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»Wir haben große Probleme.«
Ark schaute Chefingenieur Thomson auf dem Schirm der Internverbindung an. Der Mann fuhr sich dauernd mit der flachen Hand über den Backenbart, als wollte er sich vergewissern, dass dieser nicht abgefallen war. Es war eine Geste der Verzweiflung und der Müdigkeit, und die blutunterlaufenen Augen des Mannes wiesen darauf hin, dass er bereits zu viele Wachmacher eingeworfen hatte, auf jeden Fall mehr, als gesund waren.
Aber darin unterschied er sich nicht von ihr. Dass er den soeben geäußerten Satz gerade zum dritten Mal hintereinander ausgesprochen hatte – immer mit einer kleinen, beinahe schon andächtigen Pause dazwischen –, zeigte, dass dem Mann langsam die notwendige Konzentration abhandenkam.
Auch darin unterschied er sich nicht von ihr.
»Nennen Sie mir das größte Problem und von dort arbeiten wir weiter«, forderte Ark ihn mit ruhiger Stimme auf. Sie vermied jegliche Verärgerung oder Ungeduld im Tonfall. Ihr Blick fiel immer wieder auf den dreidimensionalen Kartentank, der vor Kurzem flackernd den Betrieb wiederaufgenommen hatte. Immerhin. Er zeigte an, dass ihre Verfolger nicht nachließen. Sie schienen nicht das geringste Interesse daran zu haben, die
Proxima
und ihr Begleitschiff ziehen zu lassen. Und Thomsons große Probleme hatten unmittelbar damit zu tun. »Ich habe hier mein eigenes Problem. Ein Jägerkiller,
Theseus
-Klasse. Und der ist nur der erste. Derzeit sind sie noch sieben Stunden hinter uns. Ihre Grundgeschwindigkeit ist marginal höher als unsere, also sollten sie sich noch für etwa siebzehn Stunden außerhalb der Kernreichweite befinden. Aber ich würde ihnen gerne durch einen Hypersprung vollständig entwischen. Sagen Sie mir, wie die Chancen dafür stehen, Thomson.«
Der Chefingenieur verzog das Gesicht. Erneut erklang das kratzende Geräusch, während er seinen Bart massierte.
»Der Überlichtantrieb ist weiterhin stark beschädigt. Wir haben zwei der Spulen verloren, die lassen sich nicht mehr reparieren. Die dritte ist in einem Zustand, mit dem ich noch etwas anfangen kann. Wir erreichen Sprunggeschwindigkeit, aber wir können keinen Transit auslösen. Ich muss die Schwingungsplatten neu ausrichten, zwei muss ich ersetzen, eine flicken, so weit das geht. Das ist ein komplizierter Prozess.«
»Wie lange?«
Thomson wusste, was gemeint war. Er fuhr sich einmal mehr mit einem kratzenden Geräusch über den Bart. So langsam ging er ihr damit auf die Nerven.
»Zwölf Stunden mindestens.«
»Die Kolonialen holen auf. Ich glaube, dass ich das bereits erwähnte, oder?«
Thomson war nicht beeindruckt, dafür war er eindeutig zu müde.
»Zwölf Stunden, Captain.«
Ark sah ihn prüfend an. »Auf der Akademie brachte man uns bei, niemals auf die Zeitangaben eines Chefingenieurs zu vertrauen, sondern stattdessen davon auszugehen, dass diese hoffnungslos übertrieben sind. Ich habe das nie richtig geglaubt. Ist das jetzt so ein Fall? Ich habe nämlich keine Zeit für Spielchen.«
Thomson ging es da offenbar ähnlich. Seine Stimme nahm einen gereizten Unterton an, als er antwortete.
»Captain, die
Proxima
pfeift auf dem letzten Loch. Meine Teams sind überlastet. Die Kollegen unter den Schiffbrüchigen helfen, wo sie können, aber überall liegen Flüchtlinge in den Gängen, sodass wir unter sehr beengten Verhältnissen arbeiten. Die Lebenserhaltung operiert oberhalb ihrer Leistungsfähigkeit. Die Luftaustauscher machen bald schlapp, dann steigt der
CO
₂-Gehalt langsam, aber unaufhaltsam. Ich habe überall überlastete Energieleitungen und durchgebrannte Generatoren. Die meisten Leute ernähren sich von Konzentratmist, weil die Dispenser für den üblichen Flottenfraß bis auf zwei Einheiten ausgefallen sind. Ich habe meine besten Leute auf die Reparatur der dritten Spule angesetzt, und ich sage Ihnen: zwölf Stunden. Minimum. Ich werde sie nicht noch mehr drängen. Alle sind müde. Wenn ich sie jetzt hetze, machen sie Fehler. Verdammt, sie machen bereits Fehler. Wir müssen schlafen, ganz dringend sogar.«
Ark nahm ihm die Worte ebenso wenig übel wie den aggressiven Unterton und den fiebrigen, anklagenden Blick. Sie glaubte ihm, was er sagte. Es half aber einfach nichts.
»Thomson, wenn Sie sie nicht hetzen, wird sich die Frage nach Fehlern möglicherweise erübrigen«, rief ihm Ark ins Gedächtnis. Sie hatte ihre Stimme immer noch unter Kontrolle. »Denn dann sind wir entweder eine sich ausbreitende Gaswolke im Weltall oder ein aufgebrachtes Beuteschiff und wandern alle in Kriegsgefangenschaft.«
Thomson nickte. »Ersteres würde ich ablehnen. Letzteres … wäre das so schlimm?«
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern trennte die Verbindung. Ark starrte auf den dunklen Schirm. Die letzten Worte des Mannes hatten in ihr eine Befürchtung geweckt, die sie im Stillen bereits gehegt hatte. Eine Befürchtung, auf die sie Vara angesprochen und die sie beiseitegeschoben hatte, weil es doch so unendlich viel zu bedenken gab.
Eine Befürchtung, die sie jetzt nicht wieder fortwischen durfte.
»Vara!«
Der Leiter der Marineinfanteristen tauchte zuverlässig wie immer neben ihr auf. Er sah sie fragend an, sagte aber nichts. Er war kein Mann vieler Worte, doch er sah bestimmt die Sorge in ihrem Blick und war bereit, diese mit ihr zu teilen.
Ark unterdrückte ein Seufzen.
»Vara, wir müssen noch einmal darüber reden: Wie ist die Moral an Bord unserer Schiffe? Gerade hat ein führendes Besatzungsmitglied mir gegenüber angedeutet, dass es keine üble Idee wäre zu kapitulieren. Und das beunruhigt mich mehr, als ich vor den anderen zugeben möchte.«
»Ja«, sagte Vara. »Ich sprach mit Vickers darüber, die das Schiff dauernd patrouilliert und genau hinhört. Exakt das hat sie schon mehrmals gehört. Es macht die Runde, vor allem unter den Verletzten, die noch reden können. Wir sind alle sehr demoralisiert. Die Aggressionen bekomme ich allmählich unter Kontrolle. Den Fatalismus – das ist eine andere Geschichte. Der sitzt tiefer, und ich kann ihn nicht wegprügeln, wenn er ausbricht.«
»Was kann helfen?«
Vara schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Truppenpsychologe. Selbst meine eigenen Soldaten sind niedergeschlagen und erschöpft. Sie halten den Mund, denn sie kennen die Regeln der Disziplin, und ich halte sie beschäftigt. Ich will aber lieber nicht so genau wissen, was in ihren Köpfen vor sich geht.«
Ark zuckte hilflos die Schultern.
»Wie wäre es mit einer Ansprache? Irgendwas Aufmunterndes?«
»Wenn es nichts Aufmunterndes zu verkünden gibt, keine
echten
guten Nachrichten, wird das schnell nach hinten losgehen und Ihrer Autorität eher schaden. Wir brauchen Vorräte, Platz, Zeit zum Duschen und zum Schlafen. Ein Ziel. Etwas Hoffnung.«
»Die Wega-Station ist als Flottenhauptquartier ein gutes Ziel und in vier bis fünf Sprüngen zu erreichen. Wir müssen nur den Überlichtantrieb wieder hinbekommen. Sind wir erst unterwegs, sollte sich die Moral verbessern.«
Der Offizier nickte langsam.
»Solange das nicht passiert, würde ich keine Rede halten.«
Vara zeigte auf Arks Kommandopult. »Im Notfall können wir Betäubungsgas einleiten und alle schlafen legen. Das wirkt sich aber leider auch nicht positiv auf die Reparaturen aus.«
»Sie wollen Witze reißen?«, fragte Ark ungläubig.
»Ich will nur sagen, dass unsere Optionen furchtbar begrenzt sind. Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben. Und auf das Beste hoffen.« Er zögerte. »Meine Leute stehen bereit. Wenn jemand übermütig wird, werden wir uns darum kümmern. So viel kann ich Ihnen versichern, Captain.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber ich muss Ihnen nicht sagen, was an Bord los sein wird, wenn ernsthafte Kämpfe ausbrechen sollten. Natürlich kann man durch brachiale Gewalt die Lage kurzzeitig beruhigen. Aber wenn man die Büchse der Pandora einmal geöffnet hat, dann …«
»… tackert man sie mit einer ordentlichen Nagelpistole wieder zu«, vervollständigte Vara den Satz und gestattete sich ein kurzes, extrem freudloses und entschlossenes Lächeln, das Ark mit einer Mischung aus Unbehagen und Zuversicht zur Kenntnis nahm. Es gab durchaus Gründe dafür, warum Menschen mit ihrem psychologischen Profil Schiffe kommandierten und nicht die Varas dieser Welt, so hilfreich, verlässlich und stabil sie sonst auch sein mochten.
Sie kam nicht mehr zu einer Entgegnung. Etwas anderes verlangte nachdrücklich nach ihrer Aufmerksamkeit. Ein Kadett –
verdammt, wie hieß er gleich noch?
– erhob seine Stimme, und in seinem Tonfall lag eine gehörige Portion Beunruhigung.
»Captain, wir bekommen einen Funkspruch rein. Es ist Admiral Lasalle von der
Evocatus
.«
Ark hielt inne, obwohl sie nicht überrascht war. Eher unwillig. Mit dem Oberkommandierenden der Flotte zu sprechen, die in der vergangenen Schlacht siegreich gewesen war, gehörte nicht zu den Aufgaben, die sie normalerweise zu erledigen hatte. Das überstieg ihren Dienstgrad. Natürlich gab es für sie eine Chance, dieses Gespräch auf jemanden abzuwälzen, immerhin befand sich unter den Flüchtlingen ein waschechter Admiral. Streng genommen war er zwar nur Logistiker und hatte an Bord der
Proxima
nichts zu melden, aber das musste man den Gegnern ja nicht auf die Nase binden. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, Bonet auf die Brücke zu rufen, verwarf ihn aber wieder. Der Mann war für sie ein unbeschriebenes Blatt und konnte ihrem Schiff mehr Schaden als Nutzen einbringen. Sie würde ihn erst dann frei herumlaufen lassen, wenn sie ihn besser einschätzen konnte.
Es half alles nichts.
»Ich nehme den Ruf hier entgegen. Alle auf der Brücke sollen mithören«, entschied sie. Varas zweifelnden, beinahe warnenden Blick ignorierte sie geflissentlich. Dies war nicht der Zeitpunkt für Geheimniskrämerei, denn die würde ihr nicht dabei helfen, das Vertrauen der Mannschaft zu erhalten. Es war eine instinktive Entscheidung, aber sie war sich recht sicher, das Richtige zu tun.
Der Schirm flackerte. Einen Augenblick später tauchte darauf ein Uniformierter auf, der auf sie alle herabstarrte.
Admiral Lasalle sah aus wie ein gütiger Weihnachtsmann. Der Anblick täuschte. Hinter dem weißen Rauschebart und den Lachfalten in den Augenwinkeln verbargen sich ein kühl kalkulierender Verstand und ein Mann, der bereit war, seine Ziele mit allen notwendigen Mitteln zu erreichen. Sein fast gütiges Lächeln konnte niemanden täuschen. Er hatte seinen Ruf. Und er war ihm in der gerade überstandenen Auseinandersetzung mehr als gerecht geworden.
»Ich bin Lenard Lasalle, Admiral der
III
. Kolonialen Befreiungsflotte. Ich nehme mit den beiden noch flüchtigen Schiffen der Republik Kontakt auf, um Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten.«
Ark warf einen Blick zur Seite. Der Kadett an der Kommunikationsstation schüttelte den Kopf. Captain Yin von der
Achat
war weiterhin nicht zu erreichen, solange der Empfänger seines Schiffes beschädigt war.
»Captain Zadiya Ark von der
Proxima
«, gab sie knapp zurück und drückte auf einen Knopf. Lasalle sah auf, als ihr Gesicht auf seinem Schirm erschien und lächelte noch ein wenig herzlicher.
»Captain Ark. Sie sprechen auch für Ihr Begleitschiff, nehme ich an?«
Der Tonfall war sanft.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Lasalle? Wir sind recht beschäftigt.«
Der Admiral nickte verständnisvoll. Er machte einen väterlichen Eindruck und ging ihr damit jetzt schon mächtig auf die Nerven.
»Das sagen meine Sensoren auch. Ihre Schiffe haben ordentlich was abbekommen. Es ist ein Wunder, dass sie noch operabel sind.«
Damit übertrieb er maßlos, und das zeigte, dass er nicht genug über den Zustand der Flüchtigen wusste oder sie einschüchtern wollte. Ark ließ das kalt.
»Wir kommen zurecht.«
»Warum sind Sie dann noch nicht weg und schlagen nur wirre Haken? Haben Sie Probleme mit dem Überlichtantrieb?«
Was für ein Kotzbrocken!
»
Lasalle, sagen Sie, was Sie zu sagen haben.«
Das Lächeln verschwand wie weggewischt. Der Mann merkte, dass er es an Ark verschwendete, und das kalte Funkeln in seinen Augen gab einen Hinweis auf seine wahren Gedanken. Ark war der Feind. Es war gut, dass jetzt wieder geklärt zu haben.
»Ich mache Ihnen ein Angebot, Captain. Kapitulieren Sie, und ich verspreche, dass Ihre Mannschaft ehrenvoll in Gefangenschaft übernommen wird. Ihre Verletzten werden versorgt. Wir halten uns an Recht und Gesetz.«
»Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie in dieser Schlacht nicht sehr ehrenvoll gehandelt. Und Ihre Gesetze schmecken mir auch nicht.«
Lasalle zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe die Schwäche, die Uneinigkeit und die Dummheit meines Gegners ausgenutzt. Wollen Sie mir das wirklich zum Vorwurf machen? Erzählen Sie mir gar, dass die Admiralität der Republik anders gehandelt hätte, wenn sich die Möglichkeit ergeben hätte?«
Verrat? Die eigenen Schiffe gegen Freunde und Verbündete wenden, wenn sich die Gelegenheit bot? Ark war nicht naiv. Natürlich hätten die Admirale der Republik exakt das Gleiche getan.
»Nein«, gab Ark zu. »Aber das meinte ich auch nicht. Ihre Schiffe haben auf schwer beschädigte Wracks geschossen. Auf Rettungskapseln und Fluchtboote. Ich habe Aufzeichnungen.«
Das war kein Bluff. Und keine bloße Behauptung. Ark erinnerte sich an die kalte Wut, die sie empfunden hatte. Hilflosigkeit und Wut. Eine furchtbare Mischung, die jeden Menschen krank machen konnte.
Lasalle zögerte kaum merklich. »Wenn das stimmt, wird es entsprechend geahndet werden. Es geschah nicht auf meinen Befehl hin.«
Vielleicht nicht
, dachte Ark. Aber sie sah ihm an, dass er davon wusste und es ihn nicht besonders störte.
»Ich traue Ihnen nicht, Admiral. Und die Kriegsgefangenenlager der Aufständischen sind nicht dafür bekannt, dass die Soldaten dort gut behandelt werden.«
»Gerüchte. Von Ihren eigenen Leuten in die Welt gesetzt, damit Ihre Soldaten bis zuletzt kämpfen. Wundern Sie sich da, dass meine Mannschaften lieber auf Nummer sicher gehen, anstatt sich für ihre Gutmütigkeit töten zu lassen?«
Ark wollte heftig widersprechen, aber sie hielt sich zurück. Lasalle und sie wussten beide, dass in diesem Krieg alle mit harten Bandagen kämpften. Sich das gegenseitig vorzuhalten, würde zu nichts führen.
Aber sie durfte das natürlich auch nicht einfach so akzeptieren.
»Ich sehe, dass Sie gut darin sind, Ausflüchte vorzubringen. Gibt es bei Ihnen nicht so etwas wie eine kollektive Verantwortung der Admiralität? Das haben Sie doch in Ihrer Propaganda jedem versprochen. Kollektive Sicherheit, kollektiver Wohlstand, kollektive Verantwortung. So lautet der Wahlspruch der Kolonialen Partei.«
»Sie kennen sich aus.«
»Ich weiß immer gerne, wofür und gegen wen ich kämpfe.«
»Sie ziehen das unterdrückerische System der Republik also vor?«
»Ich ziehe es vor, bei Fehltritten den Schuldigen klar benennen zu können. Das hilft im Zweifelsfall dabei, eine Wiederholung zu vermeiden. Sehen Sie das anders?«
Lasalle machte eine wegwerfende Handbewegung. Er wirkte ungeduldig, aber vor allem verärgert, was in Ark ein albernes stilles Triumphgefühl auslöste. Er verzog das Gesicht und ließ die wohlwollende Maske endlich fallen.
»Ich habe keine Zeit für politische Haarspalterei, Captain. Ihre Situation lässt solche Diskussionen auch gar nicht zu. Ich biete Ihnen die Leben Ihrer Crews!«
»Wir haben in der Tat vor, diese zu bewahren. Ich würde es vorziehen, dabei nicht auf Ihre Hilfe zurückgreifen zu müssen. Admiral, ich bin, wie gesagt, sehr beschäftigt, wie Sie sich bestimmt vorstellen können. Sie haben gewiss Verständnis dafür, wenn ich das Gespräch nun beende.«
Ark drückte auf einen Knopf, und der Schirm wurde dunkel.
Vara trat neben sie, neigte den Kopf zu ihrem Ohr vor und wisperte: »War das wirklich klug?«
»Ich traue Lasalle nicht.«
»Die Mannschaft könnte das anders sehen.«
Ark sah Vara durchdringend an. »Ich entscheide das.«
»Natürlich. Und ich warne Sie. Nur noch einmal zur Sicherheit.«
Ark wollte etwas sagen, aber sie kam nicht dazu. Erneut verlangte etwas anderes nach ihrer Aufmerksamkeit. Wann würde sie endlich einmal einen Gedanken ordentlich zu Ende führen können?
»Captain!«, unterbrach einer der beiden Kadetten, die jetzt auf der Brücke den Dienst vollwertiger Offiziere leisten mussten. Ark bemühte sich diesmal mit mehr Erfolg, sich den Namen ins Gedächtnis zu rufen. Simeon, so hieß er. Das Milchbubigesicht sah irgendwie nicht wie das eines erwachsenen Mannes aus, aber die Bartstoppeln und die dunklen Ringe unter den Augen wiesen darauf hin, dass sich der junge Mann tapfer gehalten hatte. Er lernte seine Lektionen auf die harte Tour. Und er lebte. Mehr konnte Ark derzeit nicht für ihn tun.
»Admiral Bonet möchte mit Ihnen sprechen. Persönlich.«
Simeon sah sie beinahe entschuldigend an, aber Ark war nicht der Typ, der den Überbringer schlechter Botschaften bestrafte.
»Ich melde mich später. Wenn er drängelt, sagen Sie ihm, dass ich nicht auf der Brücke und sehr beschäftigt sei. Immer höflich bleiben, Kadett.«
»Höflich, jawohl.«
Vara ergriff Ark am Unterarm. Er hatte wohl gleich noch eine Warnung auf Lager.
»Der Admiral ist formell der höchstrangige Offizier an Bord, oder sehe ich das falsch?«, wisperte er. »Ich kenne mich bei euch Flottenmenschen nicht immer so genau aus.«
Ark lächelte freudlos.
»Sie lassen sich vom Dienstgrad blenden, Vara. Ich hatte auch erst diese Befürchtung und habe mir dann mal ganz genau die Kommandokette angeschaut. Bonet ist ein reaktivierter Reservist mit einer Logistiklaufbahn. Seine Kommandolizenz hat er nach der Reaktivierung nicht erneuert. Er wurde im Stabsdienst eingesetzt, zuletzt als stellvertretender Leiter der Flottenlogistik. Wir müssen ihn respektvoll behandeln, damit niemand auf dumme Gedanken kommt, aber er gibt mir keine Befehle.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Und Ihnen auch nicht, Vara.«
Der Marinesoldat nickte. »Das ist gut zu wissen, Captain. Ich hasse es, wenn Schreibtischtäter anfangen, sich für Napoleon zu halten.«
Ark lächelte schmerzlich.
»Wofür er sich hält, weiß ich nicht. Aber für unser Waterloo bin ich jetzt zuständig.«
Vara verzog das Gesicht. Er merkte es wohl selbst: Dieser historische Vergleich war ihm definitiv aus der Hand geglitten.