Hauptakteure in der Offshore-Welt sind Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Juristen, Banken und Regierungen. Sie schmieden die Steuerkonstrukte, die es Unternehmen und Vermögenden möglich machen, Steuern zu vermeiden. Globalisierung und technischer Fortschritt haben dies zusätzlich erleichtert.
Wirtschaftsprüfer/Steuerberater: Vor allem die Wirtschaftsprüfer haben sich zunehmend zu global tätigen Unternehmen zusammengeschlossen. Sie müssen in der Lage sein, internationale Konzerne, die zu ihren Kunden zählen, nach den Vorschriften verschiedener Industrieländer zu prüfen. Weltweit führend sind: PricewaterhouseCoopers (PwC), Deloitte Touche Tohmatsu, KPMG sowie Ernst & Young. Jede dieser Kanzleien ist zurzeit in mindestens 139 Ländern aktiv. Alle vier Wirtschaftsprüfungsfirmen sind in den wichtigsten Steueroasen vertreten. Jede der vier hat in den letzten Jahrzehnten stark zur Förderung und Entwicklung von Steueroasen und Offshore-Finanzplätzen beigetragen.
Natürlich sind es nicht nur diese Unternehmen, die die Kultur der Steuervermeidung fördern oder die Nutzung von Steueroasen vorschlagen. Ihre Mitglieder dominieren aber die Verwaltung der meisten professionellen Fachverbände von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirmen weltweit. Und keiner dieser Fachverbände hat bislang die Nutzung von Steueroasen, die aggressive „Steueroptimierung“ oder die Unterstützung regelwidriger Steuervermeidungsmaßnahmen durch Verbandsmitglieder verurteilt.
Juristen: Schlüsselpositionen bei der Schaffung von Steuerkonstrukten nehmen häufig auch Juristen ein. Sie sind beispielsweise in Ministerien tätig, wo Gesetze formuliert werden. Und manche dieser Gesetze schaffen bewusst eine Steuerungerechtigkeit, in der Hoffnung, dem jeweiligen Land einen Vorsprung im internationalen Steuerwettbewerb zu verschaffen – mit dem einfachen Ziel, Unternehmen und Vermögen von Privatpersonen anzuziehen. Daneben sind Juristen von Unternehmen und großen internationalen Anwaltskanzleien ständig darum bemüht, unter Ausnutzung aller noch so legalen Möglichkeiten die Steuerzahlungen von Unternehmen zu reduzieren.
Dazu setzen sie Geschäftsverträge für die Nutzung von Steueroasen auf, verfassen Treuhandverträge und andere Dokumente, mit denen es dann in der Praxis zu Missbrauch kommen kann. Und schließlich agieren sie häufig selbst als Strohmänner, um die Rollen der Vorstände und Anteilseigner der Firmenkonstrukte in Steueroasen auszufüllen.
Banken: Die Welt der Offshore-Finanzzentren und Steueroasen und des damit verbundenen Steuermissbrauchs ist ohne Banken nicht denkbar. Dabei tendieren die Finanzinstitute dazu, sich besonders in Steueroasen anzusiedeln, die in geografischer Nähe zu den Gebieten liegen, in denen sie selbst tätig sind. So ziehen die Cayman Islands vor allem südamerikanische Banken an, auf Bermuda und den Bahamas sind viele US-Banken präsent, auf den Channel Islands haben vor allem britische und europäische Geldhäuser Niederlassungen, nach Luxemburg zieht es besonders deutsche Banken (auch öffentliche), in der Pazifikregion sind es meist australische und neuseeländische Banken. Denn Anleger legen in Offshore-Gebieten Geld bei den Banken an, die sie kennen und denen sie vertrauen. Aus diesem Grund spielen die führenden Banken eine der Hauptrollen in der Offshore-Welt.
Von großer Bedeutung ist die Finanzindustrie aber auch bei der aggressiven Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Die Banken der Schweiz stehen exemplarisch dafür. Ihre Kundenpolitik war in den letzten ein, zwei Jahrzehnten vor allem auf Steuervermeidung und Steuerhinterziehung ausgerichtet. Den Kunden wurden wissentlich Mittel bereitgestellt, um Steuervermeidungs-Transaktionen überhaupt erst möglich zu machen. Aber auch die Deutsche Bank hat in der Vergangenheit bewusst Steuersparprodukte von KPMG finanziert. Und JPMorgan Chase & Co. und Citigroup wurden im Enron-Skandal unter anderem beschuldigt, für die Finanzierung der Machenschaften des Konzerns durch eigens für das Kanalisieren von Offshore-Geldern gegründete Zweckgesellschaften (sogenannte Special Purpose Vehicles) verantwortlich zu sein.
Regierungen: Die Regierungen der Steueroasen tragen ebenfalls einen Teil der Verantwortung für die Steuer-Ungerechtigkeit. Sie alle haben auf ihre Art zur Schaffung eines Systems beigetragen, das eine ungleiche Vermögensverteilung in der Welt fördert. Dabei sehen manche Mini-Steueroasen heute keinen Ausweg aus dem Dilemma, das sie selbst geschaffen haben. Auf den Cayman Islands oder den Channel Islands etwa hängt mehr als die Hälfte der Wirtschaft vom Finanzdienstleistungsgewerbe ab. Müssten diese Destinationen ihre Tätigkeit als Steueroasen einstellen, würde ihre Wirtschaft in kürzester Zeit zusammenbrechen.
In Ländern wie der Schweiz, Großbritannien oder Luxemburg ist das zentrale Problem der fehlende Wille der Regierungen wie auch der internationalen Organisationen selbst, etwas zu ändern. Die OECD hat zwar Versuche unternommen, gegen Staaten und unabhängige Gebiete mit schädlichen Steuerpraktiken vorzugehen. Doch weder OECD noch EU haben ihre Mitglieder für die gleichen Tätigkeiten zur Rechenschaft gezogen. Die in den letzten zwei, drei Jahren abgeschlossenen bilateralen Verträge in Sachen Informationsaustausch bei Steuerangelegenheiten sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Umso mehr, wenn Steuersünder auch unter dem Deckmantel neuer Verträge weiter anonym bleiben. Darüber hinaus hat die OECD ihre eigene Definition inzwischen so weit abgeschwächt, dass demnach die Tatsache, keine oder fast keine Steuern zu erheben, ein Land noch längst nicht zur Steueroase macht.
Doch allen Gegenmaßnahmen zum Trotz wird es immer Unternehmen und Vermögende geben, die jede bestehende Gelegenheit zwischen Ländern ausnutzen werden, Steuern zu sparen. Für eben diese Zielgruppe haben viele Länder bewusst ihre Steuern gesenkt. Sie bieten gezielte Steuervorteile, um ausländische Investoren anzulocken. Dabei geht es nicht immer um Investitionen, sondern häufig nur um Finanzkapital, das in ihren Banken angelegt werden soll. Die Schweiz, Großbritannien oder die USA sind Beispiele dafür. Sie haben bereits in den 1980er-Jahren damit begonnen, aktiv die Kapitalflucht aus anderen Ländern zu fördern, indem sie unter anderem auf die Erhebung von Quellensteuern auf Kapitalerträge von Ausländern verzichteten. Außerdem vernachlässigen sie konsequente Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuervermeidung im Inland.
Solange zwischen Ländern Steuerunterschiede bestehen und solange es Staaten gibt, die den Steuerwettbewerb anheizen und Anreize zur Kapitalflucht aus anderen Ländern bieten, wird es auch Steueroasen und Offshore-Finanzzentren geben – ungeachtet aller zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Immerhin hat sich durch die Initiative der OECD gegen „unkooperative Steueroasen“ das Umfeld geändert, in dem Steueroasen ihre Funktion ausüben. War ihre Tätigkeit zuvor scheinbar völlig legitim, stehen sie nun zumindest unter dem moralischen Druck, Informationen an die Heimatländer von Steuerflüchtlingen weiterzugeben – wenn auch nur auf Anfrage. Auch die EU-Zinsrichtlinie mit einem zwischenstaatlichen, automatischen Informationsaustausch stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer globalen Rahmenstruktur für automatischen Informationsaustausch dar. Sie bietet eine Grundlage, die auf alle Bankkonten, juristische Personen und Staaten ausgedehnt werden könnte.
Daneben spielen aber auch die Vereinten Nationen (UNO) in Steuerfragen längerfristig eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zum einen bestärken sie Staaten bei der Schaffung von Doppelbesteuerungsabkommen, um eine grenzüberschreitende Besteuerung überhaupt erst zu ermöglichen. Darüber hinaus haben sie aber auch einen Ausschuss, der sich als einziges Gremium auf globaler Ebene mit grenzüberschreitenden Steuerangelegenheiten befasst. Dieser Ausschuss hätte das Potenzial, die Basis für eine künftige Weltsteuerbehörde zu bilden. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass Regierungen weltweit den Willen haben, das Problem der Steuerungerechtigkeit anzugehen, zumindest wenn sie dadurch verlorene Steuereinnahmen wieder zurückbekommen könnten. Und diese werden bei den in vielen Ländern aufgetürmten Staatsschulden dringender benötigt denn je.
Derzeit lässt sich somit ein Trend erkennen hin zu
Gesetzen gegen Steuervermeidung,
härteren Strafen für Steuervermeidung und -hinterziehung,
einer Begrenzung der Rechte von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Juristen, Banken und anderen, Steuervermeidungsprodukte zu kreieren und zu verkaufen, ohne dies den Steuerbehörden offenzulegen,
konsequenterem Vorgehen gegen Missbrauch von Steueroasen,
internationaler Kooperation, um den Missbrauch anzugehen – sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene, etwa durch EU und OECD. So arbeiten die Steuerbehörden der USA, Großbritanniens, Australiens, Kanadas, Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Spaniens seit Anfang 2012 im Kampf gegen grenzüberschreitende Steuervermeidung zusammen.
Doch werfen wir einen Blick in die Welt der Steueroasen und Offshore-Finanzzentren. Sehen wir uns an, was weltweit aktuell für Vermögende und Unternehmen trotz aller Gegenmaßnahmen im Angebot ist, um Steuern zu minimieren.