|142|Darting Minnow Creek, Texas, USA, KT-Grenzlokalität, die Chicxulub-Einschlag-Tektite in der Nähe der Basis enthält (Kügelchen-Ablagerungen des Chicxulub-Impakts sind unten rechts auf dem Bild zu sehen). Dünn geschichteter Sandstein überdeckt die glaukonit-, phosphat- und tektitreichen Vorkommen. Die KT-Grenze verläuft oberhalb des Ereignishorizonts.
INZWISCHEN IST DIE GESCHICHTE BEKANNT. Walter Alvarez, Geologe und Sohn des prominenten Physikers Luis Alvarez, war an einem Forschungsprojekt zur Messung des Alters und der Akkumulationsrate des Gesteins im Kreide-Paläogen-Grenzabschnitt („KT-Grenze“, siehe Kapitel 3) in der Nähe von Gubbio, Italien, beteiligt, das Teil eines internationalen Programms war, um die Altersbestimmungen für die wichtigsten geologischen Grenzen zu verfeinern. Der jüngere Alvarez war schon seit langer Zeit fasziniert vom Endkreide-Aussterbeereignis und wollte herausfinden, wie schnell sich der Wechsel von typisch kreidezeitlichen zu typisch paläogenen Fossilien vollzogen hatte, konnte aber keine Methode finden, mit der man das absolute Alter eines so alten Gesteins auf wenige Tausend Jahre genau bestimmen konnte. Er bat seinen Vater um Rat. Der ältere Alvarez schlug eine Suche nach seltenen Erden wie Iridium vor, die dafür bekannt sind, dass sie in konstanter Frequenz aus dem Weltraum auf die Erde „regnen“.
Nachdem sie im Grenzlehm Proben entnommen hatten, fand das Alvarez-Team, dem später auch die Chemiker Helen Michel und Frank Asaro angehörten, eine Spitze in der Konzentration von Iridium an der Grenze zwischen dem kreidezeitlichen Kalk und dem paläogenen Lehm – an der KT-Grenze (siehe S. 145). Diese Iridium-Anomalie war von einer solchen Größenordnung, dass sie nicht auf eine einfache Reduzierung der Sedimentation zurückgeführt werden konnte. Die einzig denkbare Erklärung für das Team war, dass eine ungewöhnlich große Menge an Iridium und vielleicht auch anderen Seltenerdelementen zu einem Zeitpunkt in die Umwelt eingebracht worden war, der mit der KT-Grenze zusammenfiel. Es gibt nur zwei mögliche Quellen für dieses Material: den Erdmantel und außerirdische Objekte, also andere Planeten, Monde, Kometen und Asteroiden. Messungen der aus modernen Vulkanen austretenden Menge von Iridium schienen einen vulkanischen Ursprung auszuschließen, womit ein Impakt als die einzige plausible Quelle übrig blieb. Basierend auf Auswertungen der Iridiummengen in bekannten Meteoriten wurde |144|die Größe des Objekts auf zehn bis zwölf Kilometer Durchmesser geschätzt, was später auf vier bis sechs Kilometer reduziert wurde.
Ein geschocktes Quarzkorn, ausgeworfen aus dem Chicxulub-Asteroiden-Einschlagkrater, das in Haiti gefunden wurde. Die dunklen Linien sind dünne Glasschichten und winzige Bruchlinien, die durch den Aufprall verursacht wurden.
Die Bekanntgabe der Entdeckung der Iridium-Anomalie und ihrer Deutung im Jahr 1980 erschütterte die Geologie in ihren Grundfesten. Bislang wurde ein außerirdischer Einfluss als zu „weit hergeholte“ Ursache angesehen, um irgendeinen Aspekt des Fossilbefunds zu erklären. Tatsächlich war dieser Mechanismus bereits vor 1980 vorgeschlagen worden, aber immer lediglich als eine logische Möglichkeit, da er durch keine Daten belegt werden konnte. Der Unterschied war diesmal, dass das Alvarez-Team überzeugende empirische Beweise vorlegen konnte, dass ein solcher Einschlag tatsächlich vor nur wenigen zehn Millionen Jahren stattgefunden hatte und, was noch wichtiger war, mit einem großen Aussterbeereignis verknüpft war.
Hinweise, die die ursprüngliche Entdeckung und ihre Interpretation stützten, häuften sich schnell, darunter auch die Entdeckung von Iridium-Anomalien in anderen (aber nicht allen) Schnitten und Bohrkernen an der KT-Grenze, die Entdeckung verschiedener kleinerer Iridium-Anomalien, die mit anderen (kleineren) Aussterbeereignissen verbunden waren, und die Entdeckung von anderen physikalischen Beweisen für einen großen KT-Impakt, einschließlich Quarzkristallen, deren Struktur durch die Wucht des Aufpralls deformiert wurde (sogenannter geschockter Quarz, siehe oben links), und runder Kügelchen aus geschmolzenem Glas, die sich formen, wenn durch die Hitze und den Druck des Impakts geschmolzenes Gestein aus dem Krater geworfen wird. Am Ende der 1980er-Jahre waren die Beweise für einen Himmelskörpereinschlag an der KT-Grenze überwältigend. Dann, im Jahr 1991, fand ein Team von Geologen unter der Leitung von Alan Hildebrandt das, wie viele glauben, „Corpus Delicti“ des KT-Impakts: ein ungewöhnliches Bassin mit mehreren Ringen von geschätzten 180 Kilometern Durchmesser, vergraben unter paläogenen Sedimenten unter der Yucatán-Halbinsel Mexikos – der Chicxulub-Krater (siehe oben links).
Schwerkraftkarte vom Untergrund des aus mehreren Ringen bestehenden Chicxulub-Beckens in Yucatán, Mexiko, die den Einschlagkrater des Asteroiden sichtbar macht.
Für die meisten Laien und auch für den überwiegenden Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft war der „Fall“ des Massenaussterbens am Ende der Kreidezeit damit abgeschlossen. Ein riesiger Felsen aus dem Weltraum war vor 65 Millionen Jahren auf der Erde eingeschlagen und hatte alle Dinosaurier getötet. Das war doch praktisch! Vielleicht waren riesige Felsen aus dem Weltraum auch die Ursache für andere große Artensterben im Fossilienbestand. Vielleicht waren sie die Ursache von allen. Die Medien liebten es. Die Öffentlichkeit war begeistert. Aber es gab |145|eine Gruppe von Skeptikern, die bis heute nie ganz von der Asteroiden-Aufpralltheorie des Aussterbens überzeugt waren: die Paläontologen – jene Leute, die die Fossilien studieren. Die ersten Reaktionen der paläontologischen Gemeinde wurden von David Raup (1991) beschrieben. Nach Bekanntgabe der Entdeckung des Alvarez-Teams im Jahr 1980 wurden zwei Jahrzehnte lang internationale Konferenzen abgehalten, um neue Funde zu begutachten und Forscher aus vielen verschiedenen Gebieten auf den neuesten Stand der Entwicklungen in diesem interdisziplinären Forschungsfeld zu bringen. Es wurde zu einer Art Tradition, bei diesen Treffen eine informelle Umfrage unter den Konferenzteilnehmern über die Ursache des KT-Sterbens durchzuführen. Die Delegierten, die sich als Paläontologen bezeichneten, zeigten in diesen Umfragen immer die niedrigsten Akzeptanzwerte für die einzelursächliche Verbindung von Impakt und Aussterben. Warum? Sind Paläontologen (in den Worten von Luis Alvarez) nur altmodische „Briefmarkensammler“, neidisch, weil eines der klassischen paläontologischen Rätsel von Wissenschaftlern außerhalb ihres Feldes gelöst wurde? Oder hat die Geschichte des Massenaussterbens in der Endkreidezeit mehr Aspekte, als viele, die nicht mit dem Fossilienbestand vertraut sind, überblicken können? Um die Antworten auf diese Fragen zu verstehen, müssen wir einen genauen Blick auf das Massenaussterben an der KT-Grenze werfen.
Die Arten, die das Aussterben am Ende der Trias überlebten, gehörten überwiegend zu den gleichen Gruppen, die in der Trias florierten. Die Conodonten waren die einzige große Gruppe, die bis zum Ende dieses Zeitraums vollständig aus dem Fossilienbestand verschwand. Dennoch sind die Biota von Jura und Kreide sehr verschieden von denen der Trias, was ebenso sehr mit der Erscheinung neuer Gruppen wie mit der Diversifizierung der alten zusammenhängt.
Jede der großen modernen Phytoplankton-Gruppen in den Meeren – Nannoplankton, Dinoflagellaten und Kieselalgen – erschien im Fossilienbestand des frühen Juras entweder zum ersten Mal oder erlebte ihre erste Diversifikation. Es ist ein Rätsel, welche nun die dominierenden Phytoplankton-Gruppen im späten Paläozoikum und in der frühen Trias waren. Angesichts der Vielfalt der Triasriffe, deren Gerüste vorwiegend von Steinkorallen gebaut wurden, die Plankton aus dem Wasser filtern, musste Phytoplankton sicherlich existiert haben. Aber welcher Organismengruppe diese Spezies auch immer angehörte, sie hat keine Spuren hinterlassen, die Paläontologen bisher finden konnten. Ungeachtet dieses Rätsels revolutionierte das Entstehen einer neuen und stabilen Grundlage für die |146|marinen Nahrungsnetze das Leben im Meer. Nicht nur entwickelten sich viele bestehende Meeresgruppen zu dieser Zeit explosionsartig weiter, es erschienen außerdem einige wichtige neue Gruppen, die diese neue Ressource nutzten (z.B. planktische Foraminiferen, Tiefsee-Stachelhäuter, die sich in den Meeresboden eingraben).
Diagramm der endkreidezeitlichen Iridium-Daten aus der Sedimentabfolge in Gubbio, Mittelitalien. (Neuzeichnung nach Alvarez u.a., 1980.)
Meeresumwelt des Juras in der Schweiz. Vordergrund: der Ichthyosaurier Stenopterygius (oben links), der Pliosaurier Rhomaleosaurus (Mitte), Ammoniten mit eingedrehter Schale, Belemnit (Kopffüßer, unten links) und der Strahlenflosser Lepidotes (unten Mitte). Hintergrund: der krokodilartige teleosauride Steneosaurus (Mitte), der Hai Palaeospinax (unten rechts), die Seelilie (Stachelhäuter) Pentacrinus (Mitte rechts) und der Flugsaurier Dorygnathus (oben rechts).
Terrestrische Umwelt des Juras im Westen der USA. Vordergrund: die Dinosaurier-Gattungen Stegosaurus (Mitte), Diplodocus (Mitte), Allosaurus (rechts) mit der Säugetier-Gattung Frutafossa (unten Mitte). Hintergrund: die DinosaurierGattungen Camtosaurus (oben links) und Apatosaurus (oben rechts).
Die von paläozoischen und modernen evolutionären Faunen in der Trias etablierten Muster kamen auch im Jura und in der Kreide weiter zum Tragen (siehe unten und gegenüber). Die paläozoische Fauna verlor über die Trias-Jura-Grenze mehr als 25 Prozent ihres generischen Reichtums, während die Vielfalt der modernen Fauna im gleichen Intervall um 25 Prozent zunahm. Einige paläozoische Faunengruppen verzeichneten im mittleren Jura einen Zuwachs in der Zahl ihrer Gattungen, die dann jedoch über einen längeren Zeitraum im restlichen Mesozoikum wieder abnahm (z.B. artikulierte Brachiopoden, crinoide Stachelhäuter), während andere in diesem Zeitabschnitt weiterhin in bescheidenem Umfang Arten hinzugewannen (z.B. anthozoe Korallen, Moostierchen, Muschelkrebse, Arthropoden). Diese Erfolge wurden allerdings durch die Zunahme der modernen Faunengruppen in den Schatten gestellt (z.B. Schnecken, Muscheln, Seeigel, Stachelhäuter, Krebstiere, Knochenfische). Die Diversifizierungsmuster der Ammoniten waren während des gesamten Intervalls bezeichnend unbeständig, wobei sie durch eine neue, zahlenmäßig kleinere, aber eigenständige marine Kopffüßer-Gruppe, die Belemniten, ergänzt wurden. Im frühen Jura tauchten wieder Riffe auf, deren Gerüste aus einer Vergesellschaftung von anthozoen Korallen, korallinen Algen und Moostierchen bestanden. In der Kreidezeit begann eine ungewöhnliche Gruppe großer sessiler Bivalven (Muscheln) – die Rudisten – ebenfalls mit der Konstruktion von Strukturen, die so groß und hoch waren, dass man sie als Riffe bezeichnen kann. Rudistenriffe wurden ab der Mitte der Kreidezeit zu einem allgemeinen Merkmal der seichten kreidezeitlichen Meere.
Die Veränderungen unter den Wirbeltierfaunen des Juras und der Kreide waren noch offensichtlicher und dramatischer. Ichthyosaurier überlebten das Ende der Trias und diversifizierten sich |147|erneut in den Jura-Ozeanen, wo sich ihnen aalähnliche marine Krokodile und Mosasaurier sowie die morphologisch ausgefallenen Plesiosaurier zugesellten. Beide Gruppen treten schon als große Tiere in den jurazeitlichen Fossilienbestand ein und hatten bis zur frühen Kreidezeit bereits Tierarten von der Größe eines Wals hervorgebracht. Die Dinosaurier der Jura- und Kreidezeit müssen hier kaum vorgestellt werden, da ihre Namen, Taxonomie und Biologie selbst Schulkindern geläufig sind. Es genügt die Feststellung, dass die Sauropoden, Ornithopoden und Theropoden des Juras (z.B. Diplodocus, Iguanodon, Allosaurus) und der Kreide (Alamosaurus, Triceratops, Tyrannosaurus) zu den eindrucksvollsten Landtieren ihrer Zeit, oder überhaupt aller Zeiten, gehörten. Doch waren Jura und Kreide nicht nur die Blütezeit der Dinosaurier. Vögel (die hinsichtlich ihrer Entwicklung und Klassifizierung Theropoden sind) erschienen ebenso im Jura und entwickelten sich während des Jura-Kreide-Intervalls weiter wie auch die Flugsaurier. Genauso bedeutend – wenn nicht sogar bedeutender – ist die tief greifende Revolution in der Pflanzenwelt, die ebenfalls in diesem Zeitabschnitt stattfand und in den Schichten der Jurazeit die ersten Angiospermen oder Blütenpflanzen hervorbrachte.
Meeresumwelt der Mittelkreide in den Niederlanden. Vordergrund: der Mosasaurier Mosasaurus (Mitte), dessen toter Körper den aasfressenden Haifisch Squalicorax (Mitte) anlockt, mit vorbeischwimmenden Belemniten (oben links). Hintergrund: Ammoniten mit eingedrehter Schale (oben Mitte).
Terrestrische Umwelt der Kreidezeit in Alberta, Kanada. Vordergrund: die Dinosaurier Chasmosaurus (links), Gogsaurus (rechts) mit Lambeosaurus und Troodon (Mitte rechts), mit dem Beutelsäugetier Deltatheidium (unten Mitte). Hintergrund: der Ornithomimosaurier der Gattung Struthiomimus (oben links) mit dem Pachycephalosaurier Stegoceras und der Flugsaurier Quetzalcoatlus (oben links).
Physiografisch betrachtet nahm die Erde in der Jura- und Kreidezeit allmählich das Aussehen der modernen Welt an (siehe S. 148). Pangäa hörte auf, als eine Einheit nach Norden zu driften, und begann im frühen Jura auseinanderzubrechen. Die Grabenbildung zwischen Nordamerika und Gondwana setzte sich fort, und im späten Jura hatte sich das zentralatlantische Ozeanbecken bereits so weit geöffnet, dass Nordamerika und Südpangäa nun durch einen breiten Seeweg voneinander getrennt waren. Ab diesem Zeitpunkt gab es Pangäa nicht mehr. Im Norden wurde Nordamerika zu einem Inselkontinent wie das heutige Australien. Im Süden driftete ein Amalgam der heutigen Kontinente Südamerika, Afrika, Indien, Australien und Antarktika weg von Nordamerika. Dieser alte Superkontinent wird gemeinhin, was etwas verwirrend ist, bei seinem alten paläozoischen Namen Gondwana genannt. Das Tethysmeer schloss sich immer weiter, und entlang seiner Nordküste begann eine Reihe von Inselbögen – |148|entstanden als Resultat tektonischer Subduktion in dieser Region – mit der auftauchenden asiatischen Landmasse zusammenzuwachsen. Zudem hatte sich im späten Jura ein breiter, flacher Seeweg in den nördlichen höheren Breiten gebildet, wobei Europa und Skandinavien langsam von Nordamerika und Grönland wegtrieben.
Paläogeografe des späten Juras
(Vor etwa 150 Millionen Jahren) und der späten Kreidezeit
(Vor etwa 90 Millionen Jahren) mit den Positionen der kontinentalen Landmassen und der Ozeanbecken.
Bis zum Ende der Kreidezeit hatten sich noch ausgeprägtere physiografische Veränderungen ereignet. Die atlantische Grabenbildung breitete sich weiter nach Süden aus und am Ende der Kreidezeit hatte sich Afrika im Westen von Südamerika und im Süden von dem Überrest von Gondwana getrennt. Afrika existierte nun auch als Inselkontinent. In ähnlicher Weise waren Indien und Madagaskar von Afrika weggebrochen und lagen als kleinere Kontinentalfragmente im Proto-Indischen Ozean. Australien und Antarktika waren die einzigen Reste des alten Gondwana, die immer noch zusammenhingen, doch waren beide südwärts getrieben und Antarktika hatte sich wieder über den Südpol geschoben. Im Norden war die einst tiefe, weite Tethys fast vollständig verschwunden, während Afrika mit dem südlichen Europa und Asien zu kollidieren begann. Der größte Teil Westeuropas lag infolge eines Meeresspiegelhochstands unter einem flachen Meer. Auch zwischen Nordamerika und Grönland hatte sich ein flacher Seeweg geöffnet, während Nordamerika seine Wanderung nach Norden fortsetzte. Der Nordpol in der späten Kreidezeit war von den seichten marinen Gewässern der überfluteten sibirischen Kontinentalplatte bedeckt.
Was das Klima betraf, wichen die weitgehend warmen (in den hohen Breiten) und trockenen (in den niedrigen Breiten) Bedingungen, die in der späten Trias überwogen hatten, den abwechslungsreicheren klimatischen Verhältnissen des Juras. Die äquatoriale aride Zone, die durch umfangreiche spättriassische Evaporitablagerungen in Nordamerika, Südamerika und Afrika gekennzeichnet war, wich der Entwicklung von Mittelbreiten mit warm-gemäßigtem Klima. Dieser Wechsel wird durch das Auftreten von Kohleablagerungen im unteren Jura angezeigt, die über den triassischen Evaporiten dieser Region liegen. Paläogeografische Rekonstruktionen verorten diese warmen, gemäßigten Bänder in der Zone zwischen 30 Grad nördlicher und 60 Grad südlicher Breite. Darüber entwickelte sich eine kühl-gemäßigte Zone, die es in der späten Triaszeit noch nicht gegeben hatte. Das Vorhandensein dieser Zone wird durch unterjurassische Schichten mit Eisberg- und Gletscher-Dropstones in Sibirien und |149|Kasachstan angezeigt. Entlang der nordöstlichen Küste und im Hinterland der Tethys herrschten weithin tropische und subtropische Klimata vor, wofür die weitverbreiteten jurassischen Kohleablagerungen in China, der Türkei, im Iran, in Tibet sowie in Südeuropa (das zu jener Zeit entlang der nordwestlichen Küste der Tethys lag) sprechen. Im späten Jura hatten sich diese tropischen Regionen allerdings in aride Regionen verwandelt, worauf die Evaporitablagerungen hindeuten, die die chinesische Kohle überlagern. Diese Veränderung ist wahrscheinlich einem kurzzeitigen Meeresspiegelrückgang am Ende des Juras geschuldet.
Während der Kreidezeit setzte sich die im Jura begonnene Reorganisation des globalen Klimas fort, unterstützt von der Organisation der weltumfassenden Strömungszirkulation der Meeresoberflächen in den nördlichen hohen Breitengraden. In der frühen Kreidezeit entwickelte sich eine Äquatorialzone mit tropischem Klima, die zur Erhaltung der umfangreichen Kohlevorkommen in Nordafrika, dem nördlichen Südamerika und südlichen Mittelamerika beitrug. Diese tropische, feucht-warme Zone wurde in der nördlichen und südlichen Hemisphäre von einer Trockenzone begrenzt, wie durch kreidezeitliche Evaporitablagerungen in Südamerika, Afrika, Nordamerika und Südchina belegt ist. Diese Zone ging dann oberhalb von 60 Grad nördlicher und südlicher Breite in kühl-gemäßigte Zonen über und zwischen 30 Grad nördlicher und 60 Grad südlicher Breite in warm-gemäßigte Zonen, die die Kohlebildung begünstigten. Trotz der großen klimatischen Unterschiede waren die hohen Breiten der späten Kreidezeit recht warm, und sowohl Krokodil- wie Dinosaurierfaunen traten oberhalb des Polarkreises auf.
Innerhalb dieses mittleren und späten mesozoischen Zeitabschnitts stieg der Meeresspiegel stetig an, während sich das Klima erwärmte. Kurzzeitige Meeresspiegelregressionen fanden im späten Jura (Tithonium) und in der mittleren Kreide (Cenomanium) statt. Interessanterweise sind diese kurzfristigen Umkehrungen der globalen Meeresspiegeltendenz mit kleineren Aussterbeintensitätsspitzen verbunden (siehe S. 46). Einigen Argumentationen zufolge sind diese Aussterben eher regionaler als globaler Art. Am Ende der Kreidezeit jedoch fiel der Meeresspiegel stark und ziemlich rapide ab. Er sank in weniger als einer Million Jahre um 100 bis 150 Meter. Die Größenordnung und das abrupte Einsetzen dieser Regression sind in ihren Ursachen ein Rätsel, denn es gibt kaum physikalische Beweise für Vereisungen, die groß genug gewesen wären, um solch einen eklatanten Abfall der Meereshöhe in der obersten Stufe der Kreidezeit (dem Maastrichtium) zu erklären. Andererseits könnte sich dieser Mangel an Beweisen auch dem Umstand verdanken, dass Aufschlüsse mit den obersten Sedimentschichten des Maastrichtiums außerordentlich selten sind.
Prominente Opfer des Aussterbeereignisses am Ende der Kreidezeit:
durch Pollenkörner bezeugte Pflanzen (oben: Classopolis, eine Art Nadelbaumpollen), Moostierchen (Mitte: Melicerities squamata aus Dänemark) und Nannoplankton (unten, rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer nannoplanktonreichen oberkreidezeitlichen Kreideablagerung).
Flugsaurier (Anhanguera blittersdorfii).
Über das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit ist mehr geschrieben worden als über jedes andere der fünf großen Spitzenaussterbeereignisse. Bis zu einem gewissen Grad ist dies der Popularität der Dinosaurier geschuldet, von denen (fälschlicherweise) angenommen wird, dass sie an der Grenze zwischen der Kreidezeit und dem Paläogen ausgestorben sind. Nichtsdestoweniger ist der Abschnitt vom obersten Teil der obersten Stufe der Kreidezeit (das Maastrichtium) bis zum untersten Teil der untersten Stufe des Paläogens (das Danium) einer der am vollständigsten beprobten und intensivsten erforschten Abschnitte in der geologischen Zeit. Unglücklicherweise wurden zugunsten des starken Fokus auf den Maastrichtium-Danium-Grenzabschnitt selbst oft größere, breiter angelegte Untersuchungen vernachlässigt, besonders der spätkreidezeitlichen Sedimente direkt unterhalb der obersten Meter der Maastricht-Sedimente.
Was die allgemeine Größenordnung betrifft, weist das endkreidezeitliche Massenaussterben die geringste Intensität von den fünf großen Massenaussterbeereignissen auf. Ausgehend von einem Verlust von 16 Prozent der marinen Familien und 47 Prozent der marinen Gattungen schätzten Raup und Sepkoski die Intensität des Artensterbens auf zwischen 57 und 83 Prozent ein. Zwar erscheint dieser prozentuale Verlust im Vergleich zum Ende des Perms und des Ordoviziums eher gering, doch sollte man sich in Erinnerung rufen, dass die allgemeine taxonomische Biodiversität im Laufe des Mesozoikums exponentiell angestiegen ist. Im Fossilienbestand des Maastrichtiums sind mehr als 2 400 Gattungen gefunden worden, gegenüber 1 239 in Sepkoskis reichster permischer Stufe, dem Guadalupium, und 1 978 in seiner endordovizischen Stufe des Caradociums. Dementsprechend ist das prozentuale Aussterben im Maastrichtium zwar entschieden geringer, die Gesamtzahl der verlorenen Arten ist jedoch von derselben Größenordnung wie bei den größer erscheinenden Aussterbeereignissen. Die traditionell mit dem endkreidezeitlichen Massenaussterbeereignis verbundenen Organismengruppen sind auf den Seiten 151 und 152 zu sehen.
Eine vollständige Diskussion der endkreidezeitlichen Aussterbebelege für alle bedeutenden Organismengruppen würde den Rahmen dieses |151|Buches sprengen. Der interessierte Leser findet eine vollständigere Abhandlung bei MacLeod u.a. (1997). Im Folgenden werde ich mich auf das Aussterben der Dinosaurier, Ammoniten, planktischen Foraminiferen und terrestrischen Pflanzen konzentrieren.
Dinosaurier sind die Tiergruppe, die fast jeder mit dem endkreidezeitlichen Massenaussterben verbindet. Es sollte allerdings erwähnt werden, dass es derzeit nur einen einzigen Ausschnitt des Aussterbebefunds der letzten Dinosaurierfaunen im Maastrichtium gibt, nämlich das Gebiet von Hell Creek in Wyoming, North Dakota, South Dakota und Montana. Diesem Befund zufolge hat sich die Zahl der Dinosaurierarten in den letzten zehn Millionen Jahren der Kreidezeit um die Hälfte reduziert, und in den letzten 15 Metern der Hell-Creek-Formation wurden nur elf Dinosaurierarten entdeckt (siehe S. 153). Diese Zahl sinkt in den obersten drei Metern |153|der Formation auf drei Arten, und die letzten Überreste eines Dinosauriers kommen 1,77 Meter unterhalb der Maastrichtium-Danium-Grenze zum Vorschein, die von einer Iridium-Anomalie angezeigt wird. Obwohl die Chronologie dieser Schichtenfolge im Detail noch bestimmt werden muss, kann man doch mit gutem Grund annehmen, dass die Lücke von 1,77 Metern zwischen dem letzten Beleg eines nichtvogelartigen Dinosauriers in der Hell-Creek-Formation und dem Niveau der Iridium-Anomalie für einen Zeitraum von mindestens Tausenden von Jahren und vielleicht sogar Zehntausenden von Jahren steht. Überdies lässt sich die mögliche Existenz von Dinosauriern im Paläozän aufgrund des Erscheinungsmusters von Dinosaurier-Überresten in dieser Abfolge nicht ausschließen.
Prominente Opfer des Aussterbeereignisses am Ende der Kreidezeit:
Ammoniten (Kopffüßer; oben links: Hoplites, ein stark gerippter Ammonit aus Südengland), Brachiopoden (Mitte unten: ein rhynchonellider Brachiopode aus Devon, England), Inoceramen (Muscheln; Mitte oben: Cataceramus, eine Untergattung des zweischaligen Inoceramus), Rudisten (Muscheln; oben rechts), planktische Foraminiferen (unten links: Gruppe planktischer Foraminiferen des Maastrichtiums aus Brazos River, Texas, USA) und Palmfarne (unten rechts: Bennettitales, aus Australien).
Prominente Opfer des Aussterbeereignisses am Ende der Kreidezeit:
Mesosaurier (oben links: Platycarpus sp., aus Elkander, Logun County, Kansas, USA), Elasmosaurier (oben rechts: Plesiosaurus hawking), Beutelsäuger (oben: Zelambolestes, aus der Mongolei), nichtvogelähnliche Dinosaurier (links: Triceratops), Ichthyosaurier (unten: Ichthyosaurus communis, aus Street, Somerset, England).
Ammoniten repräsentieren diejenige Wirbellosengruppe, die mit dem endkreidezeitlichen Aussterben am meisten in Verbindung gebracht wird. Der fossile Ammonitenbestand des oberen Maastrichtiums ist am gründlichsten im Zumaia-Schnitt in Nordspanien erforscht worden. Arbeitet man mit nur einer groben stratigrafischen Auflösung (S. 154 links), sieht es so aus, als würden zwölf der 30 in der Zumaia-Sektion präsenten Ammonitenarten zur Zeit der Stufengrenze des Obermaastrichtiums (= KT-Grenze) aus dem Fossilbefund verschwinden, im Ganzen eine Aussterberate an der Grenze von 40 Prozent. Betrachtet man allerdings den Abschnitt kurz vor der KT-Grenze im Detail (S. 154 rechts), wird deutlich, dass keine dieser zwölf Arten tatsächlich am Grenzhorizont belegt ist. Wendet man stratigrafische Konfidenzintervalle auf diese Ammonitenreichweiten an, liegen die Aussterbegrenzen der meisten Arten deutlich unter der KT-Grenze, obwohl fünf Arten auch fossile Auftrittsmuster zeigen, denen zufolge sie die Grenze erreicht haben oder vielleicht sogar in den untersten Sedimenten des Paläogens vorkommen könnten.
Erscheinungsmuster fossiler Dinosaurierarten (Punkte) der Hell-Creek-Formation, Montana, USA. Die obere horizontale Linie ist die Ebene der KT-Grenze, markiert durch die lokale Iridium-Anomalie.
Um den Befund der planktischen Foraminiferen um die KT-Grenze hat es viele Kontroversen gegeben. In vielen geologischen Schnitten und Bohrkernen ist der Unterschied zwischen den typischerweise großen kreidezeitlichen Arten und den vergleichsweise winzigen danischen Arten so deutlich, dass man ihn mit bloßem Auge erkennen kann. Berichte der ersten detaillierten Studien des KT-Aussterbemusters dieser Gruppe deuteten darauf hin, dass mit Ausnahme von zwei oder drei Arten alle Spezies des Maastrichtiums mit normaler Diversität bis zur Grenze existierten, wo alle Arten, bis auf eine oder zwei, gleichzeitig verschwanden (S. 155 oben). Doch seit 1988 ist unser Bild des endkreidezeitlichen Aussterbens der |154|planktischen Foraminiferen immer vielschichtiger geworden und immer besser untermauert worden. Insbesondere haben Gerta Keller und ihre Kollegen ein komplexes Muster des weltweiten Artenwechsels der planktischen Foraminiferen dokumentiert, das sowohl Aussterbeereignisse vor und an der KT-Grenze umfasst wie auch eine große und taxonomisch konsistente Gemeinschaft „kreidezeitlicher“ Arten, die regelmäßig in den untersten Schichten paläogener Sedimente auftaucht (S. 155 unten). Einige Vorkommen einiger dieser letzteren Arten könnten der Wiederablagerung erodierter Sedimente des späten Maastrichtiums geschuldet sein, was Keller und ihre Kollegen stets in Betracht gezogen haben. Die Regelmäßigkeit jedoch, mit der diese kreidezeitlichen Arten in paläogenen Sedimenten überall auf der Welt auftreten, spricht zusammen mit ihrer großen Zahl, ihrem exzellenten Erhaltungszustand und (in einigen Fällen) ihren isotopischen Signaturen dafür, dass die Mehrheit dieser Fossilien die Überreste fortbestehender paläogener Überlebenspopulationen darstellen. Jüngsten unabhängigen Schätzungen zufolge könnten bis zu 30 Prozent der planktischen Foraminiferenfauna des späten Maastrichtiums das endkreidezeitliche Massenaussterbe überlebt haben.
Der endkreidezeitliche Ammonitenbestand in Zumaya, Spanien (links). Ein Detail des Ammonitenbefunds in der obersten Kreidezeit (rechts) zeigt die beobachteten Fossilreichweiten (rot) und 95-Prozent-Konfdenzintervalle des letzten Auftretens (blau).
Interessanterweise weisen diese überlebenden Arten tendenziell kleinere Formen mit einfachen Morphologien auf, die auf den ersten Blick den Morphologien der echten paläogenen Arten ähneln, die zuerst in den untersten Sedimentschichten des Daniums vorkommen. Dieses Erscheinungsmuster deutet darauf hin, dass die Opfer des endkreidezeitlichen Massenaussterbeereignisses unter den planktischen Foraminiferen große, aufwendige, ökologisch spezialisierte und weitgehend tropische Arten waren, während die Üerlebenden kleine, morphologisch einfache, ökologisch generalisierte und kosmopolitische Arten waren. Die Muster des Artenwechsels in dieser Gruppe spiegeln auch ähnliche Muster des Artenwechsels in den Phytoplanktongruppen wider, welche die Basis |155|der Primärproduktion im marinen Bereich bilden. Im Gegensatz zu den vollständig auf Ableitungen basierenden Interpretationen des Produktivitätszusammenbruchs während der Massensterben am Ende des Perms und der Trias (für die fossile Belege von Phytoplanktonarten fehlen, die es angesichts der Diversität der marinen Filtrierer gegeben haben muss) gibt es für das Aussterben von Phytoplankton und die abnehmende Vielfalt im obersten Abschnitt des Maastrichtiums direkte Beweise (siehe MacLeod u.a. 1997).
Die Deutung der pflanzendaten um die Maastrichtium-Danium-Grenze ist in den letzten Jahren grundlegend überarbeitet worden. In den 80er- und 90er-Jahren wurde angenommen, dass Pflanzen einen beachtlichen Artenwechsel durchliefen (etwa 87 Prozent der Arten starben aus), wobei der größte Teil der Daten aus dem Westen Amerikas und Kanadas stammte. Seit dem Jahr 2000 veröffentlichte Studien haben diese Zahl jedoch auf der Basis von Analysen der Megaflora (Blätter, Früchte, Blüten, Samen, Zapfen) auf etwa 50 Prozent revidiert und auf der Basis von Pollen- und Sporenanalysen auf lediglich 15 Prozent. Beide Datensätze zeigen das charakteristische Muster für das Verschwinden von Arten vor, im und nach dem Maastrichtium-Danium-Grenzhorizont.
Insgesamt zeigen die Daten der jura- und kreidezeitlichen Massenaussterben (siehe 156) eine auffällige Verschiebung in ihrer Ausprägung. Im Jura ist die Aussterbeintensität im Ganzen höher und weist eine weniger regelmäßige Struktur auf als in der Kreidezeit und im Paläogen. Nach dem Aussterben am Ende der Trias erfolgte im Pliensbachium eine erste Radiation der Arten. Nach diesem Intervall blieben die Aussterbeintensitäten relativ hoch, mit Ausnahme des Aaleniums, das einen interessanten Ausreißer gegenüber dem allgemeinen Muster im Jura darstellt. Das endjurazeitliche Tithonium repräsentiert eine kleinere Spitze in der Aussterbeintensität, die wahrscheinlich mit einem eustatischen Meeresspiegelrückgang, der von anderen Faktoren verstärkt wurde, in Beziehung steht (siehe Hallam und Wignall 1997).
Zwei Ansichten des endkreidezeitlichen Bestands der planktischen Foraminiferen in Caravaca, Südspanien.
Eine frühe Interpretation, wonach die meisten Spezies am Maastrichtium-Danium-Grenzhorizont aussterben und nur eine einzige Art überlebt (Smit und ten Kate 1982).
Eine spätere Interpretation, der zufolge es vor, an und nach dem Grenzhorizont zum Aussterben „kreidezeitlicher“ Spezies kam (Canudo u.a. 1991).
In der Kreidezeit sind die Aussterbeintensitäten im Allgemeinen viel niedriger als im Jura und in drei Phasen unterteilt. Ein relativ kurzes Intervall von sehr geringer Intensität kennzeichnet die ersten drei oder |156|vier Stufen der Kreidezeit. Dies zeigt vermutlich eine auf das Tithonium folgende evolutionäre Diversifizierung an, die durch einen Meeresspiegelanstieg in den Ozeanen und die Radiation der fortschrittlicheren terrestrischen Arten (z.B. Dinosaurier) auf dem Land angetrieben wurde. Ab dem Aptium steigen die Aussterbeintensitäten bis zu einer lokalen Spitze im Cenomanium an. Doch statt dass der Aussterbedruck nun deutlich nachließ, passierte zu dieser Zeit etwas in der Umwelt, das die Intensität während des Turoniums und Coniaciums (im Durchschnitt) zunächst allmählich zurückgehen und dann wieder zunehmen ließ, bis sie ihren Höhepunkt in der Größenordnung eines außergewöhnlichen Aussterbeereignisses im Maastrichtium erreichte. Aussterbeszenarien, die das endkreidezeitliche Massenaussterbeereignis zu erklären suchen, müssen nicht nur mit den aus dem Fossilienbestand des Maastrichtiums hervorgehenden Daten konsistent sein, sondern ebenso mit den Implikationen dieses größeren zeitlichen Zusammenhangs.
Aussterbeintensitätswerte für den Jura (aquamarin), die Kreide (hellblau) und das Känozoikum (grün).
Wie man oben sehen kann, stiegen die kreidezeitlichen Aussterbeintensitäten erstmals im Aptium-Albium-Intervall an. Stabile Sauerstoffisotopendaten von planktischen (Oberflächenwasser) und benthischen (Bodenwasser) Foraminiferen zeigen, dass die Kreidemeere zu diesem Zeitpunkt am Anfang einer langfristigen Abkühlungsentwicklung standen (siehe gegenüber). Beginnend mit einem Höchststand von etwa 20 Grad Celsius im Albium sanken die Temperaturen in marinen Oberflächen- und Tiefengewässern bis zum Maastrichtium um drei bis fünf Grad Celsius, |157|wobei im Spätcampanium-Frühmaastrichtium-Intervall ausgeprägte Instabilitäten der Tiefseewassertemperatur auftraten. Sowohl bei fossilen als auch bei modernen Organismen lassen sich zahlreiche Anzeichen dafür finden, dass ein Abfall der Wassertemperatur in dieser Größenordnung eine ganze Reihe von Meeresgruppen unter Stress setzen würde. Darüber hinaus hätten derart stark sinkende Meeresoberflächentemperaturen Auswirkungen auf die globalen Temperaturen und würden Artensterben in terrestrischen wie in marinen Abstammungslinien nach sich ziehen. Bisherige marine Isotopenforschungen haben diese Schlussfolgerungen bekräftigt und ein genaueres Bild der temperaturbedingten biotischen Stressfaktoren in der späten Kreidezeit ermöglicht.
Kreidezeitliche Sauerstoffisotopenkurve für marine planktische (Oberflächenwasser, orange) und benthische (Bodenwasser, violett) Foraminiferen als Indikatoren der globalen Gewässertemperaturen an der Wasseroberfläche und am Meeresboden.
Des Weiteren würde man erwarten, dass die Veränderungen des Meeresspiegels in der Kreidezeit mit einer Zunahme der Aussterbeintensität einhergingen. Die besten Belege zu den Auswirkungen der spätkreidezeitlichen Veränderungen des Meeresspiegels sind in Nordamerika (S. 158) erhalten. Hier wurde Euramerika durch einen breiten, flachen Meeresarm, den Western Interior Seaway, in zwei Kontinente (Laramidia im Westen und Appalachia im Osten) geteilt. Dieser Meeresarm entstand in der frühen Kreidezeit im Zuge des nach dem Tithonium erfolgenden Meeresspiegelanstiegs und der Absenkung des westlichen Euramerika, die dadurch ausgelöst wurde, dass der westliche Rand des Kontinents über das Farallon-Fragment eines tektonischen Subduktionszentrums driftete, das während des gesamten Juras vor der Westküste Nordamerikas bestand. Als sich die Kontinentalplatte über dieses Subduktionszentrum bewegte, wurde der westliche Rand Nordamerikas aufgrund des Sogs, den die absteigende pazifische Platte verursachte, nach unten gezogen. Hierdurch konnte Meerwasser in den zentralen Teil Euramerikas eindringen und einen breiten, tiefen Meeresarm bilden, der vom Golf von Mexiko im Süden bis zum arktischen Meer im Norden reichte und durch einen von Nordost nach Südwest verlaufenden Meereseinbruch, der das Gebiet der heutigen kanadischen Provinzen Manitoba und (West-)Ontario durchquerte – der Hudson Seaway –, mit der Labradorsee verbunden war.
Die Geschichte dieses Meeresarms hat zwei Phasen. Die erste dauerte vom Albium bis zum mittleren Cenomanium und führte zur Ablagerung der Mowry-Shale-Formation, einer weit ausgedehnten Schicht marinen Schiefers in den US-Bundesstaaten Colorado, Utah, Wyoming und Idaho. Diese Phase des Meeresarms – manchmal als Mowry Sea bezeichnet – ist bekannt für ihre Ammoniten- und Inoceramenfaunen (Muscheln), die im Mowry Shale erhalten sind, und für die Dinosaurierfaunen der frühen Kreidezeit in entsprechenden terrestrischen Ablagerungen westlich davon. Während eines Meeresspiegelrückgangs, der im Cenomanium seinen Höhepunkt erreichte, wurde dieses Gebiet jedoch trockengelegt. Dies führte dazu, dass sich der Western Interior Seaway auf Einbuchtungen im Gebiet der heutigen Mississippimündung im Süden und der North Slope in Alaska im Norden zurückzog. Laramidia und Appalachia waren deshalb in der mittleren Kreide für eine kurze Zeit miteinander verbunden. Dieser Meeresspiegeltiefstand ist auf der Aussterbeintensitätsverteilungskurve (siehe S. 156) durch eine Spitze im Cenomanium markiert.
In der späten Kreidezeit kehrte das Meerwasser in den Western Interior Seaway zurück, was die Kalkablagerungen der Niobrara-Formation und die Tiefwasser-Schiefer der Pierre-Formation anzeigen, zwei dicke und großflächige Ablagerungen von Sedimentgestein, die reich an marinen Fossilien sind. In diesem Abschnitt der Oberkreide erreichte der Seaway mit rund 1.000 Kilometern Breite und bis zu 1.000 Metern Tiefe seine größte Ausdehnung. Diesen Ablagerungen verdanken wir das umfassendste Bild, das wir vom marinen Leben in der Oberkreide haben. Sie enthalten sogar Exoten wie Pterosaurier und Dinosaurier (siehe gegenüber).
Während des obersten Maastrichtiums verschwand der Western Interior Seaway allerdings, und zwar in erstaunlich kurzer Zeit. Wie schon seine Entstehung hing auch sein Verschwinden von mehreren Faktoren ab. Über längere Zeit war die laramische Gebirgsbildung – eine Folge derselben tektonischen Ereignisse, die den Meeresarm entstehen ließen – eine Quelle von Sedimenten, die vom Westen her in den Meeresarm gespült wurden. Diese Sedimente füllten die westlichen Ränder des |159|Beckens und führten mit ihrem Gewicht zu einer weiteren Absenkung der Mitte Nordamerikas, wodurch sich das Land rings um das Becken weiter anhob, was wiederum die Erosionsraten erhöhte und gleichzeitig neuen Platz für die Ablagerung der aufgeschütteten Sedimente schuf. Dann, im obersten Maastrichtium, fiel der Meeresspiegel weltweit um 150 bis 200 Meter ab. Die Gründe für diesen Meeresspiegelrückgang liegen im Dunkeln, da es kaum Anzeichen für eine Kontinentalvereisung in der Oberkreide gibt.
Künstlerische Darstellung des rätselhaften Ertrinkens eines Dinosauriers in der spätkreidezeitlichen Mowry Sea, basierend auf der Entdeckung eines realen Fossils.
Ungeachtet der Ursachen für die Meeresspiegelregression am Ende des Maastrichtiums sind ihr gesamtes Ausmaß, ihr Zeitpunkt sowie ihre Auswirkungen für den Western Interior Seaway unstrittig. In weniger als einer Million Jahren wurden aus einem der größten Epikontinentalmeere der Erde nichts weiter als ein paar Beulen in der Küstenlinie eines neu entstehenden, durchgehenden nordamerikanischen Kontinents. Das plötzliche Verschwinden des Western Interior Seaway im späten Maastrichtium, einschließlich der marginalen marinen Lebensräume, die unsere einzigen Belege für die letzten kreidezeitlichen Dinosaurier enthalten, fällt mit dem dramatischen Anstieg der Aussterbeintensität zusammen, der weltweit im Intervall des oberen Maastrichtiums zu beobachten ist, und korreliert mit dem Verschwinden einer Reihe von marinen und terrestrischen Spezies, die in Nordamerika noch die Mitte des Maastrichtiums erreichten, aber irgendwann zwischen diesem Zeitpunkt und der KT-Grenze verloren gingen.
Die vulkanische Landschaft wurde vor ca. 65 Millionen Jahren von Eruptionen in der magmatischen Großprovinz des Dekkan-Trapps hervorgebracht, die auf der Ostseite des indischen Subkontinents stattfanden und mit dem endkreidezeitlichen Aussterbeereignis in Verbindung gebracht werden. Jedes helle Gesteinsband zeigt einen verschiedenen Lavastrom an.
Neben den Umweltveränderungen durch die globale Abkühlung und die Meeresspiegelschwankungen wurde die Erde im späten Maastrichtium durch intensive vulkanische Aktivität (buchstäblich) erschüttert. Die geologische Karte von Indien zeigt große rote Abschnitte in den zentralen |160|und westlichen Bereichen (siehe unten). Diese Farbfelder zeigen Gebiete an, in denen sich Schichten von basaltischen Lavaströmen zu einem enormen Plateau türmen, bedeckt mit tropischer Vegetation und hier und da von tiefen Flusstälern durchzogen (siehe S. 159 unten). Dies ist der Dekkan-Trapp, eine magmatische Großprovinz (Large Igneous Province, LIP) aus den Überresten unzähliger Vulkanausbrüche. Die Aufschlüsse im Dekkan-Trapp umfassen eine Fläche von etwa 500.000 Quadratkilometern, ungefähr so groß wie Frankreich. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass dies nur ein Rest der vulkanischen Ablagerungen ist, im Wesentlichen das, was nach 65 Millionen Jahren der Erosion noch übrig war. Darüber hinaus erstreckt sich der Trapp bis auf den an Westindien angrenzenden Festlandsockel. Tatsächlich liegt unter dem Indischen Ozean eine unterseeische Bergkette aus Basaltlavaströmen, die über eine Strecke von rund 4.000 Kilometern in nordsüdlicher Richtung zwischen dem Zentralindischen Mittelozeanischen Rücken und dem Dekkan-Trapp verläuft – der Lakshadweep-Chagos-Rücken (siehe gegenüber). Dieser Grat ist der entscheidende Schlüssel zum Ursprung des Dekkan-Trapps und gibt Einblick in die tektonische Geschichte Indiens.
Eine geologische Karte Indiens, die das Ausmaß des Dekkan-Lavafelds illustriert (rot).
Wie der Sibirische Trapp in Russland (siehe S. 126) entstand auch der Dekkan-Trapp durch einen vulkanischen Hotspot im Erdmantel. Die Basalte des Lakshadweep-Chagos-Rückens sind allesamt jünger als der Dekkan-Trapp und werden entlang des Rückens zum Süden hin immer jünger. Dies ist die klassische Form einer Hotspot-Spur.
Der Lakshadweep-Chagos-Rücken endet unmittelbar nördlich des Zentralindischen Rückens, eines tektonischen Spreizungszentrums, das neue ozeanische Kruste hervorbringt. Direkt auf der Südseite des Zentralindischen Rückens befindet sich jedoch eine weitere Ansammlung basaltischer Lavaströme, das Maskarenen-Plateau, an dessen nordwestlicher Spitze die Seychellen liegen. Südlich hiervon endet der Rodriguez-Rücken |161|in den derzeit aktiven Vulkanen der Inseln Mauritius und Réunion. Das Alter dieser Basalte stimmt mit dem Alter des südlichen Teils des Lakshadweep-Chagos-Rückens überein und wird geringer, je weiter man dem Rodriguez-Rücken nach Süden folgt. Mit anderen Worten: Die Dekkan-Vulkanfelder entstanden vor etwa 65 Millionen Jahren, als die westliche Region des indischen Subkontinents ein gutes Stück südlich und westlich von ihrer jetzigen Position lag, nämlich über dem Réunion-Hotspot. Als Indien während der folgenden 50 Millionen Jahre nach Nordosten trieb, formten die Lavaergüsse aus dem Réunion-Hotspot den Lakshadweep-Chagos- und den Rodriguez-Rücken. Der Zentralindische Rücken ist ein vergleichsweise neues Gebilde, das die Hotspot-Linie vor weniger als 40 Millionen Jahren in zwei Teile trennte.
Tektonische Karte des modernen und kreidezeitlichen westlichen Indischen Ozeans, welche die Verbindung zwischen den Dekkan-Eruptionen und der Réunion-Mantelplume zeigt.
Für unsere Geschichte ist die Datierung der Aufschichtung des Dekkan-Trapps fundamental. Dewey McLean wies 1981 als Erster auf die Beziehung zwischen der Ablagerung des Dekkan-Trapps und dem endkreidezeitlichen Aussterbeereignis hin. Zu jener Zeit deuteten biostratigrafische Daten in Verbindung mit paläomagnetischen Hinweisen darauf |162|hin, dass diese Eruptionen über eine Zeitspanne von nicht mehr als fünf Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit erfolgten. Diese Daten genügten als Indizien, um die Dekkan-Eruptionen allgemein mit den Artensterben im Campanium und im Maastrichtium in Zusammenhang zu bringen, aber nicht speziell mit Aussterben im Umfeld der KT-Grenze.
Interpretation der physischen Stratigrafie und Geochronologie der Dekkan-Trapp-Ablagerungen.
Seitdem haben Teams von Geochronologen unter der Leitung von Vincent Courtillot die Dekkan-Trapp-Ablagerungsdaten weiter verfeinert. Was sie herausgefunden haben, ist erstaunlich. Courtillots neue Daten demonstrieren, dass die gesamte Dekkan-LIP in nur etwa mehr als einer Million Jahre gebildet wurde und über einen Zeitraum, der die Maastrichtium-Danium-Grenze umschließt (siehe links). Noch jüngere Arbeiten verringerten die Zeitspanne der Entstehung des größten Teils (80 Prozent) der Dekkan-LIP auf 50.000 Jahre und zeigten, dass diesen gesamten Zeitabschnitt hindurch bedeutende planktische Foraminiferensterben stattfanden (siehe Chenet u.a. 2009 und Keller u.a. 2011). Die Datierung einzelner Lavaströme spricht dafür, dass die Intensität dieser Ausbrüche, wie erwartet, im Verlauf des Intervalls zu- und abnahm. Doch die KT-Grenze fällt mit dem intensivsten Teilintervall der Eruptionsaktivitäten im Dekkan-Trapp zusammen. Dieses Zusammentreffen ist äußerst vielsagend. Nicht nur waren die Dekkan-Eruptionen am Ende der Kreide in vollem Gange, sie waren auch zu genau jener Zeit am intensivsten, in der es nachweislich zu den meisten der endkreidezeitlichen Artensterben kam. Aus geologischer Sicht ist man damit einem „Corpus Delicti“ so nahe, wie Geowissenschaftler nur kommen können.
Was war der Aussterbemechanismus? Davon gibt es mehrere. Wie bereits erwähnt, erhöht die durch Vulkanausbrüche in die Atmosphäre geschleuderte Asche die planetare Albedo und kann zur globalen Abkühlung führen. Zu dem von den Eruptionen selbst freigesetzten Kohlendioxid wäre dann noch das CO2 hinzugekommen, das die organischen Bestandteile der paläozoischen und mesozoischen Sedimente freigesetzt hätten, die in der gesamten Dekkan-Region von unten und von oben großer Hitze ausgesetzt waren. Auch werden durch Vulkanausbrüche Schwefel und Chlor, Fluor und verwandte Elemente in Verbindungen erzeugt, die in der Atmosphäre aufbrechen und sich mit dem dort vorhandenen Wasser zu verschiedenen Arten von Säuren verbinden. Diese Säuren hätten sich über die atmosphärische Zirkulation weltweit verbreitet und wären als saurer Regen über den Ozeanen und dem Land niedergefallen. Aufgrund |163|neuerer Forschungen über die Atmosphäre wissen wir nun, dass dieselben Verbindungen die Ozonschicht der Erde abbauen können, die die Oberfläche vor der schädlichen UV-Strahlung der Sonne schützt. Studien jüngerer Vulkanausbrüche – die alle mehrere Größenordnungen kleiner als die Dekkan-Ausbrüche sind – zeigen, dass in sehr kurzen geologischen Zeitabschnitten Millionen von Kubikkilometern dieses Materials in Form von Aschewolken freigesetzt werden können, die bis zu 50 Kilometer in die Höhe steigen können.
Es steht schlichtweg außer Frage, dass die historischen Eruptionen enorme Auswirkungen auf das Klima der Erde hatten. Infolge der Tambora-Eruption im Jahr 1815 fielen die Durchschnittstemperaturen in der nördlichen Hemisphäre um 0,7 Grad Celsius und bis zu zehn Prozent der Ozonschicht wurden zerstört. Extrapoliert man diese Daten für die größere Toba-Eruption (vor 77.000 bis 69.000 Jahren), lässt sich von einem globalen und über Jahrzehnte andauernden Temperaturabfall von vier bis 15 Grad Celsius ausgehen, von dem manche annehmen, dass er für etwa 1.000 Jahre eine Miniatur-Eiszeit ausgelöst hat. Vereinzelte Dekkan-Eruptionen sind vermutlich Spaltenausbrüche gewesen, die durchaus in der Lage waren, beträchtliche Mengen von Gas und Staub in die Stratosphäre der Erde zu heben. Die im Charakter ähnlichen, aber viel kleineren Eruptionen (14 Kubikkilometer) der Laki-Spalte in Island zwischen 1783 und 1784 entließen Wolken von Flusssäure und Chlorwasserstoffsäure, die über 50 Prozent der isländischen Nutztiere töteten und zu einer weltweiten Hungersnot führten, in deren Folge weltweit etwa sechs Millionen Menschen starben. Auf der Grundlage dieser Daten zog ein Großteil der gut informierten geowissenschaftlichen Forscher verschiedener Disziplinen die Schlussfolgerung, dass die Bildung der Dekkan-LIP das globale Klima auf jeden Fall für mehr als eine Million Jahre in (derzeit) unvorhersehbarer Weise gestört hat.
Von diesen Überlegungen abgesehen gibt es noch einen weiteren vulkanischen Mechanismus, der prinzipiell zu schwerwiegenden Aussterbeereignissen führen könnte. Dieser Mechanismus wurde erstmals von Dewey McLean vorgeschlagen und basiert auf der begründeten Annahme, dass durch die Dekkan-Eruptionen große Mengen an CO2 ausgestoßen wurden. In der modernen Welt wird CO2 durch Phytoplankton (insbesondere Nannoplankton) aus der Atmosphäre aufgenommen und als Kalziumkarbonat (CaCO2) in seinen Skeletten gespeichert. Wenn diese Zellen sterben, fallen ihre Skelette auf den Meeresboden, wo sie schließlich als Kalkstein in die Sedimentschichten eingehen. Um den Ausmaß dieses Prozesses in der Kreidezeit einschätzen zu können, braucht man nicht weiter zu blicken als auf den Namen dieser Periode: Kreide ist eine der wichtigsten Formen sedimentären Karbonatgesteins.
|164|Vor allem die Oberkreide ist durch große Kalkablagerungen geprägt, die sich von Dänemark (Møns Klint) über Frankreich und England (Dover Chalk), den Südosten der USA (Selma Chalk) und Texas (Austin Chalk) bis in die Mitte des Kontinents (Niobrara-Kreide) erstreckt. Zu keinem Zeitpunkt der Erdgeschichte haben sich so ausgedehnte und dicke Kreiden gebildet wie in der Oberkreide. McLean und seine Kollegen haben allerdings spekuliert, dass die Dekkan-Eruptionen ausreichend CO2 freigesetzt haben, um diesen grundlegenden geochemischen Kreislauf zu stören. Im Wesentlichen könnten demnach die Ozeane zur Zeit der Dekkan-Ausbrüche nicht in der Lage gewesen sein, das CO2 schnell genug aufzunehmen, sodass sich dieses Gas in der Atmosphäre und im Oberflächenwasser der Ozeane anreicherte, das Phytoplankton durch Versauerung vergiftete und den CO2-Sequestrierungsprozess unterband. Dafür spricht der plötzliche Wechsel von Karbonatgesteinsablagerungen zu Ablagerungen nichtkarbonathaltiger Schluffe und Schlämme, die die Maastrichtium-Danium-Grenze weltweit kennzeichnet (siehe gegenüber). Bis zu einem gewissen Grad ist die Änderung im Sedimentationsstil aber auch aus irgendeinem Grund auf das Aussterben des Phytoplanktons und Zooplanktons zurückzuführen. Wenn er stattgefunden hat, dann wäre dieser Effekt jedenfalls nicht von Dauer gewesen. Mit dem Ende des Ausbruchs (oder zumindest seiner intensivsten Phasen) wäre das System in seinen normalen Betriebsmodus zurückgekehrt. Während der Störung wären die klimatischen Bedingungen auf der Erdoberfläche jedoch dramatisch anders gewesen. Die Primärproduktion in den Ozeanen hätte sich mit den entsprechenden Folgen für die marinen und terrestrischen Nahrungsnetze auf ein sehr geringes Niveau reduziert, wobei es zu einer Versauerung der marinen und terrestrischen Gewässer gekommen wäre sowie zu einer signifikanten Erwärmung infolge des zunehmenden CO2-Gehalts in der Atmosphäre und der Zerstörung der Ozonschicht der Erde.
Moderne Schätzungen zu den Auswirkungen der Unterbindung der CO2-Sequestrierung, hochgerechnet auf die durch die Dekkan-Eruptionen eingebrachte Menge an CO2, legen nahe, dass sich die Temperatur der unteren Atmosphäre durch diese Ausbrüche um mehr als zehn Grad Celsius erhöht haben könnte und die der Ozeane um bis zu vier. Wenn diese Schätzungen auch nur annähernd korrekt sind, dann ergeben viele der Muster sowie das Ausmaß der biotischen (z.B. längere Intervalle der Aussterbeaktivität, Fokus auf tropische Biome, Tendenz zu groß gewachsenen Arten) und abiotischen Daten (z.B. Vorhandensein und Verbreitung des KT-Grenztons, Intervall von stark schwankenden Sauerstoffisotopenwerten im späten Maastrichtium, langes Intervall der reduzierten Kohlenstoffisotopenwerte im Danium) aus dem KT-Grenzbereich einen Sinn, vor allem im Lichte der dazugehörigen Meeresspiegelregression.
Trotz der faszinierenden Zusammenhänge und Mechanismen, die mit dem Dekkan-Vulkanismus verbunden sind, gibt es noch einen anderen Kausalmechanismus, der ebenfalls genau zum Zeitpunkt der Maastrichtium-Danium-Grenze auf die Umwelt wirkte – einen ungewöhnlich großen Himmelskörperimpakt. Die starken Argumente für eine Identifikation der Chicxulub-Struktur als Impaktkrater wurden bereits diskutiert (siehe S. 143–144). Der genaue Zeitpunkt des Chicxulub-Einschlags bleibt jedoch umstritten, genauso wie die Frage, ob es der einzige große Einschlag im späten Maastrichtium war (siehe Keller u.a. 2004). Abgesehen davon ist der bloße Nachweis des Auftretens eines Impakts nicht hinreichend, um ihn als einzige Ursache eines Aussterbeereignisses zu identifizieren, vor allem nicht im Fall der Aussterben am Ende der Kreidezeit, wo noch so viele andere Faktoren in der Umwelt der Erde wirksam waren, die ebenso gute Kandidaten sind. Tatsächlich wissen wir heute von einer Reihe größerer Impakte, die sich in den letzten 500 Millionen Jahren der Erdgeschichte ereignet haben, doch ist der Chicxulub als einziger mit einem Aussterbeereignis in einen kausalen Zusammenhang gerückt worden. Um die Verbindung von Impakt und Aussterben angemessen bewerten zu können, ist ein Abgleich der Auswirkungen des Chicxulub-Impakts mit den Beobachtungen an der Maastrichtium-Danium-Grenze nötig.
Fotografe der Maastrichtium-Danium-Grenze mit dem endkreidezeitlichen Grenzlehm im geologischen Schnitt in Gubbio, Italien.
In ihrem ursprünglichen Artikel von 1980, in dem sie die Iridium-Anomalie vorgestellt hatten, argumentierten beide Alvarez’, Asaro und Michel dafür, dass einer der Haupteffekte des Impakts darin bestehe, dass die Erde durch das aus dem Krater in die Atmosphäre geschleuderte Material, das dort die planetare Albedo verstärkt hätte, in eine lange Dunkelperiode gestürzt worden sei, begleitet von einem „Impaktwinter“. Allerdings wandte der Geologe Kevin Pope im Jahr 2002 ein, dass selbst ein Einschlagkörper von zehn Kilometern Durchmesser nicht genug Explosionskraft |166|besäße, um einen signifikanten Impaktwinter auszulösen. [Anmerkung: Die Idee eines „Impaktwinters“ stammte ursprünglich aus Simulationen des US-Verteidigungsministeriums zu den Effekten eines nuklearen Kriegs auf das Klima der Erde. Die globale Abkühlung, die der Explosion Hunderter nuklearer Sprengköpfe auf der Nordhalbkugel folgen sollte, wurde „nuklearer Winter“ genannt.]
Saurer Regen war ebenfalls ein wichtiger Tötungsmechanismus, auf den in dem Originalbericht von 1980 angespielt wurde. Da Vulkane Stickstoff, Chlorid, Fluorid und andere Verbindungen ausstoßen, die die Versauerung des Meerwassers vorantreiben, wurde angenommen, dass der Chicxulub-Impakt dasselbe tun würde. Angesichts der Tatsache, dass die Yucatán-Halbinsel zur Zeit des Impakts mit dicken Schichten von Karbonat und Gips bedeckt war (die beide als Quelle saurer Verbindungen dienen können), wurde zuversichtlich ein pH-Wert von 1,0 bis 1,5 prognostiziert – etwa dasselbe Korrosionsniveau wie das der Säure in einer Autobatterie, die aus dickem Kunststoff hergestellt wird, um die ätzenden Materialien im Inneren halten zu können. Allerdings stützt der Befund der die Maastrichtium-Danium-Grenze überlebenden Arten diese Spekulation nicht. Da auch durch die industrielle Entwicklung solche chemischen Verbindungen in die Atmosphäre entlassen werden, ist unser Regenwasser in gewissen Gegenden in den letzten 50 Jahren saurer geworden als in den vorangegangenen fünf Millionen Jahren. Dementsprechend wissen wir heute sehr viel über die Effekte sauren Regens sowie über die Empfindlichkeit verschiedener Organismengruppen. Anhand dieser Daten ist nur schwer verständlich, wie überhaupt irgendwelche Fische, Amphibien oder Reptilien und eine Vielzahl von Pflanzenarten längere Zeit hätten überleben können, wenn sie einem so sauren Regen ausgesetzt wären, wie er vom ursprünglichen Impakt-Szenario vorhergesagt wurde. Fairerweise muss erwähnt werden, dass auch McLeans Vulkanismus-Szenario die Produktion von saurem Regen enthält. Doch unterscheiden sich diese beiden Szenarien in ihrer Prognose des Säuregehalts des Regens und der Zeitspanne, in der er ein regelmäßiger Bestandteil der endkreidezeitlichen und/oder frühen paläogenen Umwelt war.
Schließlich wurde zur Erklärung der großen Aussterbezahlen von einer Reihe Autoren und in Form verschiedenster Mechanismen auch Wärmestrahlung in Betracht gezogen (z.B. direkte Strahlung vom Impakt selbst, reflektierte Strahlung durch tiefe Wolken, durch den Aufprall geschmolzener Auswurfmasse in trockener Landschaft verursachte Großbrände). Wie viele der bereits genannten Szenarien wird der Strahlungs-/Feuer-Mechanismus meist ebenfalls auf eine physikalische Basis gestellt, wobei kaum erklärt wird, welche Organismen in diesem Szenario welchen unterschiedlichen Risiken ausgesetzt wären, und kein Versuch unternommen |167|wird, das Szenario unter Verwendung realer Daten zu testen. Wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht zusammengefasst hat (Archibald 2011), ist es auch diesem Mechanismus nicht gut ergangen, weder hinsichtlich seiner theoretischen Grundlagen noch wenn es darum ging, die Details der tatsächlichen kreidezeitlichen Aussterbe- und Überlebensmuster zu erklären.
Ich möchte diese Diskussion schließen, indem ich festhalte, dass sich zweifellos mindestens ein großer Impakt in der letzten Phase des Maastrichtiums ereignete (möglicherweise auch mehrere). Ebenso zweifellos ist dieser Impakt für lokale Biota zerstörerisch gewesen und könnte kurzfristige (weniger als 100 Jahre dauernde) Umweltfolgen für den Planeten gehabt haben. Doch die Vorstellung, dass ein Himmelskörperimpakt die alleinige glaubwürdige Ursache der endkreidezeitlichen Aussterben sei, bedeutet eine viel zu starke Vereinfachung, als dass ich und viele meiner Paläontologen-Kollegen sie akzeptieren könnten, insbesondere da die mit einem solchen Impakt verbundenen Mechanismen nur eine schwache Erklärung für die Muster liefern können, die wir in unseren paläontologischen und geologischen Daten beobachten können. [Siehe Archibald 2010, ein gemeinsamer Brief von 28 Paläontologen aus allen paläontologischen Teildisziplinen, der die Gegenposition zum KT-Impakt-Aussterbeszenario erläutert, geschrieben als Antwort auf einen Artikel von Schulte 2010, der für dieses Modell argumentiert, jedoch nur von zwölf Paläontologen mitverfasst wurde, von denen die überwältigende Mehrheit Spezialisten für Mikrofossilien waren.] Ausgehend von der Betrachtung aller oben angeführten Indizien bin ich persönlich der Ansicht, dass der kausale Rahmen, der dem größten Teil der Belege gerecht wird, einer ist, der die Gesamtheit der physikalischen Ereignisse am Ende der Kreidezeit berücksichtigt: ein Szenario, das den Änderungen des Meeresspiegels, dem Dekkan-Vulkanismus und dem Chicxulub-Impakt jeweils eine Rolle in der Herbeiführung des endkreidezeitlichen Aussterbeereignisses zuerkennt, wobei sich das terrestrische Aussterben primär dem Zerbrechen von Lebensräumen infolge der Meeresspiegelregression am Ende des Maastrichtiums verdankt und das marine Aussterben primär von einem kurzfristigen Zusammenbruch der Primärproduktion vorangetrieben wird.