KAPITEL
40
Nach einer sehr langen Nacht, in der sie daran arbeiteten, eine koordinierte Aktion von Beamten der Drogenfahndung, einem Eingreifkommando (SWAT) und der Abteilung für Gewaltverbrechen hinzubekommen, begleiteten Del und Faz kurz vor vier Uhr morgens ein SWAT-Team zum Haus von Eric Tseng.
Tseng hatte in Rainier Beach ein Haus gemietet, das nicht weit von der Kreuzung entfernt lag, auf der D’Andre Miller überfahren worden war. Auch zum leeren Grundstück, auf dem man Laszlo Trejos Auto gefunden hatte, war es von hier aus nicht weit. Wahrscheinlich erklärte sich allein aus der Adresse, wer Trejo am Abend der Fahrerflucht zu Hilfe gekommen war. Falls es sich bei Tseng um einen erfahrenen Drogenhändler handelte, hatte er vielleicht auch gleich weit genug vorausgedacht, um sicherheitshalber das Wageninnere zu säubern und auch den Airbag abzuwischen, damit weder Fingerabdrücke noch DNA sichergestellt werden konnten. Nicht geklärt war allerdings nach wie vor, wie das Videoband aus der Überwachungskamera des Lebensmittelladens hatte verschwinden können.
Eine erste Überprüfung hatte ergeben, dass es sich bei dem Haus um ein Wohnhaus im Ranch-Stil handelte, eine rechteckige Konstruktion mit erbsengrüner Holzverkleidung.
Eigentlich sollte ein Haus dieser Bauart nur ein Stockwerk hoch sein, hier jedoch befand sich darunter noch eine Garage, die zwei Autos Platz bot, und man erreichte die Haustür über eine Treppe. Haustür und sämtliche Fenster im Erdgeschoss waren mit schwarzen Metallgittern gesichert, aber problematischer waren erst einmal die beiden Hunde, die sich in dem mit Maschendraht umzäunten Garten frei bewegten. Es waren Mischlinge, nicht besonders klein, die laut bellten, sobald sich jemand dem Zaun näherte. Hier konnte sich selbst die Polizei nicht anschleichen, trotz des Gerichtsbeschlusses, der ihnen erlaubte, das Haus zu stürmen, ohne sich groß anzukündigen.
Wie vereinbart benutzte das SWAT-Team zwei gepanzerte Wagen und mehrere Beamte, um die Straße und das leer stehende Grundstück hinter dem Haus abzusperren. Sobald alle ihre Plätze eingenommen hatten, gingen zwei Beamte der Tierrettung durch das Gartentor, sicherten die Hunde und schafften sie aus dem Garten. Zur selben Zeit rief eine Unterhändlerin des SWAT-Teams, um die im Haus Anwesenden vom Bellen der Hunde abzulenken, die Handynummer an, die Tseng Evans gegeben hatte. Sie ließ das Telefon ein paarmal klingeln, ehe sie den Kopf schüttelte.
»Da geht niemand dran.«
Der Anführer des SWAT-Teams, ein stämmiger Mann namens Glenn Ekey, bat sie, die Nummer noch einmal anzurufen. Das tat sie auch, allerdings mit demselben Ergebnis.
Da gab Ekey den Befehl zum Angriff. Er mochte nicht warten und damit Tseng vielleicht Gelegenheit geben, sich zu bewaffnen oder Beweise zu vernichten.
Kurz nach vier Uhr sah Del zu, wie sich SWAT-Leute in Kampfmontur mit einem Rammbock zwischen sich auf die Haustür zubewegten. Wenig später ging mit lautem Scheppern die metallene Sicherheitstür auf, die Holztür dahinter gab ein vergleichsweise leises »Plopp« von sich. Schnell und mit lang
geübter Präzision betraten die Spezialkräfte das Haus und Del konnte hören, wie sie sich per Funk verständigten, während sie ein Zimmer nach dem anderen betraten, durchsuchten und freigaben. In den Häusern der Nachbarschaft gingen Lichter an, Hunde bellten. Ein paar Nachbarn in Pyjamas, Shorts und T-Shirts traten auf ihre Terrassen.
Del und Faz warteten.
Wenige Minuten nach Erstürmung des Hauses kamen zwei der SWAT-Leute an die Haustür und besprachen sich mit Ekey. Der hörte ihnen kurz zu, ehe er sich umdrehte und Faz und Del mit einer Handbewegung zu sich rief.
»Wissen Sie, wie dieser Typ aussieht?«, wollte er wissen.
»Nur von den Führerscheinfotos«, sagte Del, den langsam ein ungutes Gefühl beschlich. Was hatte das SWAT-Team im Haus gefunden? Was würde er gleich zu sehen bekommen?
Ekey führte Faz und Del ins Haus. Das obere Stockwerk war äußerst sparsam möbliert. Als er die Treppe zum unteren Stockwerk, der vermeintlichen Garage, hinunterging, hörte Del Musik und roch einen durchdringenden Gestank. Die Musik und der Geruch wurden stärker, als sie Ekey in ein Souterrain mit großem Flachbildfernseher, Fernsehsesseln und einer gut bestückten Bar folgten. Jemand schaltete die Musik aus, aber den Gestank würde man nicht so schnell loswerden. Eric Tseng saß in sich zusammengesunken in einem der Fernsehsessel. Sein Kopf war zur Seite gerutscht. Das Leder des Sessels war voller Blutspritzer, Blut hatte sich auch auf dem Boden gesammelt. Der Mann war vor ungefähr zwei Tagen erschossen worden, schätzte Del. Sehr wahrscheinlich in derselben Nacht wie Laszlo Trejo.