|168|Sedimentabfolge von der Oberkreide zum Untereozän einschließlich der KT- und der PE-Grenze im Wadi Nukhul, Zentral-Westsinai, Ägypten.
DIE AUSSTERBESPITZEN, DIE IM KÄNOZOIKUM AUFTRETEN – während des späten Eozän-Oligozäns, Miozäns, Pliozäns und Pleistozäns –, sind deutlich kleiner als jene der fünf großen Artensterben im Paläozoikum und Mesozoikum. In der Tat wird derzeit keine davon als ein wirkliches „Massensterben“ angesehen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde jedoch hinsichtlich der möglichen Ursache auch ein „Obereozänes Aussterben“ zu den „großen Fünf“ gezählt, und die mittelmiozäne Aussterbespitze war ein Teil des Beweises, den Dave Raup und Jack Sepkoski für die Aussterbeperiodizität anführten. Ungeachtet des Status dieser theoriebasierten Konzepte sind die Aussterben im Paläogen und Neogen über alle Maßen wichtig für das Verständnis der Erscheinungsmuster und Ökologie von Tierarten, die wir in der modernen Welt beobachten können, und liefern uns entscheidende Elemente des Gesamtkontexts, in dem die heutige Biodiversitätskrise betrachtet werden muss.
Angesichts der Größenordnung des endkreidezeitlichen Aussterbeereignisses und der enormen Aufmerksamkeit, die dieses auf sich zog, ist es ein wenig überraschend, hier festzustellen, dass nur eine relativ kleine Anzahl an höheren taxonomischen Gruppen während des Maastrichtiums aus dem fossilen Bestand verschwand. Die prominentesten Opfer dieses Ereignisses waren marine Mollusken – die Ammoniten, die Rudisten und Inoceramen – sowie die marinen Reptilien (Mosasaurier, Plesiosaurier), die fliegenden Reptilien (Pterosaurier) und eine Gruppe terrestrischer Dinosaurier (die Ornithischia). Alle anderen größeren Gruppen, darunter die Saurischia, die als Vögel noch bis zum heutigen Tag existieren, sind im frühen Känozoikum durch direkte Nachfahren der kreidezeitlichen Spezies vertreten. Sicher ereignete sich ein Großteil des Aussterbens auf der Spezies- und Gattungsebene in der obersten Kreidezeit und dem untersten Danium. Soweit es die Vielfalt der Körperbaupläne bedeutender Organismengruppen betrifft, gab es jedoch überraschend wenige Verluste.
Die meisten der überlebenden kreidezeitlichen Gruppen durchliefen vom Paläozän bis zum frühen Eozän eine anhaltende evolutionäre Diversifikation, als sie die ökologischen Nischen füllten, die durch das oberkreidezeitliche Artensterben frei geworden waren. Unter den besonders bemerkenswerten Radiationen sind die der Diatomeen, der planktischen Foraminiferen, gymnolaematen Moostierchen, Malakostraken (Höhere Krebse), Seeigel, Knochenfische (Osteichthyes), Säugetiere und Vögel. Alle diese Gruppen gehören zur modernen evolutionären Fauna, deren Reichtum in dieser Zeit exponentiell zunahm. Auffällig ist, dass die Reste der älteren paläozoischen evolutionären Fauna hinsichtlich des allgemeinen Familien- und Gattungsreichtums stagnierende Muster aufweisen. Dabei konnten einige Gruppen ihre Zahlen trotz der Konkurrenz modernerer Arten (z.B. stenolaemate Moostierchen, artikulierte Brachiopoden, Crinoiden, Seesterne) aufrechterhalten, während andere im Wettbewerb, der durch die Muster des endkreidezeitlichen Aussterbens und Überlebens (z.B. Kopffüßer) noch verschärft wurde, untergingen. Die einzige prominente Ausnahme von diesem Trend bildeten die Korallen (Anthozoen), die bereits während der Kreidezeit von den Rudisten aus ihrer riffbildenden Rolle verdrängt worden waren und im Paläozän nur eine geringfügige Diversifikation erlebten, möglicherweise infolge der anhaltenden Kaltwasserbedingungen auf den Kontinentalsockeln in den frühen und mittleren Phasen dieser Serie (siehe S. 171-172).
Geografisch betrachtet näherten sich die Kontinente allmählich ihren heutigen Positionen. Während |171|des gesamten Paläogens trieben Afrika, Nordamerika, Südamerika, Europa und Asien kontinuierlich weiter nach Norden, weg von Antarktika, welches über dem Südpol liegen blieb. Im Paläozän war Australien noch mit dem nordöstlichen Teil Antarktikas verbunden, doch die Grabenbildung war schon weit fortgeschritten. Im mittleren Eozän war die Trennung vollständig und zwischen den beiden Kontinenten hatte sich ein Meeresarm – die Tasmanische Passage – aufgetan. Im Westen blieb die Südspitze von Südamerika durch einen breiten Kontinentalsockel mit Antarktika verbunden. Dies verhinderte, dass sich eine zirkumantarktische Strömung einstellte, und trug so dazu bei, Antarktika wärmer zu halten, als es sonst gewesen wäre. Die Öffnung einer Tiefseepassage zwischen Südamerika und Antarktika – die Drake-Passage – im späten Eozän und Oligozän sollte die Entstehung der modernen südlichen Meeresoberflächenströmungen ermöglichen, was dramatische Konsequenzen für das Erdklima und natürlich für die Evolution hatte.
Rekonstruktionen von marinen und terrestrischen Umwelten des Paläogens.
Meeresumwelt des mittleren Eozäns in Italien, mit den Strahlenflosser-Gattungen Exila (oben links), Lophius (links), Echolocentrum (Mitte), Psettopsis (oben Mitte), Mene (oben rechts), dem Aal Eomyrophis (Mitte) und dem Rochen Tyron (rechts).
Terrestrische Umwelt des Eozäns im Westen der USA. Vordergrund: das Stammhuftier Hypossodus (ganz links), der adapiforme Primat Cantius (links), der frühe Paarhufer Diacodexis (unten) und das Stammhuftier Phenacodus (rechts).
Vordergrund: das Krokodil Boraleosuchus (links), der Gänsevogel Presbyornis (Mitte) und das nashornartige Huftier Uintatherium (rechts). Hintergrund: das Urraubtier Arfia (ganz links), der frühe Unpaarhufer Hyracotherium (Mitte) und die Fledermäuse Icononycteris und Onychonycteris.
Das Atlantische Ozeanbecken hatte sich in diesem Zeitabschnitt in den nördlichen und südlichen Hemisphären deutlich herausgebildet, und die Separation der beiden amerikanischen Kontinente sowie Afrikas, Europas und Asiens nahm zu. Die Tethys war nur noch ein Relikt ihres mesozoischen Pendants, und große Teile Europas, des Nahen Ostens und Westasiens waren unter einem flachen Meer versunken. Indien existierte weiterhin als ein Inselkontinent, doch entlang der Südküste Asiens wurde bereits das Anfangsstadium der Kontinentalkollision fühlbar, die einmal den Himalaja hervorbringen sollte. Grob gesagt bestanden Südeuropa und Westasien zu dieser Zeit aus zahlreichen kleinen Kontinentalfragmenten, die an den Rändern der europäischen und asiatischen Platten langsam zusammenwuchsen. Dieser Prozess hielt das Paläozän und Eozän hindurch an. Der Nordpol lag unter einer weiten, flachen und größtenteils eisfreien See.
Die Meereshöhe war im Känozoikum starken Schwankungen unterworfen, zeigte über die gesamte Ära allerdings eine langfristige Tendenz zur Regression. Diese Variabilität ist wahrscheinlich ein intrinsisches Merkmal der Meereshöhedaten. Angesichts der großen Menge erforschbaren känozoischen Sedimentgesteins und auch angetrieben durch die kommerzielle Erdölprospektion haben Geowissenschaftler mehr Zeit für die Erforschung der känozoischen Meeresspiegeländerungen aufgebracht. Tatsache ist, dass die Position und die Ausdehnung der Erdöllagerstätten zum großen Teil durch die Verteilung von Sedimentpaketen bestimmt sind, die abhängig von Meeresspiegeländerungen in Bewegung sind.
Der langfristige Abwärtstrend des Meeresspiegels, der das Känozoikum charakterisiert, ist einer Kombination von Veränderungen der tektonischen und der ozeanischen Zirkulationsmuster geschuldet, die Antarktika |172|im Lauf der Zeit über dem Südpol isolierten, was zur Entwicklung von sehr niedrigen Temperaturen auf diesem Kontinent und zu einem weltweiten Rückgang der durchschnittlichen Temperaturen führte. Damit ging wiederum ein Wachstum der nördlichen und südlichen Polkappen, der alpinen Gletscher und der kontinentalen Gletscher einher, die infolge des Zusammenspiels verschiedener und zurzeit noch nicht vollständig erforschter planetarer Faktoren zu- und abnahmen. Innerhalb des frühen Känozoikums trat ein beträchtlicher Meeresspiegelrückgang ein, zuerst zum Ende des Daniums (50 Meter) und nochmals im frühen Oligozän (100 Meter).
Paläogeografe des Paläozäns (oben, vor etwa 65 Millionen Jahren) und des Eozäns (darunter, vor etwa 50 Millionen Jahren) mit den Positionen der kontinentalen Landmassen und Ozeanbecken.
Was das Klima angeht, war das Paläozän kühler und trockener als die späte Kreidezeit. Insgesamt waren die Bedingungen deutlich wärmer und gleichmäßiger als die modernen Klimata. Evaporitablagerungen zeigen Trockenheit an, die in breiten Regionen herrschte und sich mindestens bis 30 Grad nördlicher und südlicher Breite erstreckte. Diese Breitengrade umgrenzten eine breite Zone warmer, feuchter und tropischer Bedingungen rund um den Äquator des Paläozäns, in der sich umfangreiche Kohlevorkommen bildeten. Nördlich und südlich dieser paraäquatorialen Zone schlossen sich Gebiete mit warmgemäßigten Bedingungen an, die fast bis zu den kühl-gemäßigten Polen reichten. Die geografische Ausdehnung der warmen paläozänen Bedingungen wird durch die Tatsache belegt, dass Krokodile in den Gewässern vor Grönland schwammen und Palmen (mit frühen Primaten in ihren Wipfeln) im heutigen Wyoming auftraten. Reptilien – ein biologischer Indikator für warme Klimaverhältnisse – waren im Paläozän weiter verbreitet als heute. Das Paläozän zeichnete sich auch durch sehr große Reptilien aus, darunter die Champsosaurier und die sogenannten Terrorvögel (große flugunfähige Vögel). Diese waren in vielen paläozän-terrestrischen Umwelten die Spitzenräuber. In Asien, wo ein großes flaches Meer vorhanden war – der Überrest der mesozoischen Tethys –, herrschten noch viel weiter im Norden tropische Bedingungen.
Am Ende des Paläozäns erlebte das Klima der Erde das wärmste Intervall des gesamten Känozoikums, das Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum |173|(PETM, siehe oben). Kohlenstoffisotopendaten zeigen, dass die durchschnittlichen globalen Meerwassertemperaturen über eine Spanne von etwa 2.000 bis 3.000 Jahren im frühen Eozän um rund sechs Grad Celsius anstiegen. Verschiedene Indizien legen nahe, dass dieser Temperaturanstieg mit einem Anstieg von Treibhausgasen in der Atmosphäre verbunden ist, insbesondere von Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4). Durch das PETM verbreiterte sich der äquatoriale Tropengürtel und verdrängte die subtropischen Trockengebiete in höhere Breiten, wie die nordwärts und südwärts gerichtete Migration der eozänen Evaporitablagerungen bezeugt.
Der Rest des mittleren und späten Eozäns war von fallenden globalen Temperaturen (mit einem durchschnittlichen Rückgang von etwa vier Grad Celsius) gekennzeichnet, was wiederum ForaminiferenIsotopendaten belegen. In dieser Zeit ging die asiatische subtropische Ausdehnung zurück, da sich das Tethysmeer aufgrund der sinkenden Meeresspiegel zusammenzog. Dieses Intervall endete im späten Eozän mit einem abrupten und dramatischen weiteren Fall der globalen Temperaturen, die an oder kurz nach der Eozän-Oligozän-Grenze (EO-Grenze) um nochmals rund vier Grad Celsius sanken, wodurch die Temperaturgradienten an den Breitengraden, vor allem in der südlichen Hemisphäre, deutlich steiler wurden. Dieser Temperatursturz im frühen Oligozän fiel mit dem jähen globalen Meeresspiegelrückgang (etwa 100 Meter) zusammen, was von all den ökologischen Auswirkungen für die marinen und terrestrischen Organismen begleitet war, die wir oben bereits erwähnt haben. Es wird keine Überraschung sein, dass sowohl die PETM als auch die Abkühlung im Mitteleozän mit Artensterben einhergingen.
Eine Zusammenfassung der känozoischen Sauerstoffisotopendaten mit Implikationen für die globalen Temperaturen und verschiedene historische physiografische Ereignisse.
Prominente Opfer der Aussterbeereignisse im Paläogen:
benthische Foraminiferen (oben: Anomalinoides rubrigosus), Muscheln (unten: eine Tellin-Muschel aus Belgien), Nummuliten (Foraminiferen, rechts: Kalksteinprobe mit großen Nummuliten).
Seltsamerweise war die einzige große vom PETM-Ereignis betroffene Organismengruppe die der benthischen Foraminiferen, die innerhalb von 1.000 Jahren zwischen 35 und 50 Prozent der noch vorhandenen (paläozänen) Arten verloren. Dies galt lange als eine erstaunliche Beobachtung, da benthische Foraminiferen das endkreidezeitliche Aussterbeereignis recht gut überstanden hatten. Tiefseearten traf es besonders hart. Andere in der Tiefsee lebende Gruppen (Seeigel, Muscheln, Schnecken) durchliefen während des PETM bedeutende Diversifikationen, ebenso wie alle großen Meeresplanktongruppen (Nannoplankton, Dinoflagellaten, Diatomeen, Planktonforaminiferen), viele marine Flachwassergruppen (Seeigel, Muscheln, Schnecken, Haie und Rochen, Knochenfische) und sogar viele terrestrische Gruppen (Säugetiere, Vögel). Mit Ausnahme der benthischen Foraminiferen war es jedoch der markanteste Effekt des PETM, die geografische Reichweite vieler Pflanzen- und Tierarten zu verändern. Während sich der Planet erwärmte, fanden große Migrationsbewegungen nach Norden und Süden statt. Mangrovendickichte und Regenwälder verbreiteten sich bis Wyoming und Belgien im Norden und Tasmanien im Süden. Die Ellesmere-Insel in der heutigen Kanadischen Arktis schmückte sich mit Schildkröten, Palmen und Nilpferden, während Mitglieder der tropischen Dinoflagellatengattung bis zum Nordpol gelangten. Die gemäßigten Wälder wurden dichter und nasser – eine Situation, an die sich manche Säugetierarten durch eine Verringerung ihrer Körpergröße anpassten (z. B. Hyracotherium sandrae). Aus Laurasia wanderten unter anderem Pferde, Nashörner, Schafe und Antilopen ein, wohingegen eine Reihe von modernen Säugetierarten kurz nach dem PETM-Ereignis erstmalig im Fossilbefund auftreten (z.B. Tapire, Nagetiere, Fledermäuse, Eulen, Elefanten, Wale).
Bei den Artensterben des späten Eozäns und bis in das darüber liegende Oligozän hinein, den EO-Sterben, sieht es jedoch vollkommen anders aus. Wie bei jedem anderen der bisher behandelten Aussterbeereignisse fanden die EO-Aussterben über einen längeren Zeitraum statt, der in diesem Fall weit über zehn Millionen Jahre umfasst. Wie |175|frühere Intervalle auch unterteilt Sepkoskis Datensatz diesen Abschnitt in Stadien. Geht man von diesen Daten aus, beträgt der Umfang dieses Artensterbens knapp über 30 Prozent, womit es deutlich kleiner ausfällt als die bereits beschriebenen Aussterbeereignisse, aber dennoch einen beträchtlichen Rückgang des allgemeinen Gattungsreichtums bedeutet. Übersetzt man diesen Wert mithilfe von Raups Methode der umgedrehten Rarefaction in konkrete Artenzahlen, so lässt sich für die Artenebene ein Aussterben in der Größenordnung von etwa 60 Prozent abschätzen. Doch aufgrund des Umstands, dass es sich hierbei um ein relativ junges Sterben handelt, besitzen wir tatsächlich eine noch viel genauere Vorstellung vom EO-Aussterben. Prominente Opfer dieser Artensterben sind auf Se. 174 bis 177 dargestellt.
Prominente Opfer der Aussterbeereignisse im Paläogen:
Schnecken (oben: Athleta luctator von Gesteinen um Barton, England), Seeigel (Stachelhäuter, links: Micraster sp.) und Schildkröten (unten: Stylemys nebrascensis aus dem Westen der USA).
Das Aussterbeintervall beginnt eigentlich an der Grenze zwischen dem frühen und mittleren Eozän (genauer: an der Grenze zwischen dem Lutetium und Bartonium, vor etwa 40,4 Millionen Jahren). In einem relativ kurzen Zeitraum dicht an dieser Grenze oder um sie herum erlebten marine Mollusken ein einschneidendes Aussterbeereignis, bei dem etwa 89 Prozent der Meeresschnecken und 84 Prozent der marinen Muscheln aus dem Fossilienbestand verschwanden. Einige Arten der planktischen Foraminiferen erscheinen ebenfalls zum letzten Mal in diesem Zeitabschnitt. Die meisten Tiefsee-Bohrkerne weisen eine Lücke an dieser Grenze auf, was Veränderungen in der Struktur der Tiefseezirkulation oder der Korrosivität der Tiefseegewässer (hinsichtlich der Karbonat-Dissolution) nahelegt, vielleicht auch beides zusammen.
Das nächste bedeutende Aussterbeintervall ist die Grenze vom Mittel- zum Obereozän (die Grenze zwischen Bartonium und Priabonium, vor etwa 37,2 Millionen Jahren). Dieses Intervall stellt ein sehr viel größeres Aussterbeereignis dar, bei dem fast die Hälfte der marinen Haptophyten (Kalkalgen) aus dem Fossilienbestand verschwinden. In der Mehrheit betraf dies tropische Arten. Ebenso gingen an oder in der Nähe dieses Grenzhorizontes alle tropischen Arten spinoser planktischer Foraminiferen verloren. Das Aussterben dieser Arten legt nahe, dass verhältnismäßig kältere |176|Wassermassen in die Tropen eindrangen, wo das Wasser zuvor meist wärmer war. Diese Interpretation wird durch isotopische Daten und durch die Daten mariner Diatomeen (Kieselalgen) gestützt, die dieses Intervall unbeschadet überstanden.
Prominente Opfer der Aussterbeereignisse im Paläogen:
Archaeoceten (Urwale, Protectus, ein primitiver Zahnwal aus dem Mittelmeer), Condylarthren
(Champsosaurus gigas aus der Sentinel-Butte-Formation, westliches North Dakota, USA).
Etwas höher auf den Kontinentalsockeln starben die größeren Mitglieder einer vielfältigen, früher überall präsenten Gruppe benthischer Foraminiferen – der Nummuliten – vollkommen aus, obwohl es den kleineren Mitgliedern der Gruppe gelang, noch bis zum Ende der Epoche durchzuhalten. Das Verschwinden der großen Nummulitenarten wurde damit zu einer wichtigen Zeitmarke für den Übergang vom Mittel- zum Obereozän. Meeresschnecken werden im frühen Obereozän erneut Opfer eines großen Aussterbens, mit Verlusten von 70 Prozent der Gastropoden |177|(Schnecken) und 60 Prozent der Bivalven (Muscheln). Schließlich erlitten auch die Seeigel, insbesondere tropische Formen wie jene in den gut erforschen Faunen im nördlichen Golf von Mexiko beziehungsweise der Karibik, während des Übergangs vom Mittel- zum Obereozän zahlreiche Artenverluste.
Artiodactylen (Paarhufer, oben rechts: Andrewsarchus, ein ungewöhnlicher Aasfresser aus der Mongolei)
Mit dem sinkenden Meeresspiegel, der das Gebiet ihrer aquatischen Lebensräume reduzierte, ging die Zahl der aquatischen Taxa wie Krokodile, Champsosaurier und Schildkröten auf den Kontinenten zurück. Die Vielfalt terrestrischer Schildkröten nahm dafür zu, da sie an die trockeneren Bedingungen angepasst waren. Archaische Säugetiergruppen wie die Taeniodonten, Archaenodonten, Uintatherien, Nyctitheriiden, hyopsodonten Condylarthren (Stammhuftiere), Anaptomorphinen (Primaten), sciuravide Nagetiere, dichobunide Paarhufer, limnocyonine „Miaciden“ und mesonychide Fleischfresser, Mesonychiden und isectolophide Tapiroiden waren bis zur Grenze vom mittleren zum späten Eozän ebenfalls verschwunden. Sie wurden im Obereozän durch „moderner“ aussehende Arten ersetzt, die an weniger bewaldete, trockenere Bedingungen angepasst waren, darunter die frühen Vertreter vieler bekannter Säugetiere (z.B. Spitzmäuse, Kaninchen, Erdhörnchen, Eichhörnchen, Kamele, Hunde und Nashörner, siehe Prothero 1994).
Aber dieses letzte eozäne Aufflackern nach dem Mitteleozän-Debakel ist längst nicht das Ende der Geschichte der mittelkänozoischen Artensterben. Wie bereits erwähnt, fand der bedeutendste Meeresspiegelrückgang des Känozoikums im mittleren Teil des frühen Oligozäns statt. Die Ursachen der Meeresspiegelregression werden weiter unten beschrieben. Hier möchte ich mich auf die Konsequenzen für die zu jener Zeit bestehenden Floren und Faunen beschränken.
Mit dem taxonomischen Reichtum tropischer Phytoplanktonarten brach im frühen Oligozän die Basis der marinen Nahrungskette zusammen. Alle Arten verschwanden, abgesehen von einer einzigen Coccolithenart der gemäßigten Zone, die seit dem frühen Eozän erschienen war, darunter auch mehrere Arten, die sich entwickelt hatten, um die freien ökologischen Nischen des im Mitteleozän verschwundenen Nannoplanktons zu füllen. Insgesamt beseitigte dieses Aussterben etwa 30 Prozent der mitteleozänen Arten.
|178|Zur gleichen Zeit erhöhte sich die Vielfalt der kältetoleranten Arten. Bis zum späten Oligozän hatte die Coccolithenflora eine neue, hoch provinzialisierte Struktur angenommen, die auf Unterschieden in der charakteristischen Temperatur der Wassermassen basierte. Diese evolutionsökologische Reorganisation im frühen Oligozän wird auch bei Diatomeen (Kieselalgen) und Dinoflagellaten beobachtet, wobei die Ersteren zu 45 Prozent im frühen Oligozän ausstarben. Unter den benthischen Foraminiferen verschwanden die letzten der kleinen Nummuliten im frühen Oligozän und kündigten damit das vollständige Aussterben dieser wichtigen und einst vielfältigen Gruppe an. Textularide Foraminiferen der Tiefsee – Arten, die ihre Schalen aus Sedimentpartikeln bilden, die sie (manchmal selektiv) vom Meeresboden aufnehmen und an Ort und Stelle verkitten – wurden im frühen Oligozän ebenfalls Opfer einer signifikanten Extinktion, vermutlich aufgrund einer Änderung der Tiefseezirkulationsmuster, durch die sich die Tiefseewassermassen anders verteilten.
Die Molluskenfauna an den Festlandsockeln wurde erneut hart getroffen, wobei diesmal mehr als 95 Prozent der Schneckenarten und 89 Prozent der Muschelarten, die das mitteleozäne Weichtiersterben überlebt hatten oder seitdem aufgetreten waren, bis zum Ende des frühen Oligozäns aus dem Fossilienbestand verschwanden. In ähnlicher Weise wurden zur gleichen Zeit die Seeigel dezimiert, die 65 Prozent der vorhandenen obereozänen Arten verloren. Auch bei den Weichtieren und Seeigeln waren tropische, wärmeangepasste Formen besonders aussterbegefährdet, wohingegen sich kältetolerante Arten in der Folge diversifizierten. Die vielleicht spektakulärsten Opfer dieses Aussterbeereignisses waren aber die primitiven Archaeoceten (Wale), die von größeren, spezialisierteren Odontoceten (Zahnwale) und Mysticeten (Bartenwale) ersetzt wurden, aus denen die heutige Walfauna besteht.
Obwohl sich viele wissenschaftliche Artikel der 1970er- und 1980er-Jahre auf ein „Terminal Eocene Event“ (ein Endeozänereignis) beziehen, so haben doch verbesserte Datierungen der obereozänen Sedimente gezeigt, dass die meisten der bisher dem Eozän-Oligozän-Aussterben zugeordneten Gruppen tatsächlich bereits an oder um die Mittel-Obereozän-Grenze herum aus dem Fossilienbestand verschwanden (Prothero und Berggren 1992, Prothero 1994). Am Ende des Eozäns wurde die Erde einige Hunderttausend Jahre lang bereits von einer deutlich diversifizierten Fauna mit fortschrittlichen Körperbauplänen bevölkert, die es sich in den savannenartigen Lebensräumen der ausgedehnten gemäßigten |179|Regionen komfortabel eingerichtet hatte. Krokodile, Eidechsen und Amphibien setzten ihren Rückzug in die äquatorialen Tropen fort und in Westeuropa und Nordamerika erschienen fortwährend neue einwandernde Arten (besonders aus Asien). Wir wissen heute, dass die Extinktionen an der EO-Grenze moderat und auf wenige verbleibende tropische, wärmeangepasste Gruppen beschränkt waren, die es vom mittleren in das späte Eozän geschafft hatten (z.B. ein paar Dionoflagellatenarten und die bemerkenswerten stacheltragenden planktischen Foraminiferen).
Die Ursache des PETM ist bis heute rätselhaft. Die Isotopendaten, die das Ereignis selbst definieren, sind allerdings entscheidend für sein Verständnis (siehe rechts). Die plötzliche Verschiebung hin zu einem höheren 13C-Verhältnis erlaubt es, Massenbilanzberechnungen für die Atmosphäre im Ganzen anzustellen. Diesen Berechnungen zufolge ist es eher unwahrscheinlich, dass eine einzige Quelle für die beobachteten Veränderungen in den Isotopen verantwortlich sein kann.
Die augenscheinlichste der möglichen CO2-Quellen, die für die globale Erwärmung (für die es mehr als genügend Beweise gibt) sorgte, sind Vulkanausbrüche. Es gibt unter den magmatischen Großprovinzen (Large Igneous Province, LIP) einen Kandidaten im richtigen Alter: eine Serie hydrothermaler Schornsteine und intrusiven magmatischen Gesteins auf einer Fläche von Tausenden Kilometern in Sedimentbecken an den Rändern Norwegens und westlich der Shetlandinseln – die Brito-Arktische Basaltprovinz. Diese Eruptionen werden mit tektonischer Grabenbildung im Nordatlantik in Verbindung gebracht. Allerdings ist die erwartete Menge an Kohlenstoff, die von einem Ereignis dieser Größe natürlicherweise freigesetzt werden sollte, nicht genug, um das PETM auszulösen. Zumindest ein Teil der Differenz könnte von den kohlenstoffreichen Sedimenten, unter denen sich diese Eruptionen ereigneten, beigesteuert worden sein. Doch selbst mit dieser Erhöhung bleibt die erwartete Menge an freigesetztem Kohlenstoff noch unterhalb der benötigten 1 500 Gigatonnen (basierend auf aktuellen Massenbilanzberechnungen).
Eine Zusammenfassung der Kohlenstoffisotopendaten zur Zeit des PETM aus drei Tiefseebohrkernen.
Die Debatte darüber, woher der zusätzliche „leichte“ Kohlenstoff stammt, der für das PETM-Ereignis charakteristisch ist, setzt sich fort. Ein interessanter Vorschlag ist, dass der norwegisch-schottische Vulkankomplex die Temperatur des Meerwassers so weit anhob, dass Methanhydrat |180|auf den Kontinentalsockeln schmolz. Methanhydrate sind Clathrate, molekulare „Eiskäfige“ aus einem Molekültyp, der andere Molekültypen in seiner Struktur einschließt (siehe oben). Seit einiger Zeit schon ist bekannt, dass sich im arktischen Permafrost und unter dem Ozeanboden natürlicherweise große Lagerstätten von Methanhydrat bilden.
Eine der Hauptquellen von Methangas sind gefrorene Hydratkristalle, die in großen Mengen auf dem Meeresboden vorhanden sind. Aufgrund der sehr kalten Temperaturen und des hohen Drucks auf dem Meeresboden haben sich diese Methanhydrate dort im gesamten Holozän im gefrorenen Zustand erhalten. Sollte sich das Klima allerdings ändern, besteht die Möglichkeit, dass diese Ablagerungen instabil werden und schmelzen und damit große Mengen an Methan in die Atmosphäre entlassen. Die Auswirkungen sind zurzeit unvorhersehbar.
Natürliche Clathratverbindungen sind nur unter bestimmten Temperatur- und Druckbedingungen stabil. Einzelne Clathrate schmelzen und setzen ihre gefangenen Moleküle frei, sobald die lokalen Verhältnisse von den Stabilitätsbedingungen abweichen. Allerdings besteht im Fall der Methanhydrate die Möglichkeit, dass sich ein positiver Rückkopplungsmechanismus einstellt, wenn die globalen Temperaturen signifikant und plötzlich ansteigen. In diesem Szenario könnte ein plötzlicher Temperaturanstieg, der durch eine vulkanogene Emission von Treibhausgasen ausgelöst wurde, dazu führen, dass eine große Menge Methanhydrat schmolz und eine riesige Menge an Methan (ein starkes Treibhausgas) direkt in die Atmosphäre eingebracht wurde. Dies würde einen weiteren Temperaturanstieg verursachen, wodurch noch mehr Clathrate schmelzen würden, und dies würde immer so weitergehen, bis die vorhandenen Clathrate aufgebraucht wären oder irgendein anderer einschränkender Mechanismus einsetzen würde (z.B. die Extraktion von Treibhausgasen aus der Atmosphäre aufgrund erhöhter Photosynthese-Raten, höchstwahrscheinlich durch marines Phytoplankton).
|181|Da Methanhydrat aus isotopisch leichtem Kohlenstoff besteht, wird dies von einigen Forschern als plausibler Mechanismus für das PETM-Ereignis angesehen. Sicher legen grobe Massenbilanzberechnungen und grobe Simulationen, die von der Verfügbarkeit einer großen Menge von Methanhydrat ausgehen, nahe, dass dieser Mechanismus prinzipiell funktionieren könnte (siehe Zachos u.a. 2005). Doch da Clathrat-Schmelze keine direkten stratigrafischen Nachweise hinterlässt, ist es gegenwärtig nicht möglich, zu wissen, ob die Annahmen, auf denen diese Berechnungen und Simulationen basieren, korrekt sind. Zusätzlich stellt sich die Frage, warum dieser Mechanismus zu keiner anderen Zeit in der Erdgeschichte eintrat. Vorerst sollte die Clathrat-Hypothese wahrscheinlich als ein interessanter Vorschlag betrachtet werden. Allerdings muss abgewartet werden, bis eine Möglichkeit entwickelt wurde, die Arbeitsweise dieses vermeintlichen Mechanismus im Einzelnen zu testen, bevor er als mögliche Ursache für die Abweichung der leichten Kohlenstoffsotopen zur Zeit des PETM (oder zu irgendeiner anderen Zeit) akzeptiert oder abgelehnt werden kann.
Wenngleich die Ursache des PETM fraglich bleibt, sind die Ursachen für die Eozän/Oligozän-Aussterben deutlich besser erforscht. Im Anschluss an das PETM trat das Klima der Erde in die wärmste Phase des gesamten Känozoikums und eine der wärmsten in der gesamten Erdgeschichte nach dem Proterozoikum ein. Dieses warme Intervall gipfelte im Untereozän, kurz vor einer anderen warmen Störung – dem Eozän-Temperaturmaximum 2 (ETM-2, vor etwa 53,7 Millionen Jahren). Dieses zweite Ereignis wurde unmittelbar durch den Ausstoß von isotopisch leichtem Kohlenstoff in die Atmosphäre verursacht, vermutlich durch dieselbe Art Mechanismus wie beim PETM-Ereignis. Nach dem Höhepunkt der Erwärmung im Untereozän (vor etwa 50 Millionen Jahren) durchlief das Klima des Planeten eine schleichende Abkühlung. Nachdem die Spitzenerwärmung einmal erreicht worden war, begannen in instabilen Zeiten im Abkühlungstrend die Aussterben, zuerst um die Zeit des Übergangs vom Unter- zum Mitteleozän (vor 48,6 Millionen Jahren) und später am Übergang vom Mittel- zum Obereozän (vor etwa 40,4 Millionen Jahren). Die Eozän/Oligozän-Grenze fällt mit einer Periode der Temperaturinstabilität zusammen, allerdings waren dieser bereits mindestens zwei frühere Unterbrechungen des allgemeinen Abkühlungstrends vorausgegangen. Dann, im frühen Oligozän, zeigt ein beträchtlicher Abfall der Sauerstoffisotopenwerte etwas an, das nur als die Bildung einer dicken und langlebigen Eiskappe über dem Südpol |182|interpretiert werden kann. Aber welche Faktoren verursachten die Temperaturinstabilitäten und die Formation der Eiskappe, die das globale Artensterben auslösten? Hierzu sind zwei Modelle vorgeschlagen worden, die beide letztlich plattentektonische und vulkanische Prozesse ins Spiel bringen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hängt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre von der Interaktion von Faktoren ab, die Gase in die Atmosphäre entlassen, und Faktoren, die Gase in natürlichen Speichern sammeln. Sehen wir von exotischen Faktoren wie Clathraten und/oder menschlicher Technologie ab, stellt der Vulkanismus den Hauptmechanismus für die Freisetzung von Gasen dar und die Speicherung in Sedimenten, Böden und/oder Pflanzenzellen/Skeletten den Hauptmechanismus für die Bindung von Gasen. Paläomagnetische Daten deuten darauf hin, dass die Frequenz der Ozeanbodenspreizung infolge veränderter Ausbreitungsrichtungen im Verlauf des Mittel- und Obereozäns abnahm. Ein Rückgang der Produktion neuer Kruste wäre vermutlich mit einem verringerten Vulkanismus an den mittelozeanischen Spreizungszentren einhergegangen und so mit einer Abnahme der Treibhausgase in der Atmosphäre. Unter der Voraussetzung, dass alle anderen Faktoren gleich bleiben, sollte diese Reduktion in der Entwicklung eines langfristigen Abkühlungstrends resultieren.
Die anderen Faktoren waren allerdings nicht gleich. Vom mittleren Eozän bis zum frühen Oligozän fanden noch mehrere andere große tektonische Ereignisse statt. Zum einen kollidierte die indische Platte mit der asiatischen Platte und zwang so den Himalaja, aus dem flachen Meeresarm zwischen den beiden Kontinenten aufzusteigen. Episoden der Gebirgsbildung erhöhen die Geschwindigkeit der physikalischen und chemischen Verwitterung, was wiederum CO2 aus der Atmosphäre zieht, da diese Verbindung mit neu freigesetzten chemisch reaktiven Mineralien reagiert. In diesem Prozess wird das aus der Atmosphäre entnommene CO2 zusammen mit dem CO2, das als Nebenprodukt der Photosynthese entsteht, schließlich in den Böden gespeichert. In den Ozeanen wird atmosphärisches CO2 vom Karbonatgestein aufgenommen, das sich aus den Überresten von Milliarden Mikrofossilienskeletten gebildet hat. Der Aufstieg des Himalaja und anderer Bergketten reduzierte den CO2-Gehalt der Erdatmosphäre gerade zu einer Zeit, als weniger CO2 durch vulkanische Prozesse in die Atmosphäre eingebracht wurde. Auch hier sollte ein langfristiger Abkühlungstrend die Folge sein.
Doch es gibt noch einen dritten Faktor zu berücksichtigen – Antarktika. Im frühen Eozän waren die Südspitze von Südamerika und die südliche Küste von Australien weiterhin mit Antarktika verbunden oder lagen zumindest ganz in der Nähe (siehe unten). Bei dieser Konstellation der südlichen Kontinente wären warme Oberflächenströmungen aus dem tropischen Atlantik und dem tropischen Pazifik an beiden Seiten Antarktikas entlanggeflossen und hätten tropische Wärme nach Süden transportiert. Diese warmen Oberflächenströmungen milderten die antarktischen Temperaturen und damit die des gesamten Globus. Da sich aber sowohl Südamerika als auch Australien im Verlauf des Eozäns nach Norden bewegten, wurden der Tasmanian Seaway und die Drake-Passage breiter und tiefer, und zwar so sehr, dass sich ein zirkumantarktischer Wirbel zu bilden begann. Im Laufe der Zeit wurde dieses Wasserband, das unaufhörlich die südlichsten Kontinente umkreiste, weniger anfällig für den Wärmetransfer der Ströme, die aus den niederen Breiten nach Süden flossen. Infolgedessen wurden die Temperaturen in Antarktika langsam kühler, bis die kalten polaren Bedingungen schließlich die Atmosphäre und die Ozeane und damit den ganzen Planeten abkühlten. Den aktuellen Sauerstoffisotopenbelegen zufolge scheint dieser langfristige Abkühlungstrend im mittleren Eozän begonnen zu haben.
Paläogeografie des Oligozäns (vor etwa 30 Millionen Jahren) mit den Positionen der kontinentalen Landmassen und Ozeanbecken.
|184|Mit der stetig zunehmenden Entfernung Südamerikas und Australiens von Antarktika wurde der Wirbel immer stärker und die Abkühlung des Kontinents immer intensiver, wodurch sich kontinentales Gletschereis bildete, der Meeresspiegel fiel und die planetare Albedo wuchs. All dies sind Faktoren, die bereits mit marinem wie mit terrestrischem Aussterben in Verbindung gebracht worden sind. Der Effekt verstärkte sich noch mit der Vertiefung der Tiefseepassagen, die sich zuerst zwischen Australien und Antarktika vollzog und später zwischen Südamerika und Antarktika.
Doch damit nicht genug: Als die Oberflächengewässer vor der Küste Antarktikas kälter wurden als die tieferen Wasser, begannen sie abzusinken, was eine Neuordnung der vertikalen und horizontalen Zirkulation der Meerwassermassen nach sich zog. Dies hatte zwei bemerkenswerte Effekte. Erstens begann nährstoffreiches Wasser vor der Küste Antarktikas an die Oberfläche zu steigen und die dort lebenden Organismen mit mehr Nahrungsressourcen zu versorgen. In der Folge kam es zu Phytoplanktonblüten und im Laufe der Zeit entwickelte sich ein vielfältiges Ökosystem mit allem, was dazugehört – angefangen bei zu den Protisten gehörenden Mikroalgen bis hin zu neuen Walarten, die an die neue Nahrungsquelle angepasst waren. Der Wettbewerb, den diese neuen Arten auslösten, setzte die archaischen Arten unweigerlich unter Druck und führte schließlich zu ihrem Untergang (z.B. die Archaeoceten).
Zweitens entwickelte sich im Zusammenhang mit tektonischen Ereignissen im Nordatlantik (z.B. der Untergang des Island-Färöer-Rückens) ein vollständiges vertikales Zirkulationssystem in den Meeresbecken – das globale Förderband (siehe S. 73). Dieses belüftete das Wasser der Ozeanbecken, veränderte die physikalischen Eigenschaften dieser Gewässer, öffnete neue Bereiche des Meeresbodens für die Besiedlung durch Organismen und übte, ebenfalls unweigerlich, Druck auf die Tiefseearten aus, die an die bislang herrschenden Bedingungen angepasst waren. All diese Effekte lassen umfangreiche Artensterben und damit einhergehende Neubesetzungen ökologischer Rollen durch neu auftretende Spezies erwarten.
Nichttektonischer Vulkanismus gehörte in Form der äthiopisch-jemenitischen magmatischen Provinz (siehe gegenüber) ebenfalls zur Geschichte des späten Oligozäns. Diese Eruptionen hatten ihr Zentrum auf der Afar-Mantelplume und begruben über einen Zeitraum von einer Million Jahren eine Fläche von rund zwei Millionen Quadratkilometern im heutigen Äthiopien, Jemen, Dschibuti, Saudi-Arabien, Sudan und Ägypten unter Lavafeldern. Dieser Prozess lief vor etwa 29,5 Millionen Jahren ab, was ungefähr dem Alter der Grenze zwischen frühem und spätem Oligozän entspricht und zeitlich nach der Abkühlung Antarktikas |185|und den Aussterbeereignissen des frühen Oligozäns liegt. Die äthiopisch-jemenitischen Eruptionen fallen annähernd mit einer Erhöhung der aus benthischen Foraminiferen erschlossenen Sauerstoffisotopenwerte zusammen, die wiederum das Einsetzen wärmerer globaler Temperaturen im gesamten späten Oligozän signalisieren. Dass solche massiven Vulkanausbrüche in Nordostafrika kein größeres Aussterben auslösten, könnte auf die Präsenz von Biota zurückzuführen sein, die bereits aus aussterberesistenten Arten bestanden, die gerade erst eine bedeutende globale Umweltstörung überlebt hatten.
Karte der äthiopisch-jemenitischen magmatischen Provinz (Lavafelder sind rot abgebildet).
Vor dem Abschluss der Diskussion der möglichen Ursachen des Eozän-Oligozän-Aussterbens soll an dieser Stelle noch die Idee erwähnt sein, dass auch ein Himmelskörpereinschlag an der EO-Grenze für einige oder sogar alle in diesem Intervall beobachteten Aussterbeereignisse verantwortlich sein könnte. Nachdem der ursprüngliche, 1980 vom Alvarez-Team veröffentlichte Artikel das Impaktszenario für das Aussterben im Maastrichtium bekannt gemacht hatte, begannen sich Gerüchte über andere Iridium-Anomalien zu verbreiten, die an anderen geologischen Grenzen, darunter der EO-Grenze, gefunden worden waren. Diese EO-Anomalie wurde später vom selben Team an die Öffentlichkeit gebracht, das schon die Iridium-Anomalie an der KT-Grenze entdeckt hatte. Die Eozän-Anomalie trat allerdings nicht an der EO-Grenze selbst auf, sondern in der Mitte des späten Eozäns. Genauer gesagt: Sie fällt mit keinem stratigrafischen Horizont zusammen, der mit einer großen Zahl von Artensterben in Verbindung gebracht werden könnte. Die Iridium-Anomalie des späten Eozäns war zudem deutlich kleiner als jene, die an der italienischen KT-Grenzschicht festgestellt wurde.
Später wurde der zu dieser Anomalie und anderen späteozänen Einschlagsrückständen gehörige Krater von einem Team aus Geowissenschafitlern entdeckt, das die geologische Struktur der Untergrundsedimente in der Chesapeake Bay an der Ostküste der USA untersuchte. Der Chesapeake-Bay-Krater wird auf eine Breite von 100 Kilometern und ein Alter von 35,5 Millionen Jahren geschätzt. Demnach muss der Impakt von beträchtlichem Ausmaß gewesen sein und den lokalen Bereich zum Zeitpunkt seines Auftretens umfassend zerstört haben. Dieser Krater und ein kleinerer Krater (mit 15 Kilometern Durchmesser) des gleichen Alters, der auf dem Festlandsockel vor dem Bundesstaat New Jersey entdeckt wurde, verstreuten Trümmer über eine Fläche, die sich von der Karibik nach Süden bis in den Südatlantik und nach Osten bis zum Indischen Ozean erstreckte. Im Jahr 1975 wurde in Sibirien ein dritter späteozäner Krater entdeckt: der Popigai-Krater. Dieser ist 90 Kilometer breit und wurde auf ein Alter von 35,7 Millionen Jahren geschätzt.
Diese drei Krater sind direkte Beweise für verheerende Störungen der Biosphäre, zumindest auf regionaler Ebene. Angesichts der Größe der Chesapeake- und Popigai-Krater und der Analogien, die nach David Raups Modell der Sterbekurve zu anderen Aussterben gezogen wurden (siehe gegenünber), sollte man eine signifikante Reduktion der bestehenden terrestrischen und marinen Arten erwarten. Aber wie wir gesehen haben, konnten Untersuchungen des Fossilienbestands diese Prognose nicht bestätigen. Die einzigen Artensterben, die offenbar mit der |187|späteozänen Iridium-Anomalie im Zusammenhang standen, waren jene von fünf Radiolarienarten, die aus Bohrkernen in karibischen Sedimenten geborgen wurden. Keines der inzwischen bekannten Artensterben, die am Übergang vom frühen zum mittleren oder vom mittleren zum späten Eozän stattgefunden haben, und erst recht keines der Artensterben, die mit den früholigozänen Temperatur- und Meeresspiegelrückgängen zusammenhingen, kann kausal mit irgendeinem der EO-Impakte in Verbindung gebracht werden. Die bezeichnende Tatsache, dass so große Impakte (anscheinend) auftreten und zu so geringen Artensterben führen können, wirft (für mich) Zweifel an der gesamten Theorie des Himmelskörperimpakts als eines einfachen Aussterbemechanismus auf.
Natürlich können kleine Vulkanausbrüche auftreten und tun es auch, die (anscheinend) keine größeren Aussterbeereignisse einleiten. Aber bei den Chesapeake- und Popigai-Kratern handelt es sich hinsichtlich ihrer Größe um keine kleinen Impakte – Popigai ist der viertgrößte bekannte Krater und Chesapeake einer der 15 größten Krater. Addiert man ihre Durchmesser, sind sie zusammen nur geringfügig kleiner als der Chicxulub-Krater. Mehr noch: Diese Impakte ereigneten sich im selben stratigrafischen Stadium, dem Priabonium, welches die letzte Stufe des Eozäns ist. Im Hinblick auf die Aussterbeintensität rangiert das späte Eozän dennoch nur an 58. Stelle der 77 Stufen-Unterteilungen in Sepkoskis Datenbank. Auf der Grundlage dieser (und anderer) Daten aus dem späten Eozän (siehe z.B. MacLeod 2004, 2005) glaube ich, dass die Annahme, ein großer Himmelskörperimpakt hätte zwangsläufig umfassende Aussterbeereignisse nach sich gezogen, im Licht einer wissenschaftlichen Prüfung der Beweise im Fossilbefund einfach nicht haltbar ist.
Sterbekurve von David Raup, die die Kratergröße und die Prozentzahl der getöteten Arten zueinander in Bezug setzt. (Neuzeichnung nach Raup 1992.)