8. KAPITEL

Stunden später hatten Ramsey und Chloe es tatsächlich noch bis ins Schlafzimmer geschafft. Das schwierigste Hindernis war die Treppe gewesen. Ramsey konnte sich nicht erinnern, jemals auf Treppenstufen Sex gehabt zu haben. Er bevorzugte eigentlich die traditionelle Art. Aber das, was Chloe und er miteinander angestellt hatten, war weit entfernt von Althergebrachtem. Selbst dieser Moment, in dem Chloe buchstäblich auf ihm schlummerte, war der beste Beweis dafür.

Beinah hätte es ihn zerrissen. Denn eine Stimme in ihm hatte danach geschrien, sich seinem Verlangen völlig entfesselt und ohne Vorbehalte hinzugeben, während eine andere auf ihn eingeredet hatte, sein brennendes Verlangen nach Chloe zu unterdrücken. Als sie an diesem Abend mit nackten Beinen zur Tür hineingetreten war, hatte er versucht, sein Begehren zurückzudrängen. Er hatte nach einem Anlass gesucht, wütend auf sie zu sein. Doch das war dumm gewesen. Und darüber war er froh. Wenn sie wirklich wieder gegangen wäre, wäre er vermutlich auf der Stelle tot umgefallen. Sein Verlangen nach ihr war so stark und so tief, dass er immer noch erregt war.

Er war versucht, sie zu wecken, doch er gestand ihr eine Pause zu. Sie verdiente jede Sekunde Schlaf, die sie bekommen konnte. Diese Frau war einfach nur unglaublich und besaß wahrscheinlich mehr Leidenschaft als alle Frauen der Welt. Sie hatte seine Erregung auf eine Art angefacht und erwidert, dass es ihn immer noch atemlos machte. Nachdem sie beide in einem gewaltigen Strudel der Lust ihren Höhepunkt erreicht hatten, war sie schließlich auf ihm eingeschlafen.

Er staunte einfach nur über den geschmeidigen Körper, der auf ihm lag und immer noch mit seinem verschmolzen war. Tief atmete er ein, um ihren Duft aufzunehmen. Ihre nackten Brüste lagen auf seinem Oberkörper, und ihre Beine, diese Beine, die sein Untergang gewesen waren, waren mit seinen verschlungen. Er schloss die Augen, um ebenfalls etwas Schlaf zu bekommen.

Ramsey konnte nicht sagen, wie lange er geschlafen hatte, doch als er die Lider hob, schaute er in ein atemberaubend schönes Paar Augen. Sobald er realisierte, dass sie wieder erwacht war, reagierte sein Körper. Er spürte, wie seine Erregung in ihr wuchs, und ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass es ihr genauso ging.

Als sie die Muskeln anspannte, wusste er, was er zu tun hatte. Doch nicht, bevor er auf ihr lag. Sie war diejenige gewesen, die beim letzten Mal die Führung übernommen hatte. Jetzt war er an der Reihe. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er, die Kontrolle über seinen Körper und seine Sinne zu behalten. Langsam streichelte er ihren Rücken, entzückt darüber, wie weich ihre Haut war. Dann, als er sich ihrer ganzen Aufmerksamkeit sicher war, drehte er sie geschickt auf den Rücken.

Überrascht sah sie ihn an. „Hey, das ist nicht fair.“

Ramsey grinste. Er hatte nicht vor, seine Zeit mit Diskussionen zu vergeuden. Das Einzige, was er wollte, war, sie zu lieben, wieder und wieder.

Stöhnend schlang sie ihm die Beine um die Hüften. Als sie ihn verführerisch anlächelte, wusste er, dass sie ihm das Letzte abverlangen würde. Es war unglaublich, wie oft sie sich in dieser Nacht geliebt hatten. Genau genommen hatten sie sich bis auf die kurze Zeit, in der sie geschlafen hatte, ständig geliebt.

Als er tiefer in sie eindrang, löste ihr Stöhnen etwas in ihm aus. Langsam begann er, sich zu bewegen. Er hob ihre Hüften an, um noch tiefer in sie eindringen zu können. Seine Stöße waren auf eine fast animalische Art ebenso einfach wie präzise.

„Ramsey.“ Sie rief seinen Namen im Rhythmus seiner Bewegung.

„Sieh mich an, Chloe“, raunte er. Als Chloe ihm tief in die Augen sah, umfasste er ihre Hüften fester. Etwas in ihrem Blick berührte ihn so tief, dass er das Gefühl hatte, in Flammen zu stehen. Im regelmäßigen Rhythmus drang er in sie ein und zog sich wieder zurück. Er brauchte sie, wollte sie, genauso wie sie ihn wollte.

Chloe spürte jeden Muskel in ihrem Körper. Jede Faser war wie elektrisiert. Alles in ihr erbebte vor sinnlicher Freude, die Ramsey ihr bereitete, je tiefer er in sie eindrang.

Als er sich vorbeugte, um sie zu küssen, spürte sie, dass sie nicht mehr weit von ihrem Höhepunkt entfernt war. Eine gewaltige Welle erfasste das Zentrum ihrer Lust und bahnte sich ihren Weg durch Chloes gesamten Körper. Und wie bei jedem Mal, wenn sie sich küssten, wurde sie unter Ramseys Führung völlig willenlos. Sie schlang ihre Beine noch fester um seinen Körper, um ihn tiefer in sich aufzunehmen.

Fest umklammerte sie seine Schultern, während ihre Zungen einen erotischen Tanz miteinander begannen. Noch nie hatte Chloe eine solche Hitze und Leidenschaft erlebt.

Sie wollte es, und sie brauchte es. Und sie sehnte sich mit aller Macht danach, dass ihre Lust befriedigt wurde. Urplötzlich wurde sie von einem lustvollen Beben erschüttert. Sie hörte sich selbst seinen Namen keuchen und gab sich einem unglaublichen Höhepunkt hin. Als er sich schließlich von ihren Lippen löste, den Kopf zurückfallen ließ und auf dem Gipfel der Lust laut stöhnte, folgte sie ihm ein zweites Mal und steuerte gemeinsam mit ihm einem gigantischen Höhepunkt entgegen.

Ramsey klammerte sich fester an sie und ließ ihre beiden Körper miteinander verschmelzen. Sie spürte alles von ihm, kein Millimeter von ihr blieb unberührt, weil er sie förmlich mit Haut und Haar verschlang.
 Als er sich wieder hinabbeugte, um sie zu küssen, verstand sie plötzlich. Er hatte all ihre Grenzen überwunden. Plötzlich fühlte sie sich nicht mehr nur körperlich zu ihm hingezogen, sondern spürte, dass sie mehr für ihn empfand. Genau davor hatte sie sich gefürchtet. Doch jetzt war es eben geschehen. Als er nicht aufhörte, sie zu küssen, und sie das Gefühl genoss, das sie bis hinunter in ihre Zehenspitzen spürte, da hatte er ihr bewiesen, dass er es sehr wohl schaffte, sie zu befriedigen.

Obwohl er es hatte vermeiden wollen, schlief Ramsey am nächsten Morgen länger als geplant. Erst als er das Lachen eines Mannes hörte, das nur seinem Bruder Zane gehören konnte, bemerkte er, dass er allein im Bett lag. Er hatte Chloe nicht gebeten zu gehen. War er etwa so erschöpft gewesen, dass er ins Koma gefallen war? Eigentlich hatte er noch nie einen besonders tiefen Schlaf gehabt und war als Frühaufsteher bekannt. Allerdings hatte er auch noch nie die ganze Nacht hindurch Sex gehabt.

Schnell stand er auf, denn er wollte nicht, dass Chloe ganz allein das Frühstück vorbereitete. Er hatte vor, ihr zu helfen. Das war das Mindeste, was er tun konnte, nachdem er sie mit seiner unersättlichen Sexgier vom Schlafen abgehalten hatte. Auch wenn er in der Küche nicht so ein Ass war wie sie.

Ramsey warf einen Blick auf den Wecker und erschrak. Es war gerade einmal vier Uhr morgens. Was, zum Teufel, machte Zane um diese Zeit schon hier? Und wenn Zane hier war, dann hieß das, Derringer und Jason waren ebenfalls unten, denn die drei waren unzertrennlich. Es würde ihn auch nicht überraschen, wenn Callum bei ihnen wäre. Schon in den letzten beiden Tagen waren die vier sehr früh am Start gewesen. Beide Male hatten sie ihn dabei erwischt, wie er Chloe geküsst hatte. Rückblickend war das vielleicht gar nicht so schlecht gewesen, denn aus dem Grund hatte er sich von Chloe distanziert. Doch genau dieser Abstand hatte ja zu höchst angenehmen Konsequenzen geführt.

Als er schließlich unter die Dusche ging, wurde ihm etwas klar: Nie wieder würde er ihre Nähe meiden!

„Komm schon, Chloe. Du willst uns doch nicht ernsthaft sagen, dass unser Bruder noch schläft. Ramsey weiß ja nicht mal, was es heißt auszuschlafen“, sagte Zane. Er hielt sich die Kaffeetasse vors Gesicht, sah Chloe vielsagend an und lächelte. „Es sei denn …“

Statt den Satz zu beenden, grinste er breit, trank einen Schluck Kaffee und aß weiter. Dafür war Chloe ihm dankbar, auch wenn sie nur ahnte, was Zane Westmoreland sagen wollte. Vor allem aber war sie froh, dass Jason, Derringer und Callum in ein Gespräch vertieft waren und Jasons Andeutung nicht gehört hatten. Sie kannten Ramsey genauso gut und stellten sich sicherlich dieselbe Frage. Warum lag er immer noch im Bett und schlief?

Langsam wurde ihr die Situation unangenehm. Hatten Zane oder die anderen vielleicht ihre Liebesmale am Hals entdeckt? Wunderten sie sich vielleicht, warum sie schon den ganzen Morgen einen Schal trug? Als sie leise aus dem Bett gestiegen war, um in ihr eigenes Zimmer zu gehen und zu duschen, hatte sie mit Schrecken festgestellt, dass Ramseys Bartstoppeln Spuren auf ihrem Körper hinterlassen hatten. Und dann gab es da noch die Knutschflecken, die er absichtlich hinterlassen hatte. Mit denen war vor allen Dingen ihr Hals übersät.

„Höchste Zeit, dass du aufgestanden bist, Ram. Bist du krank oder so?“

Chloe hörte die Ironie aus Derringers Worten heraus, drehte sich um und sah, dass Ramsey in die Küche getreten war. Außer den Jeans trug er nichts. Es verschlug ihr den Atem, und ihr Puls beschleunigte sich, als ihr Blick auf seine nackte Brust und die breiten Schultern fiel. Er war barfuß, und sein Haar war noch ganz feucht.

Er hatte nur Augen für sie, achtete nicht auf seine Brüder oder seinen Cousin und ging geradewegs auf sie zu. Noch bevor sie Luft holen konnte, beugte er sich vor und küsste sie vor den Augen der anderen.

In der Küche wurde es plötzlich mucksmäuschenstill. Zumindest dachte sie das. Doch das Einzige, was in diesem Moment zählte, war, dass Ramsey sie vor seiner Familie geküsst hatte. Es war kein besonders langer Kuss, doch damit bewies er Haltung. Als er schließlich zurücktrat, starrte sie in ein Gesicht, auf dem ein charmantes Lächeln lag. Das zwei attraktive Grübchen enthüllte.

„Guten Morgen, Chloe.“

Sie zwang sich, ein- und auszuatmen. „Guten Morgen, Ramsey.“

Den Arm immer noch um ihre Taille gelegt, drehte er sich zu den vier Männern am Frühstückstisch um. „Gibt es irgendeinen Grund für euch zu glauben, dass ihr eine Extrawurst zum Frühstück bekommt? Zumal drei von euch eigentlich gar nicht für mich arbeiten?“

Zane grinste: „Wir gehören doch zur Familie.“

Ramsey nickte langsam. „Ich hoffe für euch, dass ihr das nicht vergesst, wenn ihr in Zukunft mit Chloe zu tun habt.“

Erstaunt blickte Derringer ihn an. „Das heißt also, du und …“

„Ganz genau“, sagte Ramsey ernst. „So sieht’s aus.“

Entrückt starrte Chloe Ramsey an. Sie war so in seinen Anblick vertieft, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie er die anderen ermahnt hatte. Das Einzige, was sie bemerkte, war, dass die vier sie plötzlich so komisch ansahen. Instinktiv zupfte sie ihren Schal zurecht und hoffte, dass die Männer ihr Geheimnis darunter nicht entdeckt hatten.

Weil die Stimmung merkwürdig ernst wurde, wand sie sich aus Ramseys Umarmung und sagte: „Ich schlage vor, du ziehst dir erst mal ein Hemd an. Ich muss noch den Schinken braten und will nicht, dass du mit heißem Fett bespritzt wirst.“

Sie sah, wie er sie angrinste, und war verblüfft. Wie sehr er sich doch innerhalb von einer Woche verändert hatte. Nicht dass sie sich darüber beklagen wollte, aber das alles nur aufgrund einer berauschenden Liebesnacht? Allerdings musste sie zugeben, dass sie sich ebenfalls frisch und erholt fühlte. Obwohl sie so gut wie kein Auge zugetan hatte. Am Morgen war es ihr zwar schwergefallen, sich aus Ramseys Umarmung zu lösen und aufzustehen. Doch sobald sie in der Küche gewesen war, hatte sie sich wach und energiegeladen gefühlt.

„Danke für den Hinweis“, bemerkte er und drückte ihr einen winzigen Kuss auf die Lippen, bevor er die Küche verließ.

Sie atmete tief ein und blickte zu den vier Männern hinüber, die sie anstarrten. Mittlerweile waren sie so etwas wie Stammgäste geworden, wenn es Frühstück und Lunch gab. Und sie erschienen immer ein kleines bisschen früher als alle anderen, um mit ihr zu plaudern.

Durch ihre Gespräche hatte sie von Zanes, Derringers und Jasons Plänen erfahren, in die Pferdezucht einzusteigen. Außerdem hatte sie aufgeschnappt, dass Callum keine Eile hatte, nach Australien zurückzukehren. Nur den Grund dafür, den hatte sie noch nicht herausgefunden.

Sie räusperte sich und fragte dann: „Möchte einer von euch noch etwas? Vielleicht noch einen Kaffee?“

Bevor sie eine Antwort erhielt, hörte sie die Autos der Männer, die in die Auffahrt fuhren. Chloe war heilfroh darüber, dass ihr Tag endlich anfing und sie sich in die Arbeit stürzen konnte.

„Du bist sicher, dass du Zane, Derringer und Jason Weideland abgeben kannst, ohne das Gebiet für deine Schafe zu verkleinern?“ Dillon Westmoreland lehnte sich im Stuhl hinter seinem Schreibtisch zurück.

Ramsey antwortete nicht. Er wirkte, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. „Alles in Ordnung, Ram?“

Dillons besorgte Frage brachte Ramsey wieder zurück in die Gegenwart. Grinsend antwortete er: „Ja, alles in Ordnung.“

Nach dem Frühstück hatte Ramsey beschlossen, das Haus zu verlassen. Diesmal aber nicht, um Chloe aus dem Weg zu gehen. Er wollte ihr genügend Zeit geben, damit sie in Ruhe den Lunch vorbereiten konnte. Denn er hatte befürchtet, dass er sonst die Finger nicht von ihr lassen würde. Da er sich aber wie ein Gentleman benehmen wollte, hatte er beschlossen, die Zeit mit etwas anderem zu verbringen. Kurzerhand war er zu Dillon und Pamela auf die Shady Tree Ranch gefahren.

Als er spürte, dass Dillon ihn prüfend anblickte, sah er auf. „Kann es sein, dass zwischen dir und deiner Köchin etwas läuft, Ram?“

Ramsey wunderte sich nicht im Geringsten über Dillons Frage. Denn heute Morgen hatte er es vor den Augen aller öffentlich gemacht. Ramsey war noch nie der Typ für heimliche Affären gewesen. Eine Beziehung ausschließlich wegen Sex zu führen kam für ihn nicht infrage. Weil er aber auf dem Beziehungsmarkt keine großen Chancen gehabt hatte, hatte er sich für ein Singledasein entschieden. Alles in allem war er damit auch zufrieden gewesen. Nur hin und wieder, wenn er das Verlangen nach einem weiblichen Körper nicht mehr ausgehalten hatte, hatte er sich einen One-Night-Stand gegönnt. Doch das war schon eine Ewigkeit her. Seit der letzten Nacht konnte er sich nicht mehr vorstellen, nicht mehr regelmäßig mit Chloe zu schlafen. Nicht mehr mitten in der Nacht neben ihr wach zu werden, sich an ihren wunderbaren Po zu schmiegen und seinen …

„Ram?“

Er sah auf. Schon wieder hatte Dillon ihn aus seinen Tagträumen gerissen. „Ja?“

„Sicher, dass es dir gut geht?“

Ram lehnte sich zurück und beschloss, aufrichtig zu sein. „Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht“, gab er schließlich zu. Nachdenklich sah er Dillon an. „Ich erinnere mich noch, wie du mir von deiner ersten Begegnung mit Pamela erzählt hast. Da war etwas ganz Besonderes in deiner Stimme.“

Dillon grinste. „Ja. Genau das Gleiche war in deiner Stimme, als du mir gesagt hast, dass Chloe Burton deine Aushilfsköchin sei.“

Ramsey erschrak. „Unsinn. Ich kannte diese Frau doch gerade erst ein paar Stunden.“

Dillon nickte. „Darf ich dich daran erinnern, dass ich Pamela auch erst an dem Tag getroffen habe, an dem ich dich angerufen habe?“

Ramsey runzelte die Stirn. Er war sich nicht sicher, ob Dillons Andeutung ihm gefiel. Langsam stand er auf. „Glaub mir, Dillon. Zwischen uns ist es anders.“

Dillon schmunzelte. „Genau das habe ich damals auch geglaubt. Ich kann deine Zweifel also durchaus nachvollziehen. Solltest du allerdings herausfinden, dass es genauso ist, dann möchte ich der Erste sein, der es erfährt.“

Chloe schlüpfte aus den Schuhen und machte es sich auf dem Sofa bequem. Noch ganz aufgewühlt vom Frühstück, brauchte sie dringend etwas Zeit für sich, bevor sie sich an den Lunch machte. Mittlerweile hatte sie das Gefühl, dass jeden Tag mehr und mehr Männer zu den Mahlzeiten erschienen.

Bei diesem Gedanken lächelte sie in sich hinein. In der Zeit, die sie nun hier war, hatte sie die ganze Truppe ins Herz geschlossen. Es waren hart arbeitende, grundehrliche Familienväter, die liebevoll über ihre Frauen und Kinder sprachen. Für Ramsey zu arbeiten war für sie weitaus mehr als nur ein gewöhnlicher Job. Durch die Gespräche bei Tisch hatte Chloe erfahren, dass Ramsey für sie der beste Arbeitgeber überhaupt war. Er behandelte sie fair und zahlte ihnen einen angemessen Lohn, damit sie in der Lage waren, ihre Familien zu ernähren. Jeden Morgen freute Chloe sich aufs Neue, die Männer wiederzusehen und ihre Frühstückswünsche zu erfüllen.

Zu ihrer großen Überraschung hatte Ramsey an diesem Morgen am Frühstück teilgenommen. Sogar den freundlichen Spott seiner Männer hatte er geduldig über sich ergehen lassen. Und er hatte darauf bestanden, dass sie sich zu ihm und seinen Männern setzte, um mit ihnen zu frühstücken. Dadurch hatte sie das Gefühl bekommen, Teil seiner kleinen Gemeinschaft zu sein. Außerdem konnte sie Ramsey mit den Augen seiner Männer betrachten. Es war schlichtweg eine hervorragende Möglichkeit gewesen, an Informationen für den Artikel zu kommen, den sie über ihn schreiben wollte.

Den Artikel, den sie erst einmal auf Eis legen würde.

Sie holte tief Luft. Ursprünglich war sie nur aus einem einzigen Grund hergekommen. Sie hatte Ramsey überreden wollen, sich für ihr Magazin ablichten und interviewen zu lassen. Doch jetzt, wo plötzlich alles anders war, war dieser Gedanke völlig tabu. Denn in professioneller Hinsicht war sie als Journalistin definitiv zu weit gegangen.

Sie durfte und wollte ihm auf keinen Fall das Gefühl geben, ihn schamlos ausgenutzt zu haben. Deshalb musste sie ihm die Wahrheit sagen. Und zwar noch an diesem Abend. Irgendwie würde sie ihn schon überzeugen können, sie nicht wegzuschicken und bis Ende der Woche als Köchin zu behalten. Danach käme Nellie wieder, und alles wäre sowieso wieder beim Alten.

Bei dem Gedanken an seine Reaktion auf ihr Geständnis war ihr allerdings ganz beklommen ums Herz. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass die Dinge sich so entwickeln würden. Trotzdem, jetzt, wo ihre Zeit zu Ende ging, ahnte sie, dass es ihr das Herz brechen würde. Alles war so kompliziert geworden. Außerdem hatte sie nicht nur Ramsey, sondern auch seine Familie getäuscht. Nein, sie wollte nicht in einem See aus Lügen ertrinken, die Wahrheit musste ans Licht.

Sie hörte Schritte vor dem Haus. Dann wurde die Tür aufgemacht, und plötzlich standen ihr drei Frauen gegenüber. Drei Augenpaare, die sie an Ramsey erinnerten, blickten sie neugierig an. Chloe wusste sofort, das konnten nur Ramseys Schwestern sein.

Ramsey fluchte leise vor sich hin, als er die Auffahrt hinauffuhr und die drei Wagen erblickte, die auf seinem Hof parkten. Wenn seine Schwestern um diese Zeit gleichzeitig aufschlugen, hieß das, dass sie Wind von der Sache mit Chloe bekommen hatten und herausfinden wollten, was hier los war.

Er blickte in den Rückspiegel und war überrascht, dass Callum ihm nicht folgte. Denn der Mann schien einen siebten Sinn dafür zu haben, wenn Gemma in der Nähe war. Wann immer sie erschien, tauchte Callum ebenfalls unter einem fadenscheinigen Vorwand auf.

Als Ramsey die Tür seines Trucks zustieß, stieg ihm der köstliche Duft von Essen in die Nase. Es war Chloes letzte Woche, und er fragte sich, wie seine Männer reagieren würden, wenn Nellie wieder das Ruder übernahm. Er hatte eine Nachricht auf ihrem Handy hinterlassen mit der Bitte, ihn vor Montag zurückzurufen, damit sie miteinander reden konnten. Chloe hatte alle Erwartungen bei Weitem übertroffen und die neue Messlatte für Nellie sehr hoch gehängt. Obwohl Nellie natürlich auch eine gute Köchin war, würde er mit ihr über einen neuen Speiseplan reden müssen. Außerdem musste sie dringend ihr Verhalten den Männern gegenüber ändern.

Bei dem Gedanken, dass der kommende Freitag Chloes letzter Tag war, wurde ihm seltsam zumute. Noch immer weigerte er sich, über Dillons Andeutung, tiefere Gefühle für sie zu haben, nachzudenken. Ja, er hatte den Sex mit ihr sehr genossen und spekulierte auf eine weitere Nacht mit ihr. Doch er hatte nicht die Absicht, sich auf eine ernste Beziehung einzulassen. Er war ein Einzelgänger, und das wollte er auch bleiben.

In dem Moment, in dem er das Haus betrat, hörte er Frauenstimmen. Er blieb einen Augenblick stehen, um dem Geplapper und fröhlichem Gelächter zu lauschen. Scheinbar machten sich die Frauen gerade miteinander bekannt. Das gefiel ihm, wenngleich er auch nicht sagen konnte, warum.

Er ging in Richtung Küche, aus der die Stimmen und der köstliche Duft kamen. Dort lehnte er sich in den Türrahmen und betrachte erfreut das Bild, das sich ihm bot. Seine Schwestern saßen am Esstisch und nahmen Kostproben von dem, was so verdammt gut roch, während Chloe am Herd in einem Topf rührte. Man hätte glauben können, dass die vier Frauen sich schon seit Jahren kannten.

„Entschuldigt bitte, wenn ich störe“, sagte Ramsey und räusperte sich.

Sofort richteten sich vier Augenpaare auf ihn, von denen ihn aber nur eines in den Bann zog. In dem Moment, in dem er Chloes Blick auffing, spürte er es: Er empfand mehr als nur körperliches Verlangen nach ihr. Es reizte ihn, das zu tun, was er am Morgen schon vor Zanes, Derringers, Jasons und Callums Augen getan hatte. Am liebsten hätte er Chloe in die Arme genommen und geküsst. Doch er sah keine Möglichkeit, seine Schwestern, die bis über beide Ohren grinsten, links liegen zu lassen. Vor allem weil sie aussahen, als würden sie jeden Moment vor Neugier platzen.

„Du störst überhaupt nicht“, sagte Bailey für seinen Geschmack etwas zu süßlich. „Wir sind einfach nur hier, um uns mit Chloe zu unterhalten und sie besser kennenzulernen.“

Skeptisch sah er sie an. Er verstand zwar nicht, warum sie Chloe kennenlernen wollten, denn in ein paar Tagen wäre sie sowieso wieder weg, doch er hakte nicht nach. „Na, dann viel Spaß. Wenn ihr mich bitte entschuldigt, ich habe noch zu arbeiten.“

Er machte sich auf den Weg in sein Büro und grübelte darüber nach, warum er seine Schwestern nicht nach dem Grund ihrer Neugier gefragt hatte. Andererseits wollte er ihnen keinen Floh ins Ohr setzen. Denn dann würden sie ihn bestimmt ausquetschen. Außerdem bewahrte er Chloe davor, dass sich seine neugierigen Schwestern auf sie stürzen würden. Obwohl sie ihr, so wie er sie kannte, bestimmt schon auf den Zahn gefühlt hatten.

Als er sein Büro betrat, ließ er sich in den Schreibtischstuhl fallen. Er fragte sich, wie lange sein Besuch beabsichtigte zu bleiben. Außerdem trudelten in ein paar Stunden schon seine Männer zum Essen ein. Den ganzen Tag über hatte er noch keine ruhige Minute mit Chloe gehabt. Dabei sehnte er sich danach, sie zu küssen.

Er nahm einen Ordner vom Schreibtisch. Vielleicht gelang es ihm ja, sich durch Arbeit abzulenken. Wenn seine Schwestern danach immer noch da waren, würde er sie einfach rausschmeißen.

Bei der Vorstellung, wie er das tun würde, musste er lächeln. Normalerweise komplimentierte er sie auf eine freundliche und ironische Art hinaus. Doch dieses Mal würde er todernst bleiben. Dabei nahm er sich vor, endlich ein neues Schloss für die Hintertür zu besorgen, damit niemand mehr ein und aus ging, wie es ihm passte.

Er legte den Ordner wieder beiseite und musste sich eingestehen, dass das nicht der wirkliche Grund für seine Überlegung war. Das Schloss wollte er nur austauschen, weil er zweimal dabei ertappt worden war, wie er Chloe geküsst hatte. Aber da sie Freitag sowieso gehen würde, spielte diese Überlegung eigentlich keine Rolle mehr.

Seufzend ließ er sich zurück in den Stuhl fallen. Doch, sie spielte eine Rolle. Denn er wollte nicht, dass das, was zwischen ihnen war, abrupt endete. Vielleicht könnte er ja ab und zu mit ihr ausgehen, sie zum Essen einladen, eine Art Beziehung führen. Nichts Ernstes natürlich. Die Frage war bloß, wollte er das? Hätte er überhaupt Zeit dafür, jetzt, wo die Ablammsaison bevorstand und einige seiner Männer wieder gingen? Ihm wurde klar, dass er gerade dabei war, etwas zu tun, das er seit zehn Jahren nicht mehr getan hatte: Er versuchte, sich Zeit für eine Frau zu nehmen.

Als es an der Tür klopfte, blickte er auf. Sofort schnellte sein Puls in die Höhe. Hatten seine Schwestern sich verabschiedet? War es Chloe? Er stand auf und blickte enttäuscht drein, als Callum zur Tür hereinkam. Missmutig ließ Ramsey sich wieder in den Stuhl fallen.

Ramsey musste seinen Freund nicht fragen, warum er hier war. Er wusste es. Angesichts der Tatsache, dass er im Moment gut auf seine Schwestern hätte verzichten können, hätte er Callum liebend gerne eine große Summe in die Hand gedrückt, damit dieser mit Gemma verschwand. Aber was würde er dann mit Megan und Bailey machen? Megan hatte keine vernünftige Verabredung mehr gehabt, seit sie ein Jahr zuvor eine unglückliche Beziehung mit diesem idiotischen Arzt gehabt hatte. Bailey war glücklicherweise mehr an Büchern als an Männern interessiert. Schon in drei Jahren würde sie als Anwältin das College verlassen. Obwohl sie ihm manchmal den letzten Nerv rauben konnte, war er mächtig stolz auf sie.

„Was willst du hier, Cal?“

„Was glaubst du denn?“

Ramsey verdrehte die Augen. Callum hing definitiv zu oft mit Zane herum. Er klang schon genauso wie er. „Du weißt, dass du eines Tages die Dinge mit Gemma selbst in die Hand nehmen musst. Tu endlich was. Und damit meine ich nicht so etwas wie Kidnapping oder so“, erklärte Ramsey.

Callum grinste einfach nur. Normalerweise wäre Ramsey bei diesem Grinsen nervös geworden, doch heute blieb er ruhig. Er hatte genug eigene Probleme. Callum und Gemma waren wirklich das geringste davon.

Viel zu sehr war er mit der Frage beschäftigt, ob Chloe ebenfalls Interesse hätte, sich weiterhin mit ihm zu treffen. Er nahm sich vor, alles dafür zu tun, ihr Lust darauf zu machen.