtfertigt anerkannt.36 Diese Tatsache ist deshalb hervorzuheben, weil ein gutes Jahr später Heinrich IV. mit Hilfe eben dieser Fürsten in der Lage war, die Sachsen militärisch zu besiegen und zur Unterwerfung zu zwingen. Was hat diesen Umschlag bewirkt?
Heinrich hatte, wie kaum anders zu erwarten, mit der versprochenen Zerstörung seiner Burgen nur zögerlich begonnen. Dies führte dazu, dass Sachsen im Falle der Harzburg die Sache in eigene Hände nahmen und es bei der Zerstörung zu Freveltaten kam, die eine neue Lage schufen. Da dies selbst die sächsischen Quellen berichten, gibt es über den Tatbestand wenig Unklarheiten: „Als die Bauern indessen den Ort in ihre Gewalt bekommen hatten, von dem sie seit langer Zeit viel Böses erduldet, kümmerten sie sich nicht mehr um die Befehle, sondern taten, was schon längst ihr Wunsch war, und ließen nicht eher von der Zerstörung ab, als bis sie keinen Stein mehr auf dem anderen sahen. […] Die Boten des Königs wagten kein Wort zu sagen, da die Bauern auch sie, falls sie einen Einspruch versuchten, mit dem Tode bedrohten. Infolgedessen rissen sie auch die Stiftskirche […] bis auf die Fundamente nieder, plünderten den ganzen dort zusammengebrachten Schatz, […] gruben den Sohn und den Bruder des Königs, die dieser dort bestattet hatte, aus und zerstreuten ihre Gebeine wie gemeinen Unrat und ließen durchaus nichts von der Burg übrig.“37
Die Versuche der sächsischen Fürsten, den Kirchen- und Grabfrevel, bei dem es nichts zu entschuldigen gab, allein sächsischen Bauern anzuhängen, fruchteten nichts. Heinrich IV. nutzte die Gelegenheit entschlossen, dem ganzen sächsischen Stamm den Bruch des Friedens anzulasten und von den Fürsten Rache für diese ungeheuerliche Verletzung der Majestät zu fordern: „Er versammelte also die Fürsten jener Lande, warf sich bald vor den einzelnen, bald vor der ganzen Versammlung demütig zu Boden und erhob Klage, daß das Unrecht, das ihm früher mit seiner Vertreibung zugefügt worden sei, ihm nun unbedeutend erscheine, dieses neue aber dagegen groß und unsühnbar. […] Seinen Bruder und seinen Sohn, beide Söhne von Königen, hätten sie in Mitleid erregender Weise aus ihren Gräbern gerissen und ihre Glieder in alle Winde zerstreut. Das Entsetzlichste sei aber, daß sie die Reliquien der Heiligen mit entweihender Hand von den geweihten Altären gerissen und wie Unrat auf unheilige Stätten zerstreut hätten. Das alles brachte er unter Tränen vor, dann küßte er jedem die Füße und bat, sie möchten wenigstens die Gott und seinen Heiligen angetane Schmach nicht ungestraft lassen, wenn sie schon das ihm selbst zugefügte Unrecht nicht rächen wollten.“38
Der König wusste ganz offensichtlich, dass ihn die sächsischen Übergriffe in eine gänzlich neue Lage gebracht hatten, und nutzte dies zielstrebig mit allen argumentativen und rituellen Mitteln aus. Tränen, Fußfälle und sogar Fußküsse dienten dazu, die Dringlichkeit seiner Bitten den Fürsten vor Augen zu führen.39 Die Frevel bedeuteten in der Tat einen Bruch des Friedens, und dieser Argumentation hat man sich im Reich nicht entzogen, auch wenn die sächsischen Quellen voll von Entschuldigungen und Angeboten von Genugtuung für das Unrecht sind, mit denen die sächsischen Großen die Lage retten wollten. Wer einen von Vermittlern ausgehandelten und garantierten Frieden brach, konnte nicht damit rechnen, dass die Sache danach ein zweites Mal gütlich geregelt wurde, sondern musste in Kauf nehmen, dass nun die Waffen sprachen. Heinrich hatte alle Gewohnheiten auf seiner Seite, wenn er jetzt gerade von denen, die für den ersten Frieden verantwortlich waren, Unterstützung bei seiner Rache forderte. Geradezu triumphierend schildert das Preislied auf Heinrich IV., welche Wirkung der Frevel hatte: „Die Kunde der Tat verbreitete sich und erfüllte das ganze Reich. Von den grausamen Taten der gottesschänderischen Sachsen, den neuen Listen und den Verletzungen des Friedensvertrages waren alle erschüttert. Die Fürsten sogar klagten sich mit eigener Stimme an, sie hätten schon früher gehört, daß das Volk gottlos sei, durch List täusche und Rechte des Königs verneine. Jedes Geschlecht und Alter verfluchte sie alsbald. Sobald der große König von diesem Verbrechen hörte, er, der überaus milde, tapfer im Kampf, da brannte sein Herz, vom Eifer für die Gerechtigkeit entflammt, und Zorn entflammte ihn gegen solche Anmaßung. Wilder Grimm entbrannte in seinem gerechten Herzen, nicht daß seine, sondern daß Gottes Rechte verletzt, schmerzte ihn. Er befahl, die Macht des Reiches aufzubieten, und bewaffnete das Heer, um sich energisch auf die Feinde zu stürzen.“40 In der Folge wird der Autor dann nicht müde aufzuzählen, wer von den Großen und welche Städte und Stämme sich beeilten, das Heer des Königs zu vergrößern.
In der Tat kann man von einem massiven Umschlag der Stimmung zugunsten Heinrichs sprechen, der durch den Kirchen- und Grabfrevel ausgelöst worden war. Heinrich machte sich diesen Umschwung zunutze, wies alle Versuche der sächsischen Fürsten, erneut in Verhandlungen einzutreten, ab und forderte deren bedingungslose Unterwerfung. Angeblich hat er die Reichsfürsten eidlich verpflichtet, keinen Kontakt mit sächsischen Unterhändlern zu pflegen und sie in keiner Weise mit ihrem Rat zu unterstützen. Der König hielt sich strikt an die Maxime, dass nach einem Friedensbruch nicht erneut verhandelt wurde, bevor nicht die Waffen gesprochen hatten.41
Bis zur Schlacht von Homburg, die am 9. Juni 1075 stattfand, scheint es in der Tat keine Kontakte zur friedlichen Beilegung des Konflikts gegeben zu haben. Zugespitzt formuliert, akzeptierten die Großen des Reiches Heinrichs Drängen nach Rache und fühlten sich verpflichtet, ihn bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Ein großes Reichsheer schlug denn auch die Sachsen in dieser Schlacht vernichtend, wobei es bemerkenswert ist, wie gering die Verluste des sächsischen Adels waren, während die an der Schlacht beteiligten Kontingente des sächsischen Volkes im wahrsten Sinne des Wortes abgeschlachtet wurden. Lampert von Hersfeld beschönigt hier nichts: „Die sächsischen Fürsten und Edlen mit Ausnahme von zweien aus dem mittleren Adel entkamen alle lebend und unverletzt, da ihnen die Ortskenntnis, die dichte Verfinsterung der Luft und die Schnelligkeit ihrer Rosse trefflich zustatten kamen. Aber gegen das gemeine Fußvolk, das während des Reiterkampfes noch im Lager geblieben war, wütete die feindliche Unmenschlichkeit so über alles Maß und alle Schranken hinaus, daß sie, alle christliche Ehrfurcht vergessend, Menschen abschlachteten wie Vieh.“42 Es dürfte kaum überraschend sein, dass sich an der Frage des Verhaltens in dieser Schlacht später massive Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Ständen des sächsischen Volkes entzündeten. Es scheint in der Tat so gewesen zu sein, dass der Adel seine rangniederen Bundesgenossen im Stich ließ.43
Trotz beträchtlicher eigener Verluste auch unter dem Adel war jedenfalls das Heer Heinrichs IV. eindeutiger Sieger in dieser Schlacht, und Heinrich bot sich infolge des Sieges die Möglichkeit zu einem kriegerischen Einfall in Sachsen, der ihn bis Halberstadt führte. Es dürfte symptomatisch sein, dass sich in dieser Situation der ranghöchste sächsische Bischof, Erzbischof Werner von Magdeburg, mehrfach brieflich an bischöfliche Amtsbrüder wandte, um nun erneut für friedliche Lösungen des Konfliktes zu werben.44 Heinrich versuchte sich solchen Versuchen lange Zeit zu verweigern und führte im Oktober 1075 erneut ein Heer gegen die Sachsen, das allerdings nicht die gleiche imposante Stärke aufwies wie dasjenige im Sommer, denn die „Herzöge […] Rudolf von Schwaben, Welf von Bayern und Berthold von Kärnten hatten dem König die erbetene Hilfe abgeschlagen, weil, wie sie sagten, das viele im vorigen Feldzug unnütz vergossene Blut sie reue, und weil sie auch Anstoß nahmen an dem harten, unversöhnlichen Sinn des Königs, dessen Zornesglut weder die Tränen der Sachsen noch die Thüringens Gefilde überschwemmenden Blutströme hätten löschen können“.45
Beide Gewährsleute der sächsischen Positionen konzentrieren sich nun darauf zu zeigen, dass Heinrich alles daransetzte, seine militärische Kraft zu nutzen, um die Sachsen endgültig „in Knechtschaft zu bringen“. Währenddessen bemühten sich die Sachsen immer wieder, mit den Heinrich unterstützenden Reichsfürsten Verhandlungen zu beginnen, um Bedingungen der Unterwerfung und des Friedensschlusses festzulegen. Gerade Lampert schildert diese Bemühungen in aller Eindringlichkeit und arbeitet dabei heraus, welches Misstrauen gegen den König und welche Furcht vor seiner Wortbrüchigkeit sowohl bei den Sachsen als auch bei den Reichsfürsten selbst geherrscht hätten, eine Einschätzung, die sich nach seiner Darstellung letztlich auch als voll gerechtfertigt erwies. „Der König aber lehnte [Verhandlungen] ab, seine Fürsten seien aus so entfernten Teilen des Reichs nicht zusammengeströmt, um Urteile zu fällen, sondern um mit bewaffneter Hand von den Feinden Rechenschaft zu fordern für die sie alle gemeinsam angehenden Gewalttätigkeiten gegen das Reich. Schließlich aber preßten die flehentlichen Bitten der Gesandten dem König doch mit Mühe und Not die Einwilligung dazu ab; doch nun war unter den Fürsten keiner, der bereit war, dieses Amt [des Vermittlers] zu übernehmen, denn jeder fürchtete, entweder vom König wegen Untreue gebrandmarkt zu werden, wenn er mit den Sachsen zu milde verführe, oder von den Sachsen durch den Vorwurf der Lüge entehrt zu werden, wenn er ihnen Verzeihung für ihre Vergehen in Aussicht stellte, die sie, wie sie unzweifelhaft wußten, vom König doch nie erlangen würden.“46
In dieser Atmosphäre fanden schließlich dennoch Verhandlungen bei Nordhausen statt. Wieder bildeten Erzbischöfe und Bischöfe sowie der Herzog Gottfried von Niederlothringen die hochrangige Gruppe der Reichsfürsten, die mit den Sachsen über den Friedensschluss und seine Bedingungen verhandelte. Wieder gaben sich angeblich die Sachsen ganz in die Hand dieser Reichsfürsten und vertrauten auf ihren Schutz: „Sie seien […] fest entschlossen, alles zu tun, was sie bestimmen, raten, befehlen würden […].
Darauf erwiderten die Gesandten, sie mißbilligten die Ursache, aus der sie anfangs die Waffen gegen den König erhoben hätten, nicht völlig, auch billigten sie nicht den zu ihrer Vernichtung hartnäckig entschlossenen Sinn des Königs und seinen zähen Haß; darin aber stimmten alle Fürsten des Reichs überein, daß sie dem König für ihre im Reich unerhörte und in den vielen vergangenen Jahrhunderten noch nie vorgekommene Freveltat nur dadurch Genugtuung leisten könnten, daß sie sich ohne jede Einschränkung ergäben; täten sie dies auf ihren Rat hin, dann würden sie dafür sorgen, daß sie infolge ihrer Unterwerfung nichts erlitten, was ihrem Leben, ihrer Ehre, ihrem Vermögen abträglich wäre.“47
Was hier als Lösung des Konflikts anvisiert und in Aussicht gestellt wird, ist eine bedingungslose Unterwerfung mit der allerdings sicheren Hoffnung, dass Leben, Ehre und Besitz unangetastet bleiben würden, und das hieß, dass keine wirkliche Bestrafung stattfand. Solche Kompromisslösungen sind nicht selten bezeugt; sie hatten den unschätzbaren Vorteil, dass sie allen Seiten Vorteile brachten und zugleich das Gesicht aller Beteiligten wahrten. In diesem Falle bestanden nach den Gewährsleuten aber erhebliche Zweifel, ob sich der König auf einen solchen Kompromiss einlassen würde. Deshalb machten die Vermittler den Vorschlag, „sie würden daher zum König gehen, um zu erkunden, ob sie ohne Gefahr, desavouiert zu werden, ihr Wort geben und Verzeihung versprechen könnten, und was sie erkundet hätten, würden sie ihnen am nächsten Tage berichten“.48
Angeblich stimmte Heinrich allen Vereinbarungen freudig zu, ein Gerücht behauptete sogar, er habe sich eidlich dazu verpflichtet.49 Mehrfach mussten die Unterhändler dann aber alle ihre Überzeugungskraft aufwenden, da das Misstrauen gegen den König bei den Sachsen zu tief saß, ehe diese in die vereinbarte Unterwerfung einwilligten, die dann in dem Ritual der deditio vollzogen wurde: „Am folgenden Tage nahm der König zu ihrem Empfang in der Mitte eines sich weithin dehnenden Feldes bei Spier Platz, das ganze Heer war zu diesem Schauspiel [spectaculum] feierlich entboten worden, und zwischen den in dichten Reihen aufgestellten Truppenmassen war ein leerer Raum, wo sie vom ganzen Heer gesehen werden konnten, wenn sie ihn durchschritten. Nun werden der Reihe nach zuerst die sächsischen und thüringischen Fürsten herbeigeführt, Erzbischof Wezel von Magdeburg, Bischof Bucco von Halberstadt, der ehemalige Bayernherzog Otto, Herzog Magnus von Sachsen, dessen Oheim Graf Hermann, Pfalzgraf Friedrich, Graf Dietrich von Katlenburg, Graf Adalbert von Thüringen und die Grafen Rüdiger, Sizzo, Berengar und Bern; dann alle Freigeborenen, die durch den Glanz ihres Geschlechts oder Reichtums auch nur ein wenig im Volke hervorragten, und, wie vereinbart, unterwarfen sie sich dem König ohne jeden Vorbehalt. Der König übergab sie einzeln seinen Fürsten zur Verwahrung, bis in einer gemeinsamen Beratung über sie entschieden würde, aber schon kurz danach brach er den Vertrag, mißachtete alle Eidesbande, durch die er sich verpflichtet hatte, und ließ sie nach verschiedenen Orten in Gallien, Schwaben, Bayern, Italien und Burgund bringen.“50
Es kam also genau so, wie es die Sachsen befürchtet hatten. Heinrich bewies einmal mehr, dass ihm nicht zu trauen war und dass er seine Zusagen nicht einhielt. Von Reaktionen der durch diese Handlungsweisen desavouierten Fürsten, auf die sich die Sachsen verlassen hatten, ist nichts bekannt. Da aber selbst das Preislied auf Heinrichs Sieg mit einem Appell an die Milde des Königs endet, kann man wohl davon ausgehen, dass seine Behandlung der Sachsen keine ungeteilte Zustimmung fand: „Als nun der König mit seinem Heer heranzog, suchten gerade die Mächtigen der Sachsen demütig sein Lager auf, […] sie legten die Waffen nieder und beugten die stolzen Nacken, barfüßig ergaben sich alle in demütiger Bitte bedingungslos dem König. Unbesiegter König, siehe, nun hast du den gewohnten Triumph, und deine Zügel zu tragen, hast du das zügellose Volk gelehrt. Wie in der Tapferkeit, so laß auch in der Milde deine Ahnen in dir wieder auf leben. Erhabener König, und erbarme dich derer, die am Boden liegen. […] Nun zeige denen, die jetzt zu dir flehen oder es in Zukunft noch tun, was sie von dir zu hoffen haben, wenn sie sich dir, milder König, ergeben.“51
Heinrich stand am Ende der ersten großen Auseinandersetzung mit den Sachsen als der unbestrittene Sieger da. Ob aus diesem Sieg aber stabilere Verhältnisse erwachsen würden, hing gewiss nicht zuletzt vom Verhalten des Siegers ab, von dem man ganz vorrangig Milde erwartete. Ihr Ausbleiben konnte zu einer schweren Hypothek werden, denn diese Milde war nicht in das Belieben des Herrschers gestellt, sondern hatte die Qualität eines gerechten Anspruchs derjenigen, die sich zur Unterwerfung bereit fanden. Im Übrigen darf nicht vergessen werden, dass Heinrich die so bitter nötige Unterstützung der Reichsfürsten für seine Politik gegen die Sachsen erst erhielt, als es zum Friedensbruch durch die Sachsen gekommen war. Der Rechtmäßigkeit einer wie immer begründeten Revindikationspolitik gegenüber den Sachsen hatten die Fürsten zuvor eine klare Absage erteilt, und es gab keinen Grund, dieses Urteil zu revidieren. Viel kam nun darauf an, wie Heinrich sich in der Zukunft gegenüber dem sächsischen Volk und vor allem gegenüber den gefangenen Großen verhalten würde.
1 Dieser Konflikt ist in der Forschung vielfach behandelt worden; vgl. aus den letzten Jahrzehnten vor allem Fenske, Adelsopposition, passim; Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 32–57, 148–182; Suchan, Königsherrschaft im Streit, bes. S. 61ff. und S. 90ff.; Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 278–287; Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 18–26; Schubert, Königsabsetzung, S. 119ff. jeweils mit weiteren Hinweisen.
2 Suchan, Königsherrschaft im Streit, bes. S. 176f., 179f. und 274ff. und ich selbst (Althoff/Coué, Pragmatische Geschichtsschreibung und Krisen, S. 95–130, hier I. Zur Funktion von Brunos Buch vom Sachsenkrieg, S. 95–107, bes. S. 104, 106f.) haben darauf abgehoben, dass diese Argumente in mündlichen Verhandlungen über den König benutzt werden sollten. Die Kritik, die Eggert (Wie „pragmatisch“ ist Brunos Buch vom Sachsenkrieg?, bes. S. 545ff.) an dieser Einschätzung übt, geht von verfehlten Voraussetzungen aus, weil ich nie daran gedacht habe, dass der konkrete Text Brunos bei den Verhandlungen 1081 im Kaufunger Wald eine Rolle spielte. Vielmehr gehe ich davon aus, dass mehrfache Versuche der Gegner Heinrichs IV., über die angeblichen Untaten des Königs mit seinen Anhängern zu beraten, dazu führten, dass man das Wissen um diese Untaten verschriftlichte – ein Reservoir, aus dem dann auch Brun für sein Buch vom Sachsenkrieg schöpfte. Siehe dazu ausführlicher unten Kap. VI.1.2.
3 Vgl. etwa die zahlreichen Dissertationen zu diesem Thema im 19. Jahrhundert; siehe dazu schon Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, Exkurs, S. 791–853.
4 Diese Versuche hat Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 64f. dokumentiert, sie fanden etwa in Corvey oder Gerstungen statt.
5 Vgl. etwa unten bei Anm. 23ff. (Corvey und Gerstungen) und bei Kap. IV.2 Anm. 54ff. (Tribur).
6 Vgl. Bruno, De bello Saxonico, cap. 23, S. 27f.
7 Annales Altahenses, a. 1073, S. 85: Cumque malum hoc cresceret de die in diem, et rex in Goslare ageret principis apostolorum festivitatem, plures Saxonici principes illo devenere, si finem his malis possent impetrare. Qui post aliquot dies, vix intromissi ad regis praesentiam causaque dicta, sine honore et certo responso regrediuntur ad propria.
8 Bruno, De bello Saxonico, cap. 23, S. 28.
9 Bruno, De bello Saxonico, cap. 25, S. 28f. Der Burgenbau und seine Folgen, wie sie hier angesprochen werden, gelten sicher zu Recht auch in der modernen Forschung als die Hauptursachen der Erhebung der Sachsen; vgl. zuletzt Robinson, Henry IV of Germany, S. 77.
10 Vita Bennonis, cap. 9, S. 388ff. Vgl. dazu ausführlich Fenske, Adelsopposition, S. 24, 28f.; Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 151–154; ders., Reichsstrukturprobleme, S. 287f.; zuletzt Robinson, Henry IV of Germany, S. 86; allgemein Brachmann, Zum Burgenbau salischer Zeit zwischen Harz und Elbe. Zum Einfluss Adalberts auf Heinrich IV. siehe unten Kap. VI.4.
11 Für die ältere Forschungsmeinung vgl. Baaken, Königtum, Burgen und Königsfreie, S. 77f., 81–84; ansonsten die Arbeiten von Krabusch, Untersuchungen zur Geschichte des Königsgutes unter den Saliern; Wilke, Das Goslarer Reichsgebiet und seine Beziehungen zu den territorialen Nachbargewalten, S. 24f.; siehe dazu jetzt Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 263ff.; ders., Königsabsetzung, S. 129ff.
12 Diese Einschätzung bietet Bruno, De bello Saxonico, cap. 26, S. 30.
13 Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, S. 119.
14 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 151f.: […] postulantes, ut expeditio, quam in Polenos instituerat, sibi remitteretur; […] Preterea postulant, ut castella, quae ad eversionem Saxoniae per singulos montes colliculosque extruxerat, dirui iuberet; ut principibus Saxoniae, quibus sine legittima discussione bona sua ademerat, secundum principum suorum iurisdictionem satisfaceret; ut relicta interdum Saxonia, in qua iam a puero residens ocio atque ignavia pene emarcuisset, etiam alias regni sui partes inviseret; ut vilissimos homines, quorum consilio seque remque publicam precipitem dedisset, de palacio eiceret et regni negocia regni principibus, quibus ea competerent, curanda atque administranda permitteret; ut abdicato grege concubinarum, quibus contra scita canonum attrito frontis rubore incubabat, reginam, quam sibi secundum ecclesiasticas traditiones thori sociam regnique consortem delegisset, coniugali loco haberet et diligeret; ut caetera flagiciorum probra, quibus dignitatem regiam adolescens infamaverat, nunc saltem maturato sensu et aetate abdicaret. Postremo per Deum rogant, ut iusta postulantibus sponte annueret nec sibi magni cuiusquam atque inusitati facinoris necessitatem imponeret.
15 Bruno, De bello Saxonico, cap. 1, S. 14.
16 Bruno, De bello Saxonico, cap. 6, S. 16.
17 Bruno, De bello Saxonico, cap. 7, S. 17.
18 Siehe dazu Bruno, De bello Saxonico, cap. 27, S. 31.
19 Bruno, De bello Saxonico, cap. 27, S. 31: […] ipse iam nec amicis familiaribus, quia non, ut volebat, sibi consilium dederant, fidem habuit, sed omnibus semotis solus secum, quid ageret, deliberans […].
20 Detailliert berichten Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 156f. und Bruno, De bello Saxonico, cap. 27, S. 31f.
21 Bruno, De bello Saxonico, cap. 30, S. 33.
22 Zu den Einzelheiten dieser frühen Phase der Auseinandersetzung siehe Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 250–255, 264f.
23 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 162: Sed illi econtra preter vulgatas ubique iniurias suas, quibus ab eo vehementer attriti fuerant, graves causas afferebant, quibus probarent eum sine magna christianae religionis iactura non posse ulterius regnare, ea scilicet in familiarissimos amicos, ea in uxorem, ea in sororem propriam, abbatissam de Quidelenburc, ea in alias personas naturae necessitate sibi coniunctissimas facinora patrasse, quae si secundum ecclesiasticas leges iudicarentur, et coniugium et miliciae cingulum et omnem prorsus seculi usum, quanto magis regnum, abdicare censeretur. Longis itaque contentionibus ad hunc finem postremo res deducta est, ut decernerent XII ex sua gente, XII ex parte regis obsides dari, quorum fide interposita ipsi tuto ad colloquium venire possent cum caeteris principibus regni, ut causae, quas adversus regem afferrent, eorum iudicio discuterentur et terminarentur, ipso rege, si ita expedire videretur, presente et crimina, quae obicerentur, si posset, refellente.
24 Vgl. Bruno, De bello Saxonico, cap. 9, S. 18: […] quod in eo iustus iudex inultum non relinquat, ignominia videlicet, quam sorori suae fecit, quod eam manibus suis depressam tenuit, donec alius ex ipsius iussu coactus fratre praesente cum ea concubuit; cui non profuit, quod imperatoris filia, quod ipsius ex utroque parente soror unica, quod sacro capitis velamine Christo fuerat desponsata; vgl. dazu auch Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 162; Annales s. Didibodi, a. 1075, S. 6f. Siehe dazu bereits Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 348f.; jüngst Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 274f.
25 Siehe dazu unten Kap. VI.1.4.
26 Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae, lib. 9, cap. 3, § 20: Iam postea in usum accidit tyrannos vocari pessimos atque inprobos reges, luxuriosae dominationis cupiditatem et crudelissimam dominationem in populis exercentes.
27 Vgl. hierzu zuletzt Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 21ff. Zu den Verhandlungen siehe bereits eingehend Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 64f.; außerdem Giese, Der Stamm der Sachsen, S. 157; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 287ff.
28 Zu diesem Carmen de bello Saxonico siehe Schluck, Vita Heinrici, bes. S. 30ff.
29 Carmen, lib. 2, S. 8, v. 13–22: O provisores regni regisque fideles,/Auxiliis vestris usi per prospera pacis,/Haec et consilio vitare pericula vestro/Sperant nostrates. Cui parent usque volentes,/Adversus regem se deliquisse fatentur./Sed quocunque modo vos vultis sive iubetis,/Utque placet regi, sunt haec purgare parati./Hanc igitur veniam prestate petentibus unam,/Ut vos conveniant, rem vobis ordine pandant;/Et decernatis, quid vos sibi precipiatis.
30 Carmen, lib. 2, S. 8f., v. 32–44: Pontifices igitur, primi comitesque ducesque/Conveniunt iuncti Saxonibus aequore campi./Plurima Saxones de domno rege querentes,/Nunc supradictas etiam meminere querelas,/Qualiter impulsi cêpissent talia niti;/Compositisque dolis sic pervertere potentes/Ex aequo, ceptum quo quisque probaret eorum,/Astringantque fidem se regem commonituros,/His ut ius patrium reddat, commissa remittat;/Si nollet, se iusta petentibus haud nocituros./Sed quibus inducti primates artibus illi/Genti consensum tunc prebuerint scelerosum,/Hoc alias patefit, mihi vita salusque supersit.
31 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 165.
32 Vgl. dazu am ausführlichsten Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 166ff.; andere Erwähnungen des Vorfalls bietet Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 291–297, 307–309.
33 Interessanterweise hat keine gegnerische Stimme den eigenartig plötzlichen Tod Regingers dazu genutzt, den Vorwurf zu erheben, Heinrich habe ihn vergiften lassen; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 848; Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., S. 357ff.
34 Bruno, De bello Saxonico, cap. 31, S. 34; Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1074, S. 175–180; Meyer von Knonau, Jahrbücher, Bd. 2, S. 315–325.
35 Dies ist interessanterweise in der bisherigen Forschung so deutlich selten gesagt worden. Vgl. Giese, Der Stamm der Sachsen, 158f.; Robinson, Henry IV of Germany, S. 95–99; Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, S. 123. Entschiedener Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 64f., 91f.
36 Diesen Akzent setzt auch Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, S. 175f.
37 Bruno, De bello Saxonico, cap. 33, S. 35f. Siehe auch Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1074, S. 183f.
38 So Bruno, De bello Saxonico, cap. 35, S. 36f.: Congregatis itaque illarum partium principibus nunc singulis, nunc universis humiliter se prosternens querimoniam fecit, dicens, quod priores suae expulsionis iniuriae sibi nunc leves essent, istas sibi magnas et insanabiles videri; […] fratrem filiumque suum, utrumque prolem regiam, miserabiliter a sepulcris eiectos in ventum membratim dispergerent, et quod his omnibus magis esset nefandum, sanctorum reliquias ab altaribus sacris execrandis manibus erutas velut immunditias quasdam per profana loca dissiparent. His omnibus non sine largo fletu peroratis singulorum pedes osculans oravit, ut, si non suam vindicare curarent iniuriam, saltem contumeliam Deo Deique sanctis illatam remanere non paterentur inultam.
39 Da die Nachrichten aus der Feder seiner Gegner stammen, ist die Faktizität natürlich unsicher. Zum Arsenal königlicher Bittgesten in dieser Zeit siehe jedoch Althoff, Die Macht der Rituale, bes. S. 125–129, wodurch deutlich wird, dass das Heinrich unterstellte Verhalten keineswegs undenkbar war.
40 Carmen, lib. 3, S. 15, v. 37–51: Facti fama volat, totum regnumque replebat./Cuncti Saxonum crudelia sacrilegorum/Facta stupent artesque novas pollutaque pacis/Foedera. Primates propriis se vocibus ultro/Incusant gentem prius hanc audisse nefandam/Fallentemque dolis et regia iura negantem./Detestatur eos simul omnis sexus et aetas./Nec mora, percepto rex magnus crimine tanto,/Egregia pietate nitens, fortissimus armis,/Zêlo iusticiae flammato pectore fervet,/Adversum tantos praesumptus colligit iras;/Ignescunt animi iusto sub corde feroces;/Non sua iam, sed iura Dei violata dolebat./Imperat exciri totius robora regni/Armavitque acies, acer ruiturus in hostes.
41 Zu dieser Spielregel der Konfliktführung siehe das Beispiel der schwäbischen Grafen Erchanger und Berthold bei Althoff, Die Macht der Rituale, S. 71f.; das Beispiel des römischen Stadtpräfekten Crescentius bei Althoff, Otto III., S. 112ff. und das Beispiel der Unterwerfungen Mailands bei Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 214–261.
42 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 221.
43 Von diesen Auseinandersetzungen erzählt Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 222f.; Bruno, De bello Saxonico, cap. 46, S. 44f. berichtet jedoch nichts von anschließenden Auseinandersetzungen unter den Sachsen. Nach seiner Darstellung handelte es sich um einen Überraschungsangriff des Königs gegen die auf eine Zusammenkunft wartenden Sachsen. Da das Heer nicht mehr zur Schlacht geordnet werden konnte, wandten sich die „meisten, die Mut und Waffen nicht finden [konnten], […] zur Flucht“.
44 Bruno, De bello Saxonico hat diese Briefe in seine Geschichtsschreibung integriert, vgl. cap. 42, S. 41ff.; cap. 48, S. 46f.; cap. 49, S. 47f.; cap. 51, S. 48ff.
45 So Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 234.
46 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 234f.; siehe dazu auch unten Kap. VI.1.3 bei Anm. 11.
47 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 236: […] hoc firmiter animo statuisse, ut, quicquid illi agendum censeant, suadeant, iubeant, incunctanter agant, […]. Ad haec illi responderunt se causam, qua primum adversus regem arma sumpserint, non admodum improbare, nec placere sibi obstinatum ad perniciem eorum regis animum et pertinax odium; consensisse tamen in hoc omnes regni principes de usurpato in re publica novo hoc et multis retro seculis inaudito facinore non aliter regi vel rei publicae posse satisfieri, quam ut se absque ulla exceptione dedant; sibi autem, quorum hoc consilio agant, curae futurum, ut nihil ex hac deditione, quod saluti eorum, quod honori, quod rei familiari officiat, experiantur. Zu diesen Verhandlungen siehe vor allem Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 42f. Obgleich es von Lampert nicht ausdrücklich gesagt wird, scheint es so, dass die Fürsten der Meinung waren, dass Heinrich durch den Sieg in der Schlacht von Homburg Rache für den Grabfrevel genommen hatte und man nun wieder an eine gütliche Beilegung des Konflikts denken konnte. Diese Meinung teilte der König selbst aber mit einiger Sicherheit nicht.
48 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 237: […] ituros se ad regem et, si tuto fidem dicere, tuto veniam polliceri possent, comperturos et quae comperta fuissent die postera renunciaturos. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass Lampert diese Zwischenschritte wahrscheinlich deshalb so ausführlich referiert, um Heinrichs Bruch der Abmachungen umso deutlicher herauszuarbeiten.
49 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 237 deklariert diese Angabe selbst als Gerücht: „Der König stimmte den Friedensvereinbarungen freudig zu und versprach, ja beschwor sogar, wie ein weit verbreitetes Gerücht behauptete, er werde, wenn sie sich ergeben hätten, gegen sie nichts wider den Willen und das Urteil derer veranlassen, durch deren Bemühung und Verdienst ihm dieser unblutige Sieg zuteil geworden sei.“
50 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 238f. Bruno (De bello Saxonico, cap. 54, S. 51) berichtet lediglich: „Als daher alle unsere Bischöfe, Herzöge, Grafen, und die übrigen Großen aus Sachsen und Thüringen den Handschlag der Treue empfangen hatten, überlieferten sie sich freiwillig der königlichen Gewalt und ließen ihre gesamten Krieger, die darüber sehr betrübt waren, in die Heimat zurückkehren.“
51 Carmen, lib. 3, S. 23, v. 281–294: Ergo propinquantis dicto cum milite regis/Castra petunt humiles Saxonum […]/Armis exuti, demissi colla superba/Nudatique pedes, cuncti cum supplice voto/Regi se dedunt omni sine conditione./Ecce tenes solitum tibi, rex invicte, triumphum,/En tua frena pati gentem effrenem docuisti./Ut virtute geris, sic et pietate parentes,/Rex auguste, gere, vel substratis miserere!/[…] Nunc tibi supplicibus propone quibusque futuris,/Quid de te sperent, dum se tibi, rex pie, dedent! Es sieht geradezu so aus, als habe der Autor von der Versendung der Sachsen in die Haft noch nichts gewusst, oder er beschwört den König, diese zu beenden. Jüngst hat Schubert, Königsabsetzung, bes. S. 131ff. in einer aspektreichen und thesenfreudigen Untersuchung die Bedeutung der sächsischen Opposition gegenüber der Rolle Gregors VII. in den Vordergrund gestellt und dabei die Bedeutung von Canossa vehement bestritten („nutzt der Salier [mit dem Gang nach Canossa] nicht einfach die Winterpause der Politik“, S. 131). Bei aller Wertschätzung der Bedeutung des sächsischen Widerstandes (siehe dazu schon Schubert, Geschichte Niedersachsens, S. 263ff.) sollte nicht übersehen werden, dass die Sachsen Ende 1075 besiegt und ihre Anführer in Haft genommen waren.