KAPITEL
46
Ein Nachbar hatte die Schüsse gehört und beim Polizeirevier Bremerton angerufen, woraufhin jede Menge Beamte über das Krähennest herfielen. Als Erstes trafen sie dort auf Tracy, die sich vor dem Haus aufgebaut hatte und allen ihre Dienstmarke hinhielt. Langsam und ruhig erklärte sie, was vorgefallen war und dass Waffen sichergestellt worden waren. Im Apartment traf die Polizei dann auf Detective Owens, der auf dem Boden saß, die Hände hinter dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Nach einer weiteren halben Stunde voller Erklärungen wurde Owens aus der Wohnung entfernt und Tracy sowie Battles durften sie verlassen und draußen warten, bis die Leute von der Kriminaltechnik ihre Arbeit erledigt hatten. Allerdings war beiden gesagt worden, sie sollten sich nicht zu weit entfernen.
Der Himmel bestand weiterhin aus einem schäumenden Gemisch aus Wolken, aber wenigstens regnete es erst einmal nicht mehr. Der Parkplatz hatte sich mit Polizeifahrzeugen aus Bremerton und dem Kitsap County gefüllt. Die anwesenden Beamten hätten gereicht, um es mit der Armee eines kleineren Landes aufzunehmen. Auch Feuerwehrwagen, Rettungsfahrzeuge und der Kleintransporter des Kitsap County Coroners waren eingetroffen. Eile war allerdings nicht mehr geboten, denn Rebecca Stanley war durch die beiden Schüsse
in ihre Brust getötet worden. Weiter die Straße hinunter, hinter dem Absperrband der Polizei, standen die Übertragungswagen verschiedener Nachrichtensender und ein paar der üblichen Gaffer aus der Nachbarschaft.
Battles hatte ihr Handy gezückt und sprach gerade. Tracy hatte sie gebeten, den Sicherheitsbeauftragten David Bakhtiari anzurufen. Sie wollte sicherstellen, dass niemand das Überwachungsvideo vom 18. März vernichtete.
Battles legte auf und kam zu Tracy herüber. »Er hat das Band noch als Beweismittel sichergestellt, bevor er nach Hause ging. So schnell wäre es also nicht vernichtet worden. Ich habe auch mit unserem Oberkommandierenden gesprochen, der schickt die Leute vom NCIS vorbei.«
»Denen können Sie gleich sagen, dass sie sich erst mal hinten anstellen müssen.«
Danach standen die beiden Frauen eine Weile schweigend da und beobachteten die Polizei bei der Arbeit. Früher oder später würden sie ihre Aussagen machen müssen.
»Was werden Sie tun?«, erkundigte sich Tracy bei Battles.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, in Zukunft, wenn sich das alles hier aufgeklärt hat. Was werden Sie tun?«
Battles schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Detective. Das scheint mir so weit weg. Auf dem Stützpunkt wird wohl eine Weile alles drunter und drüber gehen. Wahrscheinlich gibt es eine Untersuchung mit allen Schikanen wegen Trejo, ob er Unterstützung hatte und wie lang das alles schon lief. Das könnte eine Weile dauern. Aus Owens werden sie nicht viel herauskriegen. Der verlangt unter Garantie nur nach einem Anwalt und hält dann die Klappe.«
Tracy nickte. Wahrscheinlich hatte Battles recht. »Wie lange dauert Ihre Dienstzeit noch?«
»Wie lange ich mich dienstverpflichtet habe? Vier Jahre aktiver Dienst, danach vier Jahre inaktiver Status. In knapp einem Jahr bin ich mit dem aktiven Dienst durch.«
»Und dann was?«
Battles zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Erst mal muss ich verarbeiten, was hier passiert ist und wie zum Teufel ich da plötzlich mittendrin stecken konnte.«
»Sie waren Trejos Anwältin«, sagte Tracy. »Sie sind mit Ihrem Fahrrad runter zum Gefängnis gerast und haben verlangt, ihn zu sehen.«
»Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sich wünschen.« Battles nickte weise.
»Wie bitte?«
»Ach nichts. Nur ein bisschen mütterlicher Rat.«
»Glauben Sie, Sie bleiben hier?«
»In Bremerton?« Battles schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Seattle?«, fragte Tracy.
Battles zuckte erneut mit den Achseln. »Ich weiß es echt nicht. Kommt wohl darauf an, welche Jobs sich mir hier bieten. Und welche Männer.«
»Mein Mann ist Anwalt.«
Tracy mochte Battles. Sie war eine starke Persönlichkeit, aber das war Tracy auch. Vielleicht waren gleich zwei ihrer Sorte zu viel für Dan, aber so wie es sich anhörte, hatte Battles jede Menge Erfahrung und konnte sofort loslegen.
Battles zog eine Braue hoch. »Da Sie ja hoffentlich glücklich verheiratet sind – was für ein Anwalt ist er?«
»Meistens Gesundheitsschäden, aber auch ein bisschen Strafrecht.«
»Ist er gut?«
»Er hat Mandanten ablehnen müssen, weil er für ihre Fälle keine Zeit gehabt hätte. Er denkt darüber nach, kürzerzutreten und sich Unterstützung zu holen.«
»Kürzerzutreten? Wie alt sind Sie, vierzig?«
Tracy lächelte. »Er war ziemlich erfolgreich.«
»Muss er dann wohl gewesen sein.« Battles dachte einen Moment nach. »Klingt nicht schlecht, finde ich«, stellte sie fest.
»Zivilklagen?«
»Mit vierzig in den Ruhestand gehen.«
»Kürzertreten, nicht in den Ruhestand gehen!« Tracy grinste. »So viel will ich ihn gar nicht im Haus haben.«
»Lieutenant?« Ein Detective kam zu den beiden Frauen herüber. »Wir würden jetzt gerne Ihre Aussage aufnehmen.«
Battles nickte. Ehe sie ging, drehte sie sich noch einmal zu Tracy um: »Sagen Sie Ihrem Mann, ich habe Interesse. Aber sagen Sie ihm auch, dass ich nicht billig zu haben bin.«