Kapitel 4
Keine Abkürzungen!
Das Prinzip der radikalen Selbstdisziplin
2001 hatte ich das Vergnügen, Reinhold Würth bei einem Kongress auf Kreta kennenzulernen. Der inzwischen 77-Jährige ist eine lebende Legende: Aus einem Zwei-Mann-Betrieb hat er in den Jahrzehnten nach dem Krieg und bis heute ein Unternehmen mit 60.000 Angestellten gemacht, die über den ganzen Globus verstreut sind. Um das genauer auszudrücken: Er hat bei der Anzahl der Mitarbeiter eine Steigerung von 300.000 Prozent erreicht!
Bei diesem Kongress auf Kreta wurde ihm ein Preis verliehen, und das Publikum hatte die Möglichkeit, Herrn Würth Fragen zu stellen. Neugierig auf seine Erfolgsprinzipien habe ich die Gelegenheit nicht ungenutzt gelassen. Meine Frage war: „Was muss ein Verkäufer mitbringen, um bei der Würth AG Karriere zu machen?“
Herr Würth überlegte. Nach einigen Sekunden kam dann die Antwort: „Er muss am Tag acht Stunden fleißig arbeiten.“
Aha, das klingt nicht besonders innovativ, denke ich mir. Hinter Würths Erfolg muss mehr stecken. „Ist das alles?“, hakte ich nach.
Würth überlegte nochmal ernsthaft. Dann sagte er: „Er muss am Tag acht Stunden fleißig arbeiten.“
Ich fasste sogar ein zweites Mal nach. Diese Antwort kann nicht die einzige sein, dachte ich in meiner kleinen Welt. Aber es blieb dabei: acht Stunden fleißig arbeiten.
Während des ganzen Aufenthalts in Griechenland habe ich nicht erfassen können, was er damit meinte. Erst zurück zuhause fand ich die heiße Spur.
Auf dem Heimweg vom Flughafen merkte ich, dass ich tanken musste. Vor dem Aussteigen bei der Tankstelle fiel mein Blick auf die Uhr: 17.16 Uhr. Ich tankte und bezahlte. Als ich wieder in mein Auto stieg, schaute ich wieder nach der Zeit: 17.22 Uhr. Ich hatte sechs Minuten gebraucht.
Ich stieg ins Auto und dachte: sechs Minuten?
Da fiel auf einmal der Groschen: Würth hat erzählt, dass er etwa 8.000 Verkäufer hat. Und dass eine der Regeln für sie lautet: Tanke und wasche dein Auto nicht während der Arbeitszeit. Als er das sagte, hielt ich es für eine Kleinigkeit am Rande. Aber jetzt verstehe ich, wie wichtig diese Regel ist: Wenn jeder sein Auto alle zehn Tage während der Arbeitszeit tankt und dafür sechs Minuten braucht, ist das für einen Verkäufer nicht viel. Für ein Unternehmen aber schon: Das sind pro Tag insgesamt 4.800 Minuten oder 80 Stunden, in der die Firma Würth keine Termine macht, keine Verkaufsgespräche führt, keine Abschlüsse tätigt – und keinen Umsatz macht.
Acht Stunden am Tag fleißig arbeiten – doch, doch. Da ist was dran.
***
Die Forderung nach fleißigen Verkäufern erscheint heutzutage ziemlich überholt. Die Nachkriegsgeneration konnte tatsächlich allein durch Zeiteinsatz und ordentliche Ergebnisse ein ganzes Land aufbauen und die Wirtschaft ankurbeln. Aber heute reicht bloßer Fleiß nicht mehr aus, um echten Erfolg zu haben. Jetzt geht es um clevere Arbeitsorganisation, um Kreativität. Um Effizienz und Effektivität. Also darum, mit minimalem Aufwand maximalen Erfolg zu erzielen. Nur wer das schafft, kann sich deutlich von der Konkurrenz differenzieren. Zum Beispiel von der „nur“ fleißigen Arbeitsbiene.
Abkürzungen sind also in Mode. Wie würde sich sonst der Riesenerfolg von Timothy Ferriss’ Ratgeber „Die-vier-Stunden-Woche: Mehr Zeit. Mehr Geld. Mehr Leben“ erklären? Seit Erscheinen im Jahr 2007 sind mehr als 1,3 Millionen Exemplare über den Ladentisch gegangen. Das zeigt ganz deutlich: Methoden, die eine Minimierung des Arbeitsaufwands versprechen, sind enorm attraktiv geworden.
Eigentlich müsste es jetzt in Deutschland 1,3 Millionen glückliche, neue Unternehmer, Selbstständige und Verkäufer mit viel Freizeit nach dem Modell von Timothy Ferriss geben. Gibt es aber nicht. Der Grund: Ferriss’ Ansatz erfordert eine radikale Umstellung der eigenen Ansichten und dessen, was wir gelernt haben. Um so erfolgreich zu werden wie er, muss man sich also anstrengen. Die Sache konsequent durchziehen. Hart an sich arbeiten. Deswegen verstaubt das Buch jetzt in 1,29 Millionen Bücherregalen. Lieber kauft man sich das nächste Buch, das verspricht, mit ganz geringem Energieeinsatz seine Ziele zu erreichen. Lesen ist nicht so anstrengend wie sich zu verändern.
Sind all diese Ratgeber, Fernsehsendungen, Schnellkurse also reine Bauernfängerei?
Jetzt mal ehrlich: Wenn ich Ihnen anbiete, mit dem gleichen Zeiteinsatz den doppelten Umsatz zu erreichen, lässt Sie das kalt? Oder finden Sie den Gedanken zumindest einer Überlegung wert?
Ich sage Ihnen, wie ich ihn finde: Ich finde ihn genial! Wenn es wirklich funktioniert. Wenn es eine Methode gibt, mit der ich wirklich Zeit sparen kann und dabei noch bessere Ergebnisse erziele: immer her damit! So gesehen, habe ich eine ziemlich faule Seite an mir. Und da bin ich nicht der einzige, diese Faulheit ist zutiefst menschlich.
Wir alle haben ein eingebautes Energiesparprogramm, das dafür sorgt, dass wir mit unseren Ressourcen haushalten. Je weniger Energie wir einsetzen müssen, desto besser. In der Steinzeit war das nicht nur nützlich, sondern lebenswichtig: Niemand wusste, wann es das nächste Mal etwas zu essen gab. Aber jede Bewegung verbrannte wertvolle Kalorien. Also wurden die Menschen nur aktiv, wenn sie unbedingt mussten. Deswegen gaben sie sich auch leicht mit dem zufrieden, was sie hatten. Dieses Programm schützte die Menschen zuverlässig davor, sich zu überarbeiten, und verhinderte so den Zusammenbruch.
Das Problem ist aber, dass dieses Energiesparprogramm heute genauso funktioniert wir vor Jahrtausenden, obwohl Intensität und Frequenz der damaligen Lebensgefahren wie Hunger, Durst oder Totschlag deutlich abgenommen haben. Und gerade wegen dieses Energiesparprogramms neigen wir heute dazu, die Intelligenz und Wirksamkeit mancher Methoden zu überschätzen. Das Versprechen, in vier Stunden pro Woche ein ganzes Unternehmen erfolgreich zu führen, nehmen wir wörtlich und erwarten, dass wir, wenn wir die Methode anwenden, genauso erfolgreich werden. – Bis irgendwann die Enttäuschung kommt: Der Zeitaufwand, den die Methode eingespart hat, muss im Nachhinein doppelt und dreifach wieder hineingesteckt werden – weil die Ergebnisse nicht schon beim ersten Versuch optimal gelingen.
Was ich Ihnen damit sagen möchte: Wer glaubt, dass man schnell und ohne Einsatz erfolgreich sein kann, der vergisst die Realität. Er ignoriert sie geradewegs.
Über Nacht Millionär werden? In sieben Tagen sieben Kilo abnehmen? Solche Versprechen sind ein vollkommener Trugschluss. Wenn Sie die Crash-Diät durchziehen, haben Sie vielleicht wirklich sieben Kilo innerhalb einer Woche herunter. Sie haben aber auch ganz schnell wieder zehn Kilo drauf, weil Sie Ihre Ernährung nicht dauerhaft umgestellt haben, wie es eigentlich sinnvoll wäre. Die meisten Lotto-Millionäre sind nach zehn Jahren ärmer als vor ihrem Gewinn, weil sie nicht gelernt haben, mit Geld umzugehen. Die vermeintliche Abkürzung endet im Schlamm zwischen Hecken und Sie müssen wieder umdrehen – sie ist also in Wirklichkeit ein Umweg. Wer auf Schnellprogramme setzt, verplempert seine Zeit, statt an seinem Ziel zu arbeiten. Lassen Sie also all diese Versprechen auf raschen Erfolg hinter sich und klotzen Sie ran! Sie werden eine Durststrecke vor sich haben, aber das ist besser, als sich auf Irrwegen zu verlieren.
In diesem Buch rede ich nur über Methoden, von denen ich weiß, dass sie funktionieren. Weil sie bei mir und meinen Kunden schon hundertmal, tausendmal funktioniert haben. Keine Abkürzung, sondern die kürzeste Strecke. Gehen müssen Sie sie dabei selbst.
Das reicht Ihnen nicht? Sie wollen etwas Besseres?
Gut, dann kommt hier und jetzt mein Geheimtipp. Der einzige goldene Weg zum Erfolg für Verkäufer, der wirklich funktioniert: Je mehr Kundenbesuche ich mache, je mehr ich telefoniere, desto mehr Abschlüsse mache ich auch.
Verblüffend, nicht?
Okay, okay. Ich weiß, dass Sie das schon lange wissen. Jedem Verkäufer ist klar, dass er keinen Kundentermin macht, wenn er nicht telefoniert. Und dass er ohne Kundentermine nichts verkauft. Jeder weiß: Er kann die tollsten Verkaufstechniken drauf haben – die nützen alle nichts, wenn er nicht an Kunden herankommt.
Nur: Was jedem klar ist und was er tatsächlich tut, sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Es gibt viele fiese Mechanismen, die einen Verkäufer Tag für Tag davon abhalten, das zu tun, was er als sinnvoll erkannt hat: fleißig zu arbeiten. Ständig muss man gegen die instinktive Faulheit ankämpfen. Und ich sage Ihnen: Mir geht es da nicht anders. Welche Fallen jeden Tag lauern, habe ich für Sie zusammengestellt.
Erste Falle: Ziel? Welches Ziel?
Sie sind zwar selten geworden, aber es gibt sie noch: die Verkäufer, die keine klaren Ziele haben. Ja, sicher: Sie wollen mehr verkaufen. Aber wie viel mehr und bis wann, lassen sie lieber im Unklaren. Sonst könnte sich ja herausstellen, dass sie ihr Ziel nicht erreichen.
Das Problem: Ohne genau definiertes Ziel werden Sie es garantiert nicht erreichen. Sie werden nur vor sich hinnudeln.
Hier fehlt auch oft die Unterstützung der Führungskräfte. Und mit Unterstützung meine ich in diesem Fall: drängen. Nachfragen, wo der Verkäufer steht. Auf den Zielen bestehen. Sagen: Ja, wir ziehen das durch. Eine Führungskraft, die drängt, mag im Augenblick auf die Nerven gehen, aber letztendlich hilft sie dem Verkäufer, das zu tun, was er will: verkaufen.
Zweite Falle: Hurra, geschafft! Jetzt erst mal ’ne Pause!
Die meisten Verkäufer haben aber Ziele. Und klotzen ran, bis sie sie erreichen. Ja, genau: bis. Darin liegt auch der Haken. Wenn sie im Oktober ihre Zahlen vor sich liegen haben und sehen, dass das Ziel schon erreicht ist, machen sie genau eines: Sie legen erstmal die Füße hoch. Die Schuhe sehen bis Januar keinen Boden. Bis dahin passiert nichts. Außer, dass das Standard-Programm heruntergespult wird. Statt die Füße wieder runterzunehmen, die Ärmel hochzukrempeln und zu sagen: Das letzte Quartal gebe ich nochmal richtig Gas. Mal schauen, was der Markt noch hergibt.
Dritte Falle: Kurzatmigkeit
Man könnte meinen: Dafür sind diese Verkäufer umso motivierter, wenn das Ziel noch am Horizont steht. Da arbeiten sie dann hart und stur. Schön wär’s! Tatsächlich sind Verkäufer leichter zu entmutigen als ein Lachs vor den Niagarafällen. Sie sehen, dass sie weit unter den Zahlen für dieses Jahr liegen – und geben auf. Statt Schwung zu holen und so hoch zu springen, wie sie eben können.
Was fürs Gesamt-Umsatzziel gilt, gilt auch fürs Tagesziel: Gründe, aufzugeben, gibt es viele. Weil sich der Verkäufer bei sieben potenziellen Kunden hintereinander mit dem Anrufbeantworter unterhalten hat. Weil der Kontakt die Pläne fürs Wochenende mit seiner neuen Freundin besprechen muss und deswegen die ganze Zeit das Belegtzeichen ertönt. Weil der Verkäufer von der Sekretärin am Telefon scharf angeatmet worden ist. Weil man bei Regen keine Klimaanlagen verkaufen kann.
Wenn von geplanten zehn Besuchen oder Telefonaten sieben nicht gut gelaufen sind, brechen die Verkäufer ab. Und beschweren sich dann bei den Kollegen und heulen sich gegenseitig in den Industriekaffee: „Heute geht alles schief. Heute ist einfach nicht mein Tag!“ Und der Kollege stimmt ihnen nur zu: „Ja, ja, bei mir tut es das schon das ganze Jahr.“ Unter Verkäufern ist der Glaubenssatz im Umlauf: Das Ergebnis ist formabhängig. Eine wunderbare Ausrede, um abzubrechen, wenn man keine Lust mehr hat. Das ist so ein Standardverhalten, das sollte man in die Lehrbücher schreiben. Aber in den Bereich „Was Ihnen nicht passieren darf“.
Vierte Falle: An mir lag’s nicht
„Ich habe ja mein Möglichstes getan, aber die Umstände waren gegen mich.“ Diese Einstellung hat vom Kleinkind bis zum Greis, vom Bauarbeiter bis zum Staatsoberhaupt ein großer Prozentsatz der Weltbevölkerung. Auch Verkäufer sind leider nicht davor gefeit. Viel zu oft suchen sie die Gründe für mangelnde Umsätze oder Abschlüsse, die danebengingen, nicht bei sich, sondern irgendwo außen: der böse Markt. Die bösen Kunden. Der böse Wettbewerb. Die Konjunktur. Der Chef. Die Kollegen. Die Produktion.
Im Vertrieb ist es sehr beliebt, die Klagemauer aufzubauen und anzuheulen. Es sind fast immer die anderen, die es verbockt haben.
George Bernard Shaw hat schon gesagt: „Die Leute machen immer die Umstände für das verantwortlich, was sie sind. Ich glaube nicht an Umstände. Die Menschen, die in dieser Welt vorankommen, stehen auf und suchen sich die Umstände, die sie wollen – und falls sie diese nicht finden können, erschaffen sie sie.“
Für mich persönlich gilt: Ich suche mir das Umfeld aus, in dem ich erfolgreich sein kann. Das ist meine innere Haltung, in der Selbstverantwortung ein zentraler Wert ist.
Fünfte Falle: Aufgabe abgehakt
Die vorgesehene Anzahl von Terminen wurde erledigt. Morgen ist ein neuer Tag – der Verkäufer fährt zu neuen Terminen. Und wundert sich vage, warum so wenig dabei rumkommt.
Der Fehler ist die fehlende Hartnäckigkeit: Verkäufer präsentieren den Kunden Waren, machen Angebote, die Kunden sagen „Ich melde mich dann“ – und der Verkäufer nickt, fährt weg und lässt es dabei bleiben. Er will ja nicht aufdringlich sein. Deswegen hakt er auch nicht nach: „Willst du, lieber Kunde, mein Produkt nun kaufen?“ Vier Wochen später meldet er sich dann mal bei seinem Kunden und der sagt ihm: „Tut mir leid, wir haben das Wettbewerbsprodukt gekauft.“
Es geht nicht darum, Ihre Kunden tagtäglich mit einem Anruf zu beglücken und ihnen das Ohr abzukauen. Fragen Sie schon im Gespräch, bis wann der Kunde sich entscheidet! Und dann rufen Sie ihn an diesem Tag an. Keinen Tag später. Er soll wissen, dass Sie ihm etwas verkaufen wollen. Und: Er soll die Chance haben, Ihnen dieses Produkt dann auch abzukaufen. Sobald er sich dazu entschieden hat.
Sechste Falle: Prioritäten? Davon hab ich schon mal gehört ...
Es gibt so viel zu tun – wo anfangen? Bevor ich den anstrengenden Kunden anrufe, von dem ich weiß, dass er wieder mal mit einem Schwall Beschwerden kommen wird, hefte ich doch noch schnell die Tankquittungen ab. Und die Mails von heute Morgen muss ich auch noch beantworten.
Die Gefahr ist, sich in B- und C-Aufgaben zu verlieren. Entweder, weil die einfacher zu bewältigen sind, ein schnelleres Erfolgserlebnis bieten als die Kernaufgabe oder weil sie lauter schreien. Scheinbar dringender
sind.
Die ablenkenden Tätigkeiten müssen noch nicht mal was mit dem Job zu tun haben. Gerade für Einzelkämpfer im Home Office ist es ziemlich einfach, sich selbst ständig Ausreden zu servieren. Wenn die Frau sie bittet, die Kinder von der Schule zu holen, dann machen sie das natürlich. Wenn die Waschmaschine geschleudert hat, muss die Wäsche natürlich aufgehängt werden. Und das neue Regal steht auch schon seit einer Woche unaufgebaut herum.
„Aber das dauert doch nur fünf Minuten!“ Ja, schon. Aber: Machen Sie sowas zwölfmal am Tag – und Sie haben eine Stunde zusammen, in der Sie nicht produktiv sind. Aber auch die restliche Zeit können Sie nicht mehr voll nutzen. Inzwischen ist erwiesen, dass Multitasking und häufige kleine Ablenkungen die Produktivität massiv nach unten drücken. Es kostet unglaublich Kraft und damit auch mehr Zeit, immer wieder zwischen Aufgaben hin und her zu schalten, statt zu sagen: Ich zieh’ jetzt meine Telefonate durch. Die Wäsche wird später aufgehängt.
Die Kollegen im Büro sind aber vor so etwas auch nicht gefeit: Da wird in der Früh erstmal ein Kaffee am Automaten geholt. Da stehen natürlich schon die anderen Kollegen und man unterhält sich eine halbe Stunde. Im schlimmsten Fall auch noch über Negatives: Ein Kunde ist weggebrochen. Bei Produkt A und B gibt es Lieferschwierigkeiten. Danach setzt man sich an seinen Platz und checkt erstmal die E-Mails. Ach, Kollege Müller hat gekündigt. Auch das muss nun breit und ausdauernd diskutiert werden. Natürlich freut man sich auch über eingehende Anrufe und verplempert da ausgiebig mit seinem Lieblingskunden Zeit. Statt selber aktiv zum Hörer zu greifen und Geschäfte zu machen.
Kurz: Man reagiert, statt zu agieren. Man lässt sich den ganzen Tag treiben. Von den Aufgaben, die an einen herangetragen werden. Von den Kollegen, die etwas von einem wollen. Man tut nicht, was man sich vorgenommen hat. Man wird gearbeitet, statt zu arbeiten.
Ein schlechter Verkäufer fragt sich am Abend: Wo ist mein Tag geblieben? Was ist mit meiner Zeit passiert?
Ein guter Verkäufer schätzt seine Prioritäten richtig ein und setzt die dann durch. Er macht sich einen Tagesplan und verteidigt ihn gegen alles, was da kommt. Gegen alle Widrigkeiten. Natürlich schafft man das nicht zu hundert Prozent, aber achtzig, neunzig sind schon möglich.
All diese Fallen verlocken dazu, nicht so viel zu tun, wie Sie könnten. Und das ist fatal. Denn aufgeschoben ist aufgehoben.
Die Folgen der Faulheit
Alles, was Sie tun, hat unmittelbare Folgen. Auch alles, was Sie nicht tun. Jeder Anruf, jedes Gespräch, jeder Abschluss ist eine Chance auf weitere Aufträge, mehr Umsätze, neue Kunden. Wenn Sie die Chancen, die Sie an einem Tag haben, nicht nutzen, sind diese weg. Für immer. Sie können nicht sagen: Das mache ich morgen. Heute ist nicht mein Tag. Denn morgen ist vielleicht wieder nicht Ihr Tag. Oder Sie können gar nicht zur Arbeit kommen, weil Ihr Kind krank ist. Oder Sie bekommen ein neues Projekt auf den Tisch geknallt und müssen das bearbeiten. Oder Ihr Ansprechpartner fährt morgen für drei Wochen in Urlaub.
Die zehn Leute, die Sie heute nicht angerufen haben, werden Sie also morgen nicht mehr kriegen. Und wenn Sie sie morgen doch kriegen, werden Sie zehn andere Leute, die an diesem Tag eigentlich dran gewesen wären, nicht an die Strippe bekommen und weder Termine, Umsätze noch Gewinne machen. Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen können Sie das auch nicht am Wochenende nacharbeiten – Ihre Kunden sind dann einfach nicht bei der Arbeit. Wenn Sie jeden Tag nur zehn Prozent weniger Chancen nutzen als Sie sich vorgenommen haben, dann haben Sie aufs Jahr gesehen zehn Prozent weniger Umsatz. Das ist, als ob Sie fünf Wochen lang gar nicht arbeiten würden.
Das wirkt sich nicht nur auf Ihre Provision aus, sondern auch auf Ihre Kunden, die dann vielleicht nicht die optimale Lösung bekommen. Und wenn Sie weniger Umsatz erzielen, wirkt sich das auf das Unternehmen aus und alle, die dort arbeiten.
Ich habe mal ein Unternehmen beraten, das auf Gebäudereinigung und Catering spezialisiert ist. 4.200 Mitarbeiter, die 240 Kunden betreuen. Das sind in erster Linie große Krankenhäuser und Altenpflegeheime. Von 4.200 Leuten sind fünf für den Vertrieb verantwortlich. Jeder der Vertriebler ist also für 840 Menschen verantwortlich.
Ist jetzt ein Vertriebler nicht so fleißig bei seiner Sache, wie er sollte, verliert er Kunden. Wenn das ein Krankenhaus ist, stehen schnell mal 50 bis 100 Leute ohne Arbeit da. Aber es geht ja jetzt nicht nur um die 50 bis 100 Leute. Es geht auch um deren Familien, die da dranhängen. Hat eine der Putzfrauen noch zwei Kinder und eine Mutter, die sie pflegt, ist sie nicht nur für sich, sondern für insgesamt vier Leute und deren Lebensunterhalt verantwortlich. Wenn der Vertriebler das Krankenhaus verliert, betrifft das also schnell die Existenz von 200 bis 400 Menschen.
Machen Sie sich bewusst: Sie verkaufen nicht nur für sich. Auch nicht nur für Ihre Kunden. Sie verkaufen auch für Ihre Kollegen in den anderen Abteilungen. Und Sie verkaufen vor allem auch für deren Familien. Sie sind mitverantwortlich für all diese Menschen.
Übernehmen Sie diese Verantwortung.
Das geht nur, wenn Sie sich klarmachen: Es gibt keine Abkürzung. Es gibt viele Tricks und Techniken, die Ihnen das Leben leichter machen. Aber keine einzige Abkürzung. Hoffen Sie nicht auf eine Wunderpille, die Sie über Nacht in ein umsatzverdreifachendes Powerhouse verwandelt. Ich mache diesen Job lange genug, um zu wissen, dass es das nicht gibt. Also: Ärmel hochkrempeln und los geht’s!
Die achte Wiederholung
Profisportler wissen: Beim Training zählt jede Minute. Jede einzelne Übung.
Stellen Sie sich vor, da sind zwei Männer, die Krafttraining machen. Sie sind beide ungefähr gleich fit. Beide planen: Dreimal pro Woche stemme ich das schwere Gewicht achtmal hoch.
Beim ersten Training merken beide: Nach der vierten Wiederholung fühlt sich das Gewicht an, als stünde der Eiffelturm darauf. Der eine der Männer denkt sich: Sechs Wiederholungen reichen auch. Er stemmt das Gewicht also noch zwei Mal und setzt es dann ab. Der andere zwingt sich, die acht Wiederholungen durchzuziehen. Bei jedem Training. Nach zwei Wochen merkt er, dass der Eiffelturm erst nach sechsmal stemmen auf dem Gewicht steht. Da macht er insgesamt zehn Wiederholungen. Als ihm auch das leichter fällt, steigert er wieder.
Nach einem Jahr sieht der erste Mann immer noch aus wie Ernie (aus der Sesamstraße), der zweite wie Arnie (Schwarzenegger).
Denn die letzten beiden Wiederholungen sind die entscheidenden. Alles davor war für die Grundermüdung des Muskels wichtig. Das Wachstum wird erst durch die letzte Phase angeregt. Das sind zwei verdammte Wiederholungen. Die unterscheiden den Champion – Jetzt noch zwei Wiederholungen! – vom Amateur – Das tut weh, das reicht!
***
So ist es auch im Verkauf. Der Amateur macht sechs Gespräche und sagt dann: „Es reicht. Punkt. Nicht mein Tag heute.“ Oder: „Das ist eh schon mehr, als ich je erreicht habe. Ich habe ein Recht darauf, den Rest des Tages nichts zu tun.“ Dabei ist es erst Mittag. Der Champion fängt erst gar nicht an, diesen Gedanken zu denken. Er steht nicht eher auf, als bis er sein Tagessoll erfüllt hat. Bis er alle Termine, Abschlüsse und Aufträge hat, die er will. Ich habe mal einen tollen Film gesehen, der das visuell gut umgesetzt
hat.
In dem Film „Das Streben nach Glück“ spielt Will Smith einen Verkäufer. Aufgrund familiärer Verpflichtungen verliert er im Gegensatz zu seinen Kollegen jeden Tag zwei Stunden, die er irgendwie wettmachen muss. Die Konsequenz ist: Er trinkt nicht während der Arbeitszeit, um sich die Zeit auf der Toilette zu sparen. Und wenn er telefoniert, legt er nicht auf, sondern drückt die Gabel runter und wählt gleich die nächste Nummer.
Dieses Beispiel ist natürlich durch Hollywood vollkommen überspitzt. Aber es zeigt eines ganz deutlich: Selbstdisziplin heißt, sich nicht ablenken zu lassen. Von nichts. Sie heißt: bei allem, was Sie tun, genau zu überlegen: Zahlt das jetzt auf mein Ziel ein oder nicht? Selbst bei scheinbar nebensächlichen Tätigkeiten. Was Sie zu Mittag essen, hat Einfluss darauf, wie wach Sie nach dem ersten Telefonat am Nachmittag klingen. Es macht einen Unterschied, ob Sie morgens punkt halb neun mit der Arbeit anfangen – oder ob Sie dann erst mal anfangen, Ihre Mails zu checken. Und so weiter. Das alles läuft nur auf eins hinaus: Diszipliniert arbeiten bringt Ergebnisse. Alles andere nicht.
Das Gesetz der Zahl
In den Anfängen des Rudersports hat ein frischgegründeter Rudersportverband einen Versuch unternommen. Man wollte die Rudermannschaften optimieren. In einem normalen Ruderboot sitzen acht Ruderer und ein Steuermann. Der Steuermann hat eine ganze Menge Aufgaben, die er gleichzeitig erledigen muss: Steuern, Abweichungen korrigieren, Rhythmus vorgeben, Gegner im Auge behalten. Das führte häufig zu Fehlern. Fehlern, die eine Weltmeisterschaft oder eine Olympiade kosten konnten.
Der Steuermann ist so etwas wie der Kopf des Bootes. Die Ruderer sind die Gliedmaßen. Um den Kopf zu entlasten, hat man zwei der Ruderer durch zwei weitere Steuermänner ersetzt. Einer war nur für den Rhythmus zuständig, einer hielt den Kurs, der dritte behielt die Gegner im Auge. Dann hat man zwei Boote gegeneinander antreten lassen. Einen normalen Achter mit einem Steuermann und den modifizierten Achter.
Der normale Achter hat haushoch gewonnen. Um sicherzugehen, hat man die Rollen vertauscht: In der Siegermannschaft übernahmen die zwei schwächsten Ruderer Steuermann-Aufgaben, in der Verlierermannschaft setzten sich zwei der Steuermänner ans Ruder. Der Achter mit sieben Ruderern gewann.
Eine Ruderkommission setzte sich zusammen und überlegte, ob man mit der Idee von drei Steuermännern auf dem Holzweg war oder ob sie sich doch als fruchtbar erweisen könnte. Man beschloss einen neuen Anlauf. Es wurde eine spezielle Mannschaft für den modifizierten Achter zusammengestellt. Nur die besten und stärksten Ruderer durften da rein. Die mussten dann trainieren. Ein Jahr lang. Dann gab es erneut ein Rennen gegen den normalen Achter. Das Ergebnis war aber wieder dasselbe: Der normale Achter gewann wieder haushoch. Selbst wenn der Steuermann des normalen Achters Fehler machte, konnten fünf Ruderer im einen Boot nicht mit sieben Ruderern im anderen Boot mithalten.
***
Ich muss ehrlich zugeben: Die Geschichte habe ich mir ausgedacht. Ich wette aber mit jedem Rudersportverein: Wenn Sie das ausprobieren, wird es genau so kommen, wie ich vermute. Denn zusammen mit meinem Team habe ich die Erfahrung gemacht: Sie können die schönste Methode haben. Wenn nicht genügend Arbeitskraft darauf verwandt wird, bringt sie gar nichts. Man braucht wie beim Rudern eine gewisse Grundschlagzahl. Wie viele Kunden spreche ich an? Wie viele Termine vereinbare ich? Wie viele Abschlüsse mache ich?
Der Verkaufstrichter
Die Zahlen sind natürlich je nach Produkt, das Sie verkaufen, verschieden. Ein Luxus-Maklerbüro, das mit einem einzigen Auftrag ein Viertel des Monatsumsatzes macht, braucht weniger Kundentermine als ein Kaffeemaschinenvertreter. Aber innerhalb einer Branche – jedenfalls bei allen Branchenvertretern, die mit ähnlichen Methoden arbeiten – sind die Zahlen ziemlich konstant. Genauer gesagt: Das Zahlenverhältnis ist konstant. So und so viele Akquise-Telefonate für so und so viel Umsatz.
Das verdeutlicht der Verkaufstrichter. Er funktioniert wie ein ganz normaler Trichter. Sie werfen oben Kundenkontakte rein und unten kommen Aufträge heraus. Ein Trichter lässt aber nur Dinge von einer bestimmten Größe durch. Ist ein Kundenkontakt zu groß, zu sperrig – kurzum: passt er, aus welchen Gründen auch immer, nicht, kommt auch kein Auftrag heraus. Wollen Sie gezielt Absatz machen und nicht nach dem Prinzip Hoffnung verkaufen, müssen Sie den Trichter effektiv und effizient nutzen.
Eins ist dabei entscheidend: Sie rechnen vom angestrebten Ergebnis her
zu Ihren Aufgaben, nicht umgekehrt. Ihr Ziel bestimmt also Ihre Aktivi-täten.
Der erste Rechenschritt dafür ist: Sie schauen sich an, was Sie unten herausbekommen wollen. Das können zum Beispiel bei einer Messe eine Million Umsatz sein.
Im zweiten Rechenschritt müssen Sie Ihren Trichter weiter analysieren. Wie bekommen Sie die Million? Indem Sie 50 Stück von dem neuen Ultraschallgerät verkaufen.
Dritter Schritt: Was müssen Sie dafür oben reinschmeißen? Bei einer Abschlussquote von 5:1 wissen Sie, dass Sie fünf Verkaufsgespräche auf der Messe führen müssen, um einen Abschluss zu machen. Sie müssen also 250 qualifizierte Gespräche auf der Messe führen, um die geplanten fünfzig Stück zu verkaufen.
Studien haben allerdings ergeben, dass Besucher einer Fachmesse 90 Prozent ihrer Zeit verplant haben. Das heißt, Sie müssen es schaffen, in die Vorplanung Ihres Gesprächspartners zu kommen. Und da trotz vereinbartem Termin nicht alle Gesprächspartner auch kommen, müssen Sie Ihre Quote absichern, indem Sie im vierten Rechenschritt dafür sorgen, dass Sie auf der Messe doppelt so viele vereinbarte Termine haben, wie Sie brauchen. In unserem Beispiel also 500.
Wie kommen Sie an die 500 Termine heran? Richtig. Telefonieren. Nehmen wir an, Ihre Firma hat bei der Telefonakquise wieder eine Quote von 5:1. Dann müssen Sie 2.500 Kontakte anrufen, um Ihre 500 Termine zu vereinbaren.
Nochmal kurz zusammengefasst: 2.500 Kontakte. 500 Termine. 250 Gespräche. 50 Abschlüsse. Eine Million Umsatz. Wenn Sie zwei Millionen Umsatz wollen, müssen Sie 5.000 Telefonate führen. Theoretisch. Das hängt natürlich auch davon ab, ob die Messe, der Stand und auch das Standteam das von der Manpower hergeben. Aber vertrieblich-rechnerisch ist das der Weg.
Vertriebserfolg lässt sich mathematisch ausrechnen. Dafür brauchen Sie nur die nötigen Erfahrungswerte. Ich kann Ihnen am Abend vor Messebeginn den Erfolg Ihrer Messebeteiligung im Voraus sagen, wenn Sie mir sagen, wie viele Termine Sie gemacht haben.
Das war Ihnen nicht bewusst, dass man das so exakt ausrechnen kann? Damit stehen Sie nicht alleine da. Viele Geschäftsführer schauen mich mit großen Augen an, wenn ich ihnen das erzähle. Denn sie glauben, Vertrieb ist etwas, das sie nicht steuern können. Aber wenn sie nach der Messe ihre Aufträge zusammenrechnen, stellen sie fest: Es stimmt. Guter Vertrieb bedeutet in meinen Augen nämlich nichts anderes, als den Erfolg vom Zufall zu befreien. Das ist mein Ziel.
Und die Methode, mit der Sie bei Ihren Anrufen und ich bei meinen Kundengesprächen vorgehen, spielt gar keine Rolle?
Doch, natürlich. Wenn Sie durch gute Taktik nichts ändern könnten, bräuchten Sie dieses Buch nicht zu lesen. Natürlich können Sie den Trichter so verändern, dass mehr hängen bleibt. Sie können die Abschlussquote bei den Messegesprächen auf 3:1 runterbekommen. Auch die Erfolgsquote bei den Telefongesprächen können Sie runterkriegen. Vielleicht auf 2:1. Dann müssen Sie nicht mehr 2.500 Kontakte abklappern, sondern nur noch 600. Das ist schon möglich.
Das geht aber nicht von einem Tag auf den anderen. Dafür müssen Sie Ihr System komplett umkrempeln. Und Ihr Verkäuferteam im neuen System trainieren. Sie müssen dafür die Prozesse und die innere Haltung der Verkäufer ändern. Das braucht eine Weile. Wenn die Messe in drei Wochen stattfindet, ist eine Hauruck-Aktion nicht so sinnvoll. Da stehen andere Prioritäten weiter oben.
Oft passiert leider genau das Gegenteil: Die Verkäufer sind zu optimistisch, was die Erfolgsquote angeht. In 2.500 Anrufen haben sie nur 200 Termine generieren können. Da hilft nur eins: mehr Anrufe. Wenn die Messe rum ist, können Sie daran denken, die Verkäufer zu schulen, so dass die Quote besser wird. Aber erst mal kommt die Arbeit. Dazu brauchen Sie keine geniale Methode, sondern Fleiß und Disziplin. Wie können Sie sich das angewöhnen?
Hier gibt es zwei große Hebel: Ziele setzen und einhalten – und Gewohnheiten umtrainieren. Bei beiden gibt es ein paar Tricks, wie Sie das auch wirklich schaffen.
Erster Schritt: Ziele setzen – und einhalten
Tipp eins: Nicht ein Ziel, sondern zwei
Anfangen ist nie schwer. Dranbleiben dagegen sehr. Egal, ob Sie abnehmen, mehr Sport treiben oder Ihren Umsatz in ungeahnte Höhen bringen wollen. Am Anfang ist die Motivation meistens hoch. Aber wenn es nicht so läuft, wie es sollte, ist die Gefahr groß, aus lauter Frust aufzugeben. Oder sich das nächste Mal ein ganz kleines Ziel zu setzen, das leicht erreicht wird – und dann ist Feierabend. Sie erinnern sich an die erste und zweite Falle? Genau darum geht es hier. Diese Fallen können Sie umgehen, indem Sie sich ein Ziel setzen, das erreichbar ist und den Frust kleinhält – und das groß genug ist, dass es Sie auch nach der Marathonstecke am Weiterlaufen hält. Unmöglich? Beides geht nicht zusammen? Muss es auch gar nicht.
Setzen Sie sich zwei Ziele: ein Minimal- und ein Optimalziel. Gehen Sie mit sich selbst die Verpflichtung ein: Unter dem Minimalziel mache ich es nicht. Ich gehe nicht weg von meinem Schreibtisch, ich höre nicht auf zu telefonieren, ich hake bei meinem Kunden so lange nach, bis ich mindestens 20 Termine habe, fünf Abschlüsse oder drei Empfehlungen. Das Minimalziel ist sozusagen Ihre Schmerzgrenze. Aber Sie können weit mehr.
Wenn Sie das Minimalziel erreicht haben, ist der Spaß noch nicht vorbei. Sie haben sich außerdem noch ein Optimalziel gesetzt. Das ist ein ambitioniertes Ziel, bei dem Sie Ihre Komfortzone deutlich erweitern müssen, und das Sie deshalb nicht jeden Tag erreichen können. Aber wenn Sie es erreichen, können Sie richtig stolz auf sich sein. Wenn Sie nach dem Erreichen des Minimalziels also noch fit genug sind, machen Sie direkt weiter. Das Rennen ist noch in Gange. Unternehmen Sie alles, um Ihr Optimalziel zu erreichen. Selbst wenn Sie es nicht ganz schaffen, Sie wissen: Mein Minimalziel habe ich erreicht, für alles, was dazukommt, kann ich stolz auf mich sein – egal, ob ich das Optimalziel zu fünfzig, siebzig oder neunzig Prozent erreicht habe.
Sinn und Zweck der beiden Ziele ist, Ihre Motivation hoch zu halten. Würden Sie sich nur Optimalziele setzen und diese nicht erreichen, würden Sie sich auf Dauer selbst demotivieren. Setzen Sie sich Minimalziele, die Sie zum Großteil erreichen, und erreichen darüber hinaus ab und an ein Optimalziel, haben Sie eine deutlich höhere Grundmotivation.
Tipp zwei: Tagesplanung fixieren
Mitte Januar können Sie noch nicht genau wissen, wie gut Sie auf dem Weg zum Jahres-Optimalziel vorankommen. Das ist einfach noch zu weit weg. Ein Jahresziel allein hat im Alltag nicht ausreichend Zugkraft.
Deswegen: Brechen Sie Ihre Ziele auf konkrete Handlungsschritte herunter, die Sie jeden Monat, jeden Tag unternehmen können. Setzen Sie sich jeden Abend hin und machen sich einen Plan für den nächsten Tag. Was haben Sie morgen zu erledigen? Arbeiten Sie diese Pläne ab. Ohne Ausrede. Sie können diese Ziele auch Kollegen kommunizieren. Das erhöht den Druck, erfolgreich zu sein.
Ein weiteres Druckmittel für sich selbst: Verschriftlichen Sie Ihre Ziele! Nehmen Sie zu Beginn Ihres Arbeitstages oder am Abend davor einen Zettel und notieren Sie Ihre Ziele für den Tag. Die Schriftlichkeit ermöglicht es Ihnen, Ihre Aufgaben klarer zu strukturieren. Was Sie Schwarz auf Weiß haben, ist vor allem eins: belastbar. Rufen Sie 20 Kunden am Tag an. Ziehen Sie jeden Monat 20 Neukunden an Land. Wenn Sie dann nur 18 schaffen, können Sie sich nicht mehr rausreden mit „Hatte ich nicht gesagt 15 bis 20? Na, das habe ich doch erreicht“. Sie disziplinieren sich selbst. Sie disziplinieren Ihr Denken. Machen Sie es sich zum Ritual, sich hinzusetzen und Ihre Ziele festzuhalten.
Tipp drei: Termine für Kaltbesuche
Das klingt erst mal widersinnig. Kaltbesuche sind ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass Sie keinen Termin haben. Aber: Gerade weil Sie niemandem irgendein Versprechen gegeben haben, ist die Versuchung groß, einen geplanten Kaltbesuch sausen zu lassen. Der Kunde erwartet Sie ja eh nicht.
Wenn Sie in einer Branche unterwegs sind, die noch mit Kaltbesuchen arbeitet: Setzen Sie sich unter Druck, alle Besuche, die Sie sich vorgenommen haben, auch wirklich zu machen! Das schaffen Sie, indem Sie den ersten und letzten Termin an einem Tag fest ausmachen. Nicht alle, das ist nicht nötig. Aber die Randtermine. Rufen Sie beim Kunden an und sagen, dass Sie kommen. Wenn Sie nicht auftauchen und stattdessen andere Aufgaben erledigen, stehen Sie vor Ihren Kunden schlecht da. Und indem Sie den letzten Termin des Tages fixieren, haben Sie eine Hürde, die es Ihnen schwermacht, vorzeitig abzubrechen. So können Sie Ihren inneren Schweinehund leichter überwinden.
Tipp vier: Belohnen Sie sich!
Okay. Sie haben zehn Kunden angerufen. Dann dürfen Sie sich erstmal einen Kaffee erlauben. Vorher nicht! Der Knackpunkt bei Belohnungen ist, dass Sie auch alltägliche Nettigkeiten als Belohnung einstufen und sie sich nicht jederzeit gönnen. Wenn Sie nämlich eh die ganze Zeit Kekse knabbern, zieht „nach dem zehnten Anruf gönne ich mir einen Schokoriegel“ nicht mehr. Top-Verkäufer arbeiten übrigens mit Belohnungsaufschüben: Bei zehn angerufenen Kunden gibt es einen Kaffee, aber wenn sie den ausfallen lassen, gibt es nach 20 Anrufen ein Stück Kuchen.
Sie können sich auch für das Erreichen von Minimal- und Optimalziel entsprechend belohnen: Für 700.000 Euro Jahresumsatz gibt es eine Woche Urlaub in den Bergen. Für eine Million das Traumhotel in der Karibik.
Tipp fünf: Die Rennliste
Wenn Sie Führungskraft sind und in Ihrer Mannschaft viele wettbewerbs-orientierte Verkäufer haben, machen Sie doch eine tagesaktuelle Rennliste an einem Whiteboard. Die, die am meisten verkaufen, stehen ganz oben. Zusätzlich können Sie das Whiteboard unterteilen: Das obere Drittel ist grün, das mittlere gelb, das unterste ist rot. Der Motivationsfaktor ist enorm: Niemand will ins unterste Drittel, ins Rote abrutschen. Oder wenn er mal rot steht, ist er so motiviert, dass er sich zusammenreißt und alles tut, um da wieder rauszukommen. Deswegen gibt er besonders Gas. So erreichen Sie das Optimalziel viel leichter. Allerdings gilt dies nur für Verkäufer, die gerne Neukunden akquirieren.
Aber Vorsicht: Dieser interne Wettbewerb funktioniert nur bei Produkten, die einen kurzen Verkaufszyklus haben. In Branchen, bei denen es auf das schnelle Neukundengeschäft ankommt, und mit Verkäufern, die gern Neukunden akquirieren. Dort, wo man zum Kunden geht, präsentiert und sofort eine Entscheidung mitgeteilt bekommt. Dafür in Frage kommen also etwa bestimmte Finanzdienstleistungen oder auch viele Produkte aus dem Direktvertrieb. Wenn es bei Ihnen auf langfristige Kundenbindung ankommt oder die Kunden lange Entscheidungszyklen haben, ist dieser Trick kontraproduktiv. Dann verlieren Sie mit der Rennliste vielleicht wertvolle Mitarbeiter, die besonders gut darin sind, lange auf dauerhafte Kundenbeziehungen hinzuarbeiten. Denn beratende Verkäufer können Sie schon mit ein, zwei Tagen im roten Bereich verunsichern.
Zweiter Schritt: Gewohnheiten umtrainieren
In meinen Seminaren bitte ich manchmal jemanden, aufzustehen und das Sakko oder die Jacke auszuziehen. Die meisten sind zwar erstmal ziemlich irritiert, kommen aber meiner Bitte gerne nach. Dann bitte ich sie, die Jacke oder das Sakko wieder anzuziehen. Die meisten stecken zuerst den rechten Arm in den Ärmel. Die Sache funktioniert reibungslos. Ich sage dann:
„Okay. Ich sehe, Sie sind Rechtshänder. Machen Sie das bitte nochmal: Ziehen Sie Ihr Sakko aus. Aber ziehen Sie es diesmal mit links zuerst an.“
Die Leute ziehen also ihr Sakko aus und probieren es andersherum. Das dauert dann meistens ewig. Es ist umständlich und fühlt sich eigenartig an. Sie sind es nicht gewohnt.
Wenn Sie sich ändern wollen, wird Ihnen eines ganz besonders im Weg stehen: Ihre Gewohnheiten. Jedes Mal, wenn wir etwas tun, werden in unserem Gehirn Nervenbahnen „ausgebaut“. Das heißt: Auf dieser Nervenbahn wird ein elektrisches Signal durchgeschickt. Tun wir etwas Bestimmtes immer wieder, wird diese spezielle Nervenbahn mit Myelin, einer lipidreichen Biomembran, umgeben. Sie wird damit isoliert und der Strom kann schneller fließen. Je öfter wir etwas tun, desto stärker wird die Nervenbahn also isoliert und wir führen die Tätigkeit immer müheloser aus. Das ist eine sehr nützliche Leistung unseres Gehirns. Aber nicht, wenn wir uns ändern müssen oder wollen. Die Signale für das alte Verhalten sind auf einer vierspurigen Autobahn unterwegs, während die Signale für unser neues, besseres Verhalten auf
einer Schotterpiste durch unser Hirn holpern. Das muss man zu überlisten wissen.
Das gilt auch, wenn Sie sich Selbstdisziplin zur Gewohnheit machen wollen. Die berechtigte Frage ist: Wie lange werden Sie brauchen, bis Sie disziplinierter verkaufen?
Es gibt eine Studie der Hirnforschung, die sagt: Wenn Sie es dreißigmal am Tag machen, werden Sie im Schnitt sechs Monate brauchen, um die alte Gewohnheit abzulegen und eine neue zu lernen.
Uff. Das klingt heftig. Es gibt aber noch ein anderes Experiment, das nahelegt, dass die Umgewöhnung auch schneller gehen kann. Wenn man ständig, pausenlos übt.
NASA-Experten haben zur Vorbereitung auf den Apollo-Flug mit der Mannschaft des Space Shuttle einen Versuch gemacht. Sie fertigten eine Brille an, die alles auf dem Kopf stehend zeigte. Die Probanden sahen die Tische an der Decke und die Lampen am Boden. Unangenehm! Ihnen wurde gesagt: „Ab sofort müsst ihr diese Brillen immer aufhaben. Egal, was ihr macht. Sobald ihr die Augen aufmacht, setzt ihr die Brillen auf.“ Die Probanden taperten natürlich erstmal ordentlich durch die Gegend. Alles war plötzlich ziemlich umständlich. Geschirrspülen ging nur schwer. Radfahren gar nicht mehr. Doch nach 28 Tagen passierte etwas Faszinierendes: Die Probanden konnten plötzlich ihre Umwelt wieder normal wahrnehmen, obwohl sie die Brillen immer noch aufhatten. Der Versuch der NASA hat gezeigt: Nach 28 Tagen stellt sich unser Gehirn auf Änderung ein.
Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen. Sie werden vielleicht keine sechs Monate brauchen, um sich mehr Disziplin anzugewöhnen. Vielleicht werden Sie aber auch etwas länger als 28 Tage brauchen. Eins zeigen die beiden Beispiele aber auch: Ohne ständiges Üben geht es nicht.
Wie Sie das üben, verrate ich Ihnen mit den folgenden Tipps.
Tipp eins: Rituale einführen – ganz pragmatisch
Oliver Kahn hat einmal in einem Interview erzählt, wie wichtig Rituale im Sport sind. Ich stelle mir das so vor: Vor einem Spiel stellt sich die Mannschaft im Kreis auf, legt die Arme auf die Schultern des Nebenmanns und ruft im Chor: „Wir legen zusammen ein tolles Spiel hin! Wir gewinnen!“ Oder irgend etwas in der Art. Was, ist gar nicht so wichtig, Hauptsache: Der Mannschaftsgeist und die Entschlossenheit, zu siegen, werden gestärkt. Und dann – das hat Kahn gesagt – kommt es darauf an, nach dem Ritual nicht wieder auseinanderzulaufen und auf den Bänken zu sitzen, bis das Spiel
anfängt. Sondern direkt auf den Rasen zu gehen. Solange der Schwung vorhält.
Rituale bringen Sie in Schwung und sorgen dafür, dass Sie Aufgaben direkt anpacken. Sie sorgen für einen Automatismus, der Sie um ein Vielfaches effizienter macht. Wenn Sie also morgens an Ihren Schreibtisch kommen, checken Sie nicht erst Ihre Mails. Sondern stellen Sie Ihre Tasche ab, Mantel aus – jetzt werden erstmal zehn Kunden angerufen. E-Mails checken Sie erst nach 13 Uhr. Wenn eine Tätigkeit besonders unangenehm ist: Zählen Sie einen Countdown von zehn runter. Dann legen Sie los. Ohne Pause, ohne Zögern. Jetzt.
Tipp zwei: Eat the frog first
Schlucken Sie die größten Kröten zuerst und rufen Sie als erstes die schwierigen Kunden an. Dann haben Sie das vom Tisch und den Kopf frei für andere Aufgaben, die anstehen. Sie können den Rest des Tages viel effizienter arbeiten, wenn Sie nicht dauern denken: Ach, Mensch. Den will ich nicht anrufen. Sie schieben nicht schon zu Beginn des Tages etwas auf, sondern starten aktiv.
Tipp drei: For Home Warriors
Sich im Home Office zu disziplinieren, ist eine hohe Kunst. Gehen Sie daher Ihre Home-office-Tätigkeit genauso ernsthaft an, als ob Sie ins Büro fahren würden – und Ihren Schreibtisch direkt gegenüber dem eines kontrollwütigen Chefs hätten. Schließen Sie mit sich eine Vereinbarung, dass Sie um 8.30 Uhr den ersten Anruf machen. Setzen Sie sich auch nicht in Jeans und T-Shirt an den Schreibtisch. Rasieren Sie sich. Ziehen Sie Anzug und Krawatte an. Sie sind nicht zu Hause. Sie sind im Büro. Ob Sie es mir glauben oder nicht: Ihre Kunden werden es an Ihrer Stimme hören, ob Sie im Schlabberpulli am Telefon sitzen oder in voller Montur.
Für manche kann es auch sinnvoll sein, sich in ein Tagesbüro einzumieten. Ich kenne einen Kollegen, der zahlt für so ein Mietbüro 150 Euro. Pro Tag. Er sagt: Wenn ich so viel Geld bezahle, muss bei meiner Arbeit auch deutlich was rumkommen, damit sich das rentiert. Also strenge ich mich im Mietbüro viel mehr an als zu Hause.
Tipp vier: Lernpartner suchen
Wenn es Ihnen trotzdem noch schwerfällt, sich Disziplin anzugewöhnen: Suchen Sie sich Hilfe. Einen Coach, einen Mentor, einen Lernpartner. Dem kündigen Sie an, was Sie vorhaben. Wenn Sie das dann nicht machen, hakt er nach: „Wieso hast du den Termin abgesagt?“ „Wieso hast du da nicht angerufen?“ Kurz: „Wieso bleibst du hinter deinen Möglichkeiten zurück?“ „Welche Schritte willst du dagegen unternehmen?“ Junge Verkäufer sollten sich am besten einen Mentor suchen. Von diesem können sie sich ein paar Kniffe abschauen. Um es zoologisch auszudrücken: Der alte Hase weiß schon, wie er den inneren Schweinehund besiegt.
Wenn Sie schon deutlich erfahrener sind, schauen Sie sich nach einem Partner um, mit dem Sie auf Augenhöhe diskutieren können. Dafür ist es aber wichtig, dass Sie nicht miteinander im Wettbewerb stehen. Diese Partnerschaft sollte für beide zu wichtig sein, als dass da irgendwas dazwischen kommt.
Die Schale mit der Schokolade
Und jetzt verrate ich Ihnen noch, wie ich meinen Willen jeden Tag trainiere. Ich könnte es auch das „Prinzip Fasten“ nennen. Bloß dass ich nicht auf Fleisch und Fisch verzichte, sondern auf das, was ich am liebsten esse und trinke: Schokolade und Cola. Lieblingsspeisen über eine längere Zeit nicht zu essen, ist einfach, denken Sie? Nicht wenn Sie sie jeden Tag in Reichweite haben. Doch, doch, es stimmt. So fies bin ich tatsächlich zu mir selbst. Ich liebe Pralinen über alles. Und auf meinem Bürotisch steht eine große, prall gefüllte Pralinenschale. Niemandem würde auffallen, wenn ich mir hin und wieder mal eine mopsen würde. Aber jeden Tag, an dem ich es schaffe, an der süßen Versuchung vorbeizugehen, ist für mich ein gewonnener Tag. Und eine große Genugtuung. Dann belohne ich mich, indem ich mal einen Schokotag einlege. An dem Tag darf ich so viel Schokolade essen, wie ich möchte. Ich mache schließlich weder eine Diät, noch habe ich eine masochistische Ader. Aber worauf ich schon hinaus will: Ich will an mir arbeiten!
Das ist Selbstdisziplin und so können auch Sie Ihren Willensmuskel trainieren. Sie nehmen sich vor, jeden Tag eine Stunde zu joggen? Dann hören Sie niemals bei Minute 57 auf. Wenn ich drei Minuten zu früh zurück vom Laufen bin, ziehe ich noch einmal los – bis ich mein Ziel erreicht habe. No shortcuts! Wenn Sie dieses Prinzip in Ihrem Alltag umsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass Sie auch im Beruf diszipliniert sein werden.
Sie werden sich nur ändern, wenn Sie handeln. Wenn Sie etwas tun. Bevor Sie jetzt aber loslegen, rate ich Ihnen, noch schnell das nächste Kapitel zu lesen. Damit Sie nicht voller Eifer und Fleiß in die falsche Richtung losstürmen. Überlegen Sie sich gut, wofür Sie Ihren Fleiß und Ihre Disziplin einsetzen. Bei dem Versuch, ordentlich Material in den Verkaufstrichter zu füllen, kann man sich aufarbeiten. Da hat keiner was davon. Der Fleißige schlägt zwar den Faulen. Der Schlaue schlägt aber den Fleißigen. Bis gleich!