Kapitel 21

Keanu hatte sich noch nie so gefühlt. In seinem Bauch brodelte die Nervosität, in seiner Brust klopfte eine aufgeregte Freude und in seinem Kopf spielten die Gedanken Ping-Pong.

Er saß an dem für sie reservierten Tisch und wischte sich zum wiederholten Mal die Hände an der Hose ab, obwohl sie gar nicht so feucht waren, wie sie sich anfühlten.

Warum war er so unruhig? Sie kannten sich bereits. Johann war im Bild, was seine Probleme betraf, und er hatte zu ihrer Verabredung zugesagt. Sie hatten ein Date. Wovor hatte er Angst?

Dass er es sich anders überlegte?

Keanu stand auf, als er Johann entdeckte. Er sah sehr fein aus mit Hemd und Krawatte und den sorgsam frisierten Haaren. Ganz anders als an jedem gemeinsamen Morgen in der Kuppel.

„Guten Abend ... danke für die Einladung.“

Keanu saugte seine Stimme förmlich auf. Sie begrüßten sich knapp und Johann nahm den angebotenen Platz ihm gegenüber ein.

„Du siehst toll aus. Bist du wieder gut im Alltag angekommen?“, fragte er.

Johann nahm das Kompliment mit einem Lächeln und einem höflichen Nicken entgegen. „Man gewöhnt sich schneller daran, als einem lieb ist“, erwiderte er. „Und du?“

„Ich bin wieder jeden Tag in der Firma und auch sonst bewegt sich alles nach und nach in gewohnteren Bahnen.“

„Das freut mich.“

Sie redeten, wählten aus der Karte und schauten sich am Kerzenlicht vorbei in die Augen. Die Nervosität blieb, aber die Fragen in seinem Kopf änderten sich mit jeder Minute, die verging.

Johann wirkte irgendwie ... verändert. Er war viel förmlicher als in ihrem Urlaub, nicht nur in der Art, wie er sprach, auch in seiner Mimik und dem, was er erzählte. Vielleicht bedeutet das nur, dass er auch aufgeregt war. Oder es lag an der Umgebung. Das Restaurant gehörte zur gehobenen Klasse und versetzte Johann vielleicht ein wenig zu sehr in Erinnerungen an seine Arbeit als Escort. Keanu seufzte innerlich. Warum hatte er darüber nicht vorher nachgedacht? Eine ungezwungenere Umgebung wäre sicher besser gewesen.

„Hast du dir schon einen Schal gekauft?“

Johann schaute ihn an. Dieses Mal wirkte das Lächeln wärmer. „Einen blauen“, sagte er. „Aber ich habe ihn noch nicht getragen. Er hängt an meiner Garderobe.“

„Wie geht es eigentlich deinem Knöchel?“ Er hatte ihm nichts angesehen, als Johann auf ihn zugekommen war.

„Gut. Tut kaum noch weh. Die Hüfte auch nicht mehr. Ich bin fast wieder wie neu.“

„Das freut mich.“

Er musste an den Abend denken, an dem er ihn im Bett gewärmt hatte. Wirklich nur gewärmt. Sie waren sich nicht nochmal so nahegekommen, wie an dem Abend davor. Und es war schön gewesen, friedlich und gemütlich und voller Verständnis füreinander. Er hatte sich verbunden gefühlt. Genau danach suchte er auch jetzt in Johanns Augen. Es war da, für einen kurzen Moment. Dann blinzelte Johann und wandte den Blick ab.

„Ich habe auch schon neue Buchungen. Danke für die Bewertung. Das ist wirklich hilfreich.“

Keanus Lächeln wurde schmaler. Er hatte es ihm ja versprochen. Johann hatte viel mehr getan als einen Job zu erledigen. Er war froh, dass er ihm helfen konnte, aber die Erwähnung neuer Buchungen verursachte ein Drücken in seiner Brust. War das Eifersucht? Er ... hatte Johann sehr gern und konnte wohl nicht leugnen, dass er ihn am liebsten für sich gehabt hätte. Aber es war unangebracht, zu erwarten, dass er deswegen seinen Job aufgab. Schließlich hatte er ihn so kennengelernt.

Abgesehen davon waren sie kein Paar. Sie trafen sich nur. Er musste das einfach herunterschlucken.

„Ich bin froh, wenn es gut für dich läuft. Ich hoffe, du kannst alles erreichen, was du dir wünschst.“

 

*

 

Johann konnte die Atmosphäre zwischen ihnen nicht deuten. Er versuchte, professionell zu sein und seine privaten Gefühle zu kontrollieren. Das war schwieriger als gedacht. Keanu war in dieser kurzen Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, weiter aufgeblüht. Er lächelte immer häufiger, schien viel mehr Freude an allem zu haben und in seinen Worten lagen noch mehr Respekt und Warmherzigkeit als zuvor.

Wahrscheinlich hatte er es deswegen auch vorgezogen, ihn außerhalb der Agentur zu treffen. Weil ihm die Buchung wie etwas Herabwürdigendes ihm gegenüber vorkam. Das würde zu Keanu passen.

Er hatte nach einem Treffen gefragt, so wie er es bei jedem anderen Menschen auf Augenhöhe getan hatte. Das war unerwartet gekommen, aber passte ins Bild. Über Geld hatten sie nicht gesprochen, aber das machte nichts ... Keanu hatte ihm so viel gegeben – es war nur fair, wenn er es so zu Ende brachte, und ‚nur‘ ein Essen dafür bekam.

Auch, dass sie hier saßen, bewies, dass Keanu ihn wertschätzte. Er hatte ihn nicht direkt zu sich nach Hause eingeladen und ihm das Schlafzimmer gezeigt. Das hier war ein netter Rahmen für ihr Vorhaben. Aber auch einer, der es ihm schwerer machte ... doch das wusste Keanu ja nicht.

Als sie das Restaurant verließen und er zu Keanu in den glänzenden Mercedes stieg, kribbelte jede Faser in ihm. Sein Hintern schmiegte sich gegen das weiche Leder des Sitzes. Das hier war ganz anders als in ihrem gemeinsamen Urlaub. Er würde zu ihm nach Hause kommen. In seine Wohnung. In sein Bett.

Johann beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Keanu den Motor startete, wie er schaltete und das Lenkrad drehte. Dann wurde ihm klar, was es war, das ihn so nervös machte: Er schrumpfte gerade.

Im Hotel hatte er es nie so genau gespürt ... Keanus echtes Leben war so weit weg gewesen und seines auch. Die Umgebung neu für sie beide.

Jetzt war alles anders. Er atmete Keanus Überlegenheit. Gott, wie naiv war er bitte, dass er diese flatternden Gefühle überhaupt zugelassen hatte? Johann schluckte und versuchte, die stetig wachsende Ehrfurcht wieder loszuwerden. Die würde ihm nicht bei ihrem Projekt helfen.

Musik drang an seine Ohren. Keanu bediente die Knöpfe und Rädchen an der Mittelkonsole blind, den Blick konzentriert auf die Straße gerichtet. Sanfte Wärme durchdrang den Stoff seiner Kleidung. Sitzheizung?

Johann versuchte, sich zu entspannen. Obwohl es dieses Mal ein privates Treffen war, fühlte Keanu sich mehr denn je wie ein Kunde an. Aber das war gut ... denn letztendlich war er genau das.

„Stell es ruhig selbst ein, wie es dir angenehm ist“, sagte Keanu und wies auf das Wärmerädchen, das zum Beifahrersitz gehörte.

„Danke, es ist perfekt so.“

Die Fassaden flogen nur so an ihnen vorbei. Er kannte das alles, diese Situation, den Ausblick, das Gefühl, in einem teuren Auto zu sitzen ... trotzdem stieg seine Aufregung in ungeahnte Höhen.

Was wenn es heute nicht klappte? Würde Keanu ihn dann nochmal einladen? Würden sie so weitermachen, bis die Mission vollendet war? Johann ertappte sich dabei, diesen Gedanken in sich zu nähren und sich vorzustellen, dass er vielleicht eine Chance haben könnten, wenn das passierte. Wenn er schnell eine Stelle fand, schnell mit dem Studium begann, schnell den Escortjob kündigte. Vielleicht reichte diese Aussicht für Keanu, um ihn anders wahrzunehmen. Als jemanden, der zwar noch nicht auf seiner Stufe stand, aber zumindest in der Lage war, einige von ihnen nach oben zu klettern, sich ihm zu nähern.

Er sollte das nicht denken. Es waren Luftschlösser und ... eigentlich wollte er weitere Niederlagen und schlechte Gefühle von diesem Mann fernhalten. Er wollte, dass es ihm gutging. Dass er lernte, wieder glücklich zu sein. Auch, wenn das bedeutete, dass er es mit jemand anderem wurde. Das war nur natürlich. Er würde niemand sein, der mit ihm auf einer Stufe stand. Er war eine der Stufen.

 

Keanus Wohnung war der Hammer. Auf dem champagnerfarbenen Teppich lief er wie auf Wolken; Johanns Blick flog über stilvoll dekorierte Wände, mit modernen Fotografien und überraschend viel Grün, die Möbel wirkten elegant, aber nicht protzig.

Obwohl es nicht nötig gewesen wäre, machte Keanu eine kleine Führung für ihn. Am Eingang des großen Wohnzimmers verharrten sie. Die Mischung aus Gemütlichkeit und Sicherheit, die diese Räume ausstrahlten, vertrieb einen Teil seiner Anspannung. Er war hier mit Keanu. Er sollte einfach nur glücklich sein, dass er noch etwas Zeit mit ihm verbringen konnte. Es genießen. Auch wenn es danach wieder härter werden würde. Selbst schuld, dass er nicht auf Diego gehört hatte. Jetzt hing er an der Nadel.

„Deine Wohnung gefällt mir“, sagte er, um die Stille zu brechen. Sicher war Keanu auch nervös. Für ihn ging es um viel mehr. Es war sein Job, dafür zu sorgen, dass er sich entspannte und wohlfühlte – nicht umgekehrt. „Sie hat so etwas Beruhigendes. Vielleicht wegen der Farben.“

Er war sich nicht sicher, ob er den Raum richtig betreten sollte. Er stand noch am Eingang, Keanu hinter ihm im Türrahmen. Sicher sollte die Führung im Schlafzimmer enden. Auch wenn er gern das Sofa und den Fernseher bewundert, und sich die Bücher in den Regalen angesehen hätte, war es wohl besser, diesen Plan nicht zu durchkreuzen.

Also wandte er sich um, um zu signalisieren, dass er genug hiervon gesehen hatte.

Keanus Blick lag auf ihm. „Möchtest du einen Kaffee? Espresso? Noch einen Champagner? Ich habe auch gutes Bier da.“

„Besser nicht, sonst leidet die Stimmung. Du musst wissen, dass ich unheimlich albern werde, wenn ich zu viel Alkohol trinke. Ich lache dann über alles, was du sagst – egal was. Ziemlich peinlich.“ Und unpassend, wenn man intim werden wollte.

In dem leisen Lächeln, das sich nach seinen Worten auf Keanus Gesicht abzeichnete, lag etwas unerwartet Liebevolles, das Johann innehalten ließ. Nein, das bildete er sich nur ein. Wunschdenken. Er wandte den Blick ab und verließ den Raum. Keanu schloss die Tür und führte ihn weiter den Flur entlang.

Die letzten beiden Räume waren ein schickes, geräumiges Badezimmer und schließlich das Schlafzimmer. Johann schluckte, ehe er einen Schritt hineinmachte und eine selbstbewusste Maske aufzog.

Der Raum war perfekt: das Bett, die Kulisse der Stadt hinter den Fenstern, der Gedanke daran, dass die Wäsche nach Keanu riechen würde, wenn er sich darin einwickelte.

Auf dem Nachtschrank lag das Buch. Johann nahm es als Vorwand, um auf das Bett zuzugehen und sich darauf niederzulassen. Dann strich er über den beschädigten Einband.

„Hast du es schon zu Ende gelesen?“

Keanu kam auf ihn zu, setzte sich aber nicht, sondern blieb vor dem Bett stehen. Die Finger seiner rechten Hand arbeiteten, drückten sich zu einer Faust zusammen und lösten sich wieder. Der Mann war genauso unruhig wie er.

„Nein. Mir ... hat deine Stimme dazu gefehlt.“

Ein warmes, gefährliches Kribbeln lief durch ihn hindurch. Es sickerte in seinen Schoß, aber ein Teil davon verfing sich viel weiter oben. In seiner Brust.

Johann griff nach Keanu, schob die Finger in die Laschen seines Hosenbundes und zog ihn zu sich. Wenn sie sich noch mehr Zeit ließen, würden sie irgendwann hier liegen und lesen. Das wollte er nicht. Jetzt nicht. Er wollte ihn .

 

*

 

Auf einmal ging es so schnell, dass es sich anfühlte, als wären sie bis jetzt auf einen Berg geklettert, und würden nun in die Tiefe fallen.

Johanns Hände machten sich an seiner Hose zu schaffen, öffneten sie und widmeten sich dann den unteren Knöpfen seines Hemdes. Warme Finger glitten über seinen Bauch, streichelten die nackte Haut.

Hitze stieg in Keanu auf. Er schob sich das Jackett von den Schultern und ließ es einfach hinter sich fallen. Dann löste er die Krawatte. Zittrige Hände umfassten den glatten Stoff. Johanns Küsse in seiner Leistengegend brachten alles in ihm zum Kribbeln.

Keanus Blick fiel auf Johanns schöne Haare, in denen er vorsichtig die Finger vergrub. Dieser Mann auf seinem Bett ... das war so perfekt, dass er es für einen Traum gehalten hätte, wenn nicht alles gleichzeitig so wahnsinnig intensiv gewesen wäre. Er kannte Sexträume. Das hier war keiner. Es war echt.

Johanns Gesicht an seinem Schoß machte ihn schwindelig vor Hitze. Gott, er liebte es, wenn er das tat. Das Reiben seiner schönen Konturen, die dünne Schicht aus Stoff zwischen Johanns heißen Lippen und seinem Schwanz.

Quälend langsam wanderte der Bund seiner Shorts nach unten. Dann umschloss feuchte Hitze seinen Schaft.

Die Erinnerung an ihre erste intime Begegnung erwachte zum Leben. Johann hatte vor ihm gekniet und ihn vollkommen in Brand gesetzt. Jede seiner Liebkosungen hatte ihn hungriger gemacht, und doch hatte er mit jedem Stoß in die begierige Kehle gespürt, dass er es nicht konnte.

Heute war es anders. Er fühlte diese Grenze nicht. Er ... war frei. Zumindest hoffte er das, denn der Drang, Johann nah zu sein, wuchs mit jeder Sekunde. Er wollte ihn unter sich, schwitzend und stöhnend, auf seinem Laken, wissen wie er sich anfühlte, seine Hitze, seine Verzweiflung.

Es gab ein vulgäres, schmatzendes Geräusch, als er Johann von sich wegdrückte. Sein flammender Blick machte ihm klar, dass das nicht das Ende sein sollte, sondern der Anfang. Johann verstand. Er öffnete die Hose und zog sie sich aus, während Keanu eilig ein Kondom aus der Schublade zog und es sich überstreifte.

Es waren nur Sekunden vergangen, bis er sich Johann wieder zuwandte. Er lag quer auf seinem Bett, das Hemd aufgeknöpft, der Unterkörper komplett nackt, die Beine für ihn gespreizt, die Füße auf dem Boden abgestellt.

Keanu kniete sich auf die Bettkante und schob Johanns Beine nach oben. Seine Atemzüge gingen schwer und tief, trugen seine Lust, aber auch die Angst, die ihn nicht allein lassen wollte.

Als er sich über Johann beugte, und diese schönen blauen Augen ihn so intensiv anschauten, so voller Begehren und gleichzeitig mit einer Zerbrechlichkeit, die er noch nie in ihnen gesehen hatte, wusste er, dass seine eigene Angst nichts damit zu tun hatte, sich lächerlich zu machen. Er fürchtete sich nicht davor, dass es wieder nicht klappte und Johann ihn für einen Versager hielt.

Er fürchtete sich davor, ihn zu verlieren. So albern und irrational das war.

„Alles ist gut“, sagte Johann leise. Keanu wurde klar, dass er direkt in seine Gedanken schaute. Direkt in sein sorgenvolles Herz. „Ich brauche dich jetzt. Bitte.“

Keanus Augenlider flatterten. Ihm war so heiß. Angst und Verlangen rangen miteinander, und er merkte erst, dass Johanns Gesicht seinem immer näher kam, als ihre Lippen sich trafen.

Etwas in ihm zersprang, als Johann ihn küsste. Sanfte Finger hielten sein Gesicht, und ein warmes Gefühl schlich sich tief in sein Herz, an eine Stelle, an der die Angst es nicht erreichen konnte.

Eine Welle aus Zuneigung überrollte ihn. Seine Lippen schmiegten sich sanft gegen Johanns, die so unendlich weich waren. Er schmeckte noch einen Hauch des Champagners auf ihnen. Die Erinnerung an diesen Abend und an alle anderen, die sie miteinander verbracht hatten. An kalten Wind und Pinguine, an glitzernde Eistunnel und das krachende Geräusch der Eispickel, an warme Decken und eine innige Umarmung unter der Dusche. An Sorgen und Ängste und Verletzungen und an Erleichterung, Verständnis und Verbundenheit.

Johann stöhnte in seinen Mund, als Keanu das Becken langsam vorschob und sich gegen ihn drückte. Johanns Beine schlossen sich hinter ihm, zogen ihn tiefer, bis auch das letzte Bisschen Abstand zwischen ihren Körpern überwunden war, hielten ihn in sich fest.

Seine Atemzüge fühlten sich zittrig an. Keanu schluckte schwer, als sich ihre Lippen trennten und Johann ihn anschaute. Ein glückliches Lächeln zierte sein errötetes Gesicht.

„Hab ich dir wehgetan?“, flüsterte Keanu und küsste das feuchte Glitzern neben Johanns rechtem Auge.

 

*

 

„Nein.“ Johann ließ das Lächeln auf seinem Gesicht wachsen. Du hast mir nicht wehgetan. Das war ich selbst. „Alles in Ordnung. Du fühlst dich wahnsinnig gut an.“

Keanus Blick war so intensiv, dass es Johann fast zerriss. Er spürte den Unglauben in ihm, die Kraft, die es ihn gekostet hatte, seine Angst zu überwinden, die Begierde, die er im Zaum hielt, und seine Zuneigung, die sich irgendwie zu ihm verirrt hatte.

Immerhin würde Keanu ihn nicht vergessen. Er würde immer derjenige sein, der ihm geholfen hatte, diese Mauer einzureißen. Das verband sie. Johann hoffte, dass das genug war. Er kämpfte die Tränen nieder, die in ihm aufsteigen wollten. Keanu sollte ihn nicht weinen sehen. Nicht jetzt. Das hier sollte seine Heilung sein, kein erneutes Trauma.

Er musste ihm zeigen, dass es gut war. Dass es ihm gefiel. Und Gott, das tat es. Er lockerte den Griff seiner Beine und Keanu verstand das Zeichen.

Sein nächster Stoß schickte ein heißes Kribbeln an seiner Wirbelsäule entlang. Johann schaute zu Keanu auf, betrank sich an dem Bild dieses starken Körpers, der ihn hielt und zudeckte, am Spiel seiner Muskeln und der Erregung, die in seinen Augen glänzte, während seine Augenbrauen sich so konzentriert zusammenzogen.

Ja, so war es gut. Er musste sich auf seine Lust fokussieren, nicht auf die Traurigkeit. Das hier war genug. Er war ihm so nahe und er durfte keine Sekunde davon verpassen.

Keanu erhöhte das Tempo. Eine Hand hielt seine Hüfte, die andere streichelte seinen Oberkörper. Es fühlte sich so wahnsinnig gut an. Der kräftige Rhythmus mit dem Keanu ihn fickte, entlockte ihm immer verzweifeltere Geräusche, und machte es nach und nach leichter, die schmerzenden Gedanken abzustellen.

Bald versank er in der Hitze, mit der Keanu ihn ausfüllte. Bald lag eins seiner Beine auf Keanus Schulter und jeder Stoß ließ ihn vor Erregung wimmern. Es war noch nie so geil gewesen, wenn ein Kunde ihn gefickt hatte. Da war immer eine Wand zwischen ihnen, egal wie nahe sie ihm kamen, egal wie lange sie es trieben.

Aber Keanu war unter seiner Haut. Er sah ihn, obwohl seine Augen fest geschlossen waren. Und er wusste, dass es viel zu schnell vorbei sein würde, egal wie lange sie hier lagen.

Er spürte, dass Keanu fast so weit war. Es würde gleich vorbei sein.

Johann stöhnte überrascht, als Keanu anfing, ihn parallel zu seinen Stößen zu reiben. Gott, er ...

Seine Beine zitterten wie verrückt, als sein Höhepunkt ihn mit einer Wucht traf, die ihn Sterne sehen ließ. Für ein paar Sekunden war alles weiß. Er flog so hoch, dass er kaum noch etwas anderes spürte, als das heftige Pochen und Kribbeln in seinem Schoß. Keanus Bewegungen nahm er nur in der Ferne wahr. Seine Stöße, sein Keuchen, das verzweifelte Geräusch, das mit einem Schwall warmen Atems an sein Ohr drang.

Johann saugte an seiner eigenen Unterlippe. Gott, er hatte sich lange nicht mehr so gefühlt. So vollkommen satt und befriedigt. Sein Körper summte vor lauter schönen Gefühlen, aber da war auch ein tiefes, inneres Glück, das nichts mit dem Orgasmus an sich zu tun hatte. Es lag an Keanu.

Keanu.

Glühende Lippen legten sich auf seine. Es war ein süßer, zarter Kuss, der nichts von der Begierde besaß, die er vorhin geschmeckt hatte. Johann erzitterte unter der Zuneigung, die in Keanus Berührungen lag. Im Streicheln seines Daumens an seiner Wange und den langsamen, kleinen Küssen, die er ihm gab.

Er schien wahnsinnig glücklich zu sein, dass sie es endlich geschafft hatten. Johann schenkte ihm ein Lächeln und er erwiderte es.

Sie lagen ewig so da und je länger es dauerte, umso intimer fühlte es sich an. Seine anderen Kunden hatten nie mit ihm gekuschelt, im Gegenteil ... sobald sie gekommen waren, hatten sie sich so schnell von ihm entfernt, als würde seine Haut sie verbrennen.

Die ganze Zeit über schaute er Keanu an. Er konnte nicht anders, auch wenn er fühlte, dass das absolut kontraproduktiv war. Je länger er das hier genoss, je genauer er sich sein Gesicht einprägte, seinen Duft und das Gefühl seines Körpers, umso schwerer würde es werden, das alles wieder loszulassen.