Kapitel 10

Na, warte

Das Prinzip der stärksten Emotion

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.

Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen.

Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich gewesen bin, ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen. Ich würde nicht so gesund leben.

Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen, Sonnenuntergänge betrachten, mehr Bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen.

Ich war einer dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten; freilich hatte ich auch Momente der Freude, aber wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben.

Falls Du es noch nicht weißt: Aus diesen besteht nämlich das Leben; nur aus Augenblicken, vergiss den jetzigen nicht!

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen. Und ich würde mehr mit Kindern spielen, wenn ich das Leben noch vor mir hätte. Aber sehen Sie, ich bin 85 Jahre alt und weiß, dass ich bald sterben werde.

Nadine Stair

Nachdem ich diese Geschichte gelesen hatte, habe ich sofort zum Hörer gegriffen. Ich habe keinen Kunden angerufen. Ich habe keine Kaltakquise gemacht. Ich habe meinen besten Freund ans Telefon geholt, den ich seit ein paar Monaten schon nicht mehr gesprochen hatte. Zehn Minuten später hatten wir uns für ein Männer-Wochenende in Hamburg verabredet. Wir wohnen einige Hundert Kilometer voneinander entfernt. Treffen sind immer mit einem ziemlichen Aufwand verbunden. Wir sehen uns deshalb nicht so oft. Uns beiden ist klar: Wenn wir unsere Beziehung nicht bewusst pflegen, haben wir sie irgendwann nicht mehr.

Gefühl schlägt Wissen

Als ich den Hörer auflege, wird mir plötzlich eins klar: Emotionen sind die stärksten Auslöser für Handlungen. Hätte mir jemand den Tipp gegeben: „Denk doch auch mal spontan an deine Freunde“, hätte ich ihm gesagt: „Danke für den Tipp“ und hätte weiter den gleichen Stiefel gemacht wie bisher. Die Geschichte von Nadine Stair hat ein Gefühl in mir ausgelöst: Ich verpasse was. Da draußen gibt es so viel, was ich machen kann. Ich mache meinen Job sehr gern, aber dieser Text hat mir spontan vor Augen geführt, was es noch alles gibt. Wie reich das Leben eigentlich ist. Was ich sonst noch für Möglichkeiten habe. Die Geschichte ruft einen ganzen Haufen Bilder auf: Da geht jemand barfuß. Von Flüssen und Sonnenuntergängen ist die Rede. Ich lese den Text und fühle, wie meine Füße durch nasses Gras gehen. Wie ich als Junge mit meinen Kumpels Mutproben am Stadtweiher gemacht habe. Wie wir uns danach immer ein Eis gekauft haben. Am Ende zieht es mir eins mit dem Hammer über: Was, die ist 85? Die stirbt bald? Und: Hey, ich werde auch irgendwann mal sterben. Meine Zeit ist begrenzt. Ich will nicht kurz vor meinem Tod bereuen, dass ich das Leben nicht in all seinen Facetten genossen habe.

Was dazu kommt: Menschen können einem viel erzählen. Ich bin Verkäufer, ich weiß das. Aber jemand, der 85 ist, hat die Lebenserfahrung, um zu wissen, was wichtig ist und was nicht. Ich weiß, dass sie recht hat, wenn sie sagt: Es kommt auf die Kleinigkeiten an.

Mir war schon bevor ich diesen Text gelesen habe vollkommen klar, dass gerade die kleinen Augenblicke die schönsten sind. Ich habe das oft genug selbst erlebt. Mit meinen Kumpels. Meiner Partnerin. Meinen Kindern. Das war mir aber nur bewusst. Mehr nicht. Mein Verhalten habe ich dadurch nicht groß verändert. Ich muss es von außen mit der Holzhammermethode erfahren: Irgendwann wirst du das nicht mehr erleben können. Der Aufruf ist deutlich: Ändere was. Jetzt!

Würde Nadine Stair ganz rational argumentieren: „Kümmere dich mehr um deine Freunde, sonst vereinsamst du und bist nicht glücklich“, hätte ich nicht zum Hörer gegriffen. Ich hätte kein Wochenende mit meinem besten Kumpel verbracht. Ich wäre um eine wichtige Erfahrung ärmer. Viele Verkäufer machen aber genau diesen Fehler: Sie argumentieren vollkommen rational. Wenn du das und das machst, bekommst du das und das Ergebnis. Statt zu sagen: So fühlt sich das an. So bereichert das dein Leben.

Verkäufer erklären ihren Kunden, warum ihr Produkt so toll ist. Sie argumentieren, bringen Belege für den Effizienzgrad, die Einsparmöglichkeiten, die mögliche Umsatzsteigerung. Sie machen Vergleiche: ihr Produkt. Das Konkurrenzprodukt. Sie sagen ihrem Kunden: „Sei doch nicht blöd. Die Zahlen sind doch offensichtlich.“ Sie legen alle Fakten auf den Tisch. Alle Informationen. Das Produkt wird bis ins kleinste Detail beschrieben und erklärt. Verkäufer haben ganze Vorteilslisten dabei. Dazu gibt es dann noch die und die Broschüre. Kurz: Sie appellieren an die Vernunft des Kunden.

Das funktioniert. Bis zu einem gewissen Grad. Wenn Sie schwarz auf weiß darlegen können, wieso Ihr Produkt besser ist als das der Konkurrenz, werden Sie verkaufen. Sie schöpfen damit aber noch lange nicht Ihr Käuferpotenzial aus. Es gibt Kunden, die können Sie selbst mit den besten Vernunftgründen nicht gewinnen. Weil Ihr Kunde an einer anderen Marke hängt. Weil Ihr Produkt die falsche Geschichte hat. Die stärkste Motivation, den stärksten Handlungsimpuls lösen Sie nicht durch Argumente aus – sondern durch Emotionen. Argumente können wir mit Abstand betrachten. Argumente können wir gegeneinander aufwiegen. Aber gegen Emotionen kommen wir gar nicht an: Weil sie in uns drin sind. Weil sie die Auslöser für all unser Handeln sind.

Das ist jetzt keine vollkommen neue Erkenntnis. Schauen Sie sich um: Die Werbebranche hat das längst kapiert und nutzt diesen Mechanismus täglich. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Auf den nächsten Seiten sehen Sie, wie Sie Emotionen mit Erfolg nutzen.

Die Président-Meersalz-Butter

Ich mag salzige Butter. Einfach auf ein Stück Brot geschmiert. Ein Glas Milch dazu. Lecker. Das ist mit das beste Frühstück, das man haben kann. Besonders mag ich die Président-Butter. Erstens: Die ist lecker salzig. Zweitens: Weil die eine so schöne Geschichte hat. Manchmal sitze ich alleine beim Frühstück, zum Beispiel weil ich früher raus muss. Dann lese ich durch, was auf den Packungen meiner Frühstückszutaten steht. Die der Président-Butter macht mir großen Spaß. Hören Sie nur:

„Président Meersalz-Butter – mit echten Meersalzkörnern. Président Meersalz-Butter ist die hochwertige französische Butter für Feinschmecker. Sie wird in einem kleinen Dorf inmitten der Normandie hergestellt. Durch die Verwendung von echten, handverlesenen Meersalzkörnern und bester Sahne erhält diese Butter ihre geschmeidige Konsistenz und ihr außergewöhnliches Aroma. Ihre besondere Form entstammt den handwerklichen Traditionen der französischen Butterherstellung. Frische-Glocke für noch mehr Genuss.“

Wow. Das ist also keine gewöhnliche Butter – sondern eine mit echten Meersalzkörnern. Was immer echt auch heißen mag? Dann ist die Butter auch noch hochwertig – nicht irgendein 08/15-Ramsch aus dem Supermarkt. Nix mit unterste Reihe Kühlregal. Sie ist für Feinschmecker. Ja, das bin ich. Bei dem kleinen Dorf in der Normandie muss ich sofort an Asterix und Obelix denken. Die setzen sich auch immer gegen alle Widerstände durch und wagen das Unmögliche. Die Butter passt immer besser zu mir. Die Meersalzkörner sind handverlesen – das Produkt wird also von Menschen hergestellt. Das ist nicht irgendeine maschinelle Massenproduktion, sondern Handarbeit. Beste Sahne kann auch nur von glücklichen Kühen aus der Normandie kommen. Handwerkliche Tradition? Französische Butterherstellung? Frische-Glocke? Das klingt, als wüssten die da, was sie machen. Und das nicht erst seit gestern. Dass die Franzosen sich mit gutem Essen auskennen, ist sowieso klar.

Auf der rationalen Ebene weiß ich genau, dass viel von diesem Text leeres Gerede ist. Gibt es unechtes Meersalz? Und wenn die Butter wirklich noch in Handarbeit hergestellt würde, kämen die nie und nimmer auf die nötigen Produktionsmengen fürs Kühlregal der Supermarktkette. Genau gelesen, wird das auch nirgends behauptet. Nur dass die Verpackungsform so ist wie früher bei handgearbeiteter Butter. Aber im Kopf entsteht das Bild von einer kleinen Molkerei, bei der die Butter noch von Hand gequirlt wird ... und schwupps, ist die entsprechende Stimmung geweckt. Der Verstand hat da nichts zu melden. Wie hier gezielt mit den Assoziationen des Käufers gespielt wird, ist ganz großes Kino.

Der Texter hat durch seine Wortwahl ein Premium-Produkt geschaffen. Er hat viele positive Bilder in meinen Kopf gezaubert. Ich habe nicht nur eine Butter vor mir. Ich habe eine Butter vor mir, mit der Emotionen verbunden sind. Die mich ein Stück weit verzaubert. Das unterschätzen viele Verkäufer. Sie verkaufen einfach Dinge. Ein Handy. Einen Computer. Ein Mineralwasser. Sie sorgen für Bedürfnisbefriedigung auf der untersten Ebene: Hunger? Haken dran! Durst? Haken dran. Was sie außer Acht lassen: Ein guter Verkäufer bestimmt die Bilder im Kopf seines Kunden. Er bestimmt, was der Kunde mit dem Produkt verbindet. Welche Geschichten er damit assoziiert. Mit dem Handy kann der Käufer in Verbindung mit seiner Familie bleiben. Der Computer ist ein Kreativstudio. Das Mineralwasser löscht seinen Durst, wenn er schwitzend und fertig aus seinem Spinning-Kurs kommt.

Es geht nicht darum, einfach nur Schuhe, Gläser, Butter zu verkaufen. Sondern Emotionen wie Lust, Genuss, Liebe zu wecken. Die Leute wollen keine Gegenstände verkauft bekommen, sie wollen Produkte, die einen starken Reiz auf sie ausüben. Nach denen sie ein Verlangen haben. Die sie anziehen. Das kann Ihre Preise – und Ihre Marge – ziemlich in die Höhe ziehen.

Vorsicht: Von den eigenen Produkten zu schwärmen macht jeder. Alles ist immer toll. Biozertifiziert. Klimaneutral. Platzsparend. Das gehört zum Handswerkszeug für jeden, der nur ein bisschen was von Marketing und Verkauf versteht. Was für die anderen aber das Ziel ist, ist für Sie das Basiscamp.

Es gibt nämlich noch andere Emotionen als Freude und Lust, die deutlich mehr Wirkung entfalten.

Neulich bei Media Markt

Zu Beginn meiner Karriere sollte ich eine Analyse machen. Ein Hersteller für Waschmaschinen und Haushaltsgeräte hatte seine Zahlen durchgesehen und festgestellt, dass er in einer bestimmten Media-Markt-Filiale kein einziges Gerät verkaufte.

Ich fahre also hin und fange mit meiner Analyse an: Die Geräte werden in den Prospekten ausreichend beworben. Sie stehen gut sichtbar im Laden. Die Preise sind dieselben wie bei der Konkurrenz. Es sind ausreichend Geräte zur Ansicht im Laden. Alle Modelllinien sind vertreten. Ich rede mit dem Verkaufsleiter: Der hat auch keine Erklärung. Bei Reparaturfällen kommt ausreichend schnell Ersatz. Es gibt keine Lieferengpässe. Das Verhältnis zum Vertreter des Herstellers ist super. Die Verkäufer sind engagiert. Keiner dreht den Kunden was an. Es gibt einen richtigen Dialog. Insgesamt werden in der Filiale nicht deutlich mehr oder weniger Geräte als in anderen Filialen verkauft. Ich bin ratlos. Bis ich mit dem Mitarbeiter spreche, der für die Waschmaschinen zuständig ist.

Ich rede mit ihm ein bisschen und irgendwann erfahre ich: „Ich will die Marke gar nicht verkaufen.“

Ich bin vollkommen perplex: „Wieso das denn?“

Der Verkäufer zögert ein bisschen, dann platzt es aus ihm heraus: „Der Außendienstler grüßt mich nie. Das ist so ein arroganter Kerl. Und die ganzen Werbegeschenke kriegt immer nur der Abteilungsleiter. “

Der Verkäufer ist in Fahrt gekommen und breitet seinen Frust vor mir aus: „Der hat mir auf der Messe sechs Kaffeetassen versprochen – die habe ich bis heute nicht. Deswegen hab ich es mir zum Ziel gesetzt, dass ich jeden Kunden, der diese Marke kaufen will, von einer anderen überzeuge.“

***

Rache, Angst, Ekel, Wut, Neid, Trauer, Einsamkeit, Schreck, Stress, Verzweiflung, Gier. Diese Emotionen sind alle nicht schön. Sie haben aber einen großen Vorteil: Sie können mit ihnen hundertmal wirkungsvoller verkaufen, als wenn Sie das über Lust und Freude machen. Wieso?

Der Grund dafür liegt in der Biologie. Ich habe das schon bei der geistigen Brandstiftung erwähnt. Negative Emotionen lösen zwei Instinkte aus: Angriff oder Flucht. Das sind die beiden stärksten Reflexe des Menschen. Egal, was davon er tut – er tut es sofort.

Wenn Sie auf dieser Ebene operieren, nutzen Sie den größten Hebel, den Sie im Verkauf haben. Der Kunde fällt seine Entscheidung nicht mehr deshalb, weil ihm von außen die richtigen Argumente zugetragen werden, sondern von innen heraus. Weil er erkennt: Ich muss das haben. Wenn nicht, fällt mir der Himmel auf den Kopf.

Weil das Stichwort gerade gefallen ist: Die geistige Brandstiftung und das Prinzip der stärksten Emotion überschneiden sich in gewissen Bereichen. Es geht in beiden Fällen darum, dass der Kunde eine Entscheidung für sich trifft. Er sagt Ja zu dem Deal. Nicht weil Sie ihn beackert haben, sondern weil er erkannt hat: Das ist das richtige Produkt für mich. Aus sich heraus. Der Unterschied liegt in der technischen Umsetzung: Die geistige Brandstiftung funktioniert ganz stark über Verkaufstechnik. Sie nutzen zwar die Emotionen des Kunden, aber Sie lösen Sie durch rationales Argumentieren aus. Das Gespräch ist sachlich. Beim Prinzip der stärksten Emotion arbeiten Sie mit ganz anderen Mitteln: Sie schaffen Feindbilder. Triggern gezielt bestimmte Emotionen. Oder Sie benutzen Geschichten und die richtigen Wörter, um zu verkaufen.

Die Frage ist nur: Wie machen Sie das?

Kampf der Giganten

Es gab eine Zeit lang zwei Marktführer bei den Online-Stellenbörsen. Bis die Führung der einen Stellenbörse beschlossen hat: Wir ziehen an den anderen vorbei. Sie haben ihren Verkäufern den Wettbewerber als Feindbild präsentiert und sie richtig heiß gemacht: Die müssen wir schlagen. Das ist der Gegner. Denen zeigen wir, was eine Harke ist.

Das löste einen dermaßen starken Angriffsreflex aus, dass sich die Verkäufer richtig reinhängten. Der ganze Vertrieb zog an einem Strang. Jeder wusste, wo die Fahrt hingeht. Das Resultat war: Die eine Stellenbörse ist jetzt Markführer. Die andere ist weit abgehängt. Keine Konkurrenz mehr.

Ich betreue das Unternehmen seit sieben Jahren und stelle fest: Seit die dieses Feindbild nicht mehr haben, fehlt ihnen der Drive. Das tut ihnen nicht gut. Die brauchen mal wieder eine Herausforderung.

Schaffen Sie als Vertriebsleiter, als Führungskraft ein Feindbild für Ihre Mannschaft. Sie erzeugen damit ganz gezielt eine Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Stimmung. So nach dem Motto: Wir sind besser als die. Denen zeigen wir, wie’s funktioniert. Schwören Sie Ihr Team auf dieses Feindbild ein. Sie bündeln damit ganz gezielt die Energien Ihrer Leute und bringen die PS auf die Straße. Sie wecken den Angriffsreflex. Jedes einzelne Mitglied Ihres Teams weiß, worum es geht. Was die Ziele sind. Gegen wen es geht. Sie werden überrascht sein, was plötzlich alles möglich wird, wenn Sie die Fähigkeiten Ihres Teams auf diese Art und Weise kanalisieren.

Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Es geht nicht darum, andere fertig zu machen. Es geht darum, kompetitiv zu sein. Wettbewerbsorientiert. Das ist eine Eigenschaft, die in unserer Gesellschaft abhandengekommen ist – und deshalb auch im Verkauf. Dabei ist das genau das, was den Beruf des Verkäufers ausmacht. Sich gegen Widerstände durchzusetzen. Ziele zu verfolgen. Den Wettbewerb hinter sich zu lassen. In unserem Job braucht es einfach eine gewisse Grundaggressivität. Nicht im Sinne von: Ich beiß den weg. Sondern: Ich will nach vorn. Ich will mehr. Ich hab Bock darauf, Marktführer zu sein. Mich mit anderen zu messen.

In Vorträgen erzähle ich momentan gerne einen Vergleich: Wenn Sebastian Vettel bis Ende der Saison immer Zweiter wird, ist er am Ende trotzdem Weltmeister. Wenn Sie eine Saison lang immer Zweiter werden, sind Sie am Ende pleite. Im Verkauf gibt es keine Silber- und Bronzemedaillen. Der Erste bekommt den Auftrag, alle anderen gehen leer aus. Der Zweite ist nur der erste Verlierer. Sie müssen also Erster werden!

Bei Ihren eigenen Verkäufern können Sie diesen Siegeswillen leicht wecken, indem Sie in Bildern sprechen. Indem Sie die Konkurrenz an die Wand malen. Und gegenüber Ihren Kunden? Wie überzeugen Sie die davon, dass sie nur mit Ihren Produkten zu Siegern werden?

Auf Attacke gepolt

Wir wurden 2009 von einem Kunden aus dem Mobilfunk-Bereich angefragt. Er hatte das Problem, dass er zwar mehr Umsatz generieren wollte, aber in den Saturnmärkten nicht die Flächen zugewiesen bekam, auf denen das möglich war. Weder von der Quadratmeterzahl noch von der Platzierung her. Er musste sich irgendwo ganz hinten im Laden eine Fläche mit den Wettbewerbern
teilen.

Also fragte er beim Marktleiter an, ob er eine Sonderfläche im Eingangsbereich haben könne. Für 5.000 Euro Werbekostenzuschuss wäre das kein Problem. Pro Woche. Die hatte mein Auftraggeber aber nicht im Budget. Wir mussten uns also überlegen, wie wir das hinbekommen, ohne dass so viel Geld über den Tisch ging.

Die Leute bei Saturn sind ein bisschen so wie die Werbung: laut. Direkt. Wettbewerbsorientiert. Zumindest auf der Chefetage. Da konnten wir ansetzen. Wir haben wieder ein Treffen ausgemacht und dem Marktleiter die Rennliste gezeigt. Darauf war zu sehen, welcher Markt wie viele Abschlüsse macht. Sein Markt war im Bereich Telefon der drittletzte von dreißig in der Region. Dem Marktleiter hat es gar nicht gepasst, dass sein Markt da irgendwo im hinteren Feld rumgedümpelt ist. Das war wie ein Reflex. Er biss sofort an und fragte: „Wie schaffen die das?“ Unsere Antwort: „mit der entsprechenden Produktplatzierung.“ Wir haben also unseren Verkaufsstand bekommen, ohne dass der Auftraggeber die 5.000 Euro zahlen musste.

***

Wenn Sie in Ihrem Kunden den Siegeswillen wecken wollen, können Sie ihm natürlich sagen: „Deine Konkurrenz ist mit unseren Produkten viel erfolgreicher als du!“ Das zieht aber nur, wenn Sie dafür handgreifliche Beweise haben.

Die Technik, die wir angewandt haben, nennt man Zeugenumlastung. Ich bin im vorigen Kapitel schon darauf eingegangen, deswegen hier nur noch kurz: Die Verkaufsargumentation wird auf einen Zeugen umgelastet. Der Verkäufer muss also nicht mehr selbst sagen, wie toll das Produkt ist. Wie viel besser es dem Kunden zum Sieg verhilft als jedes Konkurrenzprodukt. Das übernimmt stattdessen ein Zeuge, der unabhängig ist. Das kann ein Pressebericht, eine Statistik, eine Studie, ein begeisterter Kunde sein. Oder eine Rennliste. Wenn der Kunde dem einen Zeugen misstraut, rufen Sie sofort einen anderen auf. Aus einem anderen Bereich. Also nicht die nächste Verkaufsstatistik, sondern die Umfrage unter den Endkunden. Oder die Aussage eines Kollegen. Auf die Weise können Sie zeigen, dass eine echte Wettbewerbssituation besteht – und dass der Kunde nur mit Ihrem Angebot gewinnen kann.

Außer dem Siegeswillen können Sie aber noch ganz andere Emotionen bei Ihren Kunden auslösen. Ein ehemaliger Kunde von mir hat mal Autohändler gegen ihre Bank aufgehetzt.

Ich bin unabhängig, verflixt noch mal!!!

Jeder größere Autohersteller hat eine eigene Autobank, mit der die Händler ihr Sortiment finanzieren können. Ihre Verkaufsräume. Eigentlich alles. Der Clou daran: Das ist meist ein Exklusivgeschäft. Autos bekommen die Händler nur mit Krediten der Herstellerbank. Sie hat also eine enorme Marktposition. Die ist fast nicht angreifbar. Fast.

Anfang des letzten Jahrzehnts haben wir eine Bank beraten, die diese Monopolstellung einer Autoherstellerbank angreifen wollte. Die zu den Autohändlern dieser Marke gehen wollte und sagen: „Warum finanziert ihr eure Investitionen nicht zur Abwechslung mal über uns?“

Die Frage war: Wie schaffen wir das? Die hängen so eng an ihrer Bank, allein über rationale Argumente, also über unseren günstigeren Zinssatz, können wir die nicht loseisen.

Die Lösung war: Wir pieksen die an ihrer Ehre. Wir fragen sie: „Wo haben Sie denn Ihre Autos finanziert? Ihr Autohaus? Ihr Wohnhaus? Alles bei der Konzernbank? Da hängen Sie ja ganz schön am Tropf. Sind Sie eigentlich freier Händler oder eine Marionette der Bank?“

Durch die Provokation erreichten wir, dass die Händler sich erst mal auf ein Gespräch einließen. Jetzt konnten wir die rationalen Argumente vorbringen: Wir verlangen für Kredite nur den halbe Zinssatz wie die Herstellerbank. Das macht im Jahr bei den Summen, mit denen ein Autohändler umgeht, viele Tausend Euro Unterschied.

Wir rechneten nicht mit sofortigem Wechsel. Aber damit, dass die Autohändler zu ihrer Bank gehen und ihnen ein paar Fragen stellen. Zum Beispiel: „Die anderen sind günstiger, was sagt denn Ihr dazu?“

Die Reaktion der Herstellerbank war vorhersehbar: „Dass Sie überhaupt mit denen reden! Überlegen Sie mal, wer Ihr Business finanziert! Wenn wir Ihnen die Kohle streichen, sind Sie weg vom Fenster. Überlegen Sie sich gut, ob Sie das riskieren wollen!“

Die haben da eine ziemliche Drohkulisse aufgebaut.

Die Reaktion der Händler war dann ebenso vorhersehbar. Die waren empört: „Mensch, ich bin doch nicht der Leibeigene von denen. Ich mache, was ich will.“

Damit war die Tür offen. Die Händler kamen zu uns und wollten unsere Kredite. Wir bekamen auf diese Art und Weise auch immer mehr Zeugen gegen die Herstellerbank. Dadurch kamen immer mehr Händler zu uns – das hat sich wie ein Virus ausgebreitet.

Wir haben das einfach dadurch geschafft, dass wir die Händler bei der Ehre packten. Die Wut auf die Herstellerbank kam von alleine.

***

Gerade wenn ein Wettbewerber eine scheinbar unerschütterliche Marktposition hat, wenn er in einem bestimmten Bereich eine Monopolstellung hat, können Sie mit Emotionen punkten: Appellieren Sie an den Stolz und das Unabhängigkeitsgefühl Ihrer Kunden! Aus Empörung über die Abhängigkeit wird dann ganz von alleine Wut. Das ist eine enorm starke Emotion. Sie gibt Ihren Kunden die Kraft, auch Risiken einzugehen, um sich vom bisherigen Anbieter unabhängig zu machen.

Wut ist eine starke Emotion. Aber noch nicht die stärkste, die Sie aufrufen können.

Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich kaufen

Neid ist der Klassiker im Verkauf. Immer wenn es um Exklusivität geht, um Gebietsschutz. Da ist immer dieses „Der andere soll’s nicht haben“ im Spiel. Das ist aber auch das Druckmittel: Wenn du’s nicht machst, macht’s der andere. Du wirst dich schwarz ärgern, wenn du den Deal nicht abschließt … Ja, okay, dann machen wir’s.

Man kann Neid auch einsetzen, wenn man als Zeugen jemanden findet, der eine Leuchtturmfunktion hat. Jemand, an dem sich die Branche orientiert. Wenn Sie sagen: Der hat’s gemacht. Der hat unser Produkt gekauft. Der verwendet das. Deswegen ist der auch so gut. Dann kommt schnell die Reaktion: Was? Die Idioten? In dem Laden hat doch keiner Ahnung von Tuten und Blasen! Wenn die das damit hinkriegen – wie weit kommen wir dann erst damit? Wir sind ja viel cleverer.

Ich verwende gerne einen Spruch in meinen Vorträgen, wenn die Mannschaft skeptisch ist: „Sie müssen das nicht machen. Der Wettbewerb macht es bestimmt.“ Gerade bei Sachen, die ethisch-moralisch ein bisschen schwierig sind. Etwa die geistige Brandstiftung. „Ob Sie das dürfen oder nicht … Der Wettbewerb macht es bestimmt.“ Da will keiner zurückstecken und dem Wettbewerb das Feld überlassen.

Und dann gibt es noch eine weiter Emotion, die Sie einsetzen können: Ekel.

Gerade im Bereich Putz- und Waschmittel. Das ist typisch deutsch: Die Wäsche muss weißer als weiß sein und vollkommen keimfrei. Sie brauchen noch nicht mal Bilder von völlig verdreckter Wäsche oder verschimmelten Badezimmerwänden zu zeigen. Es genügt eine Schilderung, die die Phantasie des Kunden in Gang setzt. Vorzugsweise samt Geruchskanal.

Sie haben jetzt ein Gespür dafür, welche negativen Emotionen Sie einsetzen können. Was noch fehlt, ist: Wie gehen Sie dabei vor? Wie wecken Sie diese Emotionen?

Die Macht der Sprache

Bei dem Text von der Butterverpackung sticht eines ganz deutlich hervor: Der Texter weiß perfekt mit Adjektiven umzugehen. Geschmeidig, außergewöhnlich, besondere, handwerklich ... mit der sorgfältigen Auswahl skizziert er mit wenigen Strichen ein Bild im Kopf des Kunden. Er öffnet viele kleine Türchen, die den Leser zumindest ein bisschen zum Träumen einladen.

Das richtige Wording ist elementar. Das gilt nicht nur im Verkaufsgespräch. Das gilt auch am Telefon. Nicht jedes positive Wort passt für jedes Produkt und jeden Kunden. Um mit wenigen Worten die gewünschte Stimmung zu erzeugen, braucht es ein feines Sprachgefühl. Und Überlegung. Nur mit viel Übung fallen einem spontan die richtigen Wörter ein. Besser ist es, sich vorzubereiten. Klopfen Sie Ihr Produkt ab: Welche Bilder habe ich im Kopf, wenn ich die Produktbeschreibung lese? Welche sollte ich im Kopf haben? Setzen Sie sich mit Ihren Kollegen zusammen. Erstellen Sie Wortlisten. Fragen Sie Ihre Frau, Freundin, den Freund oder den Ehemann. „Hör mal … An was denkst du bei …?“ Sie bekommen auf diese Art und Weise ziemlich gut heraus, wie das, was Sie zu Ihrem Produkt erzählen, wirkt. Ein guter Verkäufer bestimmt die Bilder im Kopf seines Kunden! Das funktioniert auch über Storytelling.

Warum meinen Sie, erzähle ich hier die ganze Zeit Geschichten? Nicht aus Jux und Dollerei. Sondern weil ich etwas klarmachen will. Ich kann lang und umständlich erklären. Aber da rede ich mir den Mund fusselig – das ist unökonomisch. Und unwirksam. Natürlich kann ich alles abstrakt erklären, damit klar wird, wie allgemeingültig eine Sache ist. Wenn ich abstrahiere, baue ich Distanz auf. Wir wollen beim Verkaufen keine Distanz. Wir wollen Nähe. Der Kunde soll nicht nur wissen, worum es geht. Er soll es fühlen.

Legen Sie sich also ein kleines Heft an und notieren Sie alle Geschichten, die Sie zu Ihrem Produkt, Ihrer Dienstleistung kriegen können. Gehen Sie zu Ihren Kollegen und fragen Sie die: „Hast du mal was Besonderes mit diesem Produkt erlebt? Mit dieser Funktion? Hat dir da ein Kunde mal ein tolles Erlebnis erzählt, das er hatte?“ Geschichten stellen Ihr Produkt immer in einen Kontext. Sie zeigen es bei der Verwendung. Und mehr noch: Sie geben dem Ding einen Charakter. Sie machen es sympathisch. Verblüffend. Aufregend. Interessant. Genial. Amüsant.

Das Beste am Storytelling ist: Der Kunde muss sich nicht auf Ihre Aussage verlassen. Sie haben einen neutralen Zeugen. Eben den, der die Geschichte erlebt hat. Ihr Kunde X. Der Autohändler Y. Sie erinnern sich, was ich über Zeugenumlastung gesagt habe? Storytelling bietet Ihnen dafür eine wunderbare Gelegenheit.

Aber Vorsicht: Sie können beim Emotionen wecken auch einiges falsch machen.

Absolute No-gos

Die Dosis macht das Gift. Ich habe Ihnen von dem Versicherungsvertreter erzählt, der mir für meine Tochter eine Pflegeversicherung verkaufen wollte und das vollkommen falsch angegangen ist. Er hätte mir das einfach als Geschichte erzählen müssen: Er hatte da einen Fall bei einem Kollegen. Da ist das passiert. Das nimmt nicht die Härte raus. Die bleibt – es geht um mein Kind. Aber es nimmt die Schärfe raus. Jetzt stehe plötzlich nicht mehr ich im Fokus, sondern andere Eltern. Ich kann mir in Ruhe überlegen, was ich mache. In der Versicherungsbranche nennt man das auch Klappern mit dem Sargdeckel. Alles was im Entferntesten mit sensiblen Themen zu tun hat, müssen Sie fein dosieren. Kunden machen ganz schnell zu, wenn es plötzlich um die Themen Tod, Pflege, Alter oder schwere Krankheiten geht. Sie sind hier in einer ganz blöden Lage: Einerseits verkaufen Sie Ihren Kunden Lösungen, die Ihnen im Extremfall wirklich helfen können. Andererseits sind Sie schnell im Verdacht, sich am Schaden anderer bereichern zu wollen. Pedal to the metal ist hier das falsche Motto. Runter vom Gas. Sachte dosieren.

Was die richtige Dosis ist? Dafür müssen Sie selbst ein Gespür entwickeln. Das ist je nach Produkt, nach Situation, nach Kunde verschieden. Der eine ist gefesselt von Ihren Geschichten, dem anderen gehen Sie auf die Nerven. Das merken Sie an der Reaktion des Kunden. Wenn er genervt schaut, schließen Sie Ihre Geschichte rasch ab, schlucken Sie Ihre emotionalen Adjektive runter und schwenken Sie auf eine andere Verkaufstechnik um.

Eine weitere Gefahr: Negative Emotionen sind unangenehm. Kann passieren, dass Ihr Kunde Ihnen übel nimmt, dass Sie sie geweckt haben. Dann werden die Emotionen auf Sie zurückfallen.

Sie erzählen Ihrem Kunden von der Umweltschädlichkeit des Wettbewerbsprodukts. Der reagiert genervt: „Ist ja klar, dass Sie die schlecht machen. Sie wollen mir Ihr Produkt nur andrehen, um Umsatz zu machen.“ Auch hier ist es wichtig einen Zeugen zu haben. Verweisen Sie darauf, dass Sie sich das nicht ausgedacht haben, sondern dass das heute im Handelsblatt auf der ersten Seite steht. Sie sagen es ihm nur. Eine Meinung muss er sich selber bilden.

Ein schon fast selbstverständliches No-go sind Lügen. Lügen haben immer kurze Beine; über kurz oder lang werden Sie damit stolpern. Sie sollten sich auch nicht zur „erweiterten Wahrheit“ hinreißen lassen – nach dem Motto: Das wird in Zukunft sicher mal so sein, wie ich es hier im Moment erzähle. Erzählen Sie also nicht der Sekretärin am Telefon, dass es um was Privates geht, wenn Sie deren Chef nur was verkaufen wollen. Viele Verkäufer denken: Das ist doch nicht gelogen – weil: wenn wir Geschäfte zusammen machen, lerne ich ihn kennen und bin irgendwann vielleicht auch privat mit ihm befreundet. Bleiben Sie bei der Wahrheit. „Ja, ich will mit dem Chef sprechen. Ja, ich will ihm etwas verkaufen. Sie, Frau Sekretärin, sind schuld, wenn er das Produkt nicht bekommt, das seine Probleme lösen kann.“ Wenn Sie diese Ehrlichkeit nicht aufbringen, bringen Sie sich in Verruf. Sie bringen den Beruf Verkäufer in Verruf.

Klar: Wenn Sie ehrlich sind, kommen Sie vielleicht nicht durch und Sie haben für den Rest Ihrer Karriere einen Kunden vor der Nase, an den Sie nicht rankommen. Aber Sie wissen es. Damit geht es Ihnen besser als Alexander Dawson.

Alexander Dawson und das Glück an der Wand

Niemand kennt Alexander Dawson. Dabei könnte er einer der bekanntesten Menschen der Welt sein. Der gebürtige Engländer lebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem kleinen Dorf in Holland. Nachdem er sich mit seiner Familie zerstritten hatte, war er nach Holland übersiedelt und Briefträger geworden. Niederländisch sprach er kaum, aber die Namen konnte er soweit lesen, dass er die Briefe in die entsprechenden Briefkästen werfen konnte. Davon konnte er bescheiden leben. Eines Tages entdeckte er in seinem Postsack ein großes Paket, das an ihn adressiert war. Es war von seiner Schwester. Der Schwester, mit der er seit fünfzehn Jahren allenfalls noch Schimpfworte austauschte. Er öffnete das Paket: Es enthielt ein Bild von der Wiese, auf der er früher mit seiner Schwester und seinen Freunden zu spielen pflegte. Den Brief seiner zänkischen Schwester warf er achtlos in den Schlamm. Als es wenig später zu regnen begann, zerlief erst die Tinte, bis die Adresse nicht mehr zu lesen war. Nach ein paar Minuten war auch der Brief in seinem Umschlag nicht mehr lesbar.

Dawson radelte mit fliegendem Mantel schnell nach Hause und hängte das Bild an die Wand direkt gegenüber dem Tisch, an dem er frühstückte, zu Mittag aß und sein Abendbrot verspeiste. Täglich bis zu seinem Lebensende sah er auf dieses Bild und erinnerte sich mit Wehmut an die schönen Zeiten in seiner Heimat. Alexander Dawson verstarb in den 1950er-Jahren. Da es keine Erben gab, fiel der Grundbesitz an den holländischen Staat. Dieser ließ das Haus räumen, um es auf dem Immobilienmarkt zu verwerten. Bei der Räumungsaktion fiel das Bild herunter. Der Rahmen zersprang und hinterließ einen kleinen Riss auf der Bildoberfläche. Als die Möbelpacker genauer hinschauten, entdeckten sie, dass die Leinwand nicht beschädigt worden war, sondern dass unter der Farbe ein anderes Bild durchschimmerte. Das Bild wurde geröntgt: Darunter zeigte sich das Gemälde eines bekannten deutschen Malers. Es war in den Wirren des Zweiten Weltkriegs abhandengekommen – ein Hobbymaler hatte das Kunstwerk überpinselt, um es vor den Nazis zu retten. Wie er es schaffte, die Wiese aus Dawsons Jugend darzustellen, ist bis heute ein Rätsel. Wie das Bild in Besitz von Dawsons Schwester kam, ebenfalls.

Das Liebermann-Gemälde wurde vorsichtig von der Übermalung befreit. In den achtziger Jahren wurde es dann für 26 Millionen britische Pfund bei Sotheby’s versteigert. Alexander Dawson hatte Zeit seines Lebens davor gesessen und hätte ein Leben in Reichtum führen können. Er hätte nur den Brief seiner Schwester lesen müssen.

***

Diese Geschichte habe ich von einem Teilnehmer in einem Seminar. Ich gebe zu: Sie ist frei erfunden. Aber ich finde sie so toll, dass ich sie immer wieder erzähle. Vor allem gerne zu Beginn meiner Trainings und Seminare, weil sie genau das wiederspiegelt, was da mit den Leuten passiert.

Meine Kunden kommen zu mir, weil sie mit ihrer momentanen Lage unzufrieden sind. Weil sie eigentlich vor etwas weglaufen wollen, so wie Dawson vor seinem Familienstreit. Manche der Teilnehmer werden aber auch von ihren Chefs dazu verdonnert, zu mir zu kommen, und sitzen eher gelangweilt in ihren Stühlen.

Dabei hätten sie alle die Lösung für ihr Problem in Reichweite. Sie tragen sie in sich selbst. In ihren Talenten, Fähigkeiten, ihrem Fleiß, ihrer Intelligenz, ihrem geschickten Umgang mit Kunden. Sie müssen sich nur überwinden, genau hinzuschauen. Das tun viele nur ungern. Besonders, wenn ihnen das jemand anderer sagt. Wer lässt sich schon gerne von so einem Besserwisser erklären, wieso es für ihn nicht läuft? Es ist aber fatal, den Brief nicht zu öffnen, nur weil einem der Absender nicht passt. Damit verbaut man sich den Zugang zu Reichtum und Glück.

Vielleicht geht es Ihnen jetzt aber auch wie den Möbelpackern. Die Farbe von Ihrer Art, zu verkaufen, ist schon ein bisschen abgeplatzt. Darunter kommen neue Einsichten zum Vorschein. Ich habe Ihnen neue Ideen, eine neue Betrachtungsweise gezeigt. Tipps, Tricks geliefert. Sie sind vielleicht fasziniert und gleichzeitig etwas skeptisch: Das kann nicht sein, dass das so einfach ist. Da muss ein Haken dran sein. Es hat angefangen in Ihnen zu gären. Sie merken jetzt: Da ist noch viel mehr unter der Oberfläche. Da geht noch was. Sie müssen nur ein wenig kratzen, ein bisschen Arbeit reinstecken. Dann bekommen Sie etwas, das viel mehr wert ist als das, was Sie bisher haben. Sie werden mehr Umsatz machen. Ihre Kunden werden gerne bei Ihnen kaufen. Aber Sie bekommen noch viel mehr. Sie bekommen die Befriedigung, die sich einstellt, wenn man eine Herausforderung gemeistert hat. Dieses Gefühl kann Ihnen keiner verkaufen.