4. „Sag mir quando, sag mir wann …“

Wie Gott uns zur richtigen Zeit zum richtigen Menschen führt

Als Claire Richardson herausfand, dass David Tate sie mochte und ihren Vater um die Erlaubnis gebeten hatte, mit ihr auszugehen, brach sie in Tränen aus.

Leider waren es keine Freudentränen!

Claire war stocksauer. Sie warf sich aufs Sofa, schlug mit den Fäusten auf die Polster ein und schrie: „Nein! Neinneinneinnein! Er macht alles kaputt! Ich will doch gar nichts von ihm! Oh, warum muss er alles kaputtmachen!?“

Ihre Reaktion irritierte ihre Eltern ein wenig. Da David und Claire sehr enge Freunde waren, hatten sie angenommen, dass Claire sich diese Möglichkeit zumindest einmal durch den Kopf gehen lassen würde. Aber Claire wusste schon sehr genau, wen sie wollte – und das war nicht David! Sie war verliebt in Neil und Neil mochte sie auch.

In Claires Kopf war kein Platz für eine Romanze mit David. Warum auch – David war ein guter Freund und sonst nichts. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihn zu küssen, geschweige denn ihn zu heiraten! Er war wie ein Bruder für sie. Jetzt, nach dieser blöden Frage, würde ihre Freundschaft nicht mehr so sein wie vorher! Warum hatte er das bloß gemacht?

Sie musste nicht einmal darüber beten, sondern konnte ihren Eltern sofort sagen, dass eine Beziehung mit David nicht in Frage kam.

Unser wahrer Zustand

Was, wenn das Mädchen deines Herzens auf deine Offenbarung so reagieren würde wie Claire auf Davids? Was tust du, wenn der Falsche kommt und um dich wirbt? Oder wenn es der Richtige nicht tut?

Die Frage, wann und mit wem wir eine Beziehung anfangen, kann verwirrend und unbequem sein. Die meisten von uns würden sie sich lieber nicht stellen. Blind auf Gottes Führung zu vertrauen ist nicht so unser Ding. Am liebsten hätten wir es, wenn alles Unbequeme und jedes Risiko einfach entfallen würde. Bevor wir irgendwie entscheiden, soll Gott bitte schön die Situation kristallklar machen!

Siehst du das Problem? Wir denken: „Okay, Gott, sag mir wer, sag mir wo, sag mir wie, sag mir wann – und dann vertraue ich dir!“ Gott möchte aber, dass wir ihm nicht nur so ein Pseudo-Vertrauen entgegenbringen, sondern echtes! Wir wollen Sicherheiten, um uns nicht verletzlich, schwach und von ihm abhängig zu fühlen. Aber nur, wenn wir erkennen, dass wir genau das sind – verletzlich, schwach und von ihm abhängig –, kann Gott uns seine Stärke und Liebe zeigen.

In diesem Kapitel soll uns die Geschichte eines Paares dabei helfen, ein paar Prinzipien zu verstehen, die uns bei den Fragen nach dem Wie, dem Wann und dem Wer weiterbringen können. Aber vor allem hoffe ich, dass dir diese Geschichte deutlich macht, dass das Leben eine Reise ist, die man nicht durch das Lesen eines Buches umgehen kann. Was du hier liest, kann dir helfen, aber die speziellen Fragen deines Lebens musst du schon selber durchackern!

Nun aber zur Geschichte von David und Claire. Deine eigenen Erfahrungen sind wahrscheinlich anders als ihre, aber wenn du liest, wie Gott in ihrem Leben gehandelt hat, hoffe ich, dass du von seiner Treue, seiner Kreativität und seinem optimalen Timing ermutigt werden wirst.

Alles senkrecht?

David rief Claire ein paar Tage nach dem Gespräch mit ihren Eltern an. Er wusste nichts von ihrer, nun ja, sagen wir mal, negativen Reaktion auf seine Anfrage, aber selbst am Telefon merkte er schon, dass Claire alles andere als begeistert war. Er beschloss trotzdem, das Beste zu hoffen und fragte sie, ob sie sich einmal treffen und in aller Ruhe miteinander unterhalten könnten.

Obwohl Claire höflich zustimmte, kannte sie ihre Antwort schon sehr genau: „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, mehr als nur Freund mit ihm zu sein.“ Sie versuchte deswegen zu beten, aber ihre Gebete waren eher halbherzig. „Herr, wenn es dein Wille ist, dass David und ich ein Paar werden, dann verändere mein Herz … aber bitte mach, dass es nicht dein Wille ist!“

Sie fühlte sich schlecht. Ihr war klar, dass David nicht mal einfach so zu ihren Eltern gegangen war. Er ist kein sorgloser Typ; er ist nachdenklich, methodisch und beständig. Das zeigt sich auch an seinem Äußeren: Sein schwarzes Haar ist immer gut geschnitten und gestylt, seine Klamotten ordentlich und schnieke. Er bereut noch heute, dass seine Freunde einmal rausgefunden haben, dass er seine T-Shirts alphabetisch geordnet hat. „Hey, David, kannst du mir mal ein T-Shirt ausleihen?“, ziehen sie ihn hin und wieder einmal auf. „Ein blaues K wäre super.“

Du kannst dir sicher vorstellen, dass sich ein Typ, der seine T-Shirts durchalphabetisiert, ziemlich genau überlegt, welches Mädchen seine Herzensdame werden soll. Und David hatte es sich sehr genau überlegt! Er wollte, so sagte er, ganz sicher sein.

Er betete beständig darüber. Er hatte eingehend über sich und seine Lebenssituation nachgedacht und mit seinen Eltern und seinem Pastor darüber geredet. Er hatte sich sogar eine lange Liste mit Fragen aufgeschrieben, die ihm entscheiden helfen sollten, ob es für ihn an der Zeit war, an eine Ehe zu denken:

Bin ich bereit dazu, meine Frau auch geistlich zu leiten und ihr in jeder Hinsicht zu dienen?

Habe ich einen gefestigten Charakter und entwickle ich mich geistlich weiter?

Wem und wofür bin ich verantwortlich?

Inwieweit bringe ich mich in die Gemeinde ein? Was sind meine geistlichen Gaben? Was sind ihre?

Sind meine Motive, eine Ehe anzustreben, eigensüchtig oder machen sie Gott Ehre?

Kann ich uns finanziell versorgen?

Was sagen meine Eltern und mein Pastor zu der Idee?

David betete immer wieder in Bezug auf diese Fragen und dachte viel über Claire nach. Abgesehen davon, dass sie ihm unheimlich gut gefiel, wusste er auch, dass sie eine wirklich tief gläubige Person war und Gott von ganzem Herzen liebte. Alles fügte sich so gut zusammen und David war zuversichtlich, dass es Gottes Wille war, dass er den nächsten Schritt wagte.

Also war er zuerst zu Mr. Richardson, Claires Vater, gegangen. Er wusste, dass Claire niemals eine Beziehung eingehen würde, die ihre Eltern nicht bejahten. Davids Gespräch mit Claires Vater war ganz gut verlaufen, aber auch ein bisschen rätselhaft. Mr. Richardson hatte gesagt, dass er David seinen Segen geben würde, dass aber bereits ein anderer junger Mann aufgekreuzt sei. „Trotzdem“, hatte Mr. Richardson erklärt, „denke ich, dass du Claire wissen lassen solltest, was in dir vorgeht. Ich weiß nicht, was Gottes Wille in dieser Angelegenheit ist, aber er wird es euch schon zur richtigen Zeit mitteilen. Wir werden Claire von diesem Gespräch erzählen und dann kannst du sie ja mal anrufen.“

Und dann hatte Mr. Richardson etwas gesagt, das David die nächsten zwei Jahre beschäftigen würde: „Frag sie … aber gib dich nicht mit ihrer ersten Antwort zufrieden!“

Was sollte das denn nun heißen?

Acht Wochen Schweigen

Offensichtlich hatte Mr. Richardson schon so ein Gefühl gehabt, dass seine Tochter sich nicht sofort für den Gedanken an eine Beziehung mit David erwärmen würde. Und wie man aus ihrem Sofaprügeln schließen konnte, hatte er ganz Recht.

Als David sich mit Claire zum Abendessen traf, hörte sie ihm schweigend zu, als er ihr erzählte, was sie ihm bedeutete und wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte. Ihm war klar, dass sie ihn nur als guten Freund sah, und er verlangte nicht mehr von ihr, als dass sie über die ganze Sache nachdenken und beten würde.

An diesem Punkt hatten sie bereits ihr erstes größeres Missverständnis. Aus irgendwelchen Gründen ging Claire in der Annahme nach Hause, David hätte verstanden, dass sie nichts von ihm wollte, während David davon ausging, dass sie intensiv über eine mögliche Beziehung mit ihm nachdenken und beten und sich dann bei ihm melden würde.

Was folgte, waren zwei Monate der totalen Funkstille zwischen ihnen – acht lange Wochen, in denen Claire richtig sauer auf David wurde, weil er ihre schöne Freundschaft „ruiniert“ hatte und in denen David richtig sauer auf Claire wurde, weil sie ihn hängen ließ und keine klare Antwort gab.

„Es war furchtbar“, erinnert sich Claire. „Ich war so sauer auf ihn und damit er nicht dachte, ich hätte meine Meinung geändert, war ich auch noch total unhöflich und ignorierte ihn komplett.“

Sie nahmen an den gleichen Veranstaltungen der Gemeinde teil und spielten auch zusammen im Musikteam, aber sie redeten kein Wort miteinander. David nahm an, dass das wohl bedeutete, ihre Antwort sei Nein, aber er fand es ziemlich blöd, dass sie ihm das nicht einfach sagte. Ihre ursprünglich richtig gute Freundschaft war einfach hinüber.

Wer weiß, wie lange das noch so weitergegangen wäre, wenn Gott sich nicht eingemischt hätte. Eines Sonntags ging es in der Predigt darum, wie Bitterkeit die Gemeinschaft zwischen Christen zerstören kann. Claire saß in der Reihe hinter David und sie wusste, dass Gott sie ganz persönlich ansprach. Nach dem Gottesdienst nahm sie David beiseite und entschuldigte sich tränenreich bei ihm. „Es tut mir so leid, wie ich mich in den letzten Wochen dir gegenüber verhalten habe“, sagte sie. „Ich bin bitter gewesen und habe dich ganz bestimmt nicht wie einen Bruder behandelt. Ich hab dich einfach ausgebremst und bin der Situation ausgewichen. Kannst du mir bitte verzeihen?“

Auch Davids Augen füllten sich mit Tränen.

„Als ich das sah, merkte ich erst, wie sehr ich ihn verletzt hatte“, sagt Claire.

David war erleichtert, aber ihm wurde auch etwas klar: „Als sie sich bei mir entschuldigte, kapierte ich, dass ich mich ihr gegenüber auch nicht besser verhalten hatte. Ja, ich war der Meinung, dass sie mich hatte hängen lassen. Aber Gott zeigte mir in diesem Moment, dass auch ich bitter gewesen war. Statt zu ihr hinzugehen und sie zu fragen, was denn nun aus uns wird, hatte ich genauso geschwiegen wie sie und mich ihr gegenüber nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Deshalb bat ich sie dann ebenfalls um Verzeihung.“

Von diesem Tag an wurde ihre Freundschaft noch tiefer als vorher. Doch natürlich war es nach wie vor verwirrend und frustrierend für David, dass Claire sich absolut nichts darüber Hinausgehendes vorstellen konnte. Warum hatte er das deutliche Gefühl, dass Gott eine Beziehung zwischen ihm und Claire wollte, wenn sie das aber gar nicht so sah? Er hatte doch alles richtig gemacht. Er hatte einen guten Job, fühlte sich emotional und geistlich reif und alle um ihn herum sagten das auch. Was war denn noch das Problem?

David sprach mit seinem Pastor Kenneth über die Situation, der sich seinen Frust geduldig anhörte. „David, ich denke, du hast dich vielleicht zu sehr in diese Ehe-Idee verrannt.“

„Nein! So ist es nicht“, widersprach David. „Ich habe meine Gefühle immer wieder geprüft und eigentlich war ich als Single ja auch ganz glücklich.“

„Das ist gut“, sagte Kenneth. „Aber sieh doch nur, wie du auf ihren Korb reagiert hast! Du bist richtig sauer gewesen. Deshalb denke ich, dass du vielleicht ein bisschen zu sehr heiraten willst. Diese Idee ist ein kleiner Ersatzgott für dich geworden und als du nicht bekommen hast, was du wolltest, wurdest du prompt bitter.“

Johannes Calvin hat einmal geschrieben: „Das Böse in unseren Begierden liegt meist nicht in dem, was wir wollen, sondern darin, dass wir es zu sehr wollen.“

David sah seinen Fehler ein. Die Ehe selbst war eine gute Sache, aber er hatte sich zu sehr darauf versteift. Er hatte seine ganzen Hoffnungen in diese Beziehung mit Claire gelegt, anstatt Gott zuzutrauen, dass er für ihn sorgte.

Erstens kommt es anders …

Zwei Jahre vergingen. In dieser Zeit warf David das eine oder andere Auge auf andere Mädchen und eine fragte er sogar, ob sie sich eine Beziehung mit ihm vorstellen könnte. Sie sagte ebenfalls Nein! „Das war der zweite schwere Schlag für mein Selbstbewusstsein“, lacht David.

An einen zweiten Versuch mit Claire dachte David dann auch nicht mehr. Ihre Freundschaft war super und er hatte kein Interesse daran, sie erneut zu gefährden. Außerdem ging er davon aus, dass sie immer noch in Neil verliebt war.

Aber David wusste nicht, dass Gott die Beziehung zwischen Neil und Claire zu einem natürlichen Ende brachte. „Wir merkten beide, dass es für uns nicht das Richtige war“, erklärt Claire. Sie und Neil unterhielten sich lange und beschlossen dann, dass zwischen ihnen nichts mehr laufen würde.

Es war nicht einfach für Claire, ihre Gefühle für Neil loszulassen. Ihr Pastor riet ihr: „Du musst die Art verändern, wie du über Neil denkst. Dann werden deine Gefühle schon folgen!“

„Das war genau das Richtige“, sagt Claire. „Zwei Jahre lang hatte ich Neil als meinen zukünftigen Ehemann betrachtet, nicht einfach als einen Bruder im Herrn. Ich musste meine Denkweise erneuern und meine Ansprüche auf ihn loslassen. Wenn die alten Gefühle dann wieder in mir hochkamen, konnte ich sie meist ganz gut abfangen, indem ich an meinen Gedanken arbeitete.“

Natürlich veränderten sich die Dinge nicht über Nacht, aber ganz langsam tat sich etwas an Claires Gefühlen für Neil. „Gott machte mir klar, dass er, wenn die Beziehung zu Neil nicht sein Wille war, mir schon helfen würde, mein Herz zu verändern. Und das tat er auch.“

Und ein paar Monate später passierte etwas höchst Erstaunliches. Claire begann sich zu David hingezogen zu fühlen! Sie bemerkte, dass er bescheiden und einsatzbereit war und dabei eine natürliche Leiterbegabung besaß. Was sie für ihn empfand, unterschied sich aber deutlich von ihren bisherigen „Verliebtheiten“.

„Ich hatte bis dahin immer gedacht: ‚Hey, der gefällt mir!‘ Bei David dachte ich: ‚Hey, das ist ein Mann, dem ich folgen könnte!‘“

Doch zunächst wollte sich Claire noch nicht zu große Hoffnungen machen. Nach allem, was zwischen ihnen passiert war, wagte sie zu bezweifeln, dass David auf einen zweiten Versuch besonders scharf war …

… und zweitens als man denkt!

David bekam von diesen Veränderungen bei Claire nichts mit. Aber eins wusste er – er empfand noch immer eine ganze Menge für diese Frau! Er dachte auch noch oft an Mr. Richardsons mysteriöse Bemerkung: „Gib dich nicht mit ihrer ersten Antwort zufrieden!“ Sollte er vielleicht einen zweiten Versuch wagen? Und riskieren, ihre Freundschaft diesmal endgültig zu zerstören?

Während er diese Gedanken wälzte, stellte David erstaunt fest, dass er es nicht eilig hatte. Gott hatte ihn verändert. Obwohl er es nicht unbedingt mitbekommen hatte, hatte Gott einiges in ihm bewirkt. Er hatte gelernt, Gott mehr zu vertrauen als seinen eigenen Plänen. David, der ordnungsliebende Typ, brachte seine Anliegen jetzt einfach zu Gott und überließ es ihm, was er damit anstellte.

Ein Schlüsselvers für ihn war Philipper 4,6–7: „Macht euch keine Sorgen, sondern wendet euch in jeder Lage an Gott und bringt eure Bitten vor ihn. Tut es mit Dank für das Gute, das er euch schon erwiesen hat. Der Frieden Gottes, der alles menschliche Begreifen weit übersteigt, wird euer Denken und Wollen im Guten bewahren, weil ihr mit Jesus Christus verbunden seid.“

Seine Gebete bezüglich einer Beziehung und Ehe waren jetzt ganz anders als früher: „Gott, ich möchte mir in diesem Bereich meines Lebens keine Sorgen machen. Ich bringe meine Bitte vor dich. Ich würde gern heiraten und du weißt ja, an wem ich interessiert bin. Aber ich vertraue dir und deinem Wort, in dem steht, dass dein Friede, der alles menschliche Begreifen übersteigt, mein Denken und Wollen im Guten bewahren wird. Ich will diesen Frieden und nicht den, den ich mir selbst zu schaffen versuche!“

Eine Tages betete David auf seiner einstündigen Fahrtstrecke zur Arbeit: „Herr, was ist dein Zeitplan für mich? Wann soll ich eine Beziehung eingehen?“

Während er das aussprach, wurde David klar, dass er zum ersten Mal bei dieser Frage nicht an ein bestimmtes Mädchen dachte. Er hatte Claire endlich losgelassen. „Für mich war das der Beweis, dass Gott mich verändert hatte“, sagt David. „Ich bat ihn, mir nicht nur zu zeigen, wann es so weit war, sondern auch, wer die Richtige war.“

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Für David und Claire kam der richtige Moment auf einer gemeinsamen Reise. Sie fuhren mit 25 anderen jungen Leuten zu einem Einsatz nach Chicago, um dort beim Aufbau einer neu gegründeten Gemeinde zu helfen und Missionseinsätze zu machen.

Am Abend, bevor sie losfuhren, führte David mit seinen Eltern noch ein längeres Gespräch, das unerwarteterweise auch auf das Thema Ehe kam. Seine Eltern fragten ihn, ob er schon ein bestimmtes Mädchen im Auge hätte. Scherzhaft meinte sein Vater zu ihm: „Sohn, du musst langsam mal loslegen!“

„Loslegen“ – mit diesem Wort in seinen Ohren machte sich David auf den Weg nach Chicago. Hatte Gott vielleicht durch seine Eltern gesprochen oder war das nur normale elterliche Besorgnis und der Wunsch nach Enkelkindern gewesen?

An einem Abend in Chicago saß er noch mit Amy und Nicole zusammen, zwei Mädchen, mit denen er schon seit Ewigkeiten befreundet war. Zu seiner Überraschung entwickelte sich auch dieses Gespräch zu einer Unterhaltung über das Thema Ehe.

„Hast du schon jemand Bestimmtes im Auge?“, fragte Nicole David und kicherte über ihre eigene Kühnheit. Sie und Amy hatten keine Ahnung, wie gewichtig ihre nächste Bemerkung für David war: „David, du weißt, dass wir dich unheimlich gern haben. Wir … na ja, weißt du, wir haben echt das Gefühl, dass du langsam mal loslegen solltest!“

David konnte kaum glauben, dass die beiden Freundinnen exakt die Worte seiner Eltern wiederholten. Er erzählte ihnen, dass er solo ganz zufrieden wäre, dass er keine Eile hätte und dass alles ganz okay war, wie es gerade war. Während er sprach, merkte David, dass das auch tatsächlich stimmte! Er erzählte nicht nur irgendwas, sondern er war wirklich zufrieden und im Frieden mit sich selbst.

Und plötzlich spürte David ganz deutlich, dass Gott ihm einen kleinen Schubs gab und ihn ermunterte, der Sache mit Claire eine zweite Chance zu geben.

Noch ein Versuch

David wählte den letzten Abend des Einsatzes zum Handeln. Die Gruppe machte noch einen abschließenden Spaziergang durch die Stadt und David wollte sein Gespräch mit Claire auf einer bestimmten Brücke über den Chicago River führen. Er ließ sich zum Ende der Gruppe zurückfallen und fand dort zu seiner Freude auch Claire.

Als sie die Brücke erreichten, sagte er: „Claire, kann ich dich mal für einen Moment sprechen?“

„Klar“, sagte sie etwas erstaunt. Er wirkte so ernst.

Sie ließen die anderen etwas vorgehen.

„Meine Güte, ich kann gar nicht glauben, dass ich das hier tue … schon wieder!“, lachte David.

Claire hielt den Atem an. Meinte er etwa …. Nein, das konnte nicht sein!

David fing an und benutzte jede Verzögerungstaktik, die ihm einfiel: „Ich habe mich gefragt, ob … ob du dir vorstellen könntest, möglicherweise darüber nachzudenken, ob die eventuelle Aussicht besteht, dass du vielleicht auch im Gebet abwägen könntest, mit … mit mir eine Beziehung einzugehen?“

Bevor Claire überhaupt irgendwie reagieren konnte, beeilte er sich hinzuzufügen, dass sie natürlich keinerlei Verpflichtung hätte, ihm zu antworten, und dass es völlig in Ordnung sei, wenn sie kein Interesse hätte, und dass er immer und unter allen Umständen ihr Freund sein würde … sie könnte sich alle Zeit der Welt lassen mit ihrer Antwort und sie könnte …

„Kann ich auch gleich jetzt antworten?“, gelang es Claire schließlich dazwischenzuquetschen.

„Natürlich!“

„Meine Antwort ist Ja“, sagte sie.

Da stand er nun, mit laut pochendem Herzen mitten auf der Brücke über den Chicago River, und alles, was David zu sagen einfiel, war: „Cool!“

Beim dritten Versuch hatte er einen Volltreffer gelandet.

Learning by doing

Ich sehe viele lernenswerte Dinge in der Geschichte von David und Claire. Am besten führe ich mal auf, welche ich für die wichtigsten halte:

Gott ist an der Reise genauso interessiert wie am Ziel

David wollte prüfen, ob er für eine Ehe bereit war; Gott wollte Dinge aufdecken, die bei ihm noch nicht geklärt waren. Claire wollte, dass Gott ihre Wahl (Neil) absegnete; Gott wollte, dass sie ihm ihre Gefühle auslieferte.

Es ist eine ganz verkehrte Sichtweise, wenn wir den Entscheidungsprozess bezüglich des Wie, Wann und Wer als etwas einordnen, das man nur möglichst schnell hinter sich bringen muss, um dann in den Hafen der Ehe einzuschippern. Gott hat es nicht eilig. Seine Interessen beschränken sich nicht darauf, uns unter die Haube zu bringen – er möchte den Weg dahin mit all seinen Fragen und Unsicherheiten benutzen, um uns zu verändern, unseren Glauben zu stärken und uns rundum ein Stückchen näher zu sich zu ziehen.

Entscheidungssituationen sollte man nicht zu sehr vergeistlichen

Gott benutzte ziemlich praktische Dinge, um David zu leiten: eine ehrliche Bestandsaufnahme seiner eigenen „Ehetauglichkeit“, die Gespräche mit Claires Vater, die Ermutigung seiner Eltern und Freunde und seinen eigenen inneren Frieden bezüglich der Entscheidung, Claire ein drittes Mal zu fragen.

C. S. Lewis hat einmal an einen Freund geschrieben: „Ich bezweifle nicht, dass der Heilige Geist unsere Entscheidungen von innen her leitet, wenn wir sie in dem Wunsch treffen, Gott zu gefallen. Ein Irrtum wäre es hingegen zu glauben, dass er ausschließlich in unserem Inneren spricht, während er doch in Wahrheit durchaus auch durch die Bibel, durch die Gemeinde, durch christliche Freunde, Bücher und anderes redet.“

Man sollte natürlich auch die Schritte nicht zu sehr vergeistlichen, die wir machen müssen, um eine Entscheidung zu treffen. Gott weiß alles. Er weiß, wen wir heiraten werden, noch bevor wir ihn oder sie überhaupt getroffen haben. Das heißt aber nicht, dass es unsere Aufgabe ist, mühsam herauszufinden, was er bereits weiß, oder uns zu sorgen, dass wir vielleicht seinen guten Plan verpassen könnten. Unsere Aufgabe ist es, ihn zu lieben, sein Wort zu studieren, unsere Beziehung mit ihm zu vertiefen und unsere Entscheidungen im Licht biblischer Weisheit treffen zu lernen. Wenn wir das alles tun, können wir in dem sicheren Wissen entscheiden, dass wir auf keinen Fall irgendwie Gottes Willen verfehlen.

Natürlich werden wir immer mal Fehler machen oder total daneben greifen. Aber diese Möglichkeit sollte uns nicht völlig lahm legen. Obwohl es sicher nicht einfach für David war, benutzte Gott Claires erste Ablehnung zu ihrer beider Vorteil. Gott wirkt durch unsere Entscheidungen und Taten – und zwar auch, wenn sie falsch sind! – und lässt sie uns „zum Besten dienen“!

Auf keinen Fall ist es irgendwie „christlich“ oder ein Zeichen von besonderer geistlicher Reife, wenn man einfach nur rumsitzt und wartet, dass Gott einem den Partner fürs Leben in den Schoß fallen lässt. Mangelnde Initiative ist nicht dasselbe wie Geduld und Angst nicht dasselbe wie Weisheit!

Unser verklärtes Idealbild vom Traumpartner unterscheidet sich oft drastisch von dem, was Gott für wichtig hält

Meine Lieblingsstelle in Davids und Claires Liebesgeschichte ist die, wo Claire anfängt, sich in Davids Charakter zu verlieben – nicht in sein Aussehen oder seinen Charme, sondern seine geistlichen Eigenschaften. Zuerst passte David nicht in ihr Bild vom idealen Partner, aber dann fiel ihr so einiges wie Schuppen von den Augen.

Claires Erfahrung ist eine gute Gedächtnisstütze für uns: Wir sollten unsere Kriterien für einen Partner überprüfen und sehen, ob sie mit Gottes Kriterien übereinstimmen. Die erste und wichtigste Frage ist diesbezüglich, ob unser Traumpartner Christ ist. Aber das ist noch nicht alles, was zählt. Gott und die Beziehung zu ihm muss für unseren Traummann oder unsere Traumfrau allererste Priorität haben.

Warum das so wichtig ist? Weil nur so jemand sich wirklich von Grund auf von Gott beeinflussen und verändern lässt. Nur ein Mensch, der Gott von ganzem Herzen liebt, lässt ihm genug Raum in seinem Leben und wird ihm tatsächlich immer ähnlicher. Und glaub mir, das ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Ehepartner überhaupt nur haben kann!

Ein zweites Ja

Die Prüfungszeit ist für ein Pärchen die Gelegenheit, sich näher kennenzulernen und zu sehen, wie sie gemeinsam „funktionieren“. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, ist diese Zeit keine Art von „Vorverlobung“. Es geht vielmehr darum, die Möglichkeit einer Heirat abzuwägen und eine weise Entscheidung zu treffen.

Manche solcher Prüfungszeiten enden damit, dass zwei Leute merken, dass sie einfach nur Freunde bleiben sollten. Bei David und Claire mündete diese Zeit aber darin, dass zwei Freunde sich entschlossen, Eheleute zu werden. Claire sagte ein zweites Mal Ja, als David sie an Heiligabend fragte, ob sie ihn heiraten wollte.

Ich war zu ihrer Hochzeit eingeladen. Es war ein tolles Fest mit einem spektakulären Abschluss: David hatte einen Hubschrauber gemietet, der hinter der Kirche landete und die beiden zu ihrem Hotel brachte. Das nenne ich mal einen dramatischen Abgang!

Während ich mit den anderen Gästen zusah, wie der Helikopter abhob, staunte ich mal wieder über Gottes Freundlichkeit. Der Junge, der zwei Körbe hatte einstecken müssen, hielt nun die Hand seiner Braut. Das Mädchen, das vor Wut die Kissen geprügelt hatte, weil David Tate mehr von ihr wollte als Freundschaft, flog nun bis über beide Ohren verliebt mit ihm in den Sonnenuntergang.

In der Trauungszeremonie hatte Claire eine Stelle aus ihrem Lieblingsbuch „Anne auf Green Gables“ vorgelesen, die perfekt zu ihren eigenen Erfahrungen passte:

Vielleicht platzte die Liebe ja doch nicht mit Pomp und Trara in unser Leben, preschte nicht wie ein stolzer Ritter auf weißem Ross einher; vielleicht ging sie ganz unauffällig an unserer Seite wie ein alter Freund. Vielleicht zeigte sie sich in Prosa, die ganz plötzlich von einem hellen Lichtstrahl angeleuchtet ihren Rhythmus und ihre Musik preisgab; vielleicht … vielleicht … entfaltete sich die Liebe ganz natürlich aus einer schönen Freundschaft heraus, wie eine goldene Rose, die sich langsam aus ihrer grünen Knospe stiehlt …

Vielleicht entdecken wir nach all unseren Sorgen und Fragen, dass Gott die ganze Zeit das Richtige für uns zur richtigen Zeit bereitgehalten hat. Vielleicht ist sein Plan viel wunderbarer als alles, was wir uns selbst ausdenken konnten – ganz egal, ob er letztlich mit „Pomp und Trara“ kommt oder „wie ein alter Freund“!

Vielleicht … vielleicht … sollten wir unsere Fragen nach dem „Wie“ und dem „Wer“ und dem „Warum“ einfach seiner liebevollen Fürsorge überlassen …