KAPITEL 26
Jack Welch wohnte in einer Straße, die der, in der Allie gelebt hatte, sehr ähnlich sah. Eine Wohngegend der Mittelschicht mit Einfamilienhäusern, bescheidenen Gärten und viel Grün. Auch hier parkten die Autos am Straßenrand und für durchfahrende Fahrzeuge wurde es eng. Von Leuten in solchen Häusern vermutete niemand, dass sie heroinsüchtige Söhne und Töchter hatten. Für die Junkies war die Innenstadt mit ihren dunklen Gassen und Abbruchhäusern da, wo man zwischen Müll und Ratten auf verdreckten Matratzen schlief. Del musste an Celia McDaniels denken und an das, was sie ihm über die Drogenepidemie erzählt hatte. Er dachte an umgepflügte Hanffelder, auf denen jetzt Mohn wuchs, dachte an einfach zu beschaffende, billige Opiate. Die Abhängigen heutzutage, hatte Allies Therapeutin gesagt, das waren die netten Kinder aus guten Familien, einfache Opfer für die Drogenkartelle. Del wurde jedes Mal übel, wenn er an diese Aussage denken musste.
Es war halb sechs und die Dämmerung hatte sich bereits über die Nachbarschaft gesenkt. Ein leichter Wind ließ die Blätter der Bäume in den Vorgärten zittern. Faz stellte den Prius am Bürgersteig ab und schaltete den Motor aus. Dann beobachteten Del und er erst einmal eine Weile ein gelbes, zweistöckiges Haus mit spitzem Giebel, in dem Licht brannte. Es schien also jemand zu Hause zu sein.
Del kaute Sonnenblumenkerne, spuckte die Schalen in einen Pappbecher und fühlte sich wieder wie zwölf bei einem Spiel der Little League. Er hatte die Sonnenblumenkerne im Küchenschrank seiner Schwester entdeckt und sofort an einen Freund denken müssen, der angeblich fünfzehn Kilo abgenommen hatte, seitdem er abends vor dem Fernseher nicht mehr Chips und Schokokekse futterte, sondern Sonnenblumenkerne. Die schmeckten inzwischen ganz anders als noch in Dels Kindheit, als sie eigentlich nur salzig gewesen waren. Del knabberte gerade welche mit Räuchergeschmack, laut Stevie gab es aber auch noch alle möglichen anderen Geschmackssorten.
Faz warf ihm einen Seitenblick zu. »Immer noch auf Diät?«
»Ich achte einfach ein bisschen mehr auf meine Ernährung.« Del knackte den nächsten Kern, den Blick auf das gelbe Haus gerichtet.
»Riecht wie bei einem Grillfest.«
Del hielt ihm die Tüte hin. »Es gibt sie heutzutage auch mit Paprika und Dill.«
»Da werden sich die Vögelchen freuen. Und? Hast du die Staatsanwältin nun angerufen?«
Del spuckte eine Schale in den Becher. »Jawohl, habe ich.«
»Und siehst du sie wieder?«
»Wir haben uns gestern Abend gesehen.«
»Gestern Abend hast du gearbeitet.«
»Sie hat nach der Arbeit auf mich gewartet.«
Wieder ein Seitenblick. »Echt jetzt? Und wie ist es gelaufen?«
»Es war schön.« Del spuckte noch eine Schale in den Becher. »Sie hatte Prosciutto und Salami dabei, französisches Brot und ein bisschen Käse.«
»Du willst mich verarschen! In echt?«
»In echt.«
»Und wo seid ihr hingegangen?« Faz wollte es ganz genau wissen.
»Zu mir.«
Faz nickte, ein breites Grinsen im Gesicht. »Schön für dich, Del.«
»Ja. Warten wir ab, wie es weitergeht.« Der vergangene Abend jedenfalls hatte sich gut entwickelt, sehr locker, sehr gemütlich. Dels anfängliche Bedenken waren rasch verflogen, nachdem Celia klargestellt hatte, dass ihr erst einmal an seiner Gesellschaft lag und sie sonst keine Erwartungen hatte. So hatte er sich entspannen und den Abend genießen können.
»Und?«, fragte Faz.
»Und was?«, fragte Del zurück.
»Liegt dir etwas auf der Seele?«
»Nein.«
»Du scheinst mir nicht gerade vor Freude komplett aus dem Häuschen.«
Del atmete laut aus. »Ich weiß nicht. Es ist einfach …« Er ließ das gelbe Haus nicht aus den Augen. »Es ist schon ziemlich lange her, weißt du?«
»Dein letztes Date?«
»Seit ich das letzte Mal mit jemandem geschlafen habe.«
»Oh.« Kurze Pause. »Hey, es ist wie mit dem Radfahren.«
»Ja, aber ich meine – wenn das Rad nun einen Platten hat?«
Faz sah ihn streng an. »Hat es denn einen?«
Del schüttelte den Kopf. »Nein, nichts in der Art.«
»Aber du hast Angst davor?«
»Ich weiß nicht. Okay, wahrscheinlich habe ich Angst.« Ja, Del hatte ein bisschen Angst. Er hatte seit der Trennung von seiner Frau mit niemandem mehr geschlafen.
»Hör mal, dafür gibt es heutzutage Pillen. Sprich mit deinem Arzt drüber, wenn es ein Problem gibt.«
»Ist dir so was schon mal passiert?«
»Mir? Del, ich bin seit achtundzwanzig Jahren verheiratet. Wie heißt es so schön in dem Film? Ich bekomm schon einen Ständer, wenn der Wind bläst.«
»Eddie Murphy – 48 Stunden
»Ich sag dir eins: Mach dir keine Gedanken um Dinge, die noch gar nicht passiert sind. Es ist doch noch nicht passiert, oder?«
Del schüttelte den Kopf. »Ich spreche da ganz hypothetisch.« Er stellte den Becher mit den ausgelutschten Schalen ab. »Los, lass uns nachschauen, ob Jack Welch zu Hause ist.«
»Moment!«, sagte Faz.
Del ließ das Haus nicht aus den Augen. Bestimmt würde Faz gleich nach Einzelheiten seines weiteren Abends mit Celia fragen. Sie war geblieben – Del hatte sie nun wirklich nicht um vier Uhr morgens nach Hause schicken mögen –, aber sie hatten nicht miteinander geschlafen, obwohl da schon Körperkontakt gewesen war und sie das Bett miteinander geteilt hatten.
»Du überlässt mir die Führung, das ist doch klar, oder?«, stellte Faz klar.
Del sah ihn an. »Was? Ach so, ja, sicher. Mach dir keine Sorgen.«
»Del?«
»Alles in Ordnung, natürlich kannst du die Führung übernehmen. Mir geht es echt gut.«
»So siehst du aber nicht aus. Du siehst total angespannt aus.«
»Nein, ich habe bloß – alles in Ordnung, ja? Okay? Wie lange mache ich das jetzt schon? Lass uns nachsehen, was er zu sagen hat.« Del zwängte sich aus dem Wagen.
Der Vorgarten bestand aus einer kleinen Rasenfläche, auf der eine Eiche stand, das Ganze umzäunt von einem etwas schiefen, weiß gestrichenen Lattenzaun. An der linken Grundstücksseite führte eine Ausfahrt aus Kies und Gras zu einer Garage mit einem Fenster über der Tür und einer Treppe an der nördlichen Gebäudeseite, die zum ausgebauten ersten Stock führte. Dort wohnte wohl jemand. Del war vorgegangen. Faz holte ihn ein, als er gerade durch die Öffnung im Zaun trat, wo früher sicher einmal das Tor gehangen hatte, das jetzt an der Eiche lehnte. Das Tor schien nicht durch normale Abnutzung aus den Angeln geraten zu sein. Für Del sah es so aus, als hätte es jemand mit einem gezielten Fußtritt demoliert.
Drei Treppenstufen aus Holz führten zur Veranda und der Haustür mit einer nackten Glühbirne darüber, die offensichtlich zu stark für ihre Fassung war und ein ärgerliches Summen von sich gab. Im Haus lief ein Fernseher und es roch, als würde jemand kochen. Del klopfte.
Ein Mädchen kam an die Tür, klein, mit glatten blonden Haaren, die ihr bis auf den Rücken fielen. Sie mochte neun oder zehn Jahre alt sein, im Alter von Mark und Stevie also. Del holte tief Luft. So gern er diesen Jack Welch auch bei der Gurgel gepackt und ihm den Hals umgedreht hätte – hier lebte eine Familie, die wahrscheinlich genauso viel mitgemacht hatte wie Maggie und die Zwillinge.
»Hey«, sagte Faz. »Ist deine Mom zu Hause? Oder dein Dad?«
Das kleine Mädchen wandte den Kopf und brüllte ins Haus: »Mom? Hier ist jemand an der Tür.«
Die Frau, die hastig aus dem hinteren Bereich des Hauses kam, hielt ein Geschirrtuch in der Hand, war ihrer Kleidung nach zu urteilen aber wohl eben erst von der Arbeit gekommen: Sie trug eine cremefarbene Hose, schwarze Pumps und eine Bluse. Sie eilte zur Tür – wahrscheinlich hatte sie ihrer Tochter schon tausendmal vorgebetet, Fremden auf keinen Fall zu öffnen. Nette Kinder aus guten Familien, dachte Del.
Beim Anblick der beiden Detectives blieb die Frau wie angewurzelt stehen und sackte mit hängenden Schultern langsam in sich zusammen. Sämtliche Luft schien aus ihr weichen zu wollen. Das Handtuch fiel ihr aus der Hand.
»Geh in dein Zimmer und lies«, bat sie das kleine Mädchen so leise, dass Del sie fast nicht verstanden hätte.
Die Kleine widersprach nicht und stellte auch keine Fragen, machte nur wortlos kehrt und verschwand den Flur hinunter. Ganz offensichtlich hatte sie das alles hier schon einmal mitgemacht. Die Frau wartete, bis man eine Zimmertür zuklappen hörte, dann kam sie vorsichtig näher, die Arme fest um sich geschlungen. »Ist er tot?«, flüsterte sie.
Del und Faz waren noch nicht einmal dazu gekommen, ihre Ausweise und Dienstmarken vorzuzeigen. »Sind Sie die Mutter von Jack Welch?«, fragte Faz.
Sie seufzte. »Ja, ich bin Jeannie Welch. Sind Sie hier, um mir zu sagen, dass mein Sohn tot ist?«
»Nein«, sagte Faz. »Wir möchten nur mit ihm reden.«
Jetzt gaben die Knie der Frau endgültig nach. Stolpernd wich sie einen Schritt zurück und stieß mit dem Couchtisch zusammen.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Faz besorgt.
Jeannie Welch atmetet tief durch und schloss die Augen, als sei ihr schwindelig geworden.
»Ihr Sohn scheint nicht zu Hause zu sein?«, fuhr Faz fort.
»Nein.« Sie hatte immer noch die Augen geschlossen und hielt den Kopf gesenkt. »Ist er nicht.«
»Wissen Sie, wo er sein könnte?«
Jetzt endlich sah sie auf. »Was?«
»Wissen Sie, wo Ihr Sohn sich aufhält?«
»Er hat mich vorhin auf der Arbeit angerufen und gesagt, dass er nach Hause kommt. Ich kann nicht sagen, was das bedeutet. Gestern Abend ist er nicht nach Hause gekommen.«
»Dürfen wir reinkommen?«, fragte Faz.
»Worum geht es denn?«
»Allie Marcello«, sagte Del.
Sie runzelte die Stirn. »Aus seiner Schule?«
»Ja«, sagte Del.
Der Blick der Frau glitt zwischen Del und Faz hin und her. »Und um was geht es genau?«
»Sie hat eine Überdosis genommen«, sagte Del. »Sie ist tot.«
»Ich weiß. Ich war auf ihrer Beerdigung.« Die Frau sah Del an. »Ich habe Sie dort gesehen.« Sie klang völlig erledigt, hielt sich aber weiterhin aufrecht. »Worüber wollen Sie mit Jack reden?«
»Wir würden Ihren Sohn gern fragen, was er über Allies Tod weiß«, erklärte Faz.
»Glauben Sie, er hatte etwas mit ihrem Tod zu tun?«
»Wir glauben, er könnte etwas über die Droge wissen, die sie genommen hat.«
Diese Information musste Jacks Mutter erst einmal verdauen. »Kommen Sie rein«, sagte sie schließlich.
Del und Faz schlossen die Tür hinter sich. Sie standen in einem vorderen Zimmer, das einen gemütlichen, wenn auch etwas ramponierten Eindruck machte. Es gab einen Fernseher, davor eine nicht mehr ganz so junge Couch und einen Sessel. Auf der Couch lag eine Wolldecke, daneben eine aufgeschlagene Zeitung. Ob die Frau wohl hier geschlafen hatte, während sie darauf wartete, dass ihr Sohn nach Hause kam? Auch bei seiner Schwester hatten in letzter Zeit oft Wolldecke und Zeitung auf der Couch gelegen, auch dort stapelten sich, wie hier, im Wohnzimmer ungelesene Zeitungen und Zeitschriften. Jeannie Welch räumte mit ein paar raschen Handgriffen die Couch leer, suchte nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
Während Del und Faz sich setzten, stopfte sie Wolldecke und Zeitung hinter die Couch und hob das auf den Boden gefallene Geschirrtuch auf. »Tut mir leid, wie es hier aussieht.«
»Da hätten Sie mal bei uns zu Hause vorbeikommen sollen, als mein Sohn noch dort wohnte.« Faz lächelte höflich. »Als wäre ein Tornado durchgezogen.«
Jeannie ließ sich in den Sessel fallen.
»Warum haben Sie eben gefragt, ob Ihr Sohn tot ist, Mrs Welch?«, erkundigte sich Del sanft, aber bestimmt.
Sie zuckte die Achseln und seufzte. Es sah ganz so aus, als unterdrücke sie nur mühsam die Tränen. »Weil ich schon seit einiger Zeit erwarte, dass es an der Tür klopft oder jemand anruft.«
»Was nimmt er denn?«, fragte Del.
»Heroin«, sagte sie. »Seit ungefähr einem Jahr jetzt.« Erneut zuckte sie mit den Achseln und tupfte sich die Augenwinkel mit dem Geschirrtuch trocken. »Ich kann nichts machen, er lässt sich von mir nichts sagen. Ich habe schon daran gedacht, ihn vor die Tür zu setzen. Aber er ist mein Sohn. Trotzdem mache ich mir natürlich Sorgen um meine Tochter. Was für einen Einfluss er auf sie hat.«
»Sie sagten, er sei letzte Nacht nicht nach Hause gekommen?«, fragte Del.
»Nein.«
»Wissen Sie, wo er übernachtet hat?«
»Ich weiß nicht mehr, wo er hingeht.« Sie klang sehr müde und sah auch so aus. »Ich habe es aufgegeben, die Übersicht behalten zu wollen.«
»Er wohnt hier aber noch, oder?«, wollte Faz wissen.
Sie zuckte hilflos mit den Achseln, ehe sie nickte. »Ja, über der Garage.«
Nachdem Del Jeannie Welch jetzt eine Weile beobachtet hatte, hätte er sie als jung beschrieben, wahrscheinlich Anfang vierzig, Maggies Alter also. Sie war groß und schlank, eigentlich auch attraktiv, mit den blonden Haaren ihrer Tochter, die sie allerdings schulterlang geschnitten trug. Genau wie bei Maggie zeigte sie jedoch die Haltung einer Frau, die eine zu schwere Last mit sich herumschleppen muss, eine Last, die sie bereits Jahre ihres Lebens gekostet hat.
»Er spielt in einer Band«, erklärte sie jetzt. »Sie proben dort.«
»Wie haben Sie herausgefunden, dass er heroinsüchtig ist?«, wollte Faz wissen.
»Ich habe Sachen in seinem Zimmer gefunden. Spritzen, Löffel.« Sie schüttelte den Kopf. »Er hat in der achten Klasse angefangen, Pot zu rauchen, und von da an ging es irgendwie bergab. Ich glaube, auf das Heroin haben ihn andere aus seiner Band gebracht.«
»Kannten Sie Allie gut?«, fragte Del.
Die Frau nickte. »Ziemlich gut. Sie ist von Zeit zu Zeit gekommen, um der Band beim Üben zuzuhören, und hinterher saßen sie dann noch alle in Jacks Zimmer über der Garage. Sie war ein nettes Mädchen, Allie. Es ist so traurig, was mit ihr passiert ist.«
»Was ist mit Jacks Vater?«, fragte Faz. »Ist er auch da?«
Sie lächelte, wobei dies Lächeln allerdings etwas Trauriges hatte. »Kommt darauf an, was Sie unter ›da sein‹ verstehen. Er hat die Kinder mittwochnachmittags und jedes zweite Wochenende. Jack geht seit einem Jahr nicht mehr zu ihm und jetzt kann ihn sein Vater auch nicht mehr dazu zwingen. Jetzt geht nur noch meine Tochter zu ihrem Vater.«
»Wie lange sind Sie geschieden?«, fragte Del.
»Sieben Jahre.«
»Kennen Sie Jacks Freundeskreis?«, wollte Faz wissen.
»Ein paar seiner Freunde, ja.«
»Wissen Sie, von wem er das Heroin bezieht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wie ich schon sagte, vielleicht über die Band, aber es scheint ja jetzt überall zu sein.« Ihr drohte die Stimme zu brechen, doch sie schaffte es auch diesmal, sich zusammenzureißen. »Mir fällt nichts mehr ein, was ich noch tun könnte. Wenn ich ihn vor die Tür setze … was dann? Andererseits kann ich ihn nicht direkt hier im Haus haben, wegen meiner Tochter.« Sie tupfte sich die Augen trocken. »Warum möchten Sie mit mir über Allie sprechen?«
»Wir glauben, dass Allie sehr starkes Heroin genommen hat. Wir versuchen herauszufinden, woher es kommt«, erklärte Del.
»Glauben Sie, Jack hat es ihr gegeben?«
»Wir möchten nur herausfinden, was er weiß«, sagte Faz. »Haben Sie Zugang zu Jacks Zimmer über der Garage?«
»Früher hatte ich Zugang, ja. Inzwischen hat er außen ein Schloss angebracht. Ich habe ihn gebeten, es zu entfernen, aber … ich kenne die Kombination nicht.«
Del beugte sich vor. »Hat Ihr Sohn je eine Überdosis genommen?«
»Zwei Mal«, erklärte sie ohne zu zögern.
»In jüngster Zeit?«, wollte Del wissen.
»Das letzte Mal war vor ungefähr einem Monat. Seine Freunde … sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde er behandelt und wieder nach Hause geschickt. Behalten konnten sie ihn dort nicht, haben sie gesagt.«
Faz fragte: »Hat Ihr Sohn ein Handy?«
»Ja.« Die Frage schien sie ein wenig zu verwirren.
»Ist das sein Handy oder haben Sie es ihm gekauft? Läuft der Vertrag auf Ihren Namen?«
»Es ist ein Familienvertrag.« Sie lachte leise. »Jack hat noch nicht mal das Geld, sich in der Schulkantine ein Mittagessen zu kaufen.«
Das bestätigte die Schlussfolgerungen, die Del aus der Kommunikation zwischen Allie und Jack gezogen hatte. »Die Telefonrechnung läuft also auf Ihren Namen?«
»Ja. Warum fragen Sie?«
»Wir hätten gern Zugang zu Jacks Textnachrichten und Snapchats«, erklärte Faz. »Wir würden gern herausfinden, mit wem er sich unterhält – wer ihn beliefert.«
»Was können Sie da unternehmen?«
»Ihn ausschalten«, sagte Faz. »Es hat in jüngster Zeit einige Todesfälle durch Überdosen gegeben und wir möchten nicht, dass es noch mehr werden.«
»Mein Gott«, sagte sie leise.
»Es könnten noch mehr Leute sterben, wenn es uns nicht gelingt, die Quelle dieser Drogenlieferungen zu finden. Können Sie sich Zugang zu Jacks Handy verschaffen?«
»Wahrscheinlich schon, nehme ich an. Ich habe es allerdings noch nie versucht.«
Del ratterte eine zehnstellige Nummer herunter.
»Das ist Jacks Nummer«, sagte sie.
Del zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche. Es war eine Vollmacht, mit der Welch der Telefongesellschaft gestattete, die Unterlagen von Jacks Handy zur Einsicht freizugeben. Jacks Mutter nahm das Papier und starrte es einen Moment lang unschlüssig an. »Ich weiß nicht …«
Del reichte ihr einen Kuli. »Es erlaubt uns nur den Zugang zu Jacks Handy, um festzustellen, mit wem er kommuniziert.«
Sie nahm den Kuli, las sich das Schriftstück kurz durch und kritzelte dann entschlossen ihren Namen darauf. Del nahm es ihr wieder ab und nickte Faz kaum merklich zu. Sie hatten, was sie brauchten. Faz reichte Jeannie Welch eine Visitenkarte. »Wir würden gern mit Ihrem Sohn sprechen, aber wenn wir vor der Schule auf ihn warten, bringen wir ihn in Verlegenheit, und das wollen wir vermeiden. Das hier ist meine Nummer, geben Sie ihm die, wenn er nach Hause kommt.«
Die Frau beugte sich vor und nahm die Karte. »Können Sie ihn einsperren?«
»Wie bitte?«
»Können Sie ihn verhaften? Ihn ins Gefängnis stecken? Vielleicht kann er dort ja irgendwie Hilfe bekommen. Oder es jagt ihm so viel Angst ein, dass er sich von sich aus um Hilfe bemüht. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.« Sie hörte sich genauso an wie Maggie. »Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn das Telefon klingelt oder es an der Haustür klopft. Ich denke sofort, gleich sagt man mir, dass mein Sohn tot ist.«