Kapitel 4
In den nächsten Wochen mied Sofia mich. Ich bekam mit, dass sie einen Mann kennengelernt hatte, was mir nicht gefiel. Aber ich wusste, ich durfte mich nicht einmischen.
Nach der Arbeit aß ich in Ruhe, ehe ich in den Garten ging. Dad war mit Eva im Wohnzimmer, sie schauten einen Film und draußen hielt sich Danny auf. Er spielte auf der Terrasse mit seinen Spielzeugautos, also gesellte ich mich zu ihm.
»Hattest du heute Gitarrenunterricht?«, wollte ich von ihm wissen.
Er hob den Blick und ich sah in seine Augen, die meinen ziemlich ähnlich waren. Bis auf die Augenfarbe hätten wir vermutlich als Zwillinge durchgehen können, wäre ich noch in seinem Alter. Seine waren grün, meine blau.
»Ja, ich kann schon fünf Akkorde spielen.«
»Hey, das ist klasse«, lobte ich ihn. Es fiel ihm leicht, das Instrument zu lernen, das machte mich irgendwie stolz.
»Die anderen Kinder in meiner Gruppe sind langsamer als ich. Dad hat mir gesagt, ich bekomme Einzelunterricht.« Dabei wirkte er zerknirscht.
»Willst du lieber mit den anderen zusammenbleiben?«
»Hm-mh.« Dabei schob er eines der Autos hin und her.
»Ich hatte auch Einzelunterricht«, erklärte ich. Direkt sah er mich wieder an und stoppte die Bewegung. »Das bedeutet, dass du gut bist.« Während ich das sagte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Sei stolz auf dich, kleiner Bruder.« Er grinste breiter und ich ließ meine Augen einmal über den Garten wandern. »Hast du Fia gesehen?«
Er nickte. »Ja, sie ist im Poolhaus«, erklärte er und zeigte dorthin.
Also raffte ich mich auf und ging durch den Garten, spürte sie hinten auf. Sie stand alleine am Billardtisch und rieb mit der Kreide über die Spitze des Queues.
»Wie geht’s?«
»Gut«, lautete ihre knappe Antwort. Ich setzte mich an die Bar und beobachtete Sofia einige Minuten dabei, wie sie gekonnt eine Kugel nach der anderen in den Ecktaschen versenkte. Ihre Musik spielte leise im Hintergrund und durch die große Glasfront fiel das warme Licht der bereits tiefstehenden Sommersonne in den hellen Raum, zeichnete die Schatten der Sträucher auf den Fußboden und den Billardtisch.
»Was macht die Arbeit?«, wollte ich wissen. Seit ein paar Wochen arbeitete sie in irgendeinem Labor.
Mein Vater hatte mich direkt nach dem Abschluss in seiner Firma untergebracht. Ich hatte keine Woche frei gehabt und diente ihm jetzt als Laufbursche. Beschweren würde ich mich nicht, immerhin verdiente ich gut, konnte so einiges zurücklegen, und noch dazu machte die Arbeit mit den Bands und Künstlern Spaß. Gestern hatte ich einem der Produzenten beim Abmischen zusehen dürfen, was ich echt genial fand. Irgendwann würden wir unsere Songs auch professionell aufnehmen, da war ich mir sicher.
»Läuft sehr gut und ich könnte mir vorstellen, etwas in der Richtung zu machen.« Soweit ich mich erinnerte, arbeitete sie mit Gentechnik oder so. Den genauen Begriff hatte ich mir nicht gemerkt.
Erneut wurde es still und ich beobachtete sie einige Minuten weiter beim Spielen.
»Wie geht es dir wirklich?«, brach ich das Schweigen und nippte an dem Wasser, das ich mir zwischendurch geholt hatte. Sie seufzte und richtete sich wieder auf, stellte den Queue neben sich, hielt ihn mit der rechten Hand an der Oberseite umschlossen.
»Es geht mir gut, Joshua.« Sie stemmte die andere Hand in die Hüfte und ich ließ meinen Blick über das helle Sommerkleid wandern, das sie heute trug. Ihre dunklen Wellen und auch die Augen waren ein krasser Kontrast dazu.
»Wieso weichst du mir aus?«
»Ich weiche dir nicht aus«, meinte sie leise und griff nach dem Stück Kreide, rieb es über die Spitze und ließ die Augen über den grünen Stoff des Tisches wandern. Danach beugte sie sich vor und ich starrte auf ihren Arsch, der in ihre Wahnsinnstaille überging. »Hör auf, mich anzugaffen«, murmelte sie, bevor sie die weiße Kugel anstieß.
»Dann mach das nicht extra. Du provozierst meine Blicke doch. Als ob du nicht weißt, dass deine Heckansicht der Wahnsinn ist.« Meine Aussage entlockte ihr ein fieses Grinsen und sie drehte ihren Hintern noch weiter in meine Richtung.
»Fia, mach so weiter und ich leg dich auf dem Tisch hier flach«, gab ich neckend zurück und bewegte sie dazu, noch mit ihrem Hintern zu wackeln. Darauf musste ich einen großen Schluck Wasser nehmen, um runterzukommen.
»Dezent und charmant wie immer. Was würde ich nur ohne deine blöden Sprüche machen?«, sagte sie und stieß erneut mit dem Queue gegen die weiße Kugel, die daraufhin mit einem leisen Knall gegen die grüne schoss und diese in die Ecktasche gegenüber versenkte. Sofia richtete sich auf und wirkte zufrieden.
»Dich vermutlich ziemlich langweilen«, gab ich mit einem charmanten Lächeln zurück, weshalb sie ihre Augen verdrehte.
»Es ist verdächtig still geworden in deinem Zimmer in den letzten Wochen«, merkte sie an und überraschte mich damit.
»Äh …«
»Wogegen ich allerdings nichts einzuwenden habe, so kann ich wenigstens mal durchschlafen«, legte sie nach und ich rutschte vom Stuhl, stützte mich ihr gegenüber an eine der kurzen Seiten des Billardtisches.
»Heißt das, dass wir jetzt die Rollen tauschen? Ich schalte zurück, dafür lässt du es krachen? Schließlich triffst du dich mit diesem Typen« Keine Ahnung, wieso ich so etwas Behämmertes sagte. Sofia senkte den Blick und tat so, als würde sie überlegen, wie sie die nächste Kugel am besten versenkte, doch ich sah ihr an, dass sie das nicht kalt ließ. »Sorry«, murmelte ich hinterher.
»Schon gut. Du bist mir wegen deiner Weiber kaum eine Rechenschaft schuldig.« Das hatte bissig geklungen und verdammt, diese zickigen Aussagen aus ihrem Mund machten mich total an.
»Wer ist dieser Kerl?«, fragte ich.
»Meinst … du Nico?«
»Nico, hm?«
»Er ist … nett«, erklärte sie für mein Empfinden viel zu glücklich, wobei sie nach der Kreide griff.
»Nett also … Wie alt ist er? Was macht er? Hobbys? Leichen im Keller?«
Sofia schaute mich mit großen Augen an. »Was sind denn bitte das für Fragen?«
»Ich will nur wissen, ob er es verdient, dich auszuführen.«
»Er ist zweiundzwanzi…«
»Er ist zu alt.«
Sie stemmte ihre Hand erneut in die Hüfte. »Joshua?«, sagte sie mit einem Lachen, »das hast du nicht zu entscheiden.« Damit legte sie den Queue auf den Billardtisch, umrundete diesen und setzte sich auf einen der Barhocker. Ich drehte mich zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Er ist erwachsen.«
»Und?«, murmelte sie, beugte sich über die Theke und griff nach einem Glas, befüllte es unter dem Wasserhahn, während ich auf ihre Beine starrte, weil ihr Kleid dabei etwas hochrutschte.
Sie fiel zurück auf den Sitz, nahm einen Schluck Wasser.
»Du bist erst siebzehn und er laut Gesetz schon erwachsen.«
»So lange es für mich und auch Mom und Andrew in Ordnung ist, hat wohl kaum jemand was zu befürchten.«
»Er könnte Frauen haben, die so alt sind wie er, doch entscheidet sich für dich, für eine Minderjährige ? Denk bitte darüber nach, wieso er sich keine in seinem Alter sucht.«
Sofia schaute mich finster an.
»Okay, das klang jetzt blöder, als es gemeint war«, lenkte ich schnell ein. Sie verdrehte ihre Augen erneut.
Vorsicht trat ich an Fia heran, bis ich direkt vor ihr stand und sie stellte das Glas auf den Tresen, blickte unsicher zu mir auf. »Fia … ich mache mir Sorgen«, flüsterte ich.
Sie rührte sich nicht.
Aber ich erkannte erneut diese Sehnsucht in ihrem Blick, den ich bereits an dem Ballabend wahrgenommen hatte.
Langsam hob ich eine Hand, strich ihr behutsam ihre dunklen Wellen hinter die Ohren und schloss die Lücke zwischen uns, indem ich mich dicht an sie heranstellte.
»Joshua …«, wisperte sie, »was machst du?«
Keine Ahnung, was mich hier ritt, ich griff an ihre Oberschenkel und sie stieß ein leises Keuchen aus. Fia reagierte, schlang ihre Arme um meinen Hals, die Beine um meine Hüfte und ich setzte sie auf dem Billardtisch ab. Langsam beugte ich mich über sie, sodass sie mit dem Rücken auf dem Rand lag, stützte mich mit einem Arm auf dem Tisch ab.
Meine andere Hand ließ ich an ihrer weichen Haut liegen.
Sie ihre in meinem Nacken.
Vorsichtig führte ich meine Finger weiter unter den Stoff des lockeren Kleides, vorerst an der Außenseite ihrer Oberschenkel entlang. Natürlich hatte ich sie bereits dort berührt, aber gerade fühlte sie sich besser denn je an.
Sie atmete hörbar und ich senkte meine Lippen an ihren Hals und drückte ihr dort einen leichten Kuss auf, während ich meine Hüfte an ihre drückte. Sofia zog scharf die Luft ein und ich wurde auf der Stelle steinhart.
»Joshua?«, hauchte sie direkt an meinem Ohr, was mich dazu bewegte, meinen Kopf leicht zu heben, ihr in die Augen zu schauen.
Würde sie sich dieses Mal von mir küssen lassen?
Wir starrten uns schwer atmend an, und Fia legte ihre Finger an meine Lippen und tastete diese vorsichtig ab. »Hast du einen Ständer?«, fragte sie mich leise und ich registrierte das feine Lächeln auf ihren Gesichtszügen.
Leise räusperte ich mich. »Ähm … ja.«
Wir beide blieben still, meine Augen huschten zu ihren vollen roten Lippen und in meinem Hirn setzte in dem Moment alles aus, als sie ihre Finger erneut über meinen Mund gleiten ließ.
Ein Räuspern unterbrach uns und erschrocken sah ich zur Tür, wo mein Dad stand.
Wie vom Blitz getroffen, machte ich einen Satz zurück, blieb mit dem Fuß irgendwo hängen, stürzte und riss zwei der Barhocker mit zu Boden.
Danach wurde es still.
Mein Vater sah zwischen Fia und mir hin und her, eine Kiste Wein im Arm. »Ich lege nur schnell den Weißwein kalt, dann könnt ihr gerne weitermachen.«
Verdammt war das peinlich!
Ich bemerkte, wie ich knallrot wurde.
Mein Dad marschierte ungerührt an uns vorbei. Wie angewurzelt blieb ich auf dem Boden sitzen und Fia auf dem Billardtisch, wobei sie ihre Finger in den Stoff des Kleides krallte, dass sie energisch über die Oberschenkel zog.
Kaum hatte er das erledigt, ging er an uns vorbei und ließ Sofia und mich in der Stille zurück.
Keiner von uns hatte sich gerührt und wir sahen uns an. Sie war mindestens so rot wie auch ich.
»Das … war ultimativ peinlich«, sagte ich und sie prustete leise, bis sie in Gelächter ausbrach und ich tat es ihr gleich. Ich rappelte mich wieder auf, stellte die Hocker hin und setzte mich auf einen.
Erneut schauten wir uns an.
»Willst du eine Runde spielen?«, wollte ich wissen.
Fia hüpfte zurück auf den Boden und atmete durch, nickte mir dann zu, griff dabei nach dem Queue. »Hol die Kugeln raus, ich zieh dich ab.«
Auf ihr Gesicht legte sich ein dankbares Lächeln, denn natürlich bemerkte ich, wie unangenehm ihr das hier war. »Das glaubst auch nur du.« Sie war besser als ich, das wussten wir beide, aber ich hatte die Situation entschärfen wollen. Sofia bückte sich vor den Tisch und holte die Kugeln aus der Ballbox, legte sie zurück auf den Stoff, ehe ich alle Kugeln an Ort und Stelle mit dem Dreieck positionierte und wir zu spielen begannen.