Nach dem Dachkonzert und dem anschließenden Abhören der Bänder hatte Paul vorgeschlagen, nur rasch etwas zu essen und dann gleich im Studio „den Rest“ aufzunehmen, doch daraus wurde nichts, vielleicht auch, weil die Filmcrew dazu erst ihre Kameras und Ausrüstung neu hätte aufbauen müssen. Also ist die Aufnahme der noch fehlenden Songs auf den heutigen Tag verschoben worden; die Beatles sind nun wieder im Studio wie an den Tagen zuvor, spielen allerdings (teils im Stehen) frontal für die Kameras – das sind keine Proben mehr, sondern die Beatles simulieren einen Auftritt ohne Publikum. Dabei soll es vornehmlich um die akustischen Songs gehen, die sich auf dem Dach schlecht hätten spielen lassen: Pauls Balladen und die ebenfalls von Paul geschriebene Anrufung des Gemeinschaftsgefühls, die sie zu Beginn des heutigen Arbeitstages erst einmal anspielen: TWO OF US (1:53+). Dieser Auftakt klingt allerdings schräg und schläfrig, außerdem gibt es technische Probleme mit den Mikrofonen, und während diese Probleme gelöst werden, lockern sich auch die Beatles mit einer Reihe von Oldies zum Warmwerden. Den Anfang macht Paul; er singt ein folkloristisch klingendes Liedchen mit der Eingangszeile „There has been a soldier and a wild and pretty maid“ (0:38), das er möglicherweise ad hoc improvisert; John beantwortet das mit einer hingeschlunzten Version von Hank Williams’ HEY GOOD LOOKIN’ (0:55). Da sie akustische Instrumente in den Händen halten, klingen die Beatles wieder nach frühen Skifflezeiten, so auch bei dem folgenden gemeinsamen Medley aus den Lonnie-Donegan-Songs TAKE THIS HAMMER (3:11) und LONG LOST JOHN (1:18), Johnny Cashs FIVE FOOT HIGH AND RISING (0:15), der obskuren Jimmie-Davis-Nummer BEAR CAT MAMA FROM HORNER’S CORNER (0:58), dem Folk Song BLACK DOG (1:33), Carl Perkins’ RIGHT STRING, WRONG YO-YO (0:52) und schließlich ihrem eigenen RUN FOR YOUR LIFE (0:42). Das hört sich ganz lustig an, man kann aber nicht behaupten, dass es sich um einen musikalischen Hochgenuss handeln würde, und so ist es eine Erlösung für alle Ohren, als die Mikrophonprobleme gelöst sind und die ernsthafte Arbeit weitergehen kann.
Nach einem Fehlstart kriegen sie einen kompletten Take von TWO OF US (3:34) hin, der leider unter verlangsamtem Tempo, Johns verstimmter Gitarre und allgemeiner Zähigkeit leidet. John verhunzt kurz den Cole-Porter-Song FRIENDSHIP (0:13) und das Traditional TURKEY IN THE STRAW (0:11), dann folgt eine weiterer Take von TWO OF US (1:41), der auf Georges Betreiben schneller gespielt wird, aber wiederum recht scheußlich klingt und am Ende gnädig abbricht. Nun ist es an Paul, für Abwechslung zu sorgen; er stimmt sein Liedchen STEP INSIDE LOVE (2:21) an, im Vorjahr für Cilla Black geschrieben, das hier (unter Beteiligung aller Beatles) allerdings eher veralbert als vorgetragen wird. John und George klagen, dass ihnen kalt sei, doch rafft sich John trotzdem zu einem weiteren Anschlag auf FRIENDSHIP (0:40) auf, für den ihm die Textvariante „If you’re ever in the shit, grab my tit“ einfällt. Paul antwortet mit TALES OF FRANKIE RABBIT (0:44), einem Song des Duos Drew & Dy, der im Vorjahr als Demoversion für Apple aufgenommen worden war, aber nie veröffentlicht wurde.
Nach einer Ansage von John („Wir präsentieren die Beatles, halb tot, halb live“) versuchen sie im flotten Tempo einen weiteren Take von TWO OF US (3:24), Take 11, diesmal beinahe perfekt, wenn man einmal davon absieht, dass es nur für drei der vier Strophen eine Text gibt und die dritte einfach zweimal gesungen wird. (Dieser Take ist nicht nur im Film Let It Be zu sehen, sondern auch auf der gleichnamigen LP zu hören.) John scheint sich zu freuen, dass sie es endlich geschafft haben, und stimmt ein fröhlich-albernes Medley (1:19) an, gemischt aus dem Standard DEED I DO, Tony Bennetts IN THE MIDDLE OF AN ISLAND und ihrem eigenen ALL TOGETHER NOW, und dann fragt er Glyn Johns: „War’s das? Haben wir’s im Kasten?“ Paul meint, sie sollten es genauso noch einmal machen, und John witzelt: „Ich werde nur dafür bezahlt, es einmal zu machen!“ Es folgt also noch ein Take von TWO OF US (3:35), der fast identisch mit dem vorherigen ausfällt (die Pfeifeinlage am Schluss wird später für den Film Let It Be an den vorherigen Take geschnitten); gleich im Anschluss ziehen sie noch kurz Elvis’ I GOT STUNG (0:13) durch den Kakao, dann will John mit der nächsten Nummer weitermachen.
Aber welche soll es sein? Paul schlägt scherzhaft seinen Song für Cilla Black vor, also gibt John eine Parodie auf STEP INSIDE LOVE (0:09) zum Besten. Paul hat noch einen Vorschlag, und auch der wird von John (unter Beteiligung der ganzen Band) skiffleartig parodiert: LET IT BE (0:17). Paul setzt sich ans Klavier, spielt und singt nun selbst (und weniger parodistisch) LET IT BE (0:15), aber als George ihn fragt, ob er denn inzwischen den Text fertig geschrieben habe, fällt Paul ein, dass er das nicht hat, also wechselt er rasch die Pferde und schlägt vor, mit seiner anderen Klavierballade weiterzumachen. Erst einmal spielt er sich solo in THE LONG AND WINDING ROAD (0:59) ein, während die anderen sich noch bereitmachen, schaltet dann nochmals LET IT BE (0:37) ein, weil George Textvorschläge hat, und dann endlich wird es ernst. Eine gute Arbeitsstunde lang werden sie sich nun ausschließlich mit THE LONG AND WINDING ROAD beschäftigen. Erst einmal quälen sie sich durch eine weitere der Endlosschleifenproben, die sie eigentlich längst hinter sich haben sollten; Paul möchte weitere Detailverbesserungen anbringen, vor allem in Billys Part. Anschließend entstehen neben Teilproben und Rohrkrepierern vier komplette Takes von THE LONG AND WINDING ROAD (3:28/3:26/3:28/3:29), ohne dass einer davon überzeugen könnte: Nicht nur Johns Bass-, sondern auch Georges Gitarrenspiel ist einer Beatles-Aufnahme unwürdig. Schließlich schlägt Paul vor, zum Essen zu gehen; es ist Viertel nach drei.
Als sie zurück sind, spielen sie erst einmal eine bröckelige Jamfassung von LADY MADONNA (3:47+), bei der Paul den Vortragsstil Fats Dominos imitiert, und dann folgen neben Teilfassungen zwei weitere komplette Takes von THE LONG AND WINDING ROAD (3:32/3:35); am besten gelingt der etwas ruhiger als zuvor gespielte letzte Take, Nummer 19, der folglich in den Film Let It Be eingehen wird (und sehr viel später dann auf der CD Let It Be ... Naked Verwendung findet). Die Beatles sind zufrieden – oder haben vielleicht einfach keine Lust auf weitere Versuche. John verleiht seiner Freude, es geschafft zu haben, Ausdruck, indem er eine (großteils von Paul gesungene und etwas dumpf klingende) Jam über I WANT YOU (SHE’S SO HEAVY) (5:27) initiiert, um neue Energie zu tanken.
Aber da ist ja noch Pauls zweite Klavierballade; die restlichen anderthalb Arbeitsstunden gehören nahezu ausschließlich der Arbeit an LET IT BE. Paul versucht, nun doch noch den Text zu vervollständigen, und bittet George, eine Passage zu singen. Als Paul sagt, das Tempo sei zu langsam, rotzt die ganze Band eine Up-tempo-Kurzversion von LET IT BE (0:20) hin, die natürlich nicht ernstgemeint ist, aber andeutet, mit welchen Methoden die Beatles, wenn sie gut drauf sind, die nervtötende Studioarbeit aufzulockern verstehen. Der Auflockerung dient – im Anschluss an einen ersten kompletten, aber von Albernheiten durchsetzten Take von LET IT BE (3:50) – auch eine fetzige Kurzfassung des Foundations-Hits BUILD ME UP, BUTTERCUP (0:40) und ebenso – nach einem abgebrochenen und zwei weiteren kompletten Takes von LET IT BE (2:25/3:48/3:44), die eher zäh wirken – ein Ausbruch in Elvis’ PARTY (1:40), seit Wanda Jacksons Version besser bekannt als Let’s Have A Party. Aber die Arbeit an Pauls Song hat Vorrang, auch wenn sie damit nicht recht vorankommen. „Wenn’s so weitergeht, krieg ich Maggie Mae nie fertig“, witzelt John, der außerdem gern Textvarianten singt: „And in my hour of darkness, she is standing left in front of me, squeaking turds of whisky over me.“ Vor einem der Takes fragt er: „Sollen wir im Solo kichern?“ Pauls knappe Antwort: „Ja!“
Dann muss John aufs Klo, und die anderen nutzen die Gelegenheit, um sich im Kontrollraum einen der zuvor eingespielten Takes von Pauls Song anzuhören. Glyn Johns ist der optimistischen Ansicht, wenn John beim nächsten Take seinen Basspart richtig hinkriege, sei die Aufnahme perfekt. Lindsay-Hogg will wissen, welches Stück sie danach machen wollen – wie wär’s mit Teddy Boy? Paul: „Teddy Boy ist eigentlich ... damit haben wir’s so weit getrieben, wie wir’s treiben können.“ Old Brown Shoe? George meint, das sei noch nicht weit genug, und Paul ergänzt, sicherlich nicht zur allseitigen Freude: „Vielleicht können wir nach einer Woche oder so wieder herkommen.“ Und All Things Must Pass? Keiner sagt zunächst etwas, dann rafft sich George auf: „Weißt du, ich glaube nicht ... Müssen wir sie denn alle filmen? Jeden einzelnen Song? Wenn wir nur unsere normale Beleuchtung hätten und ihr diesen ganzen Krempel wegnehmen würdet, könnten wir’s auch schnell hinkriegen. Paul, ich höre einfach in deiner Stimme, die ist nicht ganz so ...“ Paul: „... entspannt, ja.“ Glyn wirft ein: „Das Ziel heute ist aber eher, zu filmen, als was für die Platte aufzunehmen.“ Lindsay-Hogg widerspricht, es gehe um beides, und Paul findet: „Es wäre schön, wenn wir den Take auf Film kriegen würden. Versuchen wir’s also wieder!“ George lenkt ab, indem er aus den Presseberichten zum gestrigen Dachkonzert eine Passage über ihre Schuhe vorliest, fragt dann aber doch: „Was machen wir also jetzt, wollen wir’s mit Let It Be erzwingen?“ Paul ist dafür, zumal die Uhr schon halb sechs zeigt, also verkneifen sie sich das weitere Abhören von Bändern und kehren ins Studio zurück.
Billy, George und Ringo spielen sich mit einer Instrumentalimprovisation (1:00) wieder ein, während sich John den ungeliebten Bass schnappt. Von den nächsten zwei Takes von LET IT BE (3:21/3:45) zerbröselt der erste am Ende; beim zweiten, von John auf deutsch angezählt („eins, zwei, Viertel nach drei“), verpfuscht John seinen Harmoniegesang, weswegen Paul wieder einmal „Brother Malcolm“ in den Text einfügt, ein sicheres Zeichen, dass er den Take abgeschrieben hat – aber John, Ringo und Glyn sind damit zufrieden, John deklamiert sogar mit Bühnenstimme: „Ich finde, das war ziemlich grandios! Ich nehm eine Aufnahme mit nach Hause. Okay, lass uns weitere Spuren hinzumischen.“ Und dann wie entstetzt: „Huch, du Ganove, du Betrüger!“ (Dieser Ausruf ist – wie schon die frühere Frage, ob er kichern solle – auf Anthology 3 zu hören, dort allerdings mit einer Aufnahme vom 25. Januar zusammengeschnitten.) Paul jedoch bezweifelt, dass die Aufnahme gut genug ist, und gibt die Parole aus: „Wir machen noch eine, nur um sicherzugehen! Wir machen noch eine, weil wir’s jetzt haben.“ John trocken: „Wir haben schon so viele von diesen Bastarden!“ Er ist offenbar ein bisschen genervt, aber derzeit überraschend gut in der Lage, so etwas runterzuschlucken oder in Witzchen zu verpacken.
Der nächste Take misslingt und wird von John in eine Veralberung des TWELFTH STREET RAG (0:10) überführt; dann folgt noch ein Take von LET IT BE (2:53), der jedoch in der dritten Strophe abbricht, weil Paul mit dem Text nicht zurechtkommt (einen endgültigen hat er immer noch nicht). Notgedrungen schlägt er vor, nun doch erstmal etwas anderes zu machen – John meint, vielleicht mal ein Brettspiel. John möchte etwas in Angriff nehmen, was sie noch gar nicht gespielt haben, aber als Lindsay-Hogg ihre Liste vorliest, kommt er zu dem Schluss: „Wir haben sie alle schon gespielt!“ Paul: „Okay, dann also Let It Be!“ Tatsächlich stimmt er aber OH! DARLING (5:52) an, nicht sehr ernsthaft gesungen und zunächst nur von Billy begleitet. Es ist unverkennbar eine Klamaukversion, nur zur Auflockerung gedacht, ebenso wie eine anschließende schnellere, sehr funky gespielte Version von OH! DARLING (0:44) mit recht albernen Texteinlagen („Bossa nova, bossa no, that’s a no-no, that’s a no-no“). Die Frage, was sie nun tun sollen, ist damit immer noch nicht beantwortet; Paul bringt She Came In Through The Bathroom Window ins Spiel, worauf freilich niemand anspringt. George, Ringo und Billy flüchten lieber in eine weitgehend instrumentale Improvisation (1:17), die an den Stil der zuletzt gespielten Version von Oh! Darling anschließt. Lindsay-Hogg schlägt nochmals Teddy Boy vor, wozu John nur meint, die am 24. Januar gespielte Version, die dem Regisseur offenbar so gefallen hat, sei nur ein Augenblickseinfall gewesen, den man nicht wiederholen könne.
Folgerichtig schlägt Paul vor, zu seiner Klavierballade zurückzukehren. Auf ein längeres Einspielen, bei dem Paul weitere Textvarianten durchprobiert und George fetzige Gitarrenriffs spielt, die er sich in ernsthafteren Momenten verkneifen muss, folgen zwei Takes von LET IT BE (3:50/3:53), die beide perfekt wären, würde George nicht so uninspirierte Soli spielen und beim zweiten Take zudem ins Intro hineinlachen. Aber die Beatles wissen nun, dass sie es im Prinzip gepackt haben. Der erste dieser Takes, Take 27a, ist die Grundlage dessen, was später (in unterschiedlichen Nachbearbeitungen) als Single und auf der LP Let It Be veröffentlicht wird; der allerletzte Take, 27b, ist im Film Let It Be zu sehen (hineingeschnitten allerdings wird der Refrain einer unvollständigen früheren Aufnahme); Let It Be ... Naked schließlich, die angeblich ‚bereinigte’ Version, bringt eine geschickte Montage aus Passagen beider Takes.
Und damit ist nicht nur der Song im Kasten, sondern auch der Arbeitstag beendet. Eigentlich dürfen die Beatles zufrieden sein, sie haben vor laufenden Kameras und auf Band die ultimativen Takes von Two Of Us und Let It Be eingespielt, außerdem einen Take von The Long And Winding Road, von dem sie zumindest meinen, es sei der ultimative. Zusammen mit den fünf Songs, die sie am Vortag auf dem Apple-Dach live eingespielt haben, ergibt das acht gute Aufnahmen. Für ein Album ist das allerdings nicht genug, und diese Tatsache muss ihnen doch bewusst sein, auch wenn niemand sie direkt anspricht. Am Tag der Generalprobe waren noch drei weitere Songs durchgegangen worden, She Came In Through The Bathroom Window, For You Blue und All Things Must Pass – und außerdem stehen auf der Liste der 13 Songs, deren unerwartete Anzahl Paul als Zeichen für die Rettung ihres Projekts begriffen hatte, noch Teddy Boy, Maxwell’s Silver Hammer und Old Brown Shoe. Das sind allerdings Songs, von denen sie keine brauchbaren Takes auf Band haben, und so sollten sie eigentlich wissen, dass sich auf der Basis des mitgeschnittenen Materials allein keine LP realisieren lässt. So gesehen ist es nur folgerichtig, dass Paul gegen Ende des Tages Andeutungen macht, man könne vielleicht demnächst weiterarbeiten; diese Andeutungen fallen allerdings bei den Kollegen nicht auf fruchtbaren Boden, und tatsächlich enden die Get Back-Sessions mit dem letzten Take von Let It Be am frühen Abend dieses 31. Januar 1969.
Ein kurzes Fazit der kompletten vier Wochen fällt in verschiedener Hinsicht zwiespältig aus. Das musikalische Niveau war meist so gruselig, wie man es von der bedeutendsten Band der sechziger Jahre kaum erwartet hätte. Allerdings haben die Beatles auch bewiesen, dass sie sich meistens doch am eigenen Schopf aus dem musikalischen Sumpf, in dem sie zu versinken drohten, herauszuziehen und, wenn es ernst wurde, sogar echte Meisterwerke einzuspielen vermochten. Anders als bei ihren früheren Schallplatten, für die sie monatelang im Studio herumtüftelten, bis sie genug Material in hinreichender Qualität zusammen hatten, genügten ihnen diesmal vier Wochen, um in der Summe sehr viel mehr gute Songs fertigzubekommen, als ihnen das jemals zuvor in so kurzer Zeit gelungen war. Zudem muss man berücksichtigen, dass diese vier Wochen keineswegs optimal genutzt wurden, sondern ein großer Teil der knappen Zeit durch Blödeleien, Streit, unrealistische Planspiele und chaotische Desorganisation verloren ging.
Die erste Hälfte der Sessions, also die Zeit in Twickenham, kann dabei komplett abgeschrieben werden. Wenn George später rückblickend meint, diese Sessions seien „der Tiefpunkt aller Zeiten“ gewesen, und wenn John von einer „Hölle“ und den „erbärmlichsten Sessions auf Erden“ spricht, dann zeigt das, dass sie sich in einem bestimmten Stadium ihrer späteren Entwicklung vornehmlich an die Tage in Twickenham erinnern. Am Nachmittag des 10. Januar hätte kaum jemand einen Pfifferling auf das Fortbestehen der Beatles als Gruppe gegeben. Die anschließenden elf Tage im Apple-Studio ergeben hingegen ein völlig anderes Bild. Alle vier Beatles sind gelöst und locker, arbeiten engagiert und einigermaßen zielstrebig und fühlen sich sichtlich wohl miteinander. Es hat nicht den Anschein, als sei dies nur ein Burgfrieden; am Ende gewinnt man den Eindruck, dass die Beatles sich wieder zusammengerauft haben, um auf absehbare Zeit weiter an fruchtbaren gemeinsamen Projekten arbeiten zu können (tatsächlich kann man das später im Jahr entstandene Album Abbey Road als indirektes Resultat dieser Sessions betrachten – nicht nur, weil ein Großteil der darauf veröffentlichten Songs bereits im Januar 1969 geprobt wurde). Zu musikalischen Projekten außerhalb der Beatles drängt es vor allem John und George; beide trauen sich aber, wie aus den Diskussionen herauszuhören ist, noch nicht recht, solche Vorhaben zielstrebig zu verfolgen, jedenfalls nicht als Alternative zu den Beatles. John und George erklären zudem mehrfach und unabhängig voneinander, sich im Apple-Studio wie zu Hause zu fühlen; es mache ihnen Spaß, dort zu arbeiten, und sie möchten es bald wieder tun. (Tatsächlich werden die Beatles dort nie wieder eine einzige Aufnahmestunde verbringen, was vermutlich mit der unzureichenden technischen Ausstattung zusammenhängt; auch für diese Sessions haben sie sich die Aufnahmegeräte und das Mischpult anderswo besorgen müssen, und diese Geräte kehren nach Abschluss der Arbeit wieder zu den Leihgebern zurück.)
Was hat den erstaunlichen Stimmungsumschwung und die entscheidend veränderte Arbeitshaltung nach dem Umzug von Twickenham ins Apple-Studio ausgelöst? Offensichtlich ist es George nach seinem vorübergehenden Ausstieg aus der Band gelungen, sowohl Paul als auch John einzunorden. Paul hat akzeptiert (auch wenn er es bisweilen wieder vergisst), dass im Vordergrund kein Film- und Showspektakel steht, sondern die halbwegs stringente Arbeit an einem neuen Album; John hat akzeptiert, dass er präsent zu sein hat – nicht nur körperlich, sondern auch als musikalische Persönlichkeit und wichtiger Bestandteil der Gruppe. Nach dem Neuanfang im Apple-Studio ist von Yoko kaum noch etwas zu hören, und wenn, dann Zustimmung und Gelächter; sie spricht nicht mehr für John, und John schweigt nicht mehr. Das sind Dinge, die George offenbar erreicht hat und die Vorbedingung dafür waren, dass es weitergehen konnte. Andererseits hat auch George zurückstecken müssen. Er verzichtet im Apple-Studio lange darauf, seine eigenen Songs ins Gespräch zu bringen (und als er sie dann in den letzten Tagen doch noch ins Spiel bringt, tut er es eher widerwillig und nur, weil die anderen ihn dazu ermuntern). Er schwärmt auch nicht mehr bei jeder Gelegenheit von Bob Dylan und The Band, sondern bringt seine Vorschläge, wie Songs zu verbessern oder besser zu spielen seien, konstruktiv und gruppenadäquat ein. Und er hält sich mit seinen Wah-Wah- und Leslie-Spielereien, mit denen er in Twickenham insbesondere John, aber auch Paul permanent überfordert hatte, weitgehend zurück und akzeptiert seine Rolle, die überwiegend die eines verlässlichen Sessionmusikers ist.
Dass die gute Stimmung, die am Ende der Get Back-Sessions herrscht, nicht von Dauer sein würde, hat Gründe, die nicht direkt mit diesen Sessions zu tun haben, aber auf die spätere Wahrnehmung dieser Sessions zurückwirken, weil sie mit den anschließenden Versuchen zusammenhängen, die Resultate der Sessions als Schallplatte und als Film in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Get Back-Sessions sind am 31. Januar 1969 beendet, doch die Geschichte, zu der sie gehören, geht noch weiter.