ZEHN

SVENJA SPIELMANN & DAVID BRONSKI

– Warum ist eigentlich deine Schwester hier?

– Geht dich nichts an.

– Bist du immer so charmant?

– Was willst du von mir, Svenja?

– Wir arbeiten zusammen. Wäre von Vorteil, wenn du dich benehmen könntest wie ein Mensch. Könntest dir was von deiner Schwester abschauen, scheint eine sehr nette Person zu sein.

– Ich möchte mich nicht mit dir unterhalten. Lass mich einfach in Ruhe. Du machst deinen Job, ich mache meinen.

– Das ist also nicht der Beginn einer großen Freundschaft?

– Nein, ist es nicht.

– Bronski und Spielmann. Wir sind bestimmt ein tolles Team.

– Sind wir nicht. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass du hier nichts verloren hast. Du hast keine Ahnung von dem, was hier abgeht. Das ist keine Theateraufführung, kein Konzert, keine Ausstellungseröffnung. Das hier passiert wirklich. Sei mir nicht böse, aber es war eine Schnapsidee von Regina, eine von der Kultur zu schicken. Das kann nicht gut gehen.

– Kannst dich ja überraschen lassen. Vielleicht habe ich ja doch meine Qualitäten. Das mit dem Anruf bei der Polizei habe ich schon mal ganz gut hinbekommen, finde ich. Habe sogar bayrischen Dialekt imitiert. Hat Spaß gemacht.

– Spaß?

– Ich muss zugeben, ich war ziemlich nervös. Die haben das bestimmt aufgenommen und hören sich das jetzt hunderte Male an. Aufregend ist das.

– Denkst du, das hier ist ein Spiel?

– Nein. Trotzdem schadet es wohl nicht, ein bisschen Freude an seinem Job zu haben. Ich würde gerne mit einem Lächeln an die Sache herangehen. Könnte dir auch nicht schaden.

– Du verstehst es nicht, oder? Wir werden beide unseren Job verlieren, wenn wir jetzt einen Fehler machen. Wir sind auf ganz dünnem Eis unterwegs, also reiß dich bitte zusammen und versau es nicht.

– Mach dir keine Sorgen, ich mache das hier schon ziemlich lange. Bin kein Frischling, deine Ansprachen kannst du dir also sparen.

– Na dann haben wir das ja geklärt.

– Du bist ziemlich kaputt, Bronski.

– Weiß ich.

– Aber du bist ein toller Fotograf. Sollte ich dir zwar nicht sagen, aber du bist einer der Besten in der Redaktion. Ich schaue mir schon länger an, was du so machst. Deine Bilder haben Seele, sind gut komponiert, du hebst dich eindeutig von den anderen ab.

– Redest du immer so viel?

– Nur, wenn ich mich bemühe, nett zu sein.

– Ich wollte kein Lob. Ich wollte dich nur daran erinnern, dass da oben eine Leiche ohne Kopf liegt. Und dass das eine ziemlich große Nummer ist, die wir da gerade durchziehen. Regina wäre uns bestimmt sehr dankbar, wenn wir uns jetzt auf unsere Arbeit konzentrieren.

– Ist mir klar. Trotzdem müssen wir nicht in Depression verfallen, während wir warten, oder? Wobei, mit dir in deinem Auto eingepfercht zu sein tatsächlich nicht zu meinen Jahreshighlights zählt.

– Kurze Auszeit, ok?

– Aber warum denn? Jetzt wird es doch gerade erst interessant.

– Ich mache kurz meine Augen zu. Zehn Minuten, dann bin ich wieder online.

– Ernsthaft? Du willst jetzt schlafen?

– War eine lange Nacht, ich habe kein Auge zugetan. Weck mich einfach, wenn die hier anrollen. Kann ja nicht mehr allzu lange dauern.

– Na, bravo. Bronski pennt. So wie es aussieht, habe ich es wirklich mit einem Profi zu tun.

– Schlafen ist definitiv besser, als mit dir zu quatschen.

– Die Kollegen haben mich vor dir gewarnt.

– Und?

– Ich wollte es ja nicht glauben, aber so wie es aussieht, hatten sie recht. Du bist ein richtiges Arschloch, Bronski.

– Können wir gerne so stehen lassen. Aber jetzt möchte ich noch zehn Minuten lang meine Ruhe, danach können wir gerne loslegen und uns so gut wie möglich aus dem Weg gehen. Du reimst dir eine Geschichte zusammen, und ich werde die Bilder dazu machen. Blaulicht, Uniformierte, Kripo, Spurensicherung, Gerichtsmediziner, Beamte in weißen Overalls und der Abtransport der Leiche. Das volle Programm, wir bekommen gleich richtig viel Arbeit, umso wichtiger ist es, dass ich noch kurz meine Augen schließe.

– Damit das alles auch wirklich reibungslos abläuft, wirst du mir bestimmt gleich sagen, was ich hier für eine Aufgabe habe, richtig?

– Ganz genau. Du wirst mit den Nachbarn reden. Sobald die Bullen im Haus sind und alle mitbekommen haben, was passiert ist, beginnst du an den Türen zu klingeln. Du wirst irgendjemanden finden, der dir etwas über Zita Laufenberg erzählen kann. Du wirst den Leuten so lange auf die Nerven gehen, bis wir etwas Brauchbares in der Hand haben. Und du wirst auch mit den Jungs von der Kripo reden, wir brauchen etwas, das wir zitieren können. Einer von denen wird den Mund aufmachen, du wirst sehen. Du musst nur hartnäckig sein.

– Ich fasse es nicht.

– Ist noch was unklar?

– Du denkst wirklich, dass du hier der Einzige bist, der Ahnung von seinem Job hat, oder? Du willst mir tatsächlich erklären, was ich zu tun habe? Wie ich meine Geschichten erzählen soll? Wenn du mir wirklich so kommen willst, dann wird das tatsächlich nicht lustig mit uns beiden. Kannst dich auf Gegenwind einstellen.

– Hör bitte auf mich zu nerven und halt für fünf Minuten deine Klappe.

– Weißt du was, Bronski?

– Was denn noch?

– Du kannst mich mal.