ZWEI

KURT LANGER & DAVID BRONSKI

– War gar nicht so leicht, deine Nummer rauszubekommen.

– Wer spricht da?

– Ganz schön teuer so ein Gespräch nach Deutschland. Hab nur so ein billiges Wertkartentelefon. Außerdem ist es nass geworden letzte Nacht.

– Was soll das? Wer ist da?

– Ein Kollege von früher. Du erinnerst dich doch noch hoffentlich an mich.

– Kurt?

– Gut, deine Stimme zu hören, Bronski.

– Was willst du, Kurt?

– Was ich will? Mich mal wieder melden. Hab eben an dich gedacht. Ein bisschen über die alten Zeiten plaudern. Über die Arbeit. Und vielleicht habe ich einen Job für dich.

– Ich habe jetzt keine Zeit. Bin in der Dunkelkammer.

– Dunkelkammer? Du entwickelst immer noch selber?

– Ja. Und deshalb muss ich jetzt auflegen, die Negative müssen gleich aus dem Entwickler.

– Du sitzt also tatsächlich immer noch bei Rotlicht in deinem Kämmerchen und vergrößerst deine Bilder? Du bist echt ein Spinner, Bronski. Wofür du drei Stunden brauchst, braucht man bei Photoshop drei Minuten. Warum tust du dir das an?

– Ist mein Hobby. Aber jetzt sag mir bitte einfach, was du willst, Kurt.

– Und was fotografierst du so? Hobbymäßig. Nackte Frauen?

– Sprich oder schweig, Kurt.

– Warum denn so abweisend? Wir haben uns doch immer gut verstanden, oder? Du und ich, Bronski. Wir waren ein gutes Team. Deshalb rufe ich dich auch an. Weil ich dir vertrauen kann. Und weil ich denke, dass du genau der richtige Mann bist für das hier.

– Wofür?

– Ich bin da auf etwas gestoßen. Eine große Nummer, Bronski. Das bringt ordentlich was ein. Du hast die Kontakte, du kannst das zu Geld machen.

– Nett von dir, Kurt, dass du an mich denkst, aber ich habe wirklich genug zu tun. Es ist besser, wenn du jemand anderen anrufst.

– Wenn du diese Bilder machst, kannst du ein paar Monate lang die Beine hochlegen. Das bringt richtig Kohle.

– Und warum erledigst du es dann nicht selber? Mach deine Bilder und verkauf sie. Dafür brauchst du mich nicht, Kurt.

– Doch, Bronski. Ich brauche dich.

– Sag mir wofür, oder ich lege jetzt auf.

– Ich bin leider nicht mehr im Geschäft. Du aber schon, wie ich gehört habe. Läuft prima bei dir, du scheinst Berlin ganz gut im Griff zu haben. Arbeitest jetzt für die ganz Großen. Wirst es mir nicht glauben, aber wegen dir hole ich mir immer wieder mal die Zeitung am Kiosk. Und wenn ich dann ein Foto von dir sehe, freue ich mich. Bronski hat es geschafft , sage ich mir dann. Er fotografiert jetzt für eine seriöse, große deutsche Tageszeitung. Respekt, mein Lieber.

– Klingt besser, als es ist. Am Ende mache ich denselben Mist wie vor zwanzig Jahren. Aber jetzt sag schon. Was ist los mit dir? Warum fotografierst du nicht mehr?

– Bin ziemlich am Ende, Bronski.

– Soll heißen?

– Ich bin obdachlos. Seit über drei Jahren schon.

– Das ist nicht dein Ernst, oder?

– Doch. Und ich saufe. Spätestens in einer Stunde werde ich wieder so betrunken sein, dass ich mich nicht mehr daran erinnern werde, dass wir überhaupt miteinander telefoniert haben.

– Das tut mir leid, Kurt.

– Muss es nicht. Es ist nur wichtig, dass du jetzt nicht auflegst.

– Ich lege nicht auf.

– Ich hatte doch immer einen guten Riecher, oder?

– Ja, den hattest du.

– Ich wusste immer, wenn eine Geschichte etwas wert war. Und ich weiß es auch jetzt noch. Deshalb musst du nach Tirol kommen, Bronski. So schnell es geht. Ich weiß nämlich nicht, wie lange die Sache hier noch unentdeckt bleibt.

– Tirol? Was soll ich da? Das ist nicht mein Revier, Kurt. Das sollen die Jungs vor Ort machen, rentiert sich nicht.

– Doch, es rentiert sich.

– Sag mir, was du hast.

– Nein. Ich gebe dir die Adresse, und du setzt dich ins Auto. Wenn du da bist, bezahlst du mich, ich verschwinde, und du kannst deine Fotos machen.

– Ich soll die Katze im Sack kaufen?

– Keine Katze.

– Was dann?

– Erinnerst du dich an die deutsche Milliardärin, die vor zwanzig Jahren verschwunden ist? War eine Belohnung auf sie ausgesetzt. Wir haben damals davon geträumt, das Kopfgeld abzugreifen. Eine Million Mark.

– Ja, ich erinnere mich. Aber was hat das mit dir zu tun?

– Ich habe sie gefunden, Bronski, ich habe sie gefunden.