Kapitel 12
Nach einiger Zeit ging ich zurück ins Haus und setzte mich auf einen Stuhl am Esstisch.
Es war, als würde ich die Kontrolle über meine Gefühle verlieren. Das, was ich immer für sie empfunden hatte, war intensiv, aber das jetzt …
Bei jedem Atemzug wurde dieses Gefühl nur noch intensiver. Als würde ich innerlich auseinanderbrechen und doch zusammengesetzt werden, als würde mein Geist hier und jetzt aufhören dagegen anzukämpfen.
Das Geräusch der Tür in meinem Rücken ließ mich aufschrecken und ich sah mich um. Sofia betrat das Esszimmer.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«, hakte sie leise nach. Schwungvoll stand ich auf und hielt auf sie zu, woraufhin sie einige Schritte zurücktat und gegen die Wand in ihrem Rücken stieß. Behutsam umschloss ich ihre Wangen, senkte meine Lippen an ihre und sie ging auf mich ein.
Ich küsste sie wie nie zuvor, als würde ich ersticken, wenn ich sie wieder freigab und zog sie nach einigen Sekunden an den Oberschenkeln hoch. Dass unsere Eltern hier jeden Moment hereinplatzen könnten, war mir scheißegal.
Das, was sie gerade in mir auslöste, war Liebe. Ich wusste es einfach, denn ich spürte es in jeder Faser und mir war klar, dass ich ihr alles geben würde, was sie wollte.
Da war nur sie.
Schon immer nur sie.
Und sie würde es immer bleiben.
Sie hatte meine Rüstung vollkommen durchbrochen, meine Mauern eingerissen und ich warf hier und jetzt alle Waffen nieder.
Am nächsten Tag hatte ich mich kein Stück gefangen und vertrieb mir den Mittag am Pool, wobei ich auf das Wasser starrte.
Ohne, dass sie sich äußerte, bemerkte ich, dass Fia auf mich zukam. »Joshua?«, sagte sie leise. Noch immer kam ich nicht mit dem klar, was plötzlich in mir vorging. Ich verstand es nicht. Es tat weh und fühlte sich verdammt gut an. »Was war gestern los?« Sofia setzte sich neben mich in den Schneidersitz, wie ich aus dem Augenwinkel wahrnahm. »Wieso hast du mich weggeschickt?«
»Bitte gib mir ein bisschen Zeit«, antwortete ich ihr. »Bitte lass mich alleine.«
»Wieso? Was ist denn los? War es wegen dem … was im Poolhaus passiert ist?« Sie warf einen prüfenden Blick zum Haus, ehe sie mich wieder ansah.
Ich ließ mich rücklings auf die Steine sinken und drückte eine Hand vor die Augen. »Du denkst, ich benehme mich so, weil ich dich geleckt habe?« Danach sah ich sie an und direkt schlug mein Herz schneller.
Sie wich mir aus und knibbelte an ihren Fingern. »Na ja, vielleicht hat es dir ja nicht so gut gefallen.«
Mit einem leisen Brummen richtete ich mich wieder auf, rückte an sie heran und umschloss ihre Wangen leicht. »Es hat mir unglaublich gut gefallen, Fia«, flüsterte ich. Vorsichtig streichelte ich ihre Wangen mit meinen Daumen, was mich selbst debil Lächeln ließ, wie mir klar wurde. »Es war unglaublich intensiv.« Gedankenverloren beugte ich mich zu ihr.
»Campbell!« Bei Nicos Stimme fuhr ich zusammen, rückte von Fia ab und keine Sekunde später zog er sie am Arm von mir weg.
»Hey? Was soll der Scheiß?«, ging ich ihn an und sprang auf die Füße.
»Hör auf an ihr herumzugraben«, forderte er. Sofia riss sich los und rieb über ihren Oberarm, doch blieb stumm. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf ihren bezaubernden Macker, der in dem Moment auf mich zukam. »Lass deine Finger gefälligst bei dir.«
»Wir haben uns nur unterhalten«, gab ich lässig zurück, was ihn scheinbar noch wütender machte. Wieder setzte er diesen tödlichen Blick auf, den er in meiner Gegenwart gepachtet zu haben schien.
»Unterhalten? Ich sehe, wie du sie ansiehst, Campbell. Ich bin nicht blind.«
Dieser Typ war doch nicht zu fassen, machte hinter Fias Rücken mit ihren Freundinnen rum und wollte mir dann vorschreiben, mich von ihr fernzuhalten? Ich hatte ihn auf einer Party erwischt, was von ihm allerdings unbemerkt geblieben war. Immerhin war er beschäftigt gewesen. Ein wenig genervt verschränkte ich meine Arme. »Ach ja? Wie sehe ich sie denn an?« Wenn ich ruhig blieb, provozierte ich ihn, weswegen ich gerne die Lässigkeit in Person mimte, stand er mir gegenüber.
»Nico, lass es bitte gut sein«, mischte Sofia sich ein und zog an seinem Unterarm, doch er riss sich los.
»Du willst sie«, flüsterte er, wobei er mir noch näherkam. »Ich sehe, dass du mehr von ihr willst.«
»Sie ist meine Schwester, Nico«, sagte ich betont kühl und bemerkte direkt, dass ich Sofia mit meiner Aussage traf. Es tat mir weh, das zu sagen.
»Dann hör auf, sie anzufassen«, forderte er und wandte sich ab. Er zog Sofia an sich, drehte ihren Kopf in seine Richtung und sah mich noch einmal an. Dabei ballte ich meine Hände und als er sie vor meinen Augen küsste, bohrte ich meine Nägel in meine Handinnenflächen.
Frust und Wut brodelten in mir.
Mit aller Macht schluckte ich das herunter.
Fia schaute zu Boden, als er sie losließ und verharrte wenige Sekunden ganz still. Bevor ich mich dazu äußern konnte, riss sie sich aus der Starre und eilte durch den Garten, stolperte die Treppe hoch, bevor sie im Haus verschwand.
Nico hingegen blieb stehen und sah mich weiter an. Mit diesem blasierten Lächeln wollte er mich wohl weiter provozieren. Und es funktionierte.
»Deinen Namen hat sie vermutlich noch nie geschrien«, murmelte ich und sein Blick verfinsterte sich erneut.
Kurz darauf kam er auf mich zu und ich spannte mich an, machte mich bereit, einen heftigen Schlag einzustecken, doch stattdessen verpasste er mir einen Stoß, sodass ich rücklings im Pool landete.
Lachend tauchte ich auf und er starrte mich mehr als vernichtend an. Ich wusste nicht, dass ein Mensch so finster gucken konnte. »Wow, ich hätte wirklich mehr erwartet«, provozierte ich weiter.
Nico musterte mich noch einen Moment kühl, bevor er Sofia folgte. Kurz darauf hievte ich mich aus dem Pool und zog mir das nasse Shirt über den Kopf, wrang es über dem Wasser aus und stapfte ins Haus, um mich vor der Probe schnell zu duschen.