Kapitel 2
Man trifft sich immer zweimal im Leben
Das Prinzip des bedingungslosen Dienens
Die hier müssen Sie probieren“, sagt Manfred Müller und legt dem jungen Mann in abgewetzten Jeans und Lederjacke eine chinesische Kopie seiner Wunschgitarre hin.
Auf der heruntergerockten Ledercouch mitten im Laden liegt jetzt die Squier-Variante der legendären Fender Stratocaster. Manfred Müller hat sie aus der Halterung genommen, in den Verstärker eingestöpselt, kurz gestimmt und für seinen Kunden spielfertig gemacht.
„Ähm, ich wollte doch die echte Fender ausprobieren. Am liebsten die Mexiko-Variante“, antwortet der Kunde irritiert. „Die hatte ich vorhin gemeint. Oder habe ich mich unklar ausgedrückt?“
Der Verkäufer schielt auf den löchrigen Rucksack seines Kunden. Der will die Fender bestimmt nur mal in den Händen halten, denkt Manfred Müller. Unvorstellbar, dass dieser Typ 1.000 Euro für eine Gitarre ausgibt. Offenbar kneift er selbst bei den 400 für die China-Kopie.
„Jaja, ich hab Sie schon richtig verstanden. Die Original-Fender hat bloß einen stolzen Preis. Die Squier-Variante ist von den technischen Features und von der Qualität her absolut vergleichbar, aber dadurch, dass die Herstellung in den Nahen Osten verlagert wurde, kommt sie auf ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Er nickt dem jungen Mann zu. „Probieren Sie die doch einfach, Sie haben ja nichts zu verlieren.“
Der Kunde schüttelt leicht den Kopf, setzt sich dann aber auf die Couch und spielt ein paar Takte an.
„Ja, die ist korrekt“, sagt der junge Mann während er zum Verkäufer hochblickt. „Aber eben keine echte Fender.“
Dann schaut er auf das Preisschild und fügt hinzu: „399 Euro sind jetzt dafür auch kein Schnäppchen.“ Lieblos reicht er dem Verkäufer die Gitarre zurück.
Manfred Müller nimmt sie entgegen und spielt die ersten Takte von „Come as you are“. Sag ich doch, denkt der Verkäufer währenddessen. Dem Burschen ist schon die Billigkopie zu teuer, er will aber unbedingt mit der Mexiko-Variante spielen ...
Er hält dem Kunden die Gitarre nochmal hin: „Sie hören es selbst, das Teil hat einen ausgezeichneten Sound. Wenn 399 über Ihrem Budget sind, hab ich eine Lösung für Sie. Wir haben momentan ein Neukundenprogramm laufen, da wären für Sie zehn Prozent Rabatt drin.“
Als sich die ablehnende Mimik des Kunden nicht ändert, fügt er noch hinzu: „Und ich kann Ihnen noch drei Prozent Skonto anbieten.“
Die Miene des Käufers hellt sich kurz auf. Er scheint sich den Kauf zu überlegen. – Doch weit gefehlt.
„Nee ... Nee ... Das ist zwar ein tolles Angebot. Aber die Gitarre hier ist nicht wirklich das, was ich suche.“
Der junge Mann schnappt seinen Rucksack, gibt dem Verkäufer die Hand und verlässt den Laden. Ratlos bleibt Manfred Müller mit seiner Squier zurück.
***
Sie sind überall. Verkäufer, die nichts verkaufen. Deren Laden die Kunden betreten und 30 Minuten später wieder unverrichteter Dinge verlassen. Weil sie einfach nicht die Lösung angeboten bekommen, die sie wirklich brauchen.
Im Außendienst sind es diejenigen Verkäufer, die ihre komplette Sammlung an Döschen und Pröbchen in jedem Friseursalon auf ihrer Route auspacken – und wieder einpacken. Weil eben das Richtige nicht dabei war. Da helfen auch Rabattaktionen oder Sonderpreise nicht, die Situation zu retten. Denn jeder Euro, den ein Kunde fürs falsche Produkt ausgeben soll, ist in seiner Wahrnehmung ein Euro zu viel.
Ja, es gibt sie: die Verkäufer, die mit ihren Kunden Schwätzchen halten. Ihre Standardfrage ist nicht: „Haben wir hier einen Deal?“, sondern: „Na, hat Ihre Mutter die Kur gut überstanden? Und wie geht es Ihrer Frau?“ Das sind die Verkäufer, die wissen, dass ihr Kunde gerne am Wochenende an seiner Harley Davidson schraubt und dass seine Tochter Überraschungseier sammelt. Die aber nicht wissen, wieso ihr Kühlhausreiniger genau für diesen Kunden interessant ist.
Und es gibt sie: die Verkäufer, die nicht zum Abschluss kommen. Die unbedingt noch die besondere Temperaturkurvenfunktion des Kaffeerösters erklären müssen, ohne sich zu fragen, ob das für den Kunden überhaupt relevant ist. Und weil der Kunde genau diese Funktion nicht braucht, wird er das Produkt nicht kaufen.
Alle diese Verkäufer haben klare Ziele: Der Umsatz muss um zehn Prozent steigen. Die Zahlen aus dem Vorjahr müssen gehalten werden. Es müssen 15 Kaffeevollautomaten, zwei Tonnen Schrauben, 30 Waschmaschinen mehr verkauft werden als in der Vorperiode.
Sie alle haben sich vorgenommen, mehr Umsatz zu machen: Die Geschäftsführung bietet besondere Boni für ihre besten Verkäufer. Wenn die Margen ein Stück besser ausfallen, können sie mit ihrer Frau im nächsten Urlaub endlich die erhoffte Kreuzfahrt machen. Auch das eigene Selbstbewusstsein würde steigen. Aber: Sie machen nicht mehr Umsatz. Und das, obwohl viele von ihnen es sogar müssen – um die Existenz ihres Unternehmens zu sichern.
20 Windräder müssen extra verkauft werden, damit der Gewinn des Unternehmens gleich bleibt. Verkauft sich das in Deutschland hergestellte Auto nicht, wird die Produktion ins Ausland verlegt. Oder der Firma droht sogar die Insolvenz. Tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel!
Und trotzdem erreichen sie ihre Ziele nicht.
Dabei wollen sie eigentlich verkaufen: Sie stehen hinter ihrem Produkt. Beraten gerne. Der Kundenkontakt ist für die meisten nicht nur ein Job, er ist ihr Leben. Sie lieben ihre Arbeit, aber sie bekommen ihre Maßgaben nicht umgesetzt. Zwischen Wollen und Können liegen Welten. Man fragt sich nur: warum bloß? Was sind die Gründe für dieses Versagen?
Doppelbett und Melkmaschine
Jeder kennt diese Anrufe: Montag meldet sich die Versicherung, Dienstag ein Versandhaus und Donnerstag ruft uns jemand an, damit wir Lose kaufen – aber auch nur, weil wir Mittwoch nicht zu erreichen waren. Jeder kennt die Typen, die mit Zeitungs-Leseproben oder Unterschriftenlisten in der Innenstadt stehen und sich kaum abschütteln lassen. Viele Verkäufer versuchen, den Passanten ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie die Mitgliedschaft im Tierschutzverein, bei einer Hilfsorganisation, einer sozialen Einrichtung nicht wollen. Die einzige Strategie, damit umzugehen, ist: weiträumig meiden oder im Notfall, wenn man solchen Typen unversehens in die Fänge läuft, sofort abblocken, sonst sind 15 Minuten des Lebens unwiederbringlich dahin und die Stimmung für den Rest des Tages im Keller.
Ja, der Kunde kann sich von einem hartnäckigen Verkäufer ziemlich belästigt fühlen. Gute Verkäufer wissen das, denn sie werden selbst jeden Tag von Menschen genervt, die ihnen irgendetwas verkaufen wollen: Versicherungen, Mitgliedschaften, ein Zeitungsabo. In diese Liga der Quälgeister wollen sie nie, nie, nie einsteigen. Sie haben Angst, aufdringlich zu sein. Deswegen sind sie im Verkaufsgespräch stets höflich und zurückhaltend und darauf bedacht, ein Nein des Kunden zu akzeptieren.
Aber es geht nicht nur um Aufdringlichkeit. Die Sorge reflektierter Verkäufer reicht noch tiefer.
„Ein guter Verkäufer kann in der Sahara Regenschirme und dem Papst ein Doppelbett verkaufen“, „Verkäufer des Jahres wurde Herr Müller, der einem Bauern eine Melkmaschine verkaufte und dafür dessen einzige Kuh in Zahlung nahm“. Witze dieser Art zeigen das Image von Verkäufern in Deutschland: Sie seien nur auf Profit fixiert und zögen ihre Kunden bei jeder Gelegenheit über den Tisch. Ja, sie würden es geradezu als Sport ansehen, Kunden von Produkten zu überzeugen, die an deren Bedürfnissen vorbeigehen. Oder sie bieten Konditionen an, die den Vorteil des Produkts wieder zunichtemachen. Konditionen, die zunächst toll aussehen, bei denen der Teufel aber im Detail steckt. Wie der supergünstige Drucker, für den dann aber die Tonerpatronen fast so viel kosten wie ein neues Gerät.
Dieses Image klebt im Hinterkopf vieler Verkäufer. Deswegen quälen sie sich bei jedem Beratungsgespräch mit Selbstzweifeln: Braucht mein Kunde die Zusatzversicherung wirklich? Eigentlich kann er mit seinem bisherigen Auto doch glücklich sein. Wer braucht schon die komplizierte Datenbankfunktion, wenn nur ein simples Arbeitszeiterfassungsmodell gefragt war? Übervorteile ich meinen Kunden nicht, wenn ich ihn von meinem Angebot überzeuge? Diese Angst wird stärker, je höher die Umsatzziele des Verkäufers sind.
Das Ergebnis: Der Verkäufer ist ein Softie, der den Kunden zu Tode berät. Der erst noch alle Funktionen der Bogen-Offset-Druckmaschine ausführlich erklären muss, bevor er den Sack zumacht. Der alle Kaufsignale des Kunden missachtet. Obwohl der Kunde schon nach den Zahlungsmodalitäten gefragt hat, wird er noch ein bisschen länger beraten. Der Verkäufer berät mehr als nötig ist, bevor er zum Abschluss kommt. Wenn das dann überhaupt noch der Fall ist.
Die andere Möglichkeit, mit dem Image vom skrupellosen Verkäufer umzugehen, ist das andere Extrem: den klassischen Hardseller zu geben. Hauptsache, man kommt zum Abschluss. Alles andere ist unwichtig. Dass die gekaufte Spülmaschine den Ansprüchen einer Großküche nie gerecht werden kann, ist egal. Die Zusatzversicherung ist genauso überflüssig wie der zweite Salzstreuer, der aber im Angebot ist. Der Umsatz ist das wichtigste. Er steht über allem. Verbrannte Erde wird billigend in Kauf genommen.
Nämlich: dass der Kunde von Ihnen aus Mitleid kauft, oder nur, damit nicht mehr auf ihn eingeredet wird. Damit das nervige Beratungsgespräch endlich vorbei ist. Oder dass er, von Ihrem Argumentationsgeschick überwältigt, nach der Unterschrift unter den Kaufvertrag noch genau fünf Minuten lang vom Deal überzeugt ist. Danach wächst der Ärger mehr und mehr. Die Folge ist: Sie werden ihn noch genau einmal sehen. Zum zweiten und letzten Mal, wenn er mit einer Reklamation kommt. Dieser Kunde wird nie wieder etwas kaufen.
Mit der einen Methode verlieren Sie Kunden, mit der anderen verkaufen Sie nichts. Wie schafft es ein Verkäufer, die gesunde Mitte zwischen Umsatz und Beratung zu finden? Wie dienen Sie Ihrem Kunden und bringen trotzdem – oder gerade deshalb Ihre Produkte an den Mann? Wie entkommen Verkäufer einer Abwärtsspirale, an deren Ende sie entweder nichts mehr verkaufen oder keine Kunden mehr haben? Es gibt einen Ausweg: Ändern Sie Ihr Selbstverständnis! Jetzt.
Ja, ich bin Verkäufer!
„Herr Kreuter, Sie wollen mir doch nur was verkaufen.“ Mein Kunde blickt mich mit der Gewissheit an, dass ich diesem Argument nichts entgegenzusetzen habe. Wir sind wieder einmal an einem Punkt im Verkaufsgespräch, an dem ich immer wieder lande. Diesen Satz habe ich inzwischen so oft gehört, dass ich dafür eine Standardantwort parat habe: „Herr Kunde, natürlich, Sie haben vollkommen recht“, ist meine Antwort. „Ich bin Verkäufer. Aber ich verkaufe Ihnen nichts. Allerdings werde ich alles tun, um Sie zu motivieren, dass Sie Ihre Kaufentscheidung fällen. Ich gehe davon aus, dass das in Ihrem Interesse ist. Warum wären Sie denn sonst hier?“
Was heißt das eigentlich – Verkaufen? Es bedeutet eben nicht, Ihrem Kunden etwas aufzuschwatzen – Hauptsache, er kauft. Verkaufen heißt: Ihrem Kunden genau den Nutzen anzubieten, den er braucht, um sein Problem zu lösen oder seine Sehnsucht zu stillen. Zum Beispiel ihm die Software-Lösung vorzustellen, die am besten dazu geeignet ist, das neue Gleitzeitmodell in seiner Firma einzuführen. Ihm genau das Auto zu verkaufen, das er für seine Arbeit als Privatdetektiv braucht. Ihm genau den Handy-Tarif anzubieten, der ihm als Freiberufler entgegenkommt.
Verkaufen heißt also: einen guten Deal abschließen. Eine Win-win-Situation schaffen. Für sich selbst. Für Ihren Kunden. Und wenn der Kunde den offensichtlichen Nutzen nicht einsieht, gilt es, ihm diesen Nutzen zu zeigen. Verkaufen bedeutet auch, den Kunden zu motivieren. Ihn dazu zu bringen, eine Entscheidung zu fällen, die in seinem Sinne ist. Die Konkurrenz bietet ein vollkommen überteuertes und nutzloses Fitnessprogramm an? Sie wissen, dass der versprochene Effekt ausbleibt? Manche Menschen müssen Sie zu ihrem Glück zwingen.
Nehmen wir an, da kommt ein sichtbar übergewichtiger 40-Jähriger ins Fitnessstudio, der sich für ein Probetraining interessiert. Ihm ist anzusehen, dass er sich wenig bewegt, keinen Sport macht. Auch wie er sich ernährt ist deutlich: Fast Food, Chips und Süßigkeiten bis zum Abwinken.
Die 45 bis 60 Minuten, die der Trainer jetzt mit dem Interessenten hat, sind nicht nur dazu da, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Es geht nicht nur darum, herauszufinden, was der Mann will, welche Ziele er hat und wo er sich in den nächsten Monaten sieht. Es geht auch nicht nur darum, den Umsatz für das Fitnessstudio zu sichern. Wenn der Mann ohne Vertrag wieder geht, steht viel mehr auf dem Spiel als 30 oder 50 Euro monatlicher Mitgliedsbeitrag. Der Mann wird weiter bei Chips und Bier vor dem Fernseher versauern und zunehmen. Er wird bei diesem Lebensstil keine neuen Leute kennenlernen und weiter vereinsamen. Er wird massive gesundheitliche Probleme bekommen: Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes, Rücken- und Knieschmerzen. Irgendwann wird ihn eine dieser Zivilisationskrankheiten ereilen und er wird zehn Jahre früher sterben. Und der Trainer, der es nicht geschafft hat, ihm ein Fitnessprogramm zu verkaufen, ist dafür mitverantwort-
lich.
Machen Sie sich bewusst: Verkäufer stehen nicht nur gegenüber dem Unternehmen in der Pflicht, dessen Produkte sie auf den Markt bringen. Sondern auch gegenüber deren Kunden: Sie müssen sie zu einer Entscheidung motivieren, die ihnen nützt.
Es ist natürlich schlecht, wenn Sie als Verkäufer nicht auf Ihren Umsatz kommen. Aber darum geht es nicht. Sie verkaufen nicht für sich. Sondern für Ihren Kunden! Er erhält mit Ihrem Produkt einen Mehrwert. Genau deshalb sind Sie in der Verantwortung: Verschaffen Sie Ihrem Kunden genau den Nutzen, den er braucht, dann können Sie stolz darauf sein, dass Sie Verkäufer sind. Ein Verkäufer, der dem Kunden dient. Bedingungslos.
Nur deshalb sind Sie berechtigt, die Preise zu verlangen, die Sie haben wollen. Ihr Preis ist die Gegenleistung für den Vorteil, den Sie Ihrem Kunden verschaffen. Und hier kommt der springende Punkt: Damit der Deal für beide Seiten stimmt, sind Sie als Verkäufer nicht nur berechtigt, sondern gezwungen, auf Ihrem Preis zu beharren und diesen dem Kunden schmackhaft zu machen.
Viele Verkäufer haben dabei Hemmungen. Besonders wenn der Kunde ihnen zu spüren gibt, dass ihm der Preis zu hoch ist. Dann ist die Reaktion des Verkäufers: Bevor er gar nicht kauft, gehe ich lieber mit dem Preis runter und verkaufe unter Wert. Das ist eine psychologische Falle, mit der Sie nicht nur sich selbst schaden. Sondern auch dem Kunden. Denn was er billig bekommt, kann er nicht richtig wertschätzen – und daher die Vorteile nicht voll nutzen. Wie schaffen Sie es also, bei Ihrem Preis zu bleiben?
Was wirklich teuer ist
Überlegen Sie nicht, was es Ihren Kunden kostet, eine Lösung, ein Produkt zu kaufen. Sondern überlegen Sie: Was kostet es den Kunden, wenn er seine Schrauben, seine Dienstwägen, seine medizinischen Laborgeräte nicht bei Ihnen kauft? Welche Nachteile entstehen ihm?
Denken Sie dabei nicht nur an die direkten Kosten, sondern auch an die indirekten. Ein falsches Lagerhaltungssytem muss nicht nur ersetzt werden, es kann auch dazu führen, dass sich Lieferzeiten verlängern. Gelagerte Waren gehen kaputt. Der Kunde muss mehr Leute einstellen, um die auftretenden Engpässe zu vermeiden. Das kostet nicht nur jetzt richtig Geld. Sondern auch auf lange Sicht. Geld, das er in Forschung und Entwicklung, ins Marketing stecken könnte. Statt dass er mehr Gewinn macht, muss der Unternehmer unnötig Geld in seine Firma stecken.
Momentan mag Ihr Produkt Geld kosten, aber es ist seinen Preis wert. Erst wenn Sie sich das selbst klargemacht haben, können Sie auch gegenüber Ihrem Kunden selbstbewusst Ihren Preis vertreten.
Wenn Sie sich im Klaren über den Nutzen Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung sind, können Sie an den Kunden herantreten. Machen Sie auch ihm die Lost Opportunity Costs klar! Verdeutlichen Sie ihm also, was er verliert, wenn er Ihre Lösung, Ihr Produkt nicht kauft.
Besonders Personalberater tun sich oft schwer damit, ihren Kunden anschaulich zu machen, warum es sich für sie lohnt, hohe Vermittlungsgebühren zu zahlen. Aber mit einer Beispielrechnung, die die Lost Opportunity Costs miteinberechnet, wird das völlig klar: Die Vermittlung eines neuen Mitarbeiters kann leicht 12.000 bis 25.000 Euro kosten. Aber was würde es das Unternehmen kosten, die Auswahl selbst vorzunehmen? Welchen Aufwand müsste es betreiben?
Eine eigene Personalabteilung ist teuer zu unterhalten. Viel Arbeitszeit – nicht nur des Personalers, sondern auch des Chefs – geht mit dem Formulieren der Stellenanzeige, dem Sichten der Bewerbungen, den Vorstellungsgesprächen drauf. Dann muss der neue Mitarbeiter eingearbeitet werden. Vielleicht muss eine Fortbildung organisiert werden. Schulungen. Zeit geht verloren. Zeit, in der der neue Mitarbeiter keinen Cent erwirtschaftet. Im schlechtesten aller Fälle wählt das Unternehmen den falschen Kandidaten aus. Der Aufwand, die Stelle erneut auszuschreiben, ist immens. Man müsste wieder Bewerber sichten und Vorstellungsgespräche führen. Wieder muss jemand eingearbeitet werden. Der falsche Kandidat muss gekündigt oder versetzt werden.
Personalberater dagegen haben einen Überblick über den Arbeitsmarkt, können sich ausreichend mit einem Bewerber beschäftigen, bringen selbst Erfahrung in dem Bereich mit, für den ein Mitarbeiter gesucht wird. Sie wissen, worauf sie achten müssen. Das Unternehmen muss nur noch wenige, alle sehr geeignete Kandidaten interviewen.
Die Verluste, die ein Unternehmen bei einer falschen Personalentscheidung einfahren kann, gehen schnell in die Hunderttausende. Im Vergleich dazu ist die Vermittlungsgebühr plötzlich fast geschenkt.
Auch wenn es in Ihrer Branche um handfeste Schrauben, Druckmaschinen oder Regalsysteme geht – Sie verkaufen Ihrem Kunden weit mehr als nur ein Produkt. Sie verkaufen einen Wert. Sie verschaffen ihm einen Vorteil. Indem Sie ihm das Content-Management-System, den Gabelstapler, den Lkw verkaufen, ermöglichen Sie es ihm, effizient zu wirtschaften.
Behalten Sie deshalb bei allen Abschlüssen im Auge: Sie müssen dem Kunden bedingungslos dienen. Schließen Sie nur Deals ab, bei denen der Kunde einen echten Vorteil hat. Das heißt auch: Wenn der Kunde mit Ihrem Standardprodukt wirklich nichts anfangen kann, dann stellen Sie für ihn etwas zusammen, was seinen Bedürfnissen entspricht. Wenn Sie im Gespräch feststellen, dass Sie gar nichts im Angebot haben, das ihm einen Vorteil bietet – dann ist er nicht Ihr Kunde. Jedenfalls jetzt noch nicht. Verzichten Sie lieber auf einen Deal, der ihm nur Kosten, aber keinen Nutzen bringt. Vielleicht kommt er später einmal in die Situation, in der er Ihr Angebot benötigt. Dann wird er wieder auf Sie zukommen – aber nur, wenn Sie sich bisher ganz in seinem Interesse verhalten haben. Ihr Ziel ist nicht der schnelle Umsatz, den Sie bei jedem Kunden verdoppeln. Ihr Ziel ist es, langfristig in diesem Beruf zu bleiben. Ihren Umsatz kontinuierlich zu steigern, weil Ihre begeisterten Kunden immer wieder zu Ihnen kommen.
Dann verlangen Sie aber den entsprechenden Preis. Sie haben alles Recht dazu.
Was tun bei Preisdrücker-Strategien?
Sollten Sie bei Ihren Verhandlungen an einen Punkt kommen, wo Sie Ihren Preis drücken müssen, gehen Sie in die Offensive. Verlangen Sie eine Gegenleistung! Bestimmen Sie den Liefertermin. Packen Sie die Trainings für Ihren Kunden auf Termine, die Ihnen passen. Legen Sie die Zahlungsmodalitäten fest. Beide Parteien müssen bei Vertragsabschluss gewonnen haben. Sie haben nichts davon, wenn Sie einen Verlust machen. Und Ihr Kunde im Endeffekt auch nicht: Denn dann verliert er vielleicht einen wertvollen Geschäftskontakt.
Alles klar? Alles klar!
Jedenfalls theoretisch. In der Praxis treffe ich in meinen Trainings immer wieder auf Verkäufer, die mir in diesem Punkt völlig zustimmen. Und dann doch hingehen und am Kunden vorbei verkaufen. Nicht, weil sie nicht verkaufen wollen. Nicht, weil sie dem Kunden nicht dienen wollen. Auch nicht, weil sie nicht wissen, wie das geht. Das alles ist ihnen völlig klar.
Und doch gibt es etwas, das sie daran hindert, dem Kunden bedingungslos zu dienen. Genau genommen sind es drei Hindernisse.
1. Das Bauchnabelsyndrom
„Her Kreuter, Sie müssen etwas tun“, sagte mir mein Arzt mit besorgter Miene. Er hatte meine Rückenschmerzen gründlich analysiert und schaute mich mit ernstem Blick an: „Aufhören, die Kinder zu heben und zu tragen. Und dringend einen orthopädischen Sitz fürs Auto kaufen. Sonst weiß ich nicht, wo das mit Ihnen noch hinführt“, meinte er.
Dass die Kinder mit jedem Tag ein Stückchen größer und schwerer werden, das war mir tatsächlich nicht aufgefallen. Und klar, die langen Autofahrten, die mit meinem Beruf verbunden sind, lindern auch nicht gerade die Schmerzen.
Ich gehe also zur Mercedes-Niederlassung nach Wuppertal und sage dem Service-Mitarbeiter: „Ich will einen Recaro-Sitz für meinen Dienstwagen!“
Der Mitarbeiter bietet mir einen Stuhl an. Mühsam manövriere ich mich in eine Sitzposition, in der mein Rücken am wenigsten weh tut. Zum Probe-sitzen hätten sie keinen da, aber er könne mir die Modelle auf der Website des Herstellers zeigen. Der Verkäufer klackert mit seiner Tastatur und dreht irgendwann den Bildschirm zu mir.
„Schön“, sage ich. „Das scheint mir die Grundausstattung zu sein. Aber mein Auto hat eine Lederausstattung. Gibt es den Sitz auch in Leder?“
Der Verkäufer klickt sich durch, mustert mich von oben bis unten und sagt dann leise: „Schon. Sie müssen nur wissen, da kommt eine ganz schöne Investition auf Sie zu. Tausend bis zweitausend Euro drauf nur für den Überzug. Aber es gibt den Sitz auch in einem deutlich günstigeren Lederimitat.“
Mein Gott, es ist schon klar, dass ich den Sitz nicht geschenkt bekomme, denke ich. Andererseits: Wenn ich nicht Auto fahren kann, kann ich meinen Beruf nicht ausüben. Mit einem Kommentar halte ich mich aber zurück und mache weiter.
„Danke, Leder ist gut. Wie sieht es denn aus mit Sitzheizung und Sitzlüftung? Den Komfort, den ich jetzt habe, möchte ich natürlich nicht aufgeben.“
Die Augen des Verkäufers werden größer. Wieder beschäftigt er sich am Computer. Ich habe das angebotene Mineralwasser noch nicht angerührt, weil ich sonst meine Sitzposition unter Schmerzen verändern müsste.
„Ähm, ... eine Sitzheizung können wir Ihnen gegen einen Aufpreis von 1.200 Euro einbauen. Aber eine Sitzlüftung gibt es leider nicht.“
„Und was ist mit der Massagefunktion? Kann ich die mindestens beibehalten?“, will ich wissen. Der Verkäufer verdreht die Augen, nehme ich im Augenwinkel wahr, und klickt weiter auf der Homepage.
Nein, das gäbe es nicht, sagt er, ohne eine Spur des Bedauerns. Solche Features noch einzubauen würde den Preis in astronomische Höhen steigen lassen.
Jetzt reicht es mir. Wenn mir dieser Sitz nichts wert wäre, hätte ich nicht danach gefragt. Ich bin nicht hier, um mir anzuhören, wie teuer das nach Meinung des Verkäufers ist und dass es keine vernünftige Lösung für mein Problem gibt. Nicht er sitzt hier mit Rückenschmerzen – sondern ich. Mühsam quäle ich mich hoch, murmele irgendwas von: „Ich hab’ mir eigentlich was anderes vorgestellt“ und gehe.
***
Was läuft da falsch für die Verkäufer? Sie beraten ihre Kunden nach bestem Wissen und Gewissen – und trotzdem verlassen die den Laden, ohne ihnen einen Cent dazulassen. Dabei wird nicht nur die Zeit der Verkäufer verschwendet, sondern auch die der Kunden.
Das Problem ist naheliegend: Verkäufer neigen dazu, Preise und Produkte aus ihrer Sicht zu beurteilen. Ein Verkäufer, der selbst gerne Kaffee röstet, wird ungern industriell gerösteten Kaffee empfehlen. Ein Weinkenner wird für einen günstigen Wein wenig übrig haben. Im Grunde bringt jedes Auto seinen Fahrer von A nach B – unabhängig von seiner Größe, der PS-Zahl oder der Marke. Diese Tatsache ist jedoch vollkommen irrelevant für jemanden, der große Sportwagen für das Höchste hält. Aber Verkäufer sind auch nur Menschen und neigen dazu, um den eigenen Bauchnabel zu kreisen. Sie stellen dieselben Fragen wie die Kunden: Ist der Preis gerechtfertigt? Hat der Lkw eine angemessene PS-Zahl? Ist die Waschmaschine leise genug? Beantworten sie aber aus ihrem eigenen Blickwinkel. Welchen Wert und welchen Nutzen das Produkt hat, entscheiden Verkäufer anhand ihrer eigenen Kriterien. Was dazu führt, dass die entsprechenden Produkte als Ladenhüter im Regal bleiben.
Dabei ist die Lösung ganz einfach: Schließen Sie nicht von sich auf Ihre Kunden! Denken Sie im Kopf des Kunden! Was ist ihm wichtig? Warum interessiert er sich für das Produkt? Es ist Ihr Job, herauszufinden, dass der Kunde, dem Sie ein Auto verkaufen wollen, Rechtsanwalt ist. Dass das Auto fährt, ist Grundvoraussetzung. Für den Anwalt hat es aber eine wichtige Zusatzfunktion: Er will seinen Status als erfolgreicher Anwalt gegenüber seinen Klienten deutlich machen. Das klappt nur mit Modellen in einer bestimmten Preisklasse.
Machen Sie sich klar: Über teuer oder günstig entscheiden nicht Sie. Sondern der Kunde!
Verkäufer neigen dazu, ihren Kunden Entscheidungen abnehmen zu wollen. Machen Sie das nicht. Ihre Kunden sind Menschen, die eigenverantwortlich handeln können. Die Aufgabe des Verkäufers ist es, das Kaufmotiv des Kunden herauszufinden. Bieten Sie ihm einen echten Nutzen an! Und zwar den, den er selbst haben will. Nicht den, bei dem Sie kaufen würden.
Machen Sie sich rar
Teil des Bauchnabelsyndroms ist auch, dass Verkäufer nicht darauf achten, wie sie auf ihre Kunden wirken. Gerade zu Beginn ihrer Karriere haben Verkäufer noch häufig einen leeren Terminkalender. Sie können ihrem Kunden jeden Termin anbieten, den dieser haben will.
Doch wechseln Sie einmal die Perspektive! Wie wirkt das auf Ihre Kunden? Genau! Sie erwecken den Eindruck, dass Sie jeden Auftrag brauchen. Dass Sie sonst keine Kunden haben, weil Ihr Produkt nicht interessant ist. Wie will ein Verkäufer seine Kunden davon überzeugen, dass sein beutelloser Staubsauger eine wahre Revolution darstellt, wenn sich sonst niemand dafür interessiert?
Bieten Sie Ihren Kunden einen Termin an. In drei Wochen. Und Sie haben nur Dienstag Nachmittag und Donnerstag Vormittag Zeit! Verknappen Sie künstlich Ihre Zeit. Stellen Sie klar: Ihr Kunde ist nicht der Einzige, der an diesem neuen Reinigungssystem für Großraumbüros interessiert ist. Und wenn Sie nicht den Termin bekommen, den Sie haben wollen, rufen Sie den Käufer in einer halben Stunde zurück. Sagen Sie ihm, dass Sie sich mit Müh und Not den von ihm gewünschten Termin freigemacht haben. Zeigen Sie Ihrem Kunden, was Sie und Ihr Produkt wert sind.
Erwecken Sie den Eindruck, als wären Sie voll dabei, und Sie werden sehen: Ihr Laden brummt. Fake it until you make it!
Sieger kaufen nur von Siegern! Das erhöht ihren eigenen Status. Deswegen dienen Sie Ihrem Kunden am meisten, wenn Sie als Sieger auftreten. Machen Sie Ihre Kunden zu Siegern!
Aparterweise ist bei Verkäufern nicht unbedingt derjenige der Sieger, der sich am besten auskennt.
2. Die Genauigkeitsfalle
„Diese Sonderanwendung, das wird kniffelig. Sehen Sie, unsere Datenbank ist auf Linux abgestimmt. Um sie auf Windows laufen zu lassen, braucht es mehr als einen Emulator. Es gibt tausend kleine Schnittstellen, an denen Kompatibilitätsprobleme auftauchen können. Jede braucht ein Extra-Patch. Ich sage nicht, dass es nicht geht, aber unsere Jungs von der Entwicklungsabteilung werden ganz schön dran basteln. Mindestens zwei Wochen. Und dann kann ich Ihnen noch nicht garantieren, dass es wirklich in jedem Detail funktioniert.“
***
Auf Verkäufer, die sich in ihrem Fachgebiet sehr gut auskennen, lauert eine besondere Falle: Sie wissen, was ihre Kollegen im Unternehmen üblicherweise leisten können – und was nicht. Das gilt vor allem für Verkäufer im technischen und medizinischen Bereich: Sie sind meist ausgebildete Ingenieure oder Medizintechniker und als Quereinsteiger im Verkauf gelandet. Sie haben ein enormes Fachwissen, das auch wichtig ist, um den Kunden auf Augenhöhe zu begegnen und die Geräte genau erklären zu können. Aber für den Verkauf ist dieses Wissen manchmal eher hinderlich.
Einem Techniker, der eventuell auch etwas perfektionistisch veranlagt ist, käme es nie in den Sinn, eine Lösung zu verkaufen, die nicht völlig ausgereift ist. Aber das Produkt soweit zu entwickeln, bis es völlig fehlerfrei ist, ist extrem aufwändig. Das wissen diese Verkäufer. Deswegen ziehen sie lieber die Köpfe ein. Entweder sie lehnen die Kundenanfrage gleich ab – oder sie veranschlagen so hohe Entwicklungskosten, dass der Kunde dankend ablehnt.
Die Absicht hinter dieser Scheu vor dem Abschluss ist durchweg positiv. Ja, es ist sogar ehrenwert, dass der Verkäufer keine falschen Versprechungen machen will. Dabei kann er aber auch übersehen, dass die Entwicklungsabteilung manchmal schneller auf neue Anfragen reagieren kann, als er denkt.
Viele Wege entwickeln sich erst beim Gehen. Der Auftrag wird akquiriert und dann überlegt man, wie man ihn erfüllen kann. In der Immobilienbranche ist diese Vorgehensweise an der Tagesordnung. Auch in der Luftfahrt wird erst verkauft und dann entwickelt. Niemand kann vorhersagen, welche Probleme bei der Entwicklung eines Flugzeugs oder beim Bau einer Immobilie auftreten. Es ist ganz normal, dass zu Beginn alles nur auf Papier existiert. Der Umfang einer Beratungsdienstleistung, die Funktionen einer Softwarelösung sind immer erst nur Buchstaben, die in einem Vertrag stehen. Ein Haus ist am Anfang immer nur ein Bauplan. Vor der Herausforderung, die sich daraus einem Unternehmen stellt, kann man schon mal zurückschrecken. Aber wenn ich nicht anfange zu machen, wird nie etwas passieren. Der A 380 ist ein gutes Beispiel dafür. Niemand fragt mehr nach den Problemen, die es bei der Einführung gab. Erst war unsicher, ob er überhaupt geliefert werden kann. Dann war unklar, ob er überhaupt fliegen kann. Inzwischen ist das Flugzeug ein Reisemagnet. Wer kann, will unbedingt mit diesem Monster fliegen.
Was fachkundige Verkäufer neben dem Perfektionismus noch ausbremst, ist die Angst. Die Angst, dass die Konkurrenz ein völlig ausgereiftes Produkt hat. Dass der Kunde sich betrogen fühlt, wenn er für eine Entwicklung bezahlt oder auf etwas warten muss, das es anderswo schon gibt.
Meine Erfahrung ist eine andere: Die Konkurrenz, die ganz großen Namen, haben auch noch keine Lösungen für die Probleme ihrer Kunden. Sie werben zwar damit, aber wenn es ans Eingemachte geht, haben sie die gleichen Qualitätsprobleme wie die Kleinen. Wenn Sie also für ein kleines bis mittelständisches Unternehmen tätig sind, gibt es keinen Grund, Aufträge nicht zu akquirieren, die vermeintlich nur von den Großen bedient werden können.
Dabei geht es nicht darum, unehrlich zu sein. Auch die „erweiterte Wahrheit“ ist nichts anderes als eine Lüge. Mein Prinzip ist: Ich darf nichts Unwahres sagen. Ich muss aber auch nicht alles sagen, was wahr ist. Nicht: „Wir hatten das Problem schon dreimal und haben es dreimal nicht gelöst.“ Sondern: „Ja, den Fall hatten wir schon dreimal, wir kennen uns aus!“
Dass Sie dreimal ein Content-Management-System verkauft haben, das dann doch nur über die üblichen Standardfunktionen verfügt hat, brauchen Sie Ihrem Kunden nicht auf die Nase zu binden. Beim vierten Mal könnte es zum Durchbruch kommen! Wenn Sie den Auftrag nicht annehmen, würden Sie die Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens gar nicht erst entwickeln können.
Nur wer mutig ist und sich etwas zutraut, kann auch für Innovation sorgen und die Rolle des Marktführers für sich beanspruchen. Verkaufen Sie nur das bestehende Sortiment, werden Sie und Ihr Unternehmen sich nicht weiterentwickeln. Die Folge ist, dass Sie vom Markt abgehängt werden, weil die Konkurrenz mit Innovationen punktet.
Führen Sie sich vor Augen: Als Verkäufer sind Sie ein Stück weit Innovationstreiber. Interne Schwierigkeiten sind nur Teil des Spiels. Zum Beispiel, wenn Ihre Kollegen Sie fragen: „Mann, warum kannst du denen nichts von der Stange verkaufen?“ Dies ist aber kein Grund, einzuknicken. Sondern dranzubleiben und weiterhin an beiden Fronten zu arbeiten: dem Kunden und dem eigenen Unternehmen etwas verkaufen. Dem Kunden einen Nutzen und dem Unternehmen, dass sich hier gerade eine Chance auf Entwicklung bietet.
Zu genau über die kniffligen technischen Details der Produkte Bescheid zu wissen, bremst einen Verkäufer also aus. Wäre es da nicht besser,
wenn der Verkäufer vom Produkt nur so viel weiß, wie er zum Verkaufen braucht?
3. Das Gabelstapler-Phänomen
„Mann, hab ich Bock auf dieses Verkaufstraining“, seufzt Sabine. Die acht Damen aus der Telefonverkaufsabteilung eines Gabelstapler-Herstellers sind kollektiv zu einem Trainingstag verdonnert worden. Die Erwartungen sind mäßig: Sicher müssen sie am Telefon Verkaufssituationen durchspielen, und dann wird jedes Wort minutenlang diskutiert. Ätzend.
Umso größer ist die Überraschung, als der Trainer sich nur kurz vorstellt und dann sagt: „Folgen Sie mir bitte, das Seminar findet in der Werkshalle statt.“
Dort ist ein Parcours aufgebaut: mit Rampen und Spitzkehren und obendrein einer gefährlich wackelnden Brücke. Mit einem Palettenstapel, der aufgeladen und nach kurvenreicher Fahrt auf einer winzigen Zielfläche wieder abgesetzt werden muss. Von jedem Gabelstaplertyp der Firma steht ein Gerät einladend bereit.
„So, wer will als erste? Der Kollege hier misst die Zeit. Umgeworfene Verkehrshütchen und verlorene Paletten geben Punktabzug. Also Vorsicht, meine Damen!“
Auf einmal ist die Stimmung wie umgeschaltet. Alle acht Verkäuferinnen drängen sich um die Gabelstapler. Sie wollen jeden Staplertyp ausprobieren – die fahren sich ja ganz unterschiedlich.
Nach dem Hindernisparcours gibt es einen Wettbewerb in Einzeldisziplinen: Slalom fahren, Kisten stapeln und zum krönenden Abschluss: Cocktails mit dem Gabelstapler servieren. Soviel Spaß hatten die Damen noch nie auf einem Seminar!
Am nächsten Tag geht es im Telefonverkauf lebhafter zu als je zuvor.
„Der Typ KS, der ist besonders manövrierfähig. Damit können Sie auf zwei Meter Fläche wenden!“
Oder: „Wenn Sie Hochregallager haben, empfehle ich Ihnen den TL. Mit den Teleskopgabeln kommen Sie in bis zu fünf Meter Höhe.“
Die Begeisterung für die Produkte sprüht geradezu durch die Telefonleitungen. Die Qualität der Verkaufstelefonate ist um den Faktor zehn gestiegen.
***
Viele Vertriebler verkaufen Produkte, die sie sich vor Jahren zuletzt angeschaut haben. Oder deren technische Daten sie nur vom Papier und dem kleinen Filmchen auf der Firmenhomepage kennen. Das Ergebnis: Wenn sie von den tollen Eigenschaften des Produkts sprechen, wirkt es antrainiert. Unecht. Sie können sich nicht wirklich in den Kunden hineinversetzen, der mit dem Produkt jeden Tag umgeht. Nein, es ist überhaupt nicht gut, wenn ein Verkäufer nur das Nötigste weiß.
Viel lebhafter, viel glaubwürdiger, viel mehr auf Augenhöhe mit dem Kunden sind Verkäufer, die ausstrahlen, dass sie sich mit ihrem Produkt identifizieren. Das bedeutet nicht, dass der Verkäufer selbst Zielgruppe fürs eigene Produkt sein muss. Bei den meisten Dienstleistungen oder Produkten ist das gar nicht möglich. Die Identifikation mit dem Produkt lässt sich aber herstellen. Zum Beispiel, indem Verkäufer dieses in den Händen halten, ausprobieren, damit arbeiten.
Leider ist das nicht immer möglich. Software oder Gabelstapler sind noch konkrete Produkte, bei denen man als Verkäufer sagen kann: Sie funktionieren. Aber was ist etwa mit medizinischen Produkten? Ob sich ein Stent leicht einsetzen lässt, können Sie schlecht beurteilen – der Arzt operiert, nicht Sie. In welchem Zeitraum sich resorbierbare Fäden bei den unterschiedlichsten Patiententypen abbauen, werden Sie nie erfahren. Es sei denn, Sie fragen!
Hat die neue Druckmaschine wie erhofft die Kosten sinken lassen? Ist es mit dem neuen Harvester möglich, mehr Bäume zu verwerten? Hat die neue Papierqualität den Druckfarbenverbrauch wirklich gesenkt?
Viele Vertriebler, gerade die Innendienstler, sind zu weit weg vom Kunden. Sie bekommen selten Feedback. Deswegen wissen sie nicht so genau, welche Vorteile ihr Produkt dem Kunden wirklich bietet. Und können deswegen auch nicht selbstbewusst darüber sprechen.
Deswegen: Fragen Sie Ihre Kunden nach ihrer Meinung. Bitten Sie um Feedback. Das bringt Ihre Wertschätzung zum Ausdruck und Sie erfahren Wichtiges über Ihr Produkt. Welchen Vorteil hat es? Hat es seinen Zweck erfüllt? Konnte die geplante Umsatzsteigerung erzielt werden? Hat es den Herstellungsprozess vereinfacht?
Wenn Sie negatives Feedback bekommen, leiten Sie es an die Entwicklungsabteilung weiter. Sprechen Sie mit den Kollegen darüber, wie das Problem gelöst werden kann. Diese Lösung können Sie dann dem nächsten skeptischen Kunden gleich anbieten.
Und wenn das Feedback positiv ist: toll! Das gibt Ihren Verkaufsgesprächen neuen Schwung. Sie selbst werden besser verkaufen, und Sie haben Argumente auf Lager, um auch Ihren nächsten Kunden zu überzeugen.
Wenn Sie Vertriebschef sind: Bitten Sie Ihre Kunden um O-Töne, die Sie intern auf einem schwarzen Brett veröffentlichen. Damit motivieren Sie Ihre Mannschaft! Drucken Sie E-Mails mit Lob aus und kleben Sie ein Foto von Ihrem Kunden dazu. Machen Sie positives Feedback für jeden in der Abteilung sichtbar. Nur wer weiß, dass sein Produkt einen Nutzen bringt, verkauft motiviert. Dem Kunden zu dienen macht viel mehr Spaß, wenn man weiß, dass das auch wertgeschätzt wird. Dass Ihre PR-Abteilung Kundenfeedback auf der Firmenwebsite publiziert, ist dann noch ein schöner Zusatznutzen.
Meine Kinder haben ein Erfolgstagebuch, in das sie gute Schulnoten eintragen. Machen Sie das auch. Schreiben Sie Ihre Erfolge auf. Nur wer sich auf Positives fokussiert, kann motiviert verkaufen und seinen Umsatz steigern.
Für bedingungsloses Dienen ist die innere Haltung des Verkäufers wichtig. Idealerweise begegnet er seinem Kunden dabei auf Augenhöhe. Als gleichberechtigter Partner. Auch weil er weiß, was dieser will. Mit der umgedrehten Pyramide erfahren Sie, was das genau ist.