Kapitel 13: Beispiel – Theorie und Praxis
Finanzkrise 2008 – Ein Paradebeispiel der Chartanalyse
Die Kursentwicklung während der Finanzkrise 2008 ist ein schönes Beispiel für die Anwendung der Chartanalyse. Nach einem langfristigen Aufwärtstrend sowie einem Sägezahnmarkt im zweiten Halbjahr 2007 wurden Anfang Januar 2008 erste Verkaufssignale generiert. Diese ließen zwar noch nicht darauf schließen, dass der DAX bis Anfang 2009 mit kräftig fallenden Kursen in eine Finanzkrise schlitterte, der DAX einen Crash vollzog, der in eine depressive Phase mündete. Doch weitere Verkaufssignale und ein intakter Abwärtstrend in 2008 ließen in Folge weitere Kursverluste zu.
Abbildung 229: DAX von Juli 2004 bis September 2009 als Linienchart auf Tagesbasis mit Verkaufssignalen – chart provided by Metastock
In Abbildung 229 ist der grobe Verlauf des DAX mit langfristigen Aufwärtstrends, ersten Verkaufssignalen sowie folgenden größeren Formationen zu erkennen, die jeweils weitere Kursziele nach unten offerierten. Interessant zudem das Ende der Finanzkrise Anfang 2009 mit einem Fehlausbruch aus einem symmetrischen Dreieck nach unten.
Abbildung 230: DAX Tageskerzen – Am 10.01.2008 sowie am 17.01.2008 wurden zwei M-Formationen vollendet. Anfänglich eine kleine M-Formation sowie nachfolgend eine nicht ganz ideale mittelfristige M-Formation. Verkaufssignale waren hier jeweils zwei schwarze Tageskerzen, die per Tagesschlusskurs die Nackenlinien der M-Formationen unterschritten. Vor allem die Vollendung der übergeordneten M-Formation versprach deutlich fallende Kurse, da das Kursziel dieser M-Formation unter dem langfristigen Aufwärtstrend verlief und somit ein Bruch des langfristigen Trends schon am 17.01. eingeplant werden musste – chart provided by Metastock
Erste Verkaufssignale erhielt der Chartanalyst Ende 2007 mit einem Bruch eines seit Juli 2006 laufenden Aufwärtstrends sowie folgend einem Ausbruch aus zwei M-Formationen Mitte Januar 2008. Auch der Bruch des langfristigen Aufwärtstrends Ende Januar 2008 musste als langfristiges Verkaufssignal gelten. Kursziele nach unten ergaben sich hier jeweils entsprechend den nach unten abgetragenen Schwankungsbreiten der M-Formationen sowie den (in der Abbildung 229 nicht eingezeichneten) Aufwärtstrendkanälen. Ausgesprochen negativ war im weiteren Verlauf der Ausbruch nach unten aus einer Keilformation im September 2008 und folgend auch der Ausbruch aus dem Abwärtstrendkanal im Oktober 2008, der nochmals einen möglichen Kursrutsch von rund 1.000 Punkten offerierte.
Abbildung 231: DAX von Dezember 2008 bis November 2008 – Tageskerzen – In 2008 bildete sich ein Abwärtstrendkanal aus sowie innerhalb dieses Trendkanals eine Keilformation. Diese wurde am 17.09.2008 und nochmals am 29.09.2008 jeweils mit einer schwarzen Tageskerze nach unten verlassen. Das erste Signal ein Fehlsignal – doch relevant war im weiteren Verlauf, dass sich keine Erholung durchsetzen konnte mit einem Anstieg über die obere Keilbegrenzung und der Trend intakt war. Der zweite Ausbruch wurde sodann bestätigt – Kursziel war hier einerseits die Schwankungsbreite der Keilformation und andererseits die Rückkehrlinie des Trendkanals. Ein weiteres Verkaufssignal war sodann der Ausbruch aus dem Trendkanal nach unten. Hierauf setzte dann allerdings eine sehr volatile Phase im Oktober und November 2008 ein – chart provided by Metastock
Eine Aufhellung hingegen ergab sich im DAX, nachdem das Kursziel aus dem symmetrischen Dreieck nach unten nicht mehr erreicht wurde und der DAX wieder in das Dreieck zurückkehren konnte. Der Markt war bereinigt und mit anschließendem Anstieg über kurz- und mittelfristige Abwärtstrends begann eine neue Aufwärtsbewegung.
Abbildung 232: DAX von April 2008 bis August 2009 – Tageskerzen – Nach den kräftigen Kursverlusten bildete sich zum Ende 2008 eine volatile Seitwärtsphase aus, die als symmetrisches Dreieck die Unsicherheit im Markt widerspiegelte. Der Ausbruch aus diesem am 20.02.2009 generierte nochmals ein Verkaufssignal. Doch am 09.03.2009 zeigte sich ein kleiner Hammer in den Tageskerzen mit nachfolgender langer weißer Tageskerze. Sowohl der nachfolgende Rebreak in das Dreieck als auch ein Bruch einer Abwärtstrendlinie am 02.04.2009 (mit einer langen weißen Tageskerze!) und die Rückkehr in den langfristigen Abwärtstrendkanal waren positive Signale, die eine Bodenbildung im DAX signalisierten – chart provided by Metastock
Versuchen Sie stets, im lang- und mittelfristigen Aufwärtstrend eher auf Kaufsignale in den untergeordneten Zeitebenen zu achten und im lang- bis mittelfristigen Abwärtstrend auf Verkaufssignale in den kürzeren Zeitebenen zu achten. So wurden in der Finanzkrise Erholungen stets verkauft oder von den größeren Anlegern im Markt (zum Beispiel Fonds oder Vermögensverwaltungen) genutzt, um Absicherungsgeschäfte zu tätigen.
Dass Chartanalyse funktioniert, sei an einer Analyse des Autors vom 15. September 2008 dargestellt. Fazit der Analyse bei einem Stand im DAX von 6.234 Punkten war, dass Erholungen weiterhin verkauft werden sollten und das Risiko, nochmals rund 1.000 Punkte im DAX zu verlieren, bestand. Die Analyse mit dem Titel: »DAX – Kollaps im Finanzsystem« finden Sie unter https://www.wall-street-online.de/nachricht/2536896-candlesticks-dax-kollaps-im-finanzsystem – nachfolgend ein Auszug aus dieser Analyse:
Analyse vom 15.09.2008 – Auszug
Liebe Leserin, lieber Leser, am letzten Freitag konnten sich die Märkte noch stabilisieren und an relevanten Unterstützungsniveaus leichte Erholungen durchsetzen. Auch in einer Reihe von Einzelaktien bildeten sich auf Wochenbasis potentielle Trendwendesignale. Ob diese allerdings in der neuen Woche bestätigt werden können bleibt fraglich. Denn mit dem Kollaps der US-Finanzmärkte, einer Liquidation von Lehman Brothers, Zahlungsschwierigkeiten von AIG und der Übernahme von Merrill Lynch durch die Bank of America drücken die US-Futures deutlichst ins Minus. Der S&P 500 Future notiert über 3% leichter, ebenso der Nasdaq 100-Futures mit einem Minus von 2,76%. Der DAX wird dementsprechend schwächer erwartet.
Die heutigen Aussichten:
In der letzten Woche zeigte sich am Donnerstag ein Hammer und nachfolgend eine kleine weiße Kerze – diese jedoch noch ohne Kraft nach oben. Mit der vorbörslichen Entwicklung ist eine dramatische Entwicklung möglich, ein Fall unter das Tief vom Donnerstag und somit ein Test und Breakversuch des Jahrestiefs.
Damit gilt weiterhin:
  1. Der übergeordnete Abwärtstrend ist intakt und damit das Risiko, an die Rückkehrlinie desselben zu laufen.
  2. Innerhalb des Abwärtstrends kann ein Keil konstruiert werden – ein Ausbruch nach oben würde damit auch einen Break des Abwärtstrends als positives Szenario mit Ziel 7.500 Punkte ermöglichen. Ein Break nach unten bestätigt das negative Szenario mit einem Kursziel von 5.200 Punkten.
  3. Die Unterstützungszone zwischen ca. 6.219 bis 6.167 wurde in den letzten Tagen zum dritten Mal getestet – eine Ablösung von dieser Zone wäre erst bei Break der 6.341 möglich.
  4. Die Kerze vom Donnerstag zeigt nochmals eine Bestätigung der Unterstützungszone an. Im Umkehrschluss wäre ein Break nach unten ein Verkaufssignal.
  5. In der Regel erfolgt beim dritten Test einer Widerstands-Unterstützungsmarke ein Break.
  6. Klar negativ wäre ein Fall unter das Donnerstagstief per Daily-Close und folgend ein Break der 5.999/50 Punkte.
Fazit: Erholungen als auch jedes neue Tief sind zu verkaufen. Die Auswirkungen der Lehman-Pleite, die Verunsicherung auch der »einfachen« Sparer in den USA sollte nicht unterschätzt werden. Die Wahrscheinlichkeit fallender Kurse auch unter das Jahrestief ist deutlich gestiegen. Lediglich die noch unwahrscheinlichere Variante einer Bereinigung des Finanzsystems wäre positiv – hierfür dürfte den Märkten aber das Vertrauen fehlen.
Angemerkt sei, dass natürlich nicht jede Chartanalyse und deren Interpretation stets zum richtigen Ergebnis oder einer klaren Prognose führen wird. Doch wer die eigene Meinung hintanstellt, seine Methodik hinterfragt und verbessert sowie dem Markt als alleinigen Entscheidungsgeber vertraut, wird letztlich langfristig erfolgreich an den Börsen dieser Welt handeln können.