23.4. 2036, Mars-Schiff ARES
Judiths Armband vibriert. Es ist Yue. Judith schaltet die Sprechverbindung ein.
»Entschuldige die Störung, aber ich habe hier jemanden für dich.«
Sie ärgert sich. Nachdem sie zwei Stunden wachgelegen hat, war sie gerade kurz vor dem Einschlafen gewesen.
»Wenn ich nicht im Dienst bin, vertritt mich Maxim«, sagt sie etwas schärfer als sonst.
Sofort tut ihr Yue leid. Das hat sie nicht verdient.
»Der Anruf ist privat, nicht dienstlich. Und er kommt über einen verschlüsselten Kanal. Ich wusste gar nicht, dass die ARES so etwas hat.«
»Das war Bedingung. Eine direkte Verbindung für unsere Geheimdienste.«
Aber dass nach dieser turbulenten Zeit auf der Erde noch jemand davon weiß, ist schon verwunderlich. Was will der Geheimdienst von ihr?
»Ich stelle durch«, sagt Yue.
Judith bestätigt. »Hier Judith Rosenberg. Kommandantin der ARES.«
Das System überprüft die Merkmale ihrer Stimme und schaltet dann erst die Leitung frei.
»Mein Name ist Alison David-Griffiths. Ich bin CIA-Direktorin und für diese ganze verkackte Scheiße hier unten zuständig.«
Judith stellt sich eine große, schlanke Frau um die 50 im Hosenanzug vor, die an einem riesigen Schreibtisch sitzt, nervös raucht, noch nie länger mit einem Mann zusammen war und sich als einzige Sünde eine deftige Sprache erlaubt.
»Wer ich bin, wissen Sie ja, sonst hätten Sie nicht angerufen«, antwortet Judith. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ah, da sind sie falsch gewickelt«, sagt die Frau und lacht laut. »Ich rufe an, um zu erfahren, ob ich etwas für Sie tun kann.«
»Das ist sehr nett.«
»Haha, der war gut«, unterbricht die CIA-Direktorin sie. »Natürlich bin ich nicht nett. Sie wissen ja, eine Hand wäscht die andere. Sie sind gerade unsere Frau da draußen. Es sollen Chinesen und Russen an Bord sein. Da müssen wir informiert bleiben.«
»Sogar ein Deutscher, ein Italiener, ein Japaner …«
»Jaja, ich weiß. Die interessieren mich weniger, aber darum soll es heute gar nicht gehen. Ich würde wirklich gern etwas für Sie tun. Gibt es da irgendetwas?«
»Weltfrieden. Oder nein, drehen Sie die Zeit um zwei Jahre zurück.«
»Haha, sie sind wirklich lustig. Wir werden noch viel Spaß haben, wenn erst einmal die Aliens kommen.«
»Die was?«
»Ein dummer Scherz, ich gebe es zu. Also, raus mit der Sprache, wie kann ich Ihnen helfen? Medikamente werden Ihnen die Europäer bringen. Ich bin mehr für die Informationen zuständig.«
Informationen, ja, die hätte sie gern. Aber will sie wirklich wissen, wie es Lisa und den Kindern geht? Die Chance, dass sie noch leben, ist minimal. Aber die anderen, vielleicht wollen die anderen wissen, was aus ihren Liebsten geworden ist?
»Ich habe eine Idee«, sagt Judith. »Die meisten hier haben Verwandte auf der Erde. Sie haben das doch bestimmt im Computer. Ich weiß, dass wir alle die Sicherheits-Clearance bekommen mussten, sogar Maxim und Yue. Es wäre toll, wenn sie herausfinden könnten, was aus unseren Verwandten geworden ist.«
»Kein Problem, das lasse ich herausfinden. Mit den Europäern arbeiten wir gut zusammen, aber bei den Chinesen und Russen könnte es länger dauern.«
»Klar. So viel ich weiß, besitzt Yue Gao auf der Erde keine Verwandten, sie ist als Waise in einem staatlichen Heim aufgewachsen, also können Sie sich die Nachfrage bei den Chinesen sparen.«
»Wissen Sie, bei den Chinesen erlebt man oft die kuriosesten Dinge, das kostet mich bloß einen Anruf, und jemand anders hat die Arbeit.«
»Dann viel Erfolg. Aber eins noch: Nicht jede und jeder hier wird alles wissen wollen, deshalb schicken Sie die Ergebnisse bitte verschlüsselt an mich.«
»So mag ich das, JR, so nennt man Sie doch?«
»Nur, wer mich nicht leiden kann.«
»Ok, Entschuldigung. Sie hören wieder von mir.«