1. Glaubt Europa nicht mehr ans Sparen?

Um die Malaise der hochverschuldeten Staaten im Süden Europas in den Griff zu bekommen, galt Sparen in den letzten zwei, drei Jahren als alternativlos: Weniger Staatsausgaben, höhere Steuern – am besten beides. Zusätzlich sollten verkrustete Strukturen aufgebrochen werden. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien haben sich einige Zeit zu sparen bemüht. Doch spätestens seit Mitte 2012 stecken sie in einer nervenzehrenden Rezession. Die Folge: Ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent in Spanien und 4,7 Prozent in Griechenland.

Nicht jedes Land hatte im letzten Jahr beim Sparen gleich viel Erfolg. Während Irland Mitte 2012 das Schlimmste wohl hinter sich hat, sieht es für Griechenland, Portugal, Italien und Spanien umso düsterer aus. Im Juli erhielt Spanien für seine maroden Banken 100 Milliarden Euro aus dem Rettungstopf und Griechenland droht das Licht auszugehen. Die Regierungen der anderen Euro-Länder können ihren Steuerzahlern weitere Milliardenhilfen für Athen kaum noch rechtfertigen. Die Kreditgeber der europäischen Staaten blicken daher gebannter auf das Wachstum der einzelnen Staaten als auf das Defizit.

Quelle: EU-Kommission; Bloomberg

Immer mehr Ökonomen fordern daher, die Ausgaben in diesen Ländern zu erhöhen, denn „Sparen wird für Südeuropa zur selbstzerstörerischen Strategie“, so etwa Nobelpreisträger Paul Krugman, „weil mit einem Rückgang der öffentlichen Aufträge die Wirtschaftsleistung schrumpft. Damit sinken die Steuereinnahmen – und anschließend muss noch mehr gespart werden.“ Zum Thema Sparen gibt es historische Beispiele für Länder, in denen man versucht hat, trotz der Krise Staatsausgaben zu kürzen und den Haushalt zu sanieren. Das ist manchmal gutgegangen – etwa in Dänemark 1982 oder in Irland 1987 bis 1989. Bisweilen aber auch nicht, zum Beispiel in Irland 1982. Damals blieb in dem Land die wirtschaftliche Lage trotz Sparkurs mau, die Inflation war hoch, und Arbeitslosigkeit drückte das Land.

Konjunkturprogramme müssen nicht altruistisch sein und sind auch kein rausgeschmissenes Geld, sagen andere Ökonomen. Sie nützen auch den Helfern. Denn Ende April meldete der deutsche Maschinenbau beispielsweise einen kräftigen Einbruch der Auftragseingänge aus Südeuropa. Ebenso ergeht es der französischen Autoindustrie, die traditionell viele Autos nach Spanien und Italien verkauft. Allerdings waren die Erfahrungen mit Konjunkturprogrammen in der ersten Phase der Finanzkrise eher ernüchternd. Von der Abwrackprämie in Deutschland profitierten damals eher Produktionsländer mit niedrigen Löhnen wie etwa Polen, Tschechien und Rumänien.

Fragt man nach den Chancen von Konjunkturprogrammen in Südeuropa, muss man sich vor allem mit den Ursachen der Krise befassen. Dabei handelt es sich nicht um eine kurzfristige Delle, die es zu überbrücken gilt, sondern um eine tiefgreifende Strukturkrise. Der Euro hat dazu geführt, dass Produkte und Dienstleistungen in Südeuropa zu teuer geworden sind, ohne dass die Länder ihre Währung abwerten könnten.

An einer Austerity-Strategie von Ländern, die mit fremdem Kredit über ihre Verhältnisse gelebt haben, führt daher kein Weg vorbei. Man sollte Länder nicht daran hindern, sich zu verschulden, wenn sie das auf eigenes Risiko machen wollen. Das Problem ist nur, dass die Krisenstaaten sich nach Jahren des billigen Kredits aus dem Ausland nun mit öffentlichem Kredit der Staatengemeinschaft weiter verschulden. Doch Geld wächst nun mal nicht auf Bäumen. Auch sind die Nettozahler innerhalb der Eurozone nicht mehr bereit, weitere Finanzmittel für diese Krisenländer bereitzustellen.

Südeuropa bekommt aus den EU-Finanztöpfen seit Jahren Milliarden, dennoch ist die Wirtschaft in diesen Ländern weiter geschrumpft. Fraglich bleibt also, ob üppige Ausgabenprogramme die Lösung des Schuldenproblems sind. Schließlich hilft auch ein Konjunkturprogramm nur wenig, wenn andere Faktoren das Wachstum behindern. So haben wir es beispielsweise in Spanien mit einem nicht funktionierenden Bankensystem und mit schweren Störungen im Arbeitsmarkt zu tun. Solange diese Probleme nicht behoben sind, verpuffen Konjunkturprogramme. Die Menschen in den Krisenländern müssen bereit sein, hart zu arbeiten, um die Produktivität zu erhöhen. Und sie müssen umsichtig agieren, um eine Überschuldung zu verhindern. Derzeit rangieren Griechen und Portugiesen mit Blick auf die Arbeitsproduktivität bei 76 beziehungsweise 65 Prozent des EU-Durchschnitts.

Spanien24,1Slowenien8,5
Griechenland21,7Finnland7,5
Portugal15,3Belgien7,3
Irland14,5Malta6,8
Slowakei13,9Deutschland5,6
Estland11,7Luxemburg5,2
Zypern10,0Niederlande5,0
Frankreich10,0Österreich4,0
Italien9,8  
Quelle: Eurostat

Das neue Zauberwort in Europa lautet daher „Ergänzungen“. Man will am Fiskalpakt festhalten. Auch sollen nicht abgerufene EU-Strukturhilfen ohne Eigenbeteiligung an die Krisenländer ausgezahlt werden. Und schließlich hat man auch das Kapital der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgestockt. Offen ist weiterhin, ob und in welcher Form eine neue Finanzmarktsteuer kommt. Ergänzungen sind für den Schuldenabbau der Krisenländer wichtig. Ein klassisches, schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm ist aber abzulehnen. Für Europa gilt es, Vertrauen wieder herzustellen. Dazu sind solide Staatsfinanzen und strukturelle Reformen unabdingbar. Zudem müssen schlüssige Konzepte her, damit Investoren neues Vertrauen fassen können.