Kapitel 12: Chartanalyse: Einfach anfangen!
Börse ist einfach! Gehen Sie mit dem Trend! In den vorangegangenen Kapiteln haben Sie die Trend- und Formationsanalyse nebst Candlesticks kennen gelernt. Nun können Sie eigene Analysen erstellen, um die Marktstimmung, sowohl im lang- als auch kurzfristigen Zeitfenster zu ergründen. Doch wie sollen Sie nun vorgehen? Wie entwickeln Sie eine Chartanalyse?
Im Verlauf des Buches wurden schon einige Grundlagen erläutert. Hoch- und Tiefpunkte gilt es zu erkennen, Trendlinien oder Formationsbegrenzungen sind hieran anzulegen. Nachfolgend möchte ich Ihnen eine Richtschnur an die Hand geben, wie Sie selbst Chartanalysen erstellen können.
Um vorurteilsfrei dem Markt zuzuhören, ist eine Checkliste, ein Regelwerk zum Erstellen einer Chartanalyse hilfreich.
Wie erstellt man eine Chartanalyse?
Private Anleger begehen in der Regel den Fehler, zu Beginn ihrer Börsen-Karriere keine eigenen Analysen zu erstellen. Doch so schwierig ist das Ganze nicht! Wichtigste Regel ist allerdings, eine Unvoreingenommenheit gegenüber dem Markt mitzubringen. Nur der Markt hat Recht! Nachfolgend eine Checkliste, wie Sie einen Chart untersuchen könnten.
1. Beschreiben Sie den Kursverlauf!
Vorab steht die Beschreibung des Kursverlaufes – möglichst ohne Interpretation oder vorweggenommene Folgen. Hier werden die meisten Fehler gemacht: Es wird versucht, die schon vorgefasste Meinung, das »Vorurteil«, mithilfe der Chartanalyse zu untermauern, ohne dass dem Markt zugehört wird. Ein Vorurteil gegenüber dem Markt würde sich derart ausdrücken:
»Der DAX kann nicht weiter ansteigen. Die US-Notenbank ist hilflos, der Markt muss bald fallen. Deshalb verkaufe ich bei der nächsten Gelegenheit den DAX und setze auf fallende Kurse«.
Hingegen ein Beispiel einer bloßen Beschreibung des Kursverlaufes:
»Der Dax verharrt seit acht Handelstagen innerhalb einer Range zwischen 9.700 und 9.755 Punkten. Hierbei zeigen sich an der Unterstützung lange Lunten, am Widerstand dagegen und so weiter«.
Aus dieser Beschreibung ergeben sich dann erste Signale oder eine Interpretation.
2. Arbeiten Sie die Hauptaussage Ihrer Analyse heraus!
Die Hauptaussage sollte in Verbindung mit der technischen Beweisführung stehen, also weshalb eine bestimmte Annahme getroffen wird – zum BeispielTrendwendemuster, Trendkanäle, Shooting star et cetera und daraus resultierende Kursziele.
Beispiel:
»Eine Trendwende kann angenommen werden. Der Bruch des Abwärtstrends in Verbindung mit dem vorherigen Trendwendemuster lässt gute Chancen für Kurssteigerungen erkennen. Aus der vorherigen Schwankungsbreite lässt sich ein Kursziel bis mindestens ... ableiten.«
3. Ihr Stoppkurs oder das Alternativ-Szenario zur Hauptaussage?
Die Hauptaussage ist das wahrscheinlichste Szenario. Da stets die Möglichkeit besteht, dass auch das unwahrscheinlichere Szenario eintritt, sollte ein Stopp-Kurs oder eine Kursverlaufsmöglichkeit dargestellt werden, die das vorgestellte wahrscheinlichere Szenario nicht mehr gültig erscheinen lässt.
4. Wie lange ist Ihre Analyse gültig? – Der Zeitbezug!
Je nach Methodik kann auch versucht werden, einen Zeitbezug in der Analyse zu nennen für die Hauptaussage – oder dieses unterbleibt, wenn die entsprechende Methodik keine hinreichende Angabe (zum Beispiel durch fehlende statistische Untersuchungen) ermöglicht.
5. Fassen Sie Ihre Ergebnisse zusammen!
Wie oben dargelegt werden die einzelnen Zeitebenen gesondert analysiert, um diese dann zu verknüpfen. Die Verbindung der unterschiedlichen Zeitebenen ist eine Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Agieren an den Börsen, ob im lang- oder im kurzfristigen Bereich. Im Idealfall ergibt sich im Gesamtzusammenhang eine widerspruchsfreie Interpretation mit hoher Aussagekraft. Anzumerken ist natürlich, dass auch Situationen an den Märkten auftreten, bei denen die einzelnen Zeitebenen und deren Aussagen sich widersprechen und demzufolge keine hohe Prognosesicherheit erreicht werden kann. In diesen Situationen bedarf es dann der Anpassung des Anlageverhaltens an die entsprechende Prognosequalität der Signale durch Angleichung zum Beispiel der Positions- und Stoppmarken, des zeitlichen Horizonts einer eingegangenen Position. Das Fazit jeder Analyse sollte die Verknüpfung der unterschiedlichen Zeitebenen und daraus abgeleitet das wahrscheinlichste Szenario mit »Stoppkurs« beinhalten. Beachten Sie bitte stets: Der Markt reagiert mitunter nicht so, wie man es erwartet oder vielmehr das wahrscheinlichste Szenario entsprechend der Chartanalyse verspricht. Bestimmen Sie daher einen Punkt oder ein Niveau, bei dem Sie neu nachdenken müssen und ein neues Szenario entwickeln sollten (entsprechend Punkt 3).
6. Ihre Methodik – Ihre Aufzeichnungen!
Die gewählte Methodik sollte erprobt und in sich widerspruchsfrei sein. Üben Sie daher erst einmal ganz praktisch und führen Sie bitte ein Tagebuch über Ihre echten, aber auch verpassten oder nur auf dem Papier bestehenden Kauf- und Verkaufsentscheidungen. Anhand dieser Aufzeichnungen können Sie Ihre Regeln und Ihre Kenntnisse, Ihre Methodik stets aufs Neue überprüfen und Fehlinterpretationen hinterfragen.
Ausgehend von den Grundannahmen der Technischen Analyse (Kurse bewegen sich in Trends, Verhaltensmuster und deren Folgen wiederholen sich) sollten Sie jedoch zuerst mit einer Trendanalyse (Trendlinien, Kanäle, Widerstände/Unterstützungen) beginnen und diese auch mit dem Umsatzverhalten verbinden. Gleichberechtigt schließt sich die Formationsanalyse an (zu der auch im weiteren Sinne Candlesticks gehören).
Methodik der Technischen Analyse
Entsprechend den Grundannahmen der Technischen Analyse wird ein Kursverlauf in folgenden Schritten untersucht:
  1. Analyse eines Kursverlaufes nach Trendverhalten mittels:
  2. Analyse eines Kursverlaufes nach Verhaltensmustern:
  3. Analyse eines Kursverlaufes mittels Markttechnik:
  4. Analyse eines Kursverlaufes nach Zyklen, Elliott-Waves et cetera:
  5. Statistik:
  6. Überprüfung der Chartanalysen und der Methodik:
Im Internet finden Sie weitere Hinweise zur Erstellung Ihrer eigenen Chartanalysen. Einen interessanten Ansatz stellten am 10. Januar 2008 Harald Weygand und Frank Thönnißen auf der Seite www.godmode-trader.de vor. Der Link hierzu ist im Literaturverzeichnis aufgeführt. Apropos Internet: Natürlich finden Sie im WWW diverse Erläuterungen zur Chartanalyse, Candlesticks und Videos. Daher sei erlaubt, an dieser Stelle auf eine Video-Reihe des Autors hinzuweisen (Basiswissen Chartanalyse), die ebenfalls auf www.godmode-trader.de vorliegt (im Literaturverzeichnis aufgeführt).
Fehlerquellen der Technischen Analyse
Unabhängig von der gewählten Art und Weise der Analyse sind die folgenden Fehlerquellen ein recht großer Stolperstein, vor allem für Beginner in der Kunst der Technischen Analyse.
Eine vertiefende Darstellung zu Fehlerquellen der Technischen Analyse finden Sie im Buch von Erich Florek (2000): Neue Trading Dimensionen .
Beachten Sie bitte weiterhin: Die Anzahl der unterschiedlichsten Methoden der Technischen Analyse ist letztlich von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat im Steigen begriffen, denn auch die Anzahl der Technischen Analysten ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Und jeder neue Analyst kocht gern sein eigenes Süppchen, um dieses möglichst schmackhaft unter das Volk zu bringen. Doch in manchem »neuem Schlauch steckt nur alter Wein«! Lassen Sie sich auch hier kein X für ein U vormachen und hinterfragen Sie stets die Analysemethoden der Technischen Analysten.
So lernen Sie effektiv Formationen
Mit dem bislang besprochenen Repertoire an Formationen, den Dreiecken, Wimpeln, Flaggen und Keilen sowie Rechtecken und der Schulter-Kopf-Schulter-Formation können Sie in Verbindung mit der Trendanalyse dem Markt schon einen Schritt voraus sein. Doch gerade zum Anfang fällt es den meisten Anlegern nicht leicht, eine Formation, ein Verhaltensmuster der Masse der Marktteilnehmer im Kursverlauf zu erkennen. Doch so schwierig ist es auch wieder nicht. Es kommt allerdings ein wenig auf die Persönlichkeit des Anlegers an. Jemand, der in seinem Leben eher auf Zahlen und Statistiken setzt, also eher mathematisch orientiert ist, und weniger mit Bildern und Mustern zu tun hat, könnte hier etwas länger benötigen, bis sein Gehirn geschult ist, die jeweiligen Chartmuster zu erkennen.
Künstler hingegen könnten es da einfacher haben. So war auf einem meiner Seminare zur Technischen Analyse vor einigen Jahren ein völliger Börsenlaie vertreten, der bis dahin Charts lediglich als ominöse Fieberkurve der Börse betrachtete. Doch zu seiner eigenen Überraschung erkannte er nach der Vorstellung einiger idealer Chartmuster sehr schnell die unterschiedlichsten Formationen im Kursverlauf und war begeistert über die Aussagekraft der Charttechnik. Der Mann hatte einen wunderbaren Instinkt für Formationen. Wieso? Er war Bildhauer und Maler. Durch seinen Beruf und seine Kunst war sein Gehirn darauf spezialisiert, in Bildern zu denken und Bilder abzuspeichern. Doch mit ein wenig Übung sind auch Sie in kürzester Zeit ein versierter Künstler der Chartanalyse.
Je mehr Bilder Sie abspeichern, desto besser. Das heißt also, je mehr Charts Sie analysiert und Formationen entdeckt haben, desto besser und schneller können Sie aktuelle Situationen einschätzen.
Ihre erste Aufgabe:
Drucken Sie sich Charts aus dem Internet oder Ihrem Chartanalyseprogramm aus – sinnvoll wäre es, wenn Sie den jeweiligen Chart gleich zwei- bis dreimal ausdrucken. Zeichnen Sie per Hand mit Bleistift und Lineal Trendlinien, Widerstände und Unterstützungen sowie Formationen in den ersten Ausdruck ein. Legen Sie dabei die Schere im Kopf zur Seite. Spielen Sie auf dem Chart wie ein Kind! Malen Sie so viele Linien wie gerade draufpassen und Sie noch halbwegs den Überblick behalten. Nehmen Sie dann einen Textmarker und markieren Sie die Linien und Formationen, die das Herdenverhalten im Kursverlauf am besten wiedergeben. Beachten Sie: Wenn Sie schon im Kopf anfänglich Ihre Gedanken zensieren, wo und ob eine Trendlinie oder eine Formation wohl so richtig ist, dann berauben Sie sich mehrerer Alternativen, die Sie unter Umständen zu anderen und ungewohnten Einblicken in den Kursverlauf geführt hätten.
Legen Sie anschließend diesen Übungschart weg. Wiederholen Sie diese Übung circa drei bis vier Tage später an dem gleichen Chart (daher zwei bis drei Ausdrucke!). Natürlich ohne sich die alten Linien und Interpretationen vorab anzuschauen. Vergleichen Sie dann anschließend Ihre Ergebnisse. Stellen Sie einen Unterschied fest? Beim zweiten Mal sehen Sie oftmals noch andere Interpretationen oder Trendlinien, Formationen, die Ihnen beim ersten Mal gar nicht aufgefallen sind.
Relevant ist zum Anfang, dass Sie eine Fülle von Chartverläufen und Kursmustern, Formationen sehen und lernen. Irgendwann macht es »Klick« – und Sie erkennen wie von selbst in einem Chart die entsprechenden Formationen.
Ihre zweite Aufgabe:
Erstellen Sie selbst Technische Analysen. Markieren Sie Ein- und Ausstiegspunkte. Kennzeichnen Sie die Punkte, Kursniveaus, an denen Ihre Annahmen von steigenden oder fallenden Kursen nicht mehr gültig sind (Ihre Stopp-Kurse). Untersuchen Sie in regelmäßigen Zeitabständen Ihre Trefferquote und analysieren Sie sodann Ihre Erfolge sowie Ihre Misserfolge.
Übung macht den Meister! Fangen Sie einfach an, nehmen Sie Bleistift und Lineal zur Hand. Schon kann es losgehen.
Versuchen Sie jedoch nicht, alle Formationen im Hauruckverfahren zu erlernen. Nehmen Sie sich Zeit und bleiben Sie geduldig. Auch Kinder lernen nicht an einem Tag laufen.