7.9. 2035, Mond-Basis Unity
»Immer noch nichts von LISA?«,
fragt er.
Michael sieht auf die Uhr. Es ist fünf vor sechs. Gleich hat Atiya Schichtschluss.
»Nein, gar nichts«, antwortet sie.
»Und die Hardware funktioniert?«
»Ja, sogar bestens. Wir haben drei Gravitationswellen registriert, die wir kollidierenden Neutronensternen zuordnen konnten, und eine, von der wir vermuten, dass sie aus der Entstehungszeit eines Schwarzen Loches am Ende einer Supernova stammt.«
»Das wäre auf der Erde ja eine wissenschaftliche Sensation gewesen«, sagt Michael.
»Allerdings. Daran siehst du, dass es nicht an der Empfindlichkeit hapert. LISA arbeitet besser, als es die ESA je vorgesehen hatte.«
»Danke für die Einschätzung, Atiya. Du bestätigst meine Vermutung.«
»Dass die Erde tot ist? Das kann man daraus eigentlich nicht ablesen.«
»Nicht direkt, aber lassen wir das. Ich bin nicht gekommen, um zu streiten.«
»Das ist gut«, sagt Atiya und erhebt sich. »Du entschuldigst mich? Meine Arbeitszeit ist vorüber.«
»Und wenn LISA jetzt Daten sendet?«
»Der Reflektor auf der Sphäre ist für LISA gerade hinter dem Horizont verschwunden, also kann die Sonde in den nächsten acht Stunden nichts messen.«
»Das ist ja praktisch.«
»Ja, wirklich, so brauchen wir nur eine Person, die sich um LISA kümmert.«
»Verstehe. Ich will dich auch nicht von deinem Feierabend abhalten.«
»Danke. Gute Nacht, Mike.«
Michael bückt sich, um seinen Schuh zu binden. Unter der Tischplatte hindurch sieht er, wie Atiya den Raum verlässt. Dann setzt er sich auf ihren Platz und startet die LISA-Kontrollsoftware. Bevor er irgendwelche Entscheidungen trifft, braucht er Daten. Er muss sicher sein, dass hier nichts hinter seinem Rücken passiert, so wie damals, als JR einfach das zweite Triebwerk geopfert hat.
Ihre Entscheidung war nach den NASA-Regeln auf jeden Fall illegal, denn ein Abbruch der Mars-Mission wäre nur mit einfacher Mehrheit der Crew möglich gewesen, und zwar der originalen Mars-Crew, von der zwei Astronauten gar nicht an Bord waren, als die Entscheidung fiel. Das Problem ist nur, dass hier niemand ist, der die Kommandantin absetzen könnte. Nur er selbst kommt dafür in Frage, und er ist in der absoluten Minderheit.
Langsam geht Michael die von dem Gravitationswellendetektor gesammelten Daten durch. Er versteht die Physik dahinter nicht komplett. Aber die Ergebnisse sehen definitiv nicht so aus, als könnten Botschaften dahinterstehen. Vielmehr erinnern sie an das, was er bei ähnlichen Entdeckungen gesehen hat. Atiya hat ihn nicht belogen. LISA funktioniert und ist empfindlich genug.
Was nun? Sie warten jetzt seit fünf Monaten auf Nachricht von der Erde, und nichts passiert. Er hat also jede Menge Geduld bewiesen. Doch damit ist nun Schluss. Judiths Strategie ist gescheitert. Er wird ein letztes Mal versuchen, alle umzustimmen, und wenn das nicht klappt, muss er eben zu anderen Maßnahmen greifen.