Keller gehört, als einer der größten Epiker des 19. Jahrhunderts, der Weltliteratur an. Daß er internationale Geltung noch nicht oder höchstens teilweise besitzt, ändert am objektiven Tatbestand nichts. Es scheint aber heute an der Zeit zu sein, Kellers Lebenswerk von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten und den ihm zukommenden historischen Platz inmitten der wirklichen Größen der Weltliteratur zu bestimmen. Das Ziel dieser Betrachtungen steht im bewußten Gegensatz zu den meistens lokal deutschen oder schweizerischen Würdigungen Kellers.
Die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Klassiker der Demokratie hat aber heute noch eine besondere Aktualität. Der Mißbrauch aller einst revolutionären demokratischen Ideale für die Interessen des Imperialismus rückte zwangsläufig alle Schranken der bürgerlichen Demokratie in eine besonders grelle Beleuchtung. Es ist jedoch gerade in dieser Lage lehrreich und nützlich, sich mit den ehrlichen und bedeutenden Vertretern der Demokratie vergangener Perioden eingehend zu beschäftigen. Ihr Beispiel, ihre gedankliche, sittliche und künstlerische Kultur ist eine offenkundige Entlarvung der Verkommenheit und Barbarei der gegenwärtigen niedrig-selbstsüchtigen Imperialisten, bei denen das Wort Demokratie zur heuchlerischen und hohlen Phrase wurde. Derartige Untersuchungen führen zugleich das Erbe unserer Klassiker an seine eigentliche Heimstätte zurück; zum befreiten Volk von heute, das jeden echten Freiheitskämpfer als seinen eigenen Ahnen liebt und ehrt.