Kapitel 7: Umsatz
Alle machen mit – oder doch nicht? Das Volumen – der Umsatz!
Innerhalb der Technischen Analyse wird sehr viel Wert auf die Interpretation der Umsätze, auch bezeichnet als Volumen, gelegt. Aber was genau ist das Volumen, der Umsatz eigentlich? Betrachten Sie einmal den abgebildeten Chart der Aixtron AG (Abbildung 63).
Abbildung 63: Aixtron AG von Oktober 1999 bis Mai 2001 – Innerhalb des Aufwärtstrends fielen die Umsätze kontinuierlich zurück. Kurz vor dem Trendbruch stagnierten die Kurse auf einem relativ hohen Niveau. Das gegenläufige Umsatzverhalten war somit eine Bestätigung für den folgenden Trendbruch. Im Abwärtstrend nahmen die Umsätze hingegen trendbestätigend stetig zu – chart provided by Metastock
Im oberen Teilbereich ist der Kursverlauf dargestellt. Im unteren Bereich dagegen finden Sie ein Balkendiagramm. Hier wird das
»Volumen« oder der »Umsatz« abgebildet (in den meisten Chartanalyseprogrammen werden diese Bezeichnungen genutzt). Angegeben ist die Stückzahl der gehandelten Aktien. Es wird also nicht das Handelsvolumen in Währungseinheiten abgetragen. Erst multipliziert mit dem entsprechenden Handelskurs ergäbe sich auch der »Umsatz«. Auch bei Indizes und Futures wird nicht der Umsatz, sondern gewöhnlich nur die Stückzahl der gehandelten Kontrakte oder aller Aktien, die in einem Index vertreten sind, als Balkendiagramm aufgezeichnet. Die Bezeichnung »Umsatz« wird im eigentlichen Wortsinne falsch angewendet. Es ist jedoch von Vorteil, tatsächlich nur die Stückzahlen der gehandelten Werte festzuhalten. So kann auch in einem längerfristigen Trend mit deutlich steigenden (Aufwärtstrend) oder fallenden (Abwärtstrend) Kursen festgestellt werden, ob das Handelsinteresse anhand der getätigten Käufe und Verkäufe zu- oder abnimmt. Denn steigt das »Volumen« innerhalb eines Aufwärtstrends kontinuierlich an, so ist davon auszugehen, dass auch neue Käufer in den Markt gelangen. Also sich neue Käufer für eine Aktie interessieren. Steigendes »Volumen« ist damit trendbestätigend.
Fällt hingegen das »Volumen« bei steigenden Kursen, so flacht das Interesse der Marktteilnehmer an der Entwicklung ab, und es besteht das Risiko, dass der Trend gestoppt oder gar gebrochen wird. Nachlassende Umsätze lassen Desinteresse oder eine abwartende Haltung vermuten. Und eine solche Phase der Unsicherheit, eines abwartenden Marktes tritt auch oftmals vor einem Stimmungsumschwung, einer Trendwende auf.
Fallendes »Volumen« in einem Aufwärtstrend ist also ein Warnsignal, da sich keine neuen Käufer mehr finden. In einem Abwärtstrend gilt dies ebenfalls – nur umgekehrt. Steigt das »Volumen« an, so finden sich immer mehr Verkäufer und der Trend wird somit bestätigt. Fällt dagegen das »Volumen« mit fallenden Kursen, so besteht im Abwärtstrend die Chance, dass der Markt nun reif ist für eine Gegenbewegung. Das Angebot trocknet aus und neue Verkäufer sind nicht mehr vorhanden.
Nicht jeder Volumenrückgang muss jedoch auch als Warnsignal aufgefasst werden. Generell gilt zwar in der Technischen Analyse, dass das Volumen mit einem Trend ansteigt. Doch es gilt auch, dass das Volumen in Korrekturen des vorherrschenden Trends zurückgeht. Weiterhin bestätigen Volumenspitzen auch Extrempunkte in Trendverläufen. So werden markante Hoch- und Tiefpunkte in ihrer Aussagekraft untermauert. Werden Trends sowie Unterstützungs- oder Widerstandslinien gebrochen in Verbindung mit einem Volumenanstieg, so bestätigt der vermehrte »Handlungsbedarf« der Marktakteure den Durchbruch.
Generell gilt also, dass hohe Umsätze auch einen hohen Handlungsbedarf der Masse der Marktteilnehmer anzeigen und somit auch Signale, die in Verbindung mit hohen Umsätzen einhergehen, stets aussagekräftig sind. Umsatzspitzen bestätigen oder bilden zudem in Verbindung mit Hoch- und Tiefpunkten Widerstands- oder Unterstützungslinien. Ein Beispiel für einen Trendbruch sowie einen Fall unter eine Unterstützungslinie, die eine hohe Aussagekraft aufgrund eines begleitenden hohen Umsatzanstiegs hatten, zeigt Ihnen der Kursverlauf der Carrefour S.A. Anfang Dezember 2010 und im Juni 2011. Insbesondere das zweite Signal war für eine weitere Wette auf fallende Kurse interessant, da zu diesem Zeitpunkt auch mit dem hier schon konstruierbaren Abwärtstrend in Trendrichtung gewettet werden konnte. The trend is your friend!
Abbildung 64: Carrefour S.A. von Anfang 2009 bis September 2012 – Hohe Umsätze in Verbindung mit einem Trendbruch sowie einem Fall unter eine Unterstützungslinie zeigen die Signifikanz des Signals – chart provided by tradesignalonline.com
Hoher Handlungsbedarf ergibt sich jedoch nicht nur bei charttechnischen Signalen, sondern auch bei überraschenden Nachrichten, fundamentalen News oder externen Schocks (Terroranschläge et cetera). Letztlich kann Ihnen eine Trend-und Formationsanalyse aber auch hier wertvolle Hinweise geben, wie eine Reaktion der Marktteilnehmer einzuschätzen ist, welche Kursziele ableitbar sind und wie der weitere Kursverlauf nach einem solchen Ereignis sich fortsetzen wird. Ein interessantes Beispiel zeigt der Kursverlauf der Deutschen Börse AG (Abbildung 65). Am 10.02.2011 wurden Fusionsgespräche zwischen der Deutschen Börse AG und der NYSE bekannt. Der Kurs sprang bei hohen
Umsätzen deutlich an. Ein Anleger, der den Wert jedoch schon einige Wochen vorab gekauft hatte, konnte durch die Trendanalyse eher überlegen, nun seine Position abzubauen. Denn ein zuvor ableitbares Kursziel war mit dem Kurssprung, den die Nachricht über die Fusionsgespräche ausgelöst hatte, erreicht worden. Weiteres Aufwärtspotenzial war aus dem Chart nicht zwangsläufig zu erwarten.
Abbildung 65: Deutsche Börse AG von Januar 2010 bis Mai 2011 – Tagesbarchart. Extrem hohe Umsätze zeigen hohen Handlungsbedarf im Markt an, nachdem Fusionsgespräche zwischen der Dt. Börse AG und der NYSE Euronext angekündigt wurden – chart provided by teletrader.com
Erläuterung: Ein erstes Kaufsignal ergab sich Anfang Dezember 2010, nachdem eine mehrfach getestete Unterstützung erst unterschritten und sehr zügig wieder zurückerobert wurde. Der Bruch der Unterstützung stellte sich somit schon einige Tage später als Fehlsignal heraus und auch ein kurzfristiger, seit Oktober 2010 laufender Abwärtstrend konnte gebrochen werden. Ein spekulatives
Kaufsignal gegen den vorherrschenden langfristigen Abwärtstrend. Ziel war die langfristige Abwärtstrendlinie. Ein zweites Kaufsignal wurde generiert, nachdem auch die langfristige Abwärtstrendlinie Mitte Dezember geknackt wurde. Kursziel war nun die nach oben abgetragene Schwankungsbreite des vorherigen Abwärtstrendkanals. Jedes neue Hoch in einer Aufwärtsbewegung bestätigt nun natürlich auch die Aufwärtsbewegung. So konnte der Anstieg über 55 Euro Mitte Januar als drittes Kaufsignal gelten. Zu diesem Zeitpunkt konnte ein kurzfristiger Aufwärtstrendkanal konstruiert werden. Dessen Rückkehrlinie stellte ein weiteres Kursziel dar – das auch am 10.02.2011 erreicht wurde. Somit wurden die aus der Trendanalyse konstruierbaren Kursziele allesamt abgearbeitet. Eine Mitnahme von Teilgewinnen bot sich daher an. Ein Verkaufssignal ergab sich im weiteren Verlauf, nachdem der kurzfristige Aufwärtstrend wieder verlassen wurde UND sich auch der Kurssprung vom 10.02. in Luft auflöste.
Regeln zur Interpretation der Umsätze
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Trendbestätigendes Umsatzverhalten:
Steigende Umsätze signalisieren Handlungsbedarf, zunehmendes Interesse sowie neue Käufer oder Verkäufer innerhalb eines Trends. Steigende Umsätze in Trendrichtung (auf- oder abwärts) oder einzelne Umsatzspitzen in Verbindung mit neuen Hoch- oder Tiefpunkten sind als trendbestätigend zu interpretieren.
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Signifikanz von Signalen:
Werden Unterstützungs- oder Widerstandsbereiche (-linienzonen) gebrochen in Verbindung mit einem Umsatzanstieg, so bestätigt der vermehrte Handlungsbedarf der Marktakteure den Durchbruch.
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Umsatz-Warnsignale:
Fallende Umsätze zeigen an, dass sich die Marktteilnehmer vom Kriegsschauplatz zurückgezogen haben und abwarten, bis sich die Rauchschwaden verzogen haben und ein klarer Blick eine
Entscheidung ermöglicht. Stagnierende oder fallende Umsätze sind daher oft vor Trendwenden (Stimmungsumschwung) anzutreffen.
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Umsatzverhalten innerhalb eines Aufwärtstrends:
Volumen steigt:
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Trendbestätigend
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Volumen fällt:
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Warnsignal, da die Kaufneigung nachlässt
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Umsatzverhalten innerhalb eines Abwärtstrends:
Volumen steigt:
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Trendbestätigend
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Volumen fällt:
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Warnsignal, da die Verkaufsneigung nachlässt
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Die obigen Regeln sind in der Praxis nicht immer klar umzusetzen. Sie dienen allerdings als zusätzlicher methodischer Baustein innerhalb des Regelwerks der Technischen Analyse.
Vor allem bei Werten, die stärkere Liquidität vorweisen, sind die Umsätze aussagekräftig. In Deutschland sind dies die großen Dax-Werte – in den USA sind aufgrund der allgemein höheren Umsätze auch Nebenwerte mit dem Umsatzverhalten interessant zu analysieren.
In der Regel zeigen die umsatzstarken Aktien ein dem Lehrbuch entspringendes Umsatzverhalten. Betrachten Sie hierzu einmal den Kursverlauf von Apple in Abbildung 66, eine der wirklich stark gehandelten Aktien an der US-Börse NASDAQ.
Auf den ersten Blick ist ein stetig ansteigendes Umsatzverhalten im langfristigen Aufwärtstrend nicht zu erkennen. Eher schwankt der Umsatz, und Tiefs und Hochs wechseln sich ab. Zudem gibt es Verzerrungen durch Feiertage und die Weihnachtszeit.
Interessant sind allerdings die hohen Umsätze Ende 2008, die bis Anfang 2009 rückläufig sind. Hier tritt eine Bodenbildung ein, die Aktien werden bei hohen Umsätzen eingesammelt (Akkumulationsphase nach der Finanzkrise 2008
), die Kurse brechen nicht weiter ein. Eine Phase, die hellhörig werden lässt.
Wirklich eindeutig ist dann Ende März 2009 der Ausbruch aus Sicht des Umsatzverhaltens als Kaufsignal nicht – relevanter als ein deutlich mit anziehendes Umsatzverhalten ist hier jedoch die Ablösung von der runden 100er-Marke und der Ausbruch aus der vorherigen mehrwöchigen Range nach oben. Ein Signal für steigende Kurse.
Im weiteren Aufwärtstrend, der sich zudem im Laufe der Zeit abflachte und diverse Konsolidierungen (Verschnaufpausen im Trend) durchlief, ist jedoch erkennbar, dass in Phasen der Konsolidierungen die Umsätze zurückgingen. Ein positiver Umstand, denn die überwiegende Zahl der Aktionäre hielt an der Aktie fest, und deutlicher Verkaufsdruck, einhergehend mit steigenden Verkäufen, setzte innerhalb des langfristigen Aufwärtstrends nicht ein.
Relevant ist allerdings für einen Aufwärtstrend, dass nach einer Konsolidierung und in neuen Hochs die Umsätze wieder ansteigen. Zur Vorsicht mahnte daher die Entwicklung im Bereich des letzten Hochs bei der Apple-Aktie im September 2012. Hier fehlte ein den Kursverlauf unterstützendes steigendes Umsatzverhalten. Neue Käuferschichten kamen nicht mehr in den Markt – der Trend wackelte. Bis Mitte 2013 fiel der Wert sodann und verlor fast die Hälfte seines Wertes, um in den Folgejahren wiederum kräftig anzusteigen.
Abbildung 66: Umsatzverhalten Apple von August 2008 bis September 2012 – chart provided by teletrader.com
Ein »historisches« Beispiel für ein nicht immer eindeutig zu interpretierendes Umsatzgeschehen bei geringerer Liquidität ist der Kursverlauf der Infomatec AG von Juli 1998 bis April 1999 (Abbildung 67). Eine Aktie des Neuen Marktes, die bis ins Jahr 2013 als PennyStock ihr Dasein fristete, nachdem im Mai 2001 die Insolvenz angemeldet wurde (Delisting am 07.04.2013). Die steigenden Umsätze bei Ausbruch Mitte August 1998 über die Marke von 15 Euro bestätigten das Kaufsignal (Break der Widerstandslinie bei 15 Euro). Ebenso stiegen die Umsätze bei Ausbruch aus dem steigenden Dreieck Ende September 1998 an.
Doch als Warnsignal konnten die schwachen Umsätze ab Mitte Oktober 1998 bis Mitte Januar 1999, unterbrochen nur von einer kurzen Umsatzspitze Anfang Dezember 1998, betrachtet werden. Denn der Kurs stieg trotz des scheinbar nachlassenden Interesses an der Aktie stetig an. Der Aufwärtstrend erreichte Mitte Februar 1999
– mit steigenden Umsätzen – neue Höchstkurse. Ein weiteres Warnsignal sind die anschließend fallenden Umsätze auf dem erreichten hohen Niveau. Ein klares Verkaufssignal ergab sich jedoch erst mit Bruch des langfristigen Aufwärtstrends, das allerdings nicht durch steigende Umsätze bestätigt wurde. Scheinbar steckten die Aktionäre den Kopf in den Sand und wollten das heraufziehende Ungewitter nicht wahrhaben. Als Anleger sollten Sie allerdings dem Trendverhalten und dessen Signalen stets Beachtung schenken. Ein Bruch eines langfristigen Trends ist in der Regel ein Verkaufssignal, auch wenn die Umsätze insbesondere bei kleineren Nebenwerten nicht mit anziehen sollten. Andererseits sind fallende oder stagnierende Umsätze innerhalb eines intakten Aufwärtstrends zwar Warnsignale, jedoch noch kein alleiniger Grund zu einem Verkauf einer bestehenden Position.
Am Beispiel der Infomatec AG sei aber nochmals der Hinweis gestattet, dass an der Börse eben auch die berühmten schwarzen Schafe ihr Unwesen treiben. Achten Sie neben der fundamentalen Analyse auch auf die Signale des Marktes, die Signale der einfachen Chartanalyse! So sind Sie der Masse der Anleger stets einen Schritt voraus.
Abbildung 67: Infomatec AG von Juli 1998 bis April 1999 – Umsatzverhalten innerhalb eines Aufwärtstrends. Das Verkaufssignal (Bruch der Aufwärtstrendlinie) wurde nicht mit ansteigenden Umsätzen bestätigt. Insbesondere bei kleineren Nebenwerten, die in der Regel keine hohe Liquidität aufweisen, sind entsprechende Verkaufssignale jedoch auch ohne Umsatzbestätigung zu beachten – chart provided by Metastock