»Was von beidem hat sie, glaubst du, begriffen und bereut?«, fragte Magda. »Dass sie den Rosé erwähnt hatte, oder dass sie dabei war, etwas zu verraten?«
»Oder beides?«, fügte Rachel hinzu. Sie lunchten im Le Chant des Voyelles, unweit des Centre Pompidou, und der Kellner hatte gerade ihre entrées serviert. Sie wartete, bis er wieder gegangen war, und sagte dann: »Ich weiß es nicht. Aber beides lässt sie schlecht dastehen.« Dann dachte sie noch einmal nach. »Das heißt, eigentlich kann sie ja gar nicht wissen, dass wir vom Rosé auf dem Tisch wissen. Also kann sie nur bedauert haben, dass sie dabei gewesen war, irgendetwas zu verraten. Aber was? Und genau genommen hat sie auch keine Möglichkeit zu wissen, dass wir von dem Rosé nicht wissen – diese Frauen auf der Trauerfeier wussten ja schließlich davon. Also wurde ihr vielleicht doch nachträglich klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte.«
»Also so oder so nicht besonders aufschlussreich.« Magda nahm einen Löffel von ihrer Suppe. »Und du glaubst nicht, dass sie vielleicht kurz davorstand, sich über eine Veränderung in der Natur ihrer Beziehung zu verplappern?«, fragte Magda. »Eine Möglichkeit, ihre Worte zu deuten – dieses ganze ›er ist warmherzig, er ist gütig, wir standen uns näher als bloß Chef und Angestellte, ich hab schon zu viel gesagt‹ – ist, sie als Code für ›wir waren ein Paar‹ zu verstehen.« Ihr Ton ließ keinen Zweifel daran, dass sie diese Deutung favorisierte.
»Nein.« Rachel schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich ehrlich nicht. Tatsächlich bin ich nach unserem Gespräch eher davon überzeugt, dass sie keines waren. Ich weiß, dass es in der heutigen Zeit lächerlich klingt, aber sie ist nicht so eine.«
Magda warf ihr einen Blick zu.
»Ich weiß, aber das trifft’s am besten. Ehrlich, ich glaube nicht, dass ihr der Gedanke an Sex mit Edgar auch nur im Traum gekommen wäre.«
»Schön.« Magda schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht so eine. Aber er könnte durchaus so einer gewesen sein. Die Idee könnte ihm gekommen sein.« Sie ließ eine lange Minute verstreichen, und als sie wieder sprach, klang sie zögerlich und unterbrach sich immer wieder. »Du glaubst nicht – also, dass er, du weißt schon, sie genötigt haben könnte? Und dass das Geld als Entschuldigung gemeint war? Oder als Versuch, es bei ihr wiedergutzumachen?«
»Nein.« Rachel klang bestimmt. »Schlicht – nein.«
»Also gut.« Magda sah sie vorsichtig an. »Es tut mir leid. Aber eine von uns beiden musste das sagen.«
»Ich weiß.« Rachel nickte. Sie war nicht böse; die Frage hatte gestellt werden müssen. »Aber es ist ausgeschlossen. Edgar wäre an der Art Sex nicht interessiert gewesen – das entsprach einfach nicht seinem Charakter.« Sie sah Magdas Miene: Sie wussten beide von massenhaft Frauen, die genau solche Dinge von Männern behaupteten, bei denen sich irgendwann herausstellte, dass sie exakt ihrem Charakter entsprachen. »Ich weiß. Aber es ist wahr. Außerdem war ihr keinerlei sexuelles Interesse anzumerken, von der Körpersprache oder dem Ton her. Und sie sagte, dass Edgar gütig war. Sie hat es ausdrücklich betont, und es klang nicht gezwungen oder unaufrichtig.«
Wenn schon nicht vollkommen, war Magda zumindest ausreichend überzeugt, um es dabei bewenden zu lassen. »Also gut. Er ist nicht so einer; und sie ist nicht so eine. Aber dann bleibt immer noch die Frage: Was für eine ist sie denn?«
Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, nahm Rachel einen Löffel von ihren œufs en cocotte. Das Le Chant des Voyelles hatte sie vor vielen Jahren noch als Paris-Neuling entdeckt, und sie war seither immer wieder gern dorthin zurückgekehrt. Hätte man sie gefragt, weswegen sie dem Restaurant die Treue hielt, wäre sie auf die behaglich-freundliche Atmosphäre zu sprechen gekommen; auf den Umstand, dass an späten Sommerabenden das kulinarische Erlebnis plötzlich von einem vorbeiflanierenden schwatzhaften Transvestiten unterbrochen werden konnte; auf die Tatsache, dass das – gerade mal zweihundert Meter vom berühmtesten Tempel der Postmoderne von Paris entfernt gelegene – Restaurant an einer mittelalterlichen kopfsteingepflasterten Gasse lag. Aber am Ende hätte sie zugeben müssen, dass es an den œufs en cocotte lag. Sie hatte diese mit Crème fraîche und Käse überbackenen und in einem Auflaufförmchen servierten Eier in den verschiedensten Pariser Restaurants probiert, aber nirgendwo waren sie so gut wie hier. Die Augen geschlossen ließ sie sich das Ei, dessen eindimensionaler Geschmack durch das butterige Aroma der Sauce an Komplexität gewann, auf der Zunge zergehen. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Thema Elisabeth zu.
»Sie ist – es widerstrebt mir, das Wort zu verwenden, aber sie ist nett. Das Wort trifft genau auf sie zu. Sie ist schlicht; sie ist lieb. Allzu viel Tiefgang scheint sie nicht zu besitzen, das stimmt, aber das bedeutet eben, dass in ihr auch kein Platz für Hinterlist und Falschheit ist.« Sie nahm einen weiteren Bissen. »Allerdings …«
»Ja?« Magda, die während der Schilderung der Nettigkeit gelangweilt dreingesehen hatte, merkte sofort auf, als sie eine Komplikation witterte. »Allerdings was?«
»Na ja, ein bisschen Unaufrichtigkeit muss sie schon in sich haben, da sie nicht weitergesprochen hat. Sie hat mir bewusst und mit Vorbedacht etwas vorenthalten. Sie hat sich dabei zwar nicht eben unauffällig angestellt, aber allein die Tatsache, dass sie sich mitten im Satz unterbrochen hat, zeigt, dass es etwas gibt, was ich, wenn’s nach ihr geht, nicht wissen darf. In einem Punkt ist sie somit unaufrichtig.«
»Also nicht ganz so harmlos.« Magda klopfte mit ihrem Löffel meditativ auf den Boden ihrer Suppentasse. »Na ja, es gibt keine Regel, die besagt, dass einfach gestrickte Menschen keinen Mord planen oder verüben können. Tatsächlich hab ich mal gelesen, dass die meisten Kriminellen – zumindest diejenigen, die geschnappt werden – nicht sonderlich helle sind. Deswegen werden sie ja auch geschnappt. Also«, sie lächelte dem Kellner zu, der gerade ihr Geschirr abräumte, »gescheit genug, um einen Mord zu begehen, aber nicht gescheit oder vorsichtig genug, um anschließend konsequent an ihre Deckung zu denken?«
»Aber was ist mit dem Rosé?«, räsonierte Rachel wieder. »Das ist etwas anderes, als lediglich einen Augenblick lang seine Deckung zu vergessen. Das war kein kleiner Patzer. Wenn sie eine Mörderin ist, dann war das ein schwerwiegender Fehler. Selbst wenn sie glaubt, keiner wisse was vom Rosé auf dem Tisch, oder dass Edgar gar keinen Rosé mochte, hat sie keine Garantie, dass das niemand je herausfinden wird. Schließlich haben wir es herausgefunden. Wenn sie es also getan hat, dann würde man annehmen, dass sie besonders auf der Hut ist und derlei Ausrutscher unbedingt vermeidet. Wenn sie andererseits unschuldig ist«, fuhr sie fort, und ihre Stimme bekam einen nachdenklichen Klang, »dann besteht kein Grund, warum sie den Rosé nicht erwähnen sollte. Das würde also für ihre Unschuld sprechen – dass sie den Rosé erwähnt hat, meine ich, weil er eben für sie keinerlei Bedeutung hatte.«
Da sie keinen Löffel mehr hatte, klopfte Magda mit dem Zeigefinder auf den Tisch, während sie diese Argumente überdachte. »Es sei denn … es sei denn, wir haben es mit einem doppelten Bluff zu tun. Es sei denn, sie scheint lediglich einfältig und lieb, ist aber in Wirklichkeit die Mörderin, und der vermeintliche Lapsus war beabsichtigt und sollte uns davon überzeugen, dass sie nicht die Mörderin sein kann, weil keine Mörderin so dämlich wäre.«
»Ockhams Rasiermesser«, sagte Rachel.
»Was?«
»Der Grundsatz von Ockhams Rasiermesser.«
Magda guckte etwas ratlos. »Ist das nicht der, der besagt, dass die einfachste Erklärung immer die richtige ist?«
Rachel nickte. »Und nach diesem Grundsatz wäre dein Szenario zu kompliziert, um richtig sein zu können.« Dann ging ihr etwas auf. »Aber tatsächlich spielt es gar keine Rolle, ob das doppelt geblufft, einfach geblufft und überhaupt nicht geblufft ist, denn Bluff oder nicht, sie will etwas verheimlichen, und das macht sie schon von sich aus verdächtig. Und nach dem, was sie mir erzählt hat, war sie auch ein regelmäßiger Essensgast. Wodurch sie Mittel und Gelegenheit hatte.« Dann hielt sie inne. »Wir wissen allerdings weiterhin nicht, ob sie ein Motiv hatte, weil wir nicht wissen, was sie verbirgt.« Innerlich knirschte sie mit den Zähnen. Hätte sie dem Mädchen mehr zusetzen sollen? Hätte sie sie dazu treiben können, etwas wirklich Aufschlussreiches zu verraten? Oder gar zu einem Geständnis?
»Nun«, sagte Magda und verengte die Augen, »es könnte uns gelingen, aus dem, was sie dir gesagt hat, irgendeinen Anhaltspunkt zu gewinnen.« Sie lehnte sich vor. »Sag mir genau, was ihr beide jeweils gesagt habt.«
Rachel atmete tief durch und konzentrierte sich. »Also, erst sagte sie, dass Edgar sehr gütig war.«
»Und sie nannte ihn ›Edgar‹? Nicht ›Monsieur Bowen‹?«
»Nein.« Rachel verzog das Gesicht, erinnerte sich dann aber, dass Elisabeth Catherine Nadeau »Madame Nadeau« genannt hatte. Neugierig, fragte sie: »Warum?«
In diesem Moment erschien der Kellner mit den Hauptgängen. Rachel warf einen neidischen Blick auf Magdas Rochenflügel und dachte bei sich, dass es eine Schande war, ein warmes Gericht kalt werden zu lassen, weil dessen vorgesehene Verzehrerin eine lange Erklärung vortragen musste. Vielleicht wäre Magda ja einverstanden …?
Magda zog den Teller demonstrativ näher zu sich heran. Ohne Rachel anzusehen, nahm sie rasch das Messer und zerteilte damit das zarte Fleisch. »Also«, sagte sie, »die Tatsache, dass sie ihn nicht ›Monsieur Bowen‹ nannte, zeigt, dass sie wirklich eine zwanglose Beziehung hatten. Es lässt vermuten, dass sie in dem Punkt die Wahrheit sagt.«
Rachel war von Magdas Scharfsinn beeindruckt, aber Magda steckte sich nur einen Bissen Fisch in den Mund, kaute und holte dann Luft. »Okay, was hast du darauf erwidert?«
»Ich sagte, ja, das war er, aber dann habe ich sie gefragt, in welcher Hinsicht er zu ihr gütig war. Du weißt schon, irgendwie auf den Busch geklopft. Und sie sagte, dass er sie nach ihrem Studium fragte und sie viel Zeit zusammen verbrachten, wie Freunde plauderten und sich nach und nach ziemlich gut kennenlernten. Sie sahen zusammen fern. Sie sagte, er sei sehr gut zu ihr gewesen. Und dann sagte sie: ›Und deswegen, als er …‹, und ist dann verstummt. Ich versuchte nachzubohren, aber sie behauptete, sie hätte den Faden verloren.« Rachel stocherte in ihrem salade niçoise.
»Schön.« Magda kaute einen weiteren Bissen und schluckte. »Also, zunächst einmal lässt dieses ›Und deswegen, als er‹, Pünktchen Pünktchen, darauf schließen, dass er, was immer er tat, dann tat, nachdem sie sich nahegekommen waren.«
Rachel nahm den Faden auf: »Und das lässt vermuten, dass er sie gut kennen musste, bevor er Pünktchen Pünktchen. Und sie ließ es tatsächlich so klingen, als ob er sich Mühe gegeben hätte, ihr näherzukommen, bevor er – was auch immer.«
»Und das wiederum spricht dafür«, Magda war jetzt schneller, »dass, was auch immer er tat oder sagte, oder fragte, oder worum er sie bat, oder was er ihr gab, oder sich nahm, oder was auch immer, er wusste, dass sie mit ihm auf freundschaftlichem Fuße stehen musste, bevor sie es in Erwägung ziehen würde.«
»Richtig.« Rachel sammelte sich, zählte an den Fingern ab. »So. Er konnte sie nicht einfach so beiläufig fragen – sie war sichtlich durcheinander wegen dem, was er fragte oder worum er sie bat – und was auch immer er fragte, war abhängig von und stand gleichzeitig im Widerspruch zu seiner Güte.«
Magda nickte.
»Das lässt vermuten, dass es weder etwas Spontanes noch etwas Einfaches war. Und das alles lässt vermuten …«
»… dass es eine große Sache war«, vollendete Magda.
Sie sahen sich an, wechselseitig überrascht und stolz über ihre Fähigkeiten. Rachel stach mit der Gabel in ein Salatblatt; Magda zwackte einen Bissen Rochen ab und steckte ihn sich in den Mund.
Rachel sagte leise: »Und nach ihrer Einleitung zu urteilen, würde ich sagen – was auch immer es war, sie erklärte sich dazu bereit.«
Magda schluckte. »Also bekommt sie nach Edgars Tod viel Geld dafür, dass sie zu seinen Lebzeiten etwas getan hat, was ihr offensichtlich peinlich war. Das sind gleich zwei Motive: Geld und Angst.«
»Stimmt.« Doch Rachel wurde ihre Zweifel nicht los. »Aber es wäre unmöglich, jemanden zu finden, der sich weniger wie eine Killerin verhält oder nach einer aussieht. Und wir dürfen nicht vergessen – sie erwartete ja gar keine so hohe Zuwendung, also hätte sie ihn auch nicht deswegen töten können.«
»Tja«, sagte Magda, »wir stehen noch ganz am Anfang. Aber wenn du euer Gespräch aus einer anderen Perspektive betrachtest, dann ist es ein Erfolg: Du bist erst seit zwei Tagen da und hast schon eine Spur.« Sie seufzte, aber ihr Seufzer klang nicht unbefriedigt. »Wie du selbst sagst, hat gerade die Tatsache, dass sie so offensichtlich etwas nicht verraten hat, etwas verraten: Sie hat ohne Frage wenigstens eine Sache im Zusammenhang oder in Verbindung mit Edgar getan, die sie geheim halten will.« Noch einen Bissen, noch einmal schlucken. »Und Mathilde? Irgendwas aus der Ecke?«
Rachel schüttelte den Kopf. »Nicht das kleinste bisschen.« Verbittert spießte sie eine Kaper auf. »Wie steht’s mit dir? Wie sind deine Recherchen gelaufen?«
»Ah, Madame Nadeau!« Magda beugte sich vor, zog ein gebundenes Notizbüchlein aus ihrer Handtasche und schlug es auf. »Catherine Nadeau besitzt eine Boutique, die dekorative Haushaltswaren verkauft. Für Laufkundschaft, soviel ich weiß, was auch der Grund wäre, warum sich unsere Wege nie gekreuzt haben. Der Laden heißt Le Cindy.« Sie hob vorwegnehmend die Hand. »Frag nicht. Ich weiß es nicht. Aber so heißt er. Hat keine nennenswerte Webpräsenz – vielleicht habe ich deswegen noch nie davon gehört –, aber er ist im Ersten, in der Rue des Bourdonnais.«
So hatte Edgar sie wahrscheinlich kennengelernt, tippte Rachel. Sein Spaß am Herumstöbern und seine Schwäche für ungewöhnliche Wörter und Wendungen konnten ihn ohne weiteres in dieses Geschäft mit dem komischen Namen geführt haben, zumal es ganz bei ihm in der Nähe lag.
Magda war noch nicht fertig. »Und jetzt kommt etwas sehr Interessantes. Ich hab’s in einem Online-Business-Newsletter gefunden. Der Laden kündigt für nächste Woche eine ›Wiedereröffnung‹ an, nachdem er zwei Monate lang geschlossen hatte.« Zufrieden lehnte sie sich zurück, dann sah sie Rachels Miene an, dass die Bombe noch nicht eingeschlagen hatte, und lehnte sich wieder vor. »Okay, ich sehe ein, dass das für jemanden, der nichts vom Einzelhandel weiß, nicht viel hermacht. Ich erklär’s dir. Wenn ein Laden bereit ist, auf zwei Monate Umsatz zu verzichten, dann bedeutet das, dass es ein Problem gibt. Und wenn ein Laden bereit ist, während der Weihnachtssaison auf zwei Monate Umsatz zu verzichten, dann bedeutet das, dass er ein ernstes Problem hat, denn es bedeutet eine gewaltige Einbuße. Und im Einzelhandel«, sie richtete zur Emphase ihr Messer auf Rachel, »ist das einzige ernste Problem das Geldproblem. Was bedeutet, dass Madame Nadeau Geld brauchte.«
Jetzt begriff Rachel. »Sie verwendet Edgars Zuwendung, beziehungsweise deren Zusicherung, um ihr Geschäft wiederzueröffnen. Der Betrag war das Zünglein an der Waage, das für den Laden zwischen der Pleite und der Chance entschied, doch noch zu einem Erfolg zu werden.«
Magda nickte. »Und das bedeutet …«
Rachel fiel in ihre Worte ein, sodass sie wieder unisono sprachen: »… es war einen Mord wert!«
Sie sahen sich an.
»Wir müssen tiefer graben«, sagte Rachel.
Wieder nickte Magda, entschieden. »Stimmt.« Dann hielt sie inne. »Aber wie?«
Rachel staunte selbst, wie naheliegend die Antwort war. »Wir sehen uns das Geschäft an.«
»Tun wir das?«
»Klar. Ich bin in der Gegend. Einer hübschen Boutique kann ich nicht widerstehen – wir schauen einfach mal rein. Es wird ganz natürlich aussehen. Es ist eine Wiedereröffnung; es wird ein ständiges Kommen und Gehen sein.«
Magda holte weiter aus. »Du bist sowieso in der Gegend. Du bist in der Bibliothek beschäftigt. Die in Edgars Wohnung ist, welche wiederum im Ersten ist.« Sie steckte sich einen Bissen in den Mund. »Wir könnten am Montag hin.«
»Perfekt.« Dann erinnerte sich Rachel an ihr Ausgangsthema und runzelte die Stirn. »Und Elisabeth? Was machen wir mit ihr?«
»Ach ja, Elisabeth.« Magda dachte nach. »Sie sieht nicht aus wie eine Kriminelle.«
Rachel nickte.
»Und sie verhält sich auch nicht wie eine Kriminelle.«
Wieder nickte Rachel.
»Andererseits«, sagte Magda mit weiser Stimme, »sehen nicht alle Kriminellen wie Kriminelle aus oder verhalten sich nach außen hin wie welche.« Eine weitere Pause, und dann sagte sie aufgeräumt: »Tja, da musst du sie einfach beobachten und sehen, ob sie sich irgendwie verrät.«
Der Scharfsinn der Konsumentin von tausenden True-Crime- Dokus hatte gesprochen. Es gab nichts anderes zu tun, als die Augen weiter aufzuhalten und abzuwarten. Rachel hob die Hand nach dem Kellner. Da sie für das ganze Beobachten, Abwarten und In-Geschäfte-Gehen bei Kräften bleiben musste, würde sie sich zum Abschluss die Schokoladenterrine mit Minzsauce genehmigen.