Der Beginn der Sessions am neuen Schauplatz hat sich nun doch noch um einen Tag verzögert, weil der flippige Elektronikchef von Apple, Alexis Mardas („Magic Alex“), es entgegen seiner großspurigen Versprechen nicht geschafft hat, im Apple-Studiokeller eine funktionstüchtige 72-Spur-Aufnahmeanlage zu installieren, weshalb mit George Martins Hilfe in aller Eile zwei Vierspurmaschinen von EMI hergeschafft und zu einem Achtspurmischpult zusammengestöpselt werden müssen. Erst am folgenden Tag können die Proben dann endlich weitergehen.
Inzwischen sind in der Woche, die seit der letzten Twickenham-Probe vergangen ist, zwei Dinge geschehen, die dazu angetan sein könnten, die Stimmung der Beatles zu beeinflussen. Am 17. Januar ist in England (wie schon vier Tage zuvor in Amerika) das Soundtrack-Album Yellow Submarine erschienen, eine von den Beatles selbst eher ungeliebte Platte, die auf der zweiten Seite lediglich Orchestermusik von George Martin präsentiert, und von den sechs Beatles-Songs auf der ersten Plattenseite sind auch nur vier ‚neu’, was Verdruss bei den Fans und Kritik seitens der Medien hervorruft. Am 18. Januar dann hat das Disc and Music Echo ein Interview mit John Lennon abgedruckt, der auf die Frage Ray Colemans, wie denn die Geschäfte der Beatles-Firma Apple liefen, arg freimütig bekennt: „Es war von Anfang an ein Hirngespinst.“ Und: „Wenn es so weitergeht wie bisher, sind wir alle in sechs Monaten pleite.“ Folgenreichster Effekt dieses Interviews ist wohl, dass sich daraufhin der amerikanische Geschäftsmann Allen Klein bei John meldet und anbietet, er könne Apple sanieren, wenn man ihm die Geschäfte übertrage.
Als am Morgen des 21. Januar im Apple-Studio die Kameras angeschaltet werden, ist es aber ein anderer Zeitungsartikel, über den George, John und Yoko (Paul ist noch nicht da, und Ringo schweigt) sich unterhalten. Unter dem Titel Das Ende einer wunderschönen Freundschaft? hat Michael Housego am Vortag im Daily Sketch über den Streit zwischen John und George berichtet. George liest aus dem Artikel vor: „Da steht: ‚Sie warfen einander bösartige Sentenzen an den Kopf’ – unwahr! Und da steht: ‚Aber es war nicht das erste Mal, dass es zwischen ihnen zu Faustschlägen kam.’“ John: „Es gibt nur einen Typen, den ich in die Finger kriegen möchte, und das ist dieser Housego!“ Yoko: „Verleumdung!“ Der Tonfall schwankt – vor allem bei George – zwischen milder Empörung und gezwungener Belustigung, im übrigen scheinen John und George wieder bestens miteinander auszukommen. John öffnet einen Brief, mit dem jemand, der von den geschäftlichen Schwierigkeiten gehört hat, sich für den Apple-Chefposten bewirbt, um die Dinge ins Lot zu bringen – auch das trägt zur Erheiterung bei.
Am Abend zuvor haben die Beatles sich eine Vorabfassung des Rock and Roll Circus angesehen, und Regisseur Lindsay-Hogg versucht nun, John zu überreden, die Ansage für den Stones-Auftritt im Film zu übernehmen. John hat im Moment jedoch andere Sorgen, denn beim Stimmen der Gitarre ist ihm ein Missgeschick unterlaufen: „Kannst du mir ein Pflaster besorgen? Mein Rock ’n’ Roll-Finger blutet.“ Er verarbeitet den Vorfall sogleich musikalisch in einem Songfragment mit der Textzeile „My rock ’n ’roll finger is bleeding“ (0:09). George weist unterdessen Kevin Harrington an, er solle sich den Apple-Transporter schnappen und seinen geliebten Leslie-Lautsprecher (ein Geschenk von Eric Clapton) herbeischaffen. Ringo hat keine Sonderwünsche und spielt sich betont krawallig am Schlagzeug ein. Als er damit fertig ist, meint John: „Ich steig aus.“ Ringo: „Vorher musst du dich noch mit mir prügeln.“ Zunächst jedoch prügelt Ringo weiter auf sein Schlagzeug ein, während George seine Gitarre mit dem Riff seines nie veröffentlichten Songs WINDOW, WINDOW (0:14) einspielt. George und John lassen das Stimmen ihrer Gitarren in eine rudimentäre Instrumentalimprovisation (1:50) übergehen, dann improvisiert John ein Liedchen mit der Refrainzeile „Do the bunny hop“ (0:56), dieweil George zu repetitiven Riffs Fragmente eines nicht zu identifizierenden Songs (0:08) singt. Anschließend starten die beiden Gitarristen eine gemächlich-schleppende Instrumentalimprovisation (6:06), bei der schließlich auch Ringo mittrommelt. Es folgt ein beschwingter Versuch von George und Ringo, mit Eddie Cochrans SOMETHIN’ ELSE (2:09) auf Touren zu kommen; John, der eine Plauderpause eingelegt hat, macht dann aber bei einem 12-Takt-Blues mit, zu dem er und George einen Text mit der Schlüsselzeile „Blossom dearie they call me“ (2:14+) singen.
George schwärmt für diese Art Blues, und John inspiriert dessen Schwärmerei zu einem Ad-hoc-Song „Oh how I love the 12-bar blues“ (0:04), doch George unterbricht ihn: „Es gibt keine zwei Zwölftakte, die gleich sind; weil es im Prinzip alles das Gleiche ist, werden die feinen Unterschiede sehr wichtig.“ John meint, das sei so ähnlich wie bei indischer Musik – möchte er sich bei George Liebkind machen? Jedenfalls beginnt John jetzt, den Hit DAYDREAM (0:54) der Lovin’ Spoonful zu singen und zu spielen, überlässt das Stück dann aber George, weil Denis O’Dell hereinkommt und John eine Frage an ihn hat: „Hast du den Housego-Artikel gelesen? Glaubst du, wir können dagegen klagen? Wegen der Sache mit der Prügelei? Er sagt auch, das sei früher schon mal passiert – das ist aber ebenfalls gelogen, soweit ist es nie gekommen. Außer einmal der Teller beim Essen in Hamburg.“ George und er müssen bei der Erinnerung daran lachen, und O’Dell meint, eine Klage sei chancenlos. Also beginnt John stattdessen mit einer Art musikalischer Gegendarstellung in Form des Country-Standards YOU ARE MY SUNSHINE (1:58), bei dem George und Ringo gutgelaunt (wenn auch musikalisch eher dürftig) mitspielen. Einmal bei Laune, machen sie gleich weiter mit zwei ineinander übergehenden Jazz-Standards, Paul Whitemans WHISPERING (0:55) und Duke Ellingtons I’M BEGINNING TO SEE THE LIGHT (1:17).
Wieder in gemächlicherem Tempo schließt sich eine sehr bluesige Instrumentalimprovisation (7:54+) an, bei der Paul, der nun dazukommt, auch gleich einsteigt. Warmgespielt hat sich Paul damit, nun singt er sich auch noch warm, und zwar mit dem Temptations-Hit MY GIRL (0:27+) unter Beteiligung der andern drei. Nun sind sie bereit. Für die Probenarbeit auserkoren wird ein Stück Johns, das bisher nicht ernsthaft geübt wurde und nun – nach einem Fehlstart – erst einmal komplett durchgespielt wird: DIG A PONY (1:58+). Richtig bei der Sache sind die Beatles allerdings noch nicht. „Hoffentlich kommt nicht raus, dass ich den Maharishi zusammengeschlagen hab“, witzelt John und initiiert eine heavy klingende Improvisation (0:58), zu der er eine Nachrichtenmeldung über Georges am 20. Januar erfolgte Verurteilung wegen einer Prügelei mit einem französischen Fotografen deklamiert. Paul wirft das Wort „Kittchen“ ein, aber George ist mit einer Geldstrafe davongekommen. Prügeleien scheinen derzeit zum öffentlichen Bild der Beatles zu gehören. Paul meint: „Ich glaub, wir brauchen gar keine Presseabteilung.“ John: „Brauchen wir auch nicht. Oder eine stumme. Einen Antidienst, der immer nur sagt: ‚Kein Kommentar!’“
Paul nutzt die Probenunterbrechung kurz zu einer Gruppenimprovisation über seinen halbfertigen Song EVERY DAY (1:11), dann geht es nach Johns aufforderndem „Okay!“ weiter mit der Arbeit an dessen Song: Auf einen erneuten Fehlstart folgt ein Durchgang von DIG A PONY (2:14+), bei dem das Stück schon weitgehend seine endgültige Gestalt hat, wenngleich John noch mit dem Text kämpft. Um Überdruss bei der Probenarbeit gar nicht erst aufkommen zu lassen, vergnügen sich die Beatles kurz mit zwei Hits aus dem Jahr 1961, Bobby Parkers WATCH YOUR STEP (0:21) und Gary U.S. Bonds’ NEW ORLEANS (3:31). Vor allem das zweite dieser Stücke haben sie gut im Griff, und wenn es dennoch nicht sonderlich klingt, liegt das zum Teil an den zu stark aufgedrehten Verstärkern.
„Okay“, sagt John erneut und will zu Dig A Pony zurückkehren, doch dann kommt ihm selbst ein anderer Gedanke, und er spielt sein neues Stück MADMAN (2:09), das George noch nicht kennt. Es klingt heute allerdings sehr zerfahren, obwohl Paul gleich darauf anspringt, mitsingt und Vorschläge macht. John kehrt zurück zu DIG A PONY (3:34), das in eher mäßiger Form durchgespielt wird und überhaupt noch keinen Schluss hat. Paul macht einen Vorschlag für den Gesangspart, fragt dann Glyn Johns (der nun de facto als Produzent agiert), wann das Mehrspurgerät aufnahmebereit sein wird. Bis zum Nachmittag müssen sie noch warten, und John meint: „Okay – wir sind jetzt nämlich an dem Punkt, wo wir gar nicht wissen, wie’s klingt.“ Es ist 12.30 Uhr, also noch zu früh für die Mittagspause; John und Paul vertreiben sich die Zeit (von Ringo zaghaft unterstützt) mit einer Veralberung von Sanford Clarks THE FOOL (1:17), dann sagt John wieder „Okay!“, und es folgt eine weitere Probe von DIG A PONY (3:42), bei der sie anstelle des fehlenden Schlusses eine Folge schneller Hardrock-Gitarrenriffs spielen.
Die technischen Probleme, die sich unter anderem in verzerrter Tonqualität äußern, halten an. Als Soundcheck spielen die Beatles sich auf recht schauerliche Weise durch ihre alte Nummer RUN FOR YOUR LIFE (0:31+) und massakrieren dann Tommy Tuckers HI HEEL SNEAKERS (1:52+) auf eine Art, die nicht nur wegen der Tonprobleme schwer zu ertragen ist. Immerhin scheinen sie einige Freude am Spiel zu viert zu haben und versuchen sich nun – mit gekrächztem Gesang von John, aber ohne Ringo – als nächstes an einem schroffen Medley zweier Elvis-Nummern, MY BABY LEFT ME/THAT’S ALL RIGHT (4:36), dann an Eddie Cochrans HALLELUJAH I LOVE HER SO (1:21), das sie schon 1960 (allerdings kunstfertiger) im Repertoire hatten, schließlich an einem Medley aus einer weiteren Cochran-Nummer und einer von Bo Diddley, MILK COW BLUES/I’M A MAN (3:22), bevor sie erneut eine träge, bluesige Instrumentalimprovisation (3:40+) hinschlunzen.
Zur weiteren Hebung der Stimmung amüsieren sich die Beatles mit Anekdoten über ihren Technikfreak „Magic Alex“, der offenbar eine Gitarre ohne Hals bauen will – oder ist das ein Witz? Spaß und Ernst sind an diesem Tag bei den Beatles schwer auseinander zu halten, auch bei einer von John grölend initiierten Gruselversion von Chuck Berrys LITTLE QUEENIE (0:55). George sieht ein, dass es nicht schaden kann, seine Gitarre ein bisschen besser zu stimmen, John hingegen scheint weniger Wert auf Wohlklang zu legen und verhunzt den Standard WHEN IRISH EYES ARE SMILING (0:20), ehe er Ringo reaktiviert, indem er ihn nach dem Drehstart von The Magic Christian fragt – Anfang Februar soll es losgehen, was auch bedeutet, dass die Beatles nicht mehr ewig ihre Studiozeit vertun können. Nachdem John und Paul in einer weiteren Gruselversion Bobby Darins QUEEN OF THE HOP (0:51) zerlegt haben, sagt Paul (wohl als Versuch, alle zur Arbeit zurückzurufen) den Arbeitstitel von Dig A Pony an: „All I want is you!“ John kräht als Antwort „das ist fein zu wissen!“ und improvisiert mit einem Intro, das wie eine schlechte Hendrix-Imitation klingt, einen Song mit der Eingangsformulierung „Well, all I want is you“ (1:26). Dann ruft John seinerseits zur Probe von Dig A Pony auf, parodiert aber zunächst mit Pauls Hilfe Johnny Cashs FIVE FEET HIGH AND RISING (0:31). Nun endlich folgt ein kompletter Durchgang von DIG A PONY (3:43), der freilich so ausfällt, wie es der derzeitigen Stimmung entspricht: im Gesang selbstparodistisch, instrumental extrem unsauber, klanglich ganz und gar abschreckend. Wenigstens merkt George, dass etwas nicht stimmt: „Ich bin sehr laut!“ Paul: „Ich auch.“
Beim anschließenden Stimmen der Instrumente beginnt John, Tony Bennetts IN THE MIDDLE OF AN ISLAND (0:08) zu trällern, ein albernes Liedchen, das von Paul mit der noch alberneren Schmonzette GILLY GILLY OSSENFEFFER KATZENELLEN BOGEN BY THE SEA (0:48) aus den fünfziger Jahren beantwortet wird. Das musikalische Niveau ist damit auf einem neuen Tiefpunkt angelangt – sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt, an produktive Probenarbeit zu denken, doch genau dazu ruft John seine Mitstreiter auf, er will es „etwas ruhiger“ versuchen, und so folgt eine Probe von DIG A PONY (1:31), die fast so gruselig ausfällt wie die vorherige und dazu schlafmützig träge; Rückkopplungen machen dem Elend gnädigerweise ein vorzeitiges Ende. George fragt: „Sind wir so weit, dass wir etwas mitschneiden können?“ Aber Glyn Johns hat noch mit erheblichen technischen Problemen zu kämpfen, so dass an Mitschnitte nicht zu denken ist. Während an Mikrofonen und Kabeln herumgefummelt wird, um die Ursache der Rückkopplungen zu finden, vertreibt sich Paul die Zeit, indem er blumig formulierte Passagen aus dem Housego-Artikel vorliest.
John hingegen steht der Sinn offenbar nach weiterem Musikgeblödel, und so initiiert er eine wüste Rock ’n’ Roll-Jam (4:47), in der Elemente aus Chuck Berrys Roll Over Beethoven, Elvis’ Good Rockin’ Tonight und – natürlich auf Betreiben von George – Dylans Down In The Flood verwurstet werden. Pauls ganzer Beitrag besteht darin, weiter Passagen aus dem Zeitungsartikel zu deklamieren: „Drogen, Scheidung und ein in Schieflage geratenes Image haben sie halb um den Verstand gebracht, und ihnen drängte sich zunehmend der Eindruck auf, die Öffentlichkeit werde verleitet, sie zu hassen. Sie werden nie wieder die sein, die sie waren.“ Paul und John klingen, als seien sie besoffen, high – oder vielleicht doch nur forciert albern; Georges Versuch, mit John über Dylans Basement Tapes zu sprechen, ist schon deshalb zum Scheitern verurteilt.
Paul ruft plötzlich auf deutsch: „Spiel mal! Mach schau, mach schau!“ Und er reißt die übrigen mit zu einer zwar wiederum gruselig (und besoffen) klingenden, aber sehr schwungvollen Version von Chuck Berrys FORTY DAYS (1:27), die George am Ende in eine flotte Jam überführt. „Okay, Jungs, das ist cool, Jungs“, sagt Paul mit Elvis-Stimme, witzelt ein wenig mit John herum und stimmt dann eine uralte Lennon/McCartney-Nummer an, TOO BAD ABOUT SORROWS (0:57), die von allen vier Beatles als Schmachtfetzen hingewurstelt wird. „Okay!“, sagt John schließlich, und inzwischen wissen wir, was das heißt – er möchte wieder richtig proben. „Avec Simplissimo“, wie John ansagt, folgt eine Komplettprobe von DIG A PONY (4:03) – die bisher beste des heutigen Tages (was nicht viel heißt). Glyn Johns signalisiert, er sei nun aufnahmebereit, sie sollten den Song nochmals spielen. Mit albern verstellten Stimmen verständigen sich John und Paul darauf, es diesmal noch etwas verhaltener zu versuchen, dann singt Paul zum Zeichen, dass er bereit ist, einige Takte aus Fats Dominos I’M READY (0:10), und es folgt nach einer vorbereitenden Detailprobe des Refrains und einer zur Lockerung von Paul gesungenen Zeile aus James Brownes PAPA’S GOT A BRAND NEW BAG (0:04) eine weitere vollständige Probe von DIG A PONY (3:53), die nun – im Wissen darum, dass eine Aufnahme mitgeschnitten wird – auf einmal richtig hörbar ausfällt: Der Song klingt beinahe fertig.
Die Albernheiten gehen freilich weiter. Da Paul am Ende der Probe das Wort „girl!“ gesungen hat, sieht John sich veranlasst, die Titelzeile von YOU’RE GONNA LOSE THAT GIRL (0:07) mit zweideutig verändertem Text zu intonieren, und nach gleichem Muster machen er und Paul sich gleich darauf über Lulus SHOUT! (0:11) her. Nachdem Paul sich auch noch im Falsett an einem unbekannten Song (0:16+) vergangen hat, ruft John mit einem „Okay, Kolonne!“ wieder zur Arbeit auf, wobei sie sich allerdings nicht Dig A Pony vornehmen, sondern mindestens zwei Durchläufe von I’VE GOT A FEELING (2:57+/0:45+) probieren; der zweite endet vorzeitig, als Paul in Gelächter ausbricht – vielleicht, weil Ringo aus dem Takt gekommen ist. John, der Dig A Pony und I’ve Got A Feeling unmittelbar ineinander übergehen lassen möchte (womöglich um damit das Problem des fehlendes Schlusses für seinen Song gelöst zu haben), amüsiert sich kurz mit einer Nummer, die mit der Zeile „Everybody got the William Smith Boogie“ (0:21) beginnt, und Paul unternimmt gurgelnde Stimmexperimente, aus denen unter Beteiligung aller Beatles eine Art Song mit der Refrainzeile „Why do you treat me so bad“ (1:44) entsteht. Und noch eine kleine Alberei hat Paul in petto, nämlich ein vermutlich ad hoc entstehendes Liedfragment mit der Eingangsformulierung „San Ferry Ann Francisco“ (0:12).
John jedoch drängt darauf, mit dem nun zur Verfügung stehenden Gerät Aufnahmen der drei Nummern ihres neuen Repertoires herzustellen, an denen er beteiligt ist, um endlich anhören zu können, wie sie klingen. Paul improvisiert zu diesem Thema noch einen weiteren kleinen Ad-hoc-Song mit der Schlüsselzeile „You gotta give back“ (0:23), in dem er Vor- und Nachteile des Livespielens darstellt. John reagiert mit Witzchen und sagt die Band als „The Bottles“ an, doch der folgende Probedurchlauf von DIG A PONY (3:58) wird von allen ernstgenommen. Johns Urteil, angelegt als Songzitat: „It’s getting better!“ Paul antwortet: „You’ve got to admit it’s getting worse.“ Zumindest an diesem Tag geht es nicht anders – zwischen ernsthaften Probenversuchen müssen John und Paul ungebremst ihrer Lust am Unernst frönen. Paul singt rasch noch einen weiteren Ad-hoc-Song mit dem alleinigen Text „Well, well, well, well“ (0:16), dann versuchen sich Paul, George und Ringo gemeinsam an dem Stück YOU’VE GOT ME THINKING (1:00) von Jackie Lomax, bei dessen Originaleinspielung sie alle drei mitgewirkt haben, werden aber von John durch ein abermaliges „Okay, auf geht’s!“ unterbrochen. Es folgt der zweite mit professionellem Aufnahmegerät mitgeschnittene Take von DIG A PONY (3:30+), auf das wie von John gewünscht ohne Pause I’VE GOT A FEELING (3:47) folgt. Beide Songs werden von den vier Beatles mit vollem Einsatz eingespielt, aber in ihrem musikalischen Können sind sie heute offensichtlich nicht voll auf der Höhe, denn es springt kein Funke über, und der Darbietung fehlt die letzte Raffinesse. Immerhin liegen damit von beiden Songs Versionen vor, auf die sich aufbauen lässt.
„Don’t let me down, baby!“ deklamiert John am Schluss von I’ve Got A Feeling, und das ist auch als Ansage gedacht, denn es folgt (nach mehreren Fehlstarts) ein halbes Durchspiel von DON’T LET ME DOWN (2:07), das von Glyn Johns mitgeschnitten wird. Auch in diesem Fall führt das Wissen darum, dass es nicht bloß um eine Probe, sondern um einen Mitschnitt geht, zu diszipliniertem Spiel: Die Beatles beginnen mit einer wuchtigen, homogenen Version, und John achtet penibel darauf, seine überbordenden Albernheiten auf die Spielpausen und die ohnehin misslungene Anläufe zu beschränken. Aber wieder einmal hat er den Text seines Songs nicht präsent, und so bricht mittendrin alles zusammen. Einen neuen Anlauf versuchen die Beatles gar nicht erst, sondern tüfteln nur noch an einigen Details herum. Sogar eine Art Easy-Listening-Version probiert Paul dabei aus, die allerdings wieder einmal nicht ernst gemeint ist.
Und dann gibt Paul die Parole aus: „Kommt, lasst uns das mal abhören!“ Also lassen sie sich im Kontrollraum die Aufnahmen vorspielen, wobei sich das Interesse besonders auf die neueste Nummer Dig A Pony konzentriert. Pauls erstes Urteil: „Mit den vielen Strophen wird es ein bisschen langweilig.“ John überlegt, ob man an den Gesangsstimmen vielleicht etwas ändern sollte; insgesamt ist er aber ganz zufrieden, zumal sie zum ersten Mal nach immerhin fast zweiwöchiger Probenarbeit vom Band hören können, was und wie sie spielen. George drückt sich um ein Urteil und möchte die Aufnahme zunächst noch einmal hören. Das geschieht, und da nun der erste Eindruck schon gefestigt (und die Nervosität des ersten Anhörens überwunden) ist, fängt John wieder zu witzeln an und macht Ringo dann Vorschläge, was er an seinem Schlagzeugpart ändern solle.
Damit geht es zurück ins Studio, wo John sich ans E-Piano setzt, mehrmals einige Takte DIG A PONY (0:51/0:30) spielt und dann die Ansage macht, die später als Teil der Schallplatte Let It Be berühmt werden wird: „I Dig A Pigmy by Charles Hawtrey and the Deaf Aids – phase one, in which Doris gets her oats!“ Wieder zurück an der Gitarre versucht John eine weitere Gruppenprobe von DIG A PONY (0:18) zu initiieren, die aber rasch zusammenbricht. Zuletzt spielt er noch ein paar Akkorde des Stückes, um sich mit Ringos Schlagzeug abzustimmen, aber eigentlich ist die Probenarbeit zu Ende – es ist schon 19 Uhr. John krakeelt herum, vor dem Feierabend müsse er unbedingt noch E-Piano spielen, setzt sich an das Instrument und stimmt Chris Montez’ LET’S DANCE (0:50) an; George und Paul machen mit, aber etwas Hörbares kommt dabei ebensowenig heraus wie bei einer anschließenden Dudeljazzimprovisation von Ringo, Paul und George (0:49). John will etwas anderes; nach einem ersten Versuch, der abgebrochen wird, weil Glyn Johns noch nicht soweit ist, spielen alle vier Beatles fürs Band eine schön kompakte Komplettversion von DON’T LET ME DOWN (3:05), die nur etwas darunter leidet, dass weder John noch Paul ernsthaft singt.
Paul zupft kurz ein Bassriff (0:14), das vage Ähnlichkeit mit dem zuvor schon von ihm gesungenen My Girl hat, und George, der entzückt zur Kenntnis nimmt, dass sein Leslie-Lautsprecher angekommen ist, hat noch ein Anliegen – wie wär’s, wenn sie noch ein paar der in Twickenham geprobten Songs durchgehen würden? John, heute der Oberkasper, singt zu völlig falscher Melodie die Titelzeile von Get Back, woraus sich eine gemeinschaftliche Miniimprovisation entwickelt (0:17). Paul hat sich unterdessen von Kevin Harrington die Songliste geben lassen und liest vor: „All I Want Is You, The Long And Winding Road, Bathroom Window, Let It Be, Across The Universe, Get Back To Where You Once Belonged, Two Of Us On Our Way Home, Maxwell’s Silver Hammer, I’ve Got A Feeling, Sunrise, I Me Mine.“ George kann sich nicht erinnern, was Sunrise sein könnte (gemeint ist, wie Paul ihm erklärt, sein eigener Song All Things Must Pass!), und sucht sich She Came In Through The Bathroom Window aus. Zunächst müssen aber erst noch einmal Spielfinger und Stimmbänder gelöst werden, und so entsteht als Lockerungsübung eine 12-Takt-Blues-Improvisation, über die John mit veränderter Melodie nochmals QUEEN OF THE HOP (0:38) singt. Dann geht es an das von George vorgeschlagene Stück. John behauptet, keinerlei Erinnerung daran zu haben, und singt eine abgewandelte Zeile aus seinem besten eigenen Beitrag zu diesen Sessions vor sich hin: „Well, I’m in love with a Russian.“ Aber er frohlockt, dass er bei Pauls Song am elektrischen Klavier bleiben darf!
Ein erster, extrem träger Versuch scheitert, weil George nicht mehr weiß, welche Akkorde er spielen soll, also gibt Paul erst einmal Detailnachhilfe und feilt am Harmoniegesang, bevor Glyn Johns eine komplette Aufnahme von SHE CAME IN THROUGH THE BATHROOM WINDOW (3:03) machen kann. Diese Aufnahme gelingt so gut, dass sie ein gutes Vierteljahrhundert später (fehldatiert) auf dem Doppelalbum Anthology 3 landen wird. Paul gefällt besonders die „klassische“ Art und Weise, wie John das Stück am E-Piano ausschmückt. Er geht einzelne Passagen nochmals durch und startet dann einen weiteren Durchlauf von SHE CAME IN THROUGH THE BATHROOM WINDOW (6:11), bei dem er durch Ansagen an seine Mitspieler Detailveränderungen ausprobiert – infolgedes fällt diese Arbeitsfassung, die schließlich sogar unterbrochen wird und dann ganz versandet, lange nicht so überzeugend aus wie die vorherige.
Für heute war’s das. John, der immer noch am E-Piano sitzt, spielt und singt noch einige Takte MADMAN (0:21) – leider das letzte Mal, dass dieses durchaus vielversprechende Stück je erklingt. Lindsay-Hogg, der den ganzen Tag deutlich stiller gewesen ist als an den Tagen in Twickenham, versucht nun doch noch, eine Idee für die Liveshow loszuwerden, wird aber abgebügelt. George übt Gitarrenriffs, weil er, wie er sagt, noch etwas ausprobieren will; zu einer an Hendrix erinnernden Figur singt John kurz ein schrilles „Is that a chicken joke?“ (0:22), dann verlässt er mit Paul das Studio.
Zu Ende geht ein Probentag, bei dem es sich endlich wieder lohnt, ein Fazit zu ziehen. Positiv ist, dass die Beatles betont fröhlich und unbeschwert miteinander umgehen, ständig zu Scherzen neigen (bisweilen ein bisschen übertrieben) und sogar den Streit, der zu Georges Ausstieg führte, und die Presseberichterstattung darüber mit Humor nehmen können. Auch von Überdruss an der Probenarbeit ist an diesem Tag nichts zu spüren, vielleicht weil es der erste Probentag seit mehr als einer Woche ist. Auffällig ist, dass die Initiative während der Proben hauptsächlich von John ausgeht, dessen Songmaterial zudem im Mittelpunkt steht – das war in den vergangenen Wochen nie so. George stellt sich völlig in den Dienst der Gruppe (das heißt in den Dienst von John und Paul), bringt keine eigenen Songs aufs Tapet und wirkt dennoch ausgeglichen und zufrieden. Paul, der vielleicht aus taktischen Gründen als letzter gekommen ist, hält sich mit eigenen Ideen und allem, was oberlehrerhaft ankommen könnte, zurück; das trägt allerdings auch dazu bei, dass das musikalische Niveau dieses ersten Probentages am neuen Ort größtenteils sehr dürftig ist. Erst als Glyn Johns technisch in der Lage ist, professionelle Mehrspuraufnahmen mitzuschneiden, geben sich die Beatles deutlich mehr Mühe, es gelingen passable Versionen von Dig A Pony, I’ve Got A Feeling, Don’t Let Me Down und She Came In Through The Bathroom Window.