Kapitel 10: Die vier wichtigsten Candlesticks
Im Folgenden werden die vier relevantesten Kerzen der Candlestick-Methodik vorgestellt:
Hammer
Hanging Man
Inverted Hammer
Shooting Star
Auch komplexere Candlestick-Muster, zum Beispiel Morning Star oder Tower Top , können bei Zusammenfassung zu einer Einzelkerze (Mischkerze) oftmals auf einen Hammer oder Shooting Star zurückgeführt werden. Die grundlegende Kenntnis der nachfolgenden Einzelkerzen ist daher für die Anwendung der Candlesticks von entscheidender Bedeutung.
Hammer
Der Hammer ist eine wichtige Kerze mit Haussebedeutung. Der klassische Hammer hat einen kleinen Kerzenkörper (schwarz oder weiß) ohne Docht (oder mit einem sehr kleinen Docht, der nicht länger als der Kerzenkörper sein sollte) und einer langen Lunte, die mindestens zweimal so lang sein sollte wie der Kerzenkörper des Hammers. Der Schlusskurs des Hammers sollte in der Nähe der unteren Range des gerade stattfindenden ausgeprägten Abwärtstrends liegen. Nach einem Abwärtstrend ist der Hammer ein potenzielles Trendwendemuster. Der Kursverlauf eines Hammers wird in der klassischen Barchart-Analysetechnik als unterer Umkehrtag bezeichnet (intraday reversal ).
Der Hammer ist eine der aussagekräftigsten Kerzen in der Candlestick-Analysetechnik. Seine Bedeutung ist leicht zu verstehen: Auf niedrigem Niveau greifen die Optimisten und Schnäppchenjäger zu, die Profis sammeln ein und halten die Hände auf. Weitere Optimisten in Lauerstellung werden von den anziehenden Kursen in ihrer Einschätzung einer eventuell bevorstehenden Trendwende, in ihrer Einschätzung von ausgebombten Kursen bestätigt und bauen erste Positionen auf.
Dies kann in Folge zu einer entsprechend echten Trendwende führen. Relevant ist vor allem, dass nach einem Abwärtstrend gegen den vorherrschenden Trend gekauft wird (gegen die Angst!) und klare Kaufneigung in der längeren Lunte zu erkennen ist. Diese auftretende Kaufneigung ist jedoch noch nicht das eigentliche Kaufsignal! Erst nach einer weiteren Bestätigung dieser Kaufneigung durch eine möglichst auch dynamische weiße Kerze ist eine Trendwende anzunehmen. Fehlt dagegen diese Bestätigung, so ist auch ein Hammer kein signifikantes Trendwendesignal.
Abbildung 199: Hammer – Stets nach Abwärtsbewegung – Weiß oder schwarz
Abbildung 200: S&P 500 von Juli bis Oktober 1998 – Tageskerzen – Hammer als Bestätigung einer Unterstützung und als bestätigtes Trendwendemuster – chart provided by Metastock
Nach einem kräftigen Abwärtstrend, der das Vertrauen in steigende Kurse nachhaltig beschädigt hat, muss der erste auftretende Hammer zudem nicht gleich das bedeutende Umkehrsignal darstellen. Oftmals tritt die eigentliche Trendwende erst nach einer weiteren Umkehrformation oder einem weiteren Hammer auf, der die Tragfähigkeit des Bodens oder des vom ersten Hammer gebildeten Tiefpunktes testet.
Im Oktober 1998 kam es zu einer dynamischen Abwärtsbewegung im S&P 500 (Abbildung 200). Nach einer Erholung kam der Markt nochmals auf die alten Tiefs zurück, das Vertrauen in den Markt war noch nicht endgültig wiederhergestellt. Dieses Tief wurde jedoch verteidigt und ein Hammer signalisierte in Verbindung mit dem vorangegangenen Tief sowie der nachfolgenden weißen Kerze, dass sich ein tragfähiger Boden gebildet hatte und es zu weiteren Kurssteigerungen kommen sollte. Ein erstes Kursziel war direkt nach dem bestätigten Hammer die Abwärtstrendlinie und folgend nach Bruch dieser das Niveau der Zwischenerholung, der Nackenlinie einer dann möglichen W-Formation. Diese wurde mit Bruch der Nackenlinie vollendet und ließ weiteres Aufwärtspotenzial erwarten.
Wird hingegen der Hammer als Trendwendemuster nicht mit einer nachfolgenden weißen Kerze bestätigt, setzt sich also die Kaufneigung aus der Lunte des Hammers nicht fort, sondern wird das Tief des Hammers auf Schlusskursbasis nach unten durchschritten, gilt der Abwärtstrend als intakt. In der Abbildung 201 können Sie im Abwärtstrend der Aktie EM.TV auf Wochenbasis drei Hammer erkennen, die jedoch ohne jedwede Trendumkehrbedeutung waren, da die Kaufneigung der Lunten nicht bestätigt wurde. Dagegen signalisierten die Breaks der Tiefs der Hammer entsprechende weitere Verkaufsneigung. Die Hammer in diesem Beispiel sind jeweils als Trendbestätigung zu bewerten!
Abbildung 201: EM.TV von Februar bis November 2000 – Wochenkerzen – Trendbestätigende Hammer – chart provided by Metastock
Einige Candlestick-Formationen, die aus mehreren Kerzen bestehen, lassen sich auf den Hammer zurückführen. Fasst man zum Beispiel einen Morning Star, der aus drei Kerzen besteht, zusammen zu einer Kerze, so bildet der idealtypische Morning Star einen idealen Hammer:
Abbildung 202: Morning Star nach Abwärtstrend – Mischkerze: Hammer
Prüfung der Aussagekraft eines Hammers im Tageschart Ein beliebter methodischer Fehler ist es, nur aufgrund einer Zeitebene oder eines Signals allein eine Handelsentscheidung zu treffen. In der Regel ist dies jedoch nicht sinnvoll. Auch bei Auftreten eines Hammers, der nach allgemeiner Auffassung ein aussagekräftiges Trendwendesignal darstellt, sollte stets die Aussagekraft dieses Musters untersucht werden.
Anhand des nachfolgenden Beispiels wird dargelegt, wie die Aussagekraft eines Hammers untersucht werden kann und in den Marktkontext gestellt wird. Im DAX bildete sich am 08.05.2004 nach einer kräftigen Abwärtsbewegung eine Kerze mit recht kleinem Kerzenkörper, einer langen Lunte und kurzem Docht (Abbildung 203 – letzte Kerze im Kursverlauf). Entsprechend der Definition für einen Hammer kann dieser auch einen Docht aufzeigen, sofern der Docht nicht länger als der Kerzenkörper ist. So konnte die Kerze als Hammer gelten.
Abbildung 203: DAX von Februar bis Mai 2004 – Tageskerzen – Die Aussagekraft des potenziellen Trendwendemusters Hammer (letzte Kerze im Chart) war zu prüfen – chart provided by Metastock
Als Erstes sollte der Hammer in den Kontext einer Trendanalyse gestellt werden. Hier zeigte die Trendanalyse einen Break eines Aufwärtstrends, der zudem in zeitlich naher Abfolge zum dritten Berührungspunkt erfolgte. Aufgrund dieses Umstandes bestand aufgrund der nach unten abgetragenen Schwankungsbreite des verlassenen Trendkanals das Risiko für weiter fallende Kurse an die Marke von 3.700 Punkten – auch in Verbindung mit einem vorherigen wiederholten Abprall am Widerstand bei 4.150 Punkten.
Abbildung 204: DAX von Februar 2003 bis Mai 2004 – Wochenbarchart mit Trendanalyse, die eine Schwäche der Bullen signalisierte – chart provided by Metastock
Aus der Trendanalyse ergab sich aufgrund der folgenden Punkte eine hohe Wahrscheinlichkeit für weiter fallende Kurse:
Auch der Candlestick-Wochenchart zeigte mit in Folge zwei schwarzen Kerzen und einem bestätigten Bearish Engulfing (siehe weiter unten) weiteren Abgabedruck.
Abbildung 205: DAX von September bis Mai 2004 – Zwei schwarze Wochenkerzen signalisierten ein Übergewicht der Bären – chart provided by Metastock
Ein weiteres Indiz, dass der Hammer im Tageschart nicht sonderlich aussagekräftig war, zeigte zudem der prozentuale Abstand zwischen einer gleitenden einfachen Durchschnittslinie (200-Tagelinie) und dem Close des DAX. Dieser Indikator wurde schon auf Seite 147 ff. vorgestellt (Schulter-Kopf-Schulter-Formation). An dieser Stelle eine kurze Wiederholung:
Abbildung 206: DAX von 1989 bis Mai 2004 – Linienchart auf Tagesbasis – Im Chart war zum Zeitpunkt des Hammers weder eine Über- noch Untertreibung erkennbar – chart provided by Metastock
Ein hoher prozentualer Abstand zeigt Übertreibungen des Marktes an, ein hoher negativer Wert hingegen eine kräftige Untertreibung. Übertreibungen im Chartverlauf des DAX können bei Werten ab circa 20 Prozent angenommen werden, Untertreibungen dagegen drehten in der Regel bei circa -15 Prozent. In der Finanzkrise 2008 kam es allerdings zu weit tieferen Werten, die zwischen –30 bis –40 Prozent lagen. Trendwendesignale oder Trendwendemuster der Candlestick bei entsprechend hohen positiven oder negativen Werten in Verbindung mit Trendbrüchen in den kurzfristigeren Zeitebenen erlangen dann eine hohe Aussagekraft. Im besprochenen Fall des Hammers dagegen lag weder eine Über- noch Untertreibung vor, der Abstand zur 200-Tagelinie lag bei 2 Prozent. Der Hammer war daher »mit Vorsicht« zu behandeln, die Bedeutung war gering, die übergeordneten Zeitebenen und deren Kursziel, die Unterstützung bei rund 3.700 Punkten waren in diesem Falle aussagekräftiger.
Entsprechend der obigen Wochenanalysen in Verbindung mit den Tagescharts war es dann möglich, am Montag, den 10.05.04, auch entsprechende Shortpositionen in Verbindung mit intraday-Verkaufssignalen, zum Beispiel im Stundenchart aufzustocken oder neu einzugehen. In der Folge fiel der DAX auf ein Tief bei 3.710 Punkten – um sich von dort aus wieder zu erholen (siehe auch Abbildung 226-228). Verdeutlicht werden sollte, dass aufgrund der gewählten Methodik erkannt werden konnte, dass der Hammer – in der Regel als Trendwendesignal betrachtet – hier keine größere Aussagekraft besaß und auch bestehende Shortpositionen kurzfristig nicht in Gefahr waren.
Die oben besprochene Methodik der Verknüpfung der Zeitebenen sowie der Prüfung der Aussagekraft eines potenziellen Trendwendemusters, einem Hammer, kann natürlich ebenso beim Shooting Star oder anderen Trendwendemustern angewendet werden. Tritt ein Trendwendemuster stets mit Über- oder Untertreibungssignalen auf, so erhält dieses eine höhere Aussagekraft als in einem marktneutralen Umfeld. Dieser Umstand wird auch selten in statistischen Auswertungen der Candlestickmuster berücksichtigt. Daher sind statistische Aussagen über die Wirksamkeit von Candlestickmustern in der Regel kaum sinnvoll.
Hanging Man
Der klassische Hanging Man hat einen kleinen oberen Kerzenkörper (schwarz oder weiß) ohne Docht (oder mit einem sehr kleinen Docht) und einer langen unteren Lunte, die zwei bis dreimal so lang sein sollte wie der Kerzenkörper des Hanging Man. Der Eröffnungskurs des Hanging Man liegt idealerweise über der oberen Range eines Aufwärtstrends. Nach einem Hanging Man ist generell Vorsicht geboten, da er einen möglichen Stimmungsumschwung darstellt nach einem Aufwärtstrend.
Abbildung 207: Hanging Man – Stets nach Aufwärtsbewegung – Weiß oder schwarz
Der Unterschied zum Hammer besteht lediglich in der Stellung innerhalb eines Trends. Der Hammer zeigt an, dass Käufe gegen die Angst nach einem Abwärtstrend stattfinden – der Hanging Man hingegen tritt nur nach einem Aufwärtstrend auf und zeigt mit der Lunte an, dass gegen den vorherrschenden Aufwärtstrend Gewinne mitgenommen worden sind. Beim Hanging Man schaffen es zudem die Optimisten nochmals, nach einsetzenden Gewinnmitnahmen den Markt nach oben zu treiben, doch der Markt ist durch die vermehrten Verkäufe verwundbar geworden. Ein Vertrauensverlust ist eingetreten. Auch der kurze Kerzenkörper zeigt die Unsicherheit an. Je länger die entsprechenden Lunten und je höher die hier auftretenden Umsätze sind, desto grösser die Aussagekraft.
Nach einem Hanging Man ist aber immer die nächste Kerze abzuwarten. Folgt dem Hanging Man eine schwarze Kerze mit schwächerer Eröffnung und Schlusskurs unter der Lunte des Hanging Man, ist von einer Fortsetzung der Verkaufsneigung, der Gewinnmitnahmen auszugehen. Der Hanging Man hat zwar die gleiche Form wie der Hammer, er ist jedoch nicht so aussagekräftig wie dieser. Der relevante Unterschied ist, dass beim Hammer Käufe auf niedrigem Niveau getätigt werden und gegen die vorherrschende »Angst« gehandelt wird, beim Hanging Man dagegen die Verkäufer letztendlich zum Schluss der Periode einsehen müssen, eventuell zu früh verkauft zu haben. Denn die Bullen haben es immerhin geschafft, die Gewinnmitnahmen aufzufangen. Insbesondere bei einem Hanging Man nach einem noch nicht ausgeprägten Aufwärtstrend ist der Trendwendecharakter nicht wirklich eindeutig.
Wird hierbei auf Schlusskursbasis der Höchstkurs des Hanging Man überschritten, so ist dieses Muster kein Trendwendemuster, sondern erhält den Charakter einer Trendbestätigung. Zu beachten ist zusätzlich, das kurzfristige Gewinnmitnahmen insbesondere kurz vor oder an Widerstandslinien, Trendlinien sowie psychologisch relevanten Marken recht häufig auftreten und sich so an diesen Niveaus auch oftmals ein Hanging Man ausbildet. Insbesondere wenn der Aufwärtstrend noch nicht ausgereift ist und keine Euphorie oder klare Übertreibung nach oben festzustellen ist, besteht dann eher die Aussicht, dass die Lunte des Hanging Man darauf hinweist, dass Schwung geholt wird, um den Widerstand zu knacken.
Beispiel (Abbildung 208): Nachdem der Dax im März 1999 eine Bodenbildung vollzog und bis an seinen damaligen Abwärtstrend bei circa 5.080 Punkten heran lief, kam es auf diesem Niveau zu Gewinnmitnahmen, die jedoch ohne Bedeutung für die weitere Entwicklung waren. Hier wurden kurzfristige Gewinne glattgestellt, doch vom Markt eher zum Einstieg genutzt. Es wurde Schwung geholt, um den Abwärtstrend zu verlassen. Erst der zweite Hanging Man am 13.04.99 bei circa 5.220 Punkten brachte weitere Gewinnmitnahmen in Folge, jedoch ebenfalls keine Trendwende – ebenso wie der dritte, diesmal schwarze Hanging Man Ende April auf dem Niveau von 5.370 Punkten kein Trendwendesignal war. In Verbindung allerdings mit fallenden Umsätzen wies der dritte Hanging Man auch mit nachfolgenden kleinen Kerzen auf eine entsprechende Abschwächung des Aufwärtstrends hin. Der nachfolgende Trendbruch war daher als signifikant einzustufen.
Abbildung 208: Dax von März bis Mail 1999 – Tageskerzen – Drei Hanging Man in der Aufwärtsbewegung – chart provided by Metastock
Inverted Hammer
Der Inverted Hammer ist ein umgedrehter Hammer, die Definition (jedoch nicht die Aussagekraft) somit auch ähnlich dem Hammer – nur eben umgekehrt. Auch der Inverted Hammer hat einen kurzen Kerzenkörper (am unteren Rand des Abwärtstrends), weist jedoch keine Lunte oder nur eine kurze Lunte auf, die maximal so lang sein darf wie der Kerzenkörper (alles andere wäre eher eine Phase der Unsicherheit) mit einem langen oberen Docht. Die Farbe des Kerzenkörpers kann sowohl weiß als auch schwarz sein. Nach einem Abwärtstrend ist ein Inverted Hammer nach Bestätigung durch eine weiße Kerze mit Schlusskurs über dem Höchstkurs des Inverted Hammer eine mögliche Trendwendekerze.
Abbildung 209: Inverted Hammer – Stets nach Abwärtsbewegung – weiß oder schwarz
Der Markt eröffnet nach einem Abwärtstrend weiterhin recht negativ auf niedrigem Niveau, es folgen jedoch innerhalb der Periode erste Käufe, es tritt ebenfalls wie bei einem Hammer Kaufneigung gegen die vorherrschende Stimmung auf. Dies könnte bedeuten, dass die Abwärtsbewegung sich abschwächt und die Kaufneigung innerhalb der nächsten Perioden zunimmt.
Ist dies der Fall (weiße nachfolgende Kerze), so kann eine Trendwende angenommen werden. Der Inverted Hammer ist jedoch ähnlich dem Hanging Man eine schwache Trendumkehrformation, da zum Schluss der Periode die Käufer feststellen, eventuell zu früh eingestiegen zu sein, da sie am Ende der Periode im Minus liegen. Auch ist festzuhalten, dass es weiterhin genügend Angebot gab, um die Kurse wieder auf das niedrige Eröffnungsniveau zu drücken.
Beispiel BASF (Abbildung 210): Nach einer ersten Gegenbewegung (Weiße Kerze innerhalb einer langen schwarzen Kerze bei hohen Umsätzen in der schwarzen Kerze, ein Harami ) Mitte Juni 2000 war der folgende Inverted Hammer ein Umkehrpunkt und stellte ein Kaufsignal dar in Verbindung mit den nachfolgenden Tagesschlusskursen oberhalb der Dochtspitze des Inverted Hammer. Aus Sicht der Tageskerzen war jedoch nur eine kurzfristige Prognose möglich, Ziel war der flachere Abwärtstrend. Eine generelle Trendwende konnte ausgehend vom Inverted Hammer somit nicht angenommen werden, da auch die zeitliche Prognosekraft hierfür nicht ausreichend war.
Anmerkung: Der Inverted Hammer bei BASF zeigt nur einen kleinen Kerzenkörper – insofern wäre es hier diskussionswürdig, die Kerze auch als Doji zu betrachten, in diesem Falle läge ein Dragonfly Doji vor. Relevant ist jedoch stets der Marktkontext. Aussagekräftig war das Umkehrsignal auch mit der vorherigen Ausverkaufsstimmung und der sehr langen schwarzen Kerze bei hohen Umsätzen. Da keine weiteren Anschlussverkäufe eintraten, war der Wert kurzfristig bereit für eine Gegenbewegung und Erholung!
Abbildung 210: BASF März bis August 2000 – Tageskerzen – Inverted Hammer nach Abwärtstrend – chart provided by Metastock
Shooting Star
Der Shooting Star (Sternschnuppe) hat die gleiche Form wie ein Inverted Hammer, tritt aber im Gegensatz zu diesem nach einem Aufwärtstrend auf. Der Shooting Star weist einen kurzen Kerzenkörper (am oberen Rand des Aufwärtstrends) mit einem langen Docht und keiner (oder sehr kurzer) Lunte auf. Die Farbe des Kerzenkörpers kann sowohl weiß als auch schwarz sein.
Nach einem ausgeprägten Aufwärtstrend ist ein Shooting Star nach Bestätigung durch eine schwarze Kerze mit niedrigerem Schlusskurs und/oder niedrigerem Eröffnungskurs ein möglicher oberer Umkehrpunkt.
Nach einem Aufwärtstrend eröffnet der Markt positiv, es kommt im Periodenverlauf zu einem weiteren Kursanstieg, der jedoch nach Gewinnmitnahmen/Verkäufen nicht gehalten werden kann. Die letzten Käufer sind nach einem Shooting Star im Verlust, es tritt ein Vertrauensverlust in den Aufwärtstrend ein und die Pessimisten könnten die Oberhand gewinnen. Für weitere Kurssteigerungen sind erhebliche Widerstände im Markt vorhanden.
Beispiel (Abbildung 212): Ende November 2000 trat im Kursverlauf der Commerzbank AG nach einer Erholung innerhalb eines übergeordneten Abwärtstrends ein Shooting Star auf, der mit einer nachfolgenden schwarzen Tageskerze bestätigt wurde. Das Ende der Erholung innerhalb des übergeordneten Abwärtstrends wurde somit signalisiert. Auch der zweite, ebenfalls bestätigte Shooting Star Ende Januar 2001 deutete wiederum eine Trendumkehr an, in Verbindung mit einem Trendbruch ein Verkaufssignal. Anmerkung: Der zweite Shooting Star im Kursverlauf der Commerzbank weist auch eine kleine Lunte auf – die Definition des Musters daher angreifbar – doch auch hier gilt, dass im Zusammenhang mit dem vorherigen Kursverlaufs somit der seit September 2000 gültige Widerstandsbereich nochmals bestätigt wurde. Betrachten Sie einzelne Candlesticks stets im Marktkontext!
Abbildung 211: Shooting Star – Stets nach Aufwärtsbewegung – Weiß oder schwarz
Abbildung 212: Commerzbank von August 2000 bis Februar 2001 – Tageskerzen mit Shooting Star – chart provided by Metastock
Ebenso wie der Hammer als Mischkerze einiger Candlestickformationen auftritt, so können viele komplexe Formationen auf den Shooting Star als »Grundkerze« zurückgeführt werden.
Abbildung 213: Evening Star nach Aufwärtstrend – Mischkerze: Shooting Star
Fazit
Hammer und Shooting Star sind die aussagekräftigsten Kerzen innerhalb der Candlestick-Methodik. Deren Verständnis und Anwendung ist hilfreich, komplexere Formationen nachzuvollziehen als auch unvollkommenere Candlestick-Kombinationen zu beurteilen.
Candlestickformationen im Überblick
Einige wesentliche Candlestick-Formationen sind nachfolgend dargestellt. Die Pfeile vor der Formation geben die Trendrichtung an, die dem Candlestick-Muster seine Bedeutung geben. Die Klassifizierung in Trendwende- oder Trendneutrale-Formation ist naturgemäß sehr grob. Es gibt eben schwache Signale als auch ausgeprägte Formationen, je nachdem, in welchem Kontext sie auftreten, wie ausgeprägt der vorherige Trend war und auch die Länge der Kerzenkörper kann eine wichtige Information für die Analyse der Stimmung der Marktteilnehmer geben.
Abbildung 214: Hammer und Hanging Man
Abbildung 215: Inverted Hammer und Shooting Star
Abbildung 216: Verschiedene Formen von Doji, je kleiner, desto stärker die abwartende Haltung, je länger die Schatten, desto größer die Verunsicherung im Markt (Pattsituation zwischen Bullen und Bären)
Abbildung 217: Dark cloud cover und Piercing pattern – die Gegenbewegung läuft tief in die vorherige Kerze hinein, über die Mitte der weißen beziehungsweise schwarzen Kerze.
Abbildung 218: Bearish Engulfing und Bullish Engulfing – im Gegensatz zu den beiden obigen Mustern läuft die Gegenbewegung dynamisch weiter. Der Kerzenkörper der Gegenbewegung umhüllt den vorherigen Kerzenkörper.
Abbildung 219: Evening Star und Morning Star – Der Stimmungsumschwung erfolgt bei diesen Mustern langsamer als bei den obigen Mustern. Zwischen der weißen und schwarzen Kerze (Evening Star) liegt auf hohem Niveau eine kurze Phase der Unsicherheit – diese verstärkt die Aussicht auf eine Trendwende.
Zeitebenen und Prognosehorizont von Candlesticks
Vor der Anwendung der Candlesticks innerhalb einer technischen Analyse bedarf es noch der Klarstellung, für welche Zeiträume sich Candlesticks eignen. Wesentlich zudem ist es, auf die Unterschiede des Prognosehorizontes der unterschiedlichen Zeitebenen hinzuweisen. Denn mit der Candlestick-Analysetechnik können sowohl sehr kurzfristige als auch längerfristige Zeiträume untersucht werden. Der Prognosehorizont richtet sich dabei nach der untersuchten Zeitperiode. Bei Quartalskerzen ist der maximale Prognosehorizont etwa ein halbes Jahr, bei:
Monatskerzen
circa
1 – 3 Monate
Wochenkerzen
circa
1 – 6 Wochen
Tageskerzen
circa
1 – 6 Tage und so weiter.
Die obigen Angaben dienen nur als Anhaltspunkt für den Prognosehorizont der unterschiedlichen Zeiteinstellungen von Candlesticks. Denn die Prognosesicherheit und damit auch der Prognosehorizont kann durch die Verbindung unterschiedlicher Zeitintervalle erhöht werden. Zusätzlich kommt es auf die Aussagekraft eines Musters an. Ein »Hammer« nach einem ausgeprägten Abwärtstrend hat zum Beispiel eine sehr hohe Aussagekraft und damit auch eine zeitlich längere Bedeutung als zum Beispiel ein »Hammer« innerhalb einer Seitwärtsbewegung.
Der Grundgedanke bei der Analyse eines Kursverlaufes ist, dass sich menschliche Verhaltensweisen wiederholen und insofern eine Prognose in die Zukunft durch die Wiederholbarkeit der Folgen eines Verhaltensmusters möglich sein sollte. Die menschlichen Verhaltensweisen unterliegen dabei kurzfristigen Stimmungsschwankungen, kurz auftretenden Gefühlen – und natürlich den längerfristigen Erwartungshaltungen, den »Grundstimmungen«.
Ein kurzfristiges Auftreten von Angstgefühlen kann zu »Stimmungsverirrungen« führen, zu fallenden Notierungen – obwohl eine langfristig positive Erwartungshaltung der Marktteilnehmer an den Märkten oder für eine bestimmte Aktie zu beobachten ist. Auf Tagesbasis werden zum Beispiel Verkaufssignale generiert, die Monats- beziehungsweise Wochenbasis stellt sich jedoch positiv dar. Divergieren die Aussagen der unterschiedlichen Zeitintervalle, so ist eher die langfristige Aussage zu unterstreichen und die kurzfristige Aussage auf ihre Relevanz zu prüfen. Sind die Aussagen aller Zeitintervalle (zum Beispiel Monats-, Wochenund Tagesbasis) gleichgerichtet, so ist ein eindeutiger Trend zu identifizieren und es sollte nicht gegen einen solchen Trend gehandelt werden.
Die Möglichkeit, unterschiedliche Zeitintervalle zu kombinieren, ist immer sinnvoll, auch für das kurzfristige Daytrading sollte die vorherrschende Tages- und auch Wochenstimmung berücksichtigt werden. Tageskerzen dagegen werden dann eher Nebensache, wenn es sich um marktenge Aktien oder Märkte handelt. Vor allem die kleineren SDAX-Werte oder ähnlich marktenge Aktien sollten vorzugsweise mit Wochenkerzen oder 2- bis 3-Tageskerzen untersucht werden.
Abbildung 220: DAX von 1959 bis 2019 – Jahreskerzen – chart provided by Metastock
Selbst Jahreskerzen können ein ausgesprochen sinnvolles Zeitfenster darstellen, in Kombination mit kürzeren Zeitebenen. Ein Beispiel für die Anwendung langfristiger Charts ist das aufsteigende Dreieck von 1967 bis 1982 mit Ausbruch 1983 im DAX in Abbildung 220 mit einer weißen Kerze. Auch der daran anschließende Trend mit überwiegend weißen Kerzen und nur vereinzelten schwarzen Kerzen zeigte die positive Grundtendenz des Mega-Booms in den 80/90er Jahren. Ab 2000 stellte sich durch drei schwarze Kerzen (2000, 2001 und 2002) in Folge eine klare Trendumkehr in der Grundstimmung mit Break des Aufwärtstrends dar – bemerkenswert im Jahreschart auch der Shooting Star in 2000 als klares Warnsignal – Verkaufssignale in den kurzfristigeren Zeitebenen waren demnach in 2001 sehr aussagekräftig.
Wie oben dargelegt, kann die Prognosesicherheit durch die Verbindung der Candlestick-Analyse mit den übrigen Methoden der technischen Analyse erhöht werden – so sollte stets auch eine Trend- und Formationsanalyse mit der Candlestick-Analyse Hand in Hand gehen beziehungsweise stets die Basis jeder Analyse darstellen. Indikatoren können weitere Entscheidungshilfen in der Beurteilung der Aussagekraft von Candlesticks bieten.