18.2. 2035, Mond-Basis Unity
Dass es ausgerechnet Atiya als erste treffen würde, damit hätte er nicht gerechnet. Die Kenianerin war am Nachmittag nicht zu ihrer Schicht erschienen, und Yue hatte sie schließlich bewusstlos in ihrem winzigen Zimmer gefunden. Jetzt liegt sie in der Krankenstation. Ihr Zustand ist stabil. Jonathan hat sie an den Tropf gehängt, aber sie ist immer noch nicht zu Bewusstsein gekommen.
Wenn er es genau bedenkt, ist Atiya allerdings eine typische Kandidatin für so einen Zusammenbruch. Sie redet nicht viel, und sie würde sich nie über ihre zu kleinen Portionen beschweren. Sie hatte schon immer eine sportliche Figur, kein Gramm Fett zu viel, sie bewegt sich viel bei hohem Grundumsatz, also hat der Körper schnell angefangen, ihre Muskeln anzugreifen. Wenn er ihre Werte bloß öfter kontrolliert hätte, dann wären ihm die stark erhöhten Anteile der Eiweiß-Abbauprodukte garantiert aufgefallen. Aber vor einer Woche waren sie nur leicht angestiegen gewesen, und seitdem hatte er Atiya kaum gesehen.
Er stellt sich neben sie und streicht über die dunkle Haut ihrer Hand. Sie atmet ruhig, als würde sie nur schlafen. Herzrhythmus und Hirnströme sind ohne Befund. Vielleicht braucht sie wirklich nur ein paar zusätzliche Kalorien und ein bisschen Ruhe. Wenn es so ist, müsste sie bis heute Abend erwacht sein.
»Darf ich?«
Es ist Yue. Jonathan nickt. Sie stellt sich an die Liege und betrachtet die Patientin.
»Ich hätte es merken müssen«, sagt Yue.
»Ich, ich hätte es merken müssen.«
»Nein, ich. Sie hat sich in den letzten Tagen sehr zurückgezogen. Vermutlich hat sie gelitten, wollte aber niemanden damit belasten.«
»Sie wird es dir berichten.«
»Ja?«
Yue sieht ihn an. Sie hat Tränen in den Augen.
»Ja, Liebling.«
»Gut.«
Sie schnieft. Dann dreht sie sich um und verlässt die Krankenstation.
Eine Stunde später ist sie wieder da. Atiya schläft noch. Diesmal ist in Yues Gesicht nicht Trauer, sondern Entsetzen erkennbar.
»Was ist los?«, fragt er.
»Die ARES, sie kommt drei Tage später.«
»Oh.«
»Sie hatten ein Problem mit dem Haupttriebwerk.«
»Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.«
»Was meinst du?«
»So sagt man bei uns. Ein Unglück gesellt sich gern zum nächsten.«
»Aber wirklich.«
»Du musst ihnen sagen, dass es hier bei uns langsam kritisch wird. Ich … ich weiß nicht, wann es den nächsten trifft.«