KAPITEL
34
Nicholas Evans ließ Faz nicht aus den Augen, der jetzt neben Rick Cerrabone vor ihm im Vernehmungsraum saß. Del war ins Nebenzimmer umgezogen, wo er das Gespräch zusammen mit Celia McDaniel und den Kollegen von der Drogenfahndung beobachtete.
Nach der erstaunlichen Enthüllung hatten Del und Faz Cerrabone und Celia zu Hause angerufen und beiden erzählt, sie hätten einen Drogendealer im Verhörraum, der interessante Dinge zu berichten hätte. »Das wollen Sie unter Garantie hören.« Del hatte auch Tracy benachrichtigen wollen, aber die ging nicht an ihr Handy.
Faz stellte Cerrabone und Evans einander vor. Cerrabone trug immer noch das gestreifte Hemd, mit dem er wahrscheinlich an diesem Tag zur Arbeit gekommen war, und sah müde aus. Aber das tat er ja eigentlich immer, mit den dicken Rändern unter den Augen, die an gebrauchte Teebeutel erinnerten. Er wurde langsam kahl und kämmte sich das Haar streng von der Stirn aus nach hinten. Angeblich sollte sechzig ja das neue vierzig sein, aber bei Cerrabone und auch einer Menge Strafverteidiger schien es sich genau umgekehrt zu verhalten.
»Mir wurde gesagt, Sie könnten Informationen zur Fahrerflucht in Rainier Beach haben«, fing der Staatsanwalt das Gespräch an.
Evans nickte. »Aber ich will einen Deal. Ich werde keine Zeugenaussage machen oder irgendetwas schriftlich verfassen, wenn ich keinen Deal bekomme.«
»Ich verstehe«, sagte Cerrabone gelassen und ohne sofort konkrete Versprechungen zu machen. »Ehe ich irgendwelche Überlegungen in diese Richtung anstellen kann, muss ich allerdings erst noch ein bisschen mehr wissen.«
Darüber dachte Evans eine Weile nach, um sich dann verschwörerisch nach vorne zu beugen. »Ihr habt doch wegen der Sache in Rainier Beach, wegen dieser Fahrerflucht, einen verhaftet, ja? Und der ist bei der Navy, richtig?«
»Das stimmt.« Cerrabone nickte.
»Ich weiß, was er an dem Abend in Seattle gemacht hat.«
Cerrabone reagierte nicht. Faz auch nicht. Als Evans nicht fortfuhr, fragte Cerrabone: »Woher wissen Sie, was er getan hat?«
»Das hat mir jemand erzählt.«
»Jemand?«
Evans lehnte sich selbstzufrieden zurück. »Jawohl.«
»Wer?«
»Ein Typ, der es wissen muss.«
Cerrabone runzelte die Stirn und warf, was alles zur Show gehörte, Faz achselzuckend einen fragenden Blick zu. »Ein Typ, der es wissen muss – das sagt mir wirklich gar nichts, Detective.« Er wandte sich wieder an Evans. »Was Sie nicht persönlich wissen, nennt man Hörensagen, und Hörensagen nützt mir gar nichts, weil kein Richter das bei Gericht zulassen würde. Hörensagen gilt als nicht verlässlich.« Er hob beide Hände zu einer hilflosen Geste: Was kann ich da schon tun?
Evans zögerte erneut, dachte nach. »Es ist der Typ, der mich mit Heroin versorgt«, sagte er dann.
»Ihre Quelle also?«
»Jawohl.«
»Okay. Aber auch hier muss ich Sie bitten, das mal aus meiner Sicht zu betrachten, Nick. Jeder Richter, oder auch Strafverteidiger, wird sagen, ich habe mich auf das Wort eines Dealers verlassen, der einen Deal rausschlagen wollte, indem er einen anderen Dealer anschwärzt. Verstehen Sie mein Problem? Dass ein Junge bei einer Fahrerflucht getötet wurde, hat in den Zeitungen gestanden, und in den Abendnachrichten wurde darüber berichtet. Man wird Ihnen unterstellen, davon gehört und sich den Rest ausgedacht zu haben. Also bringt mich das wirklich nicht viel weiter.«
Evans deutete auf Faz, offensichtlich alarmiert darüber, dass seine großen Neuigkeiten ihm nun doch kein Ticket aus der Gefahrenzone bescheren würden. »Was, wenn ich es ihm sage? Dann kann er doch herausfinden, ob es stimmt oder nicht.«
»Vielleicht«, sagte Cerrabone. »Was hat Ihr Lieferant Ihnen denn erzählt?«
Evans fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Er hat mich gefragt, ob ich das mit dem Navy-Typen gelesen hätte, der wegen der Fahrerflucht verhaftet worden ist. Ich sagte, ich hätte nichts davon gehört. Da hat er es mir erzählt.«
Sie drehten sich im Kreis. Cerrabone holte tief Luft. »Was genau hat er Ihnen erzählt?«
Evans sah blinzelnd hoch ins grelle Licht der Neonleuchten. Er blinzelte. »Habe ich einen Deal?«
»Weiß ich nicht. Sie haben mir im Grunde noch gar nichts erzählt.«
»Dieser Typ, der mir was verkauft, der fragt mich also, ob ich das mit dem Navy-Typen weiß, und ich sage Nein. Dann
sagt er, dass der Navy-Typ gerade über ein Pfund Heroin auslieferte, als er den Jungen überfuhr.«
»Auslieferte?«, fragte Cerrabone.
»Genau.«
»Woher?«
Evans zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht, aber er war auf jeden Fall der Lieferant von diesem Typen, mit dem ich geredet habe.«