Kapitel 5
Der Schlaue schlägt den Fleißigen
Das Prinzip des längsten Hebels
Außer Atem schlage ich am Beckenrand an. Die Oma im Spaßschwimmerbecken nebenan sieht mich irritiert an. Es ist Tag eins meines neuen Trainingsplans und ich habe bereits einen Kilometer im Becken hinter mir. Einer liegt noch vor mir. Aber das wird hart werden. Meine Arme wollen jetzt schon nicht mehr.
Ich bereite mich gerade auf einen Triathlon im Wettkampf vor. Dafür habe ich bisher immer die Schwimmetappe simuliert: zwischen 1,5 und 3,8 Kilometer. Die ersten 200 bis 500 Meter habe ich ordentlich Gas gegeben. Die restliche Strecke habe ich dann versucht, das Tempo möglichst gleichmäßig zu halten, um Energie für die anschließende Rad-Etappe zu sparen.
Meine Zeiten sind auf diese Weise nur minimal besser geworden. Das ist aber ganz normal. Von einem Leistungsplateau kommt man nur schwer hoch auf die nächste Ebene. Da muss man schon mal ein Jahr investieren, um eine Minute besser zu werden. Dachte ich.
400 Meter? Ich lege erstaunt die Zeitung mit dem Interview weg. Das längste Stück, das Rob Barel schwimmt, ist die Distanz von 400 Metern. Barel ist Weltmeister, mehrfacher Vizeweltmeister und mehrfacher Europameister im Triathlon. Er schwimmt beim Training nur kurze Intervalle: 50er, 100er, 200er, maximal 400er. Die Belastung wird dadurch höher und er wird kräftiger, stand in diesem Artikel.
Also habe ich mein Training umgestellt: Nicht mehr drei bis vier Kilometer schwimmen, sondern nur noch zwei. Die dafür aber mit voller Kraft und auf den Bewegungsablauf konzentriert. Das ist hart. Nach dem Training brennt jeder Muskel in meinem Körper. Aber das Ergebnis ist unglaublich: Ich habe über zehn Jahre Wettkampferfahrung und bin immer so im ersten Drittel aus dem Wasser gekommen. Jetzt bin ich beim ersten Zehntel dabei. Allein, weil ich an der Qualität gearbeitet statt auf Quantität gesetzt habe.
***
Das Leistungslimit bei Sportlern ist der Körper. Muskeln und Sehnen, die Anzahl der roten Blutkörperchen, die Pumpkraft des Herzens ... Manche versuchen noch, durch Doping nachzuhelfen. Aber wenn das Training nicht stimmt, ist auch das nur eine Krücke. Wie die Sportler haben auch Verkäufer ein Leistungslimit. Das setzt allerdings nicht ihr Körper. Der wichtigste limitierende Faktor für Verkäufer ist: die Zeit.
Überlegen Sie mal: Ihre Kunden erreichen Sie nicht rund um die Uhr, sondern in der Regel erst ab acht oder neun. In der Medienbranche kann das auch schon mal zehn Uhr sein. Da sind Sie schon mal begrenzt. Abends ist es dasselbe: Bei privaten Unternehmen geht vielleicht so bis 17 oder 18 Uhr jemand ans Telefon. Im öffentlichen Bereich können Sie sich abschminken, nach 16 Uhr noch jemanden an die Strippe zu kriegen. Bei Bäckern ist bereits ab 13 Uhr Feierabend, bei Gastronomen um 19 Uhr – danach sind sie mit ihren Gästen vollauf beschäftigt. Und selbst diese Zeiten haben Sie nur an vier Tagen in der Woche. Am Freitag geht nach 12 Uhr nirgendwo mehr jemand ans Telefon.
Sie können an allen anderen Ressourcen, die Sie haben, arbeiten – aber an der Erreichbarkeit Ihrer Kunden können Sie nicht schrauben. Das ist das eine Problem. Das andere Problem ist: Viele Verkäufer sind zu fleißig.
Zu fleißig? Im letzten Kapitel habe ich noch gepredigt, dass es keine Abkürzung gibt. Dass man ohne harte Arbeit nicht zum Ziel kommt. Ja, das stimmt. Fleiß ist unbedingt nötig – aber er reicht noch nicht für Erfolg. Wenn ich nicht intelligent vorgehe, verpulvere ich nur Energie. Ich ackere mich an Kunden ab, die kein Potenzial haben. Oder ich komme einen Tag nach der Großmesse, bei der sie sich fürs nächste Jahr eingedeckt haben, zu ihnen. Oder ich belästige sie mit Angeboten, die sie nicht brauchen können. Dann vergeude ich meinen Arbeitseinsatz. Für nichts und wieder nichts. Oder jedenfalls mit deutlich magereren Ergebnissen, als ich hätte, wenn ich denselben Fleiß sinnvoll einsetze.
Viel zu viele Verkäufer und vor allem deren Chefs schauen ausschließlich auf die Quantität. Nach dem Motto: Viel hilft viel. Wenn der Außendienstler nach neun Uhr morgens noch im Büro sitzt, stänkern sie: „Was machst du noch hier? Du gehörst auf die Straße!“
Ja, er gehört auf die Straße. Wenn er entsprechend vorbereitet ist.
2006 befragte Proudfoot Consulting über 10 000 Vertriebler und deren Controller: Wie viel Zeit verbringen Sie mit Verkaufen? Wie viel Ihrer Zeit geht für Administratives drauf? Für Reisezeit? Für die Vorbereitung? Das Ergebnis war: Elf Prozent ihrer Zeit verbringen Verkäufer mit dem Verkaufen. Die restlichen 89 Prozent gehen für Verwaltungstätigkeiten, interne Abstimmung und Reisen drauf.
Ich wurde, kurz nachdem das bekannt wurde, von einem Journalisten interviewt. Sein Tenor war: „Das ist ja unglaublich. Wie wenig die wirklich verkaufen. Was das für eine Ressourcen-Verschwendung ist.“ Dazu sage ich: Was bringt es, wenn der Verkaufsanteil vielleicht bei 25 oder 30 Prozent liegt? Die Chance, dass der Verkäufer dann schlecht vorbereitet beim falschen Kunden sitzt, ist immens hoch. Dann hat er zwar eine hohe Verkaufszeit, macht aber nicht mehr Umsatz. Wenn ein Verkäufer dagegen 89 Prozent seiner Zeit in eine gute Vorbereitung investiert – nämlich darin, beim richtigen Kunden mit dem richtigen Angebot zum richtigen Zeitpunkt aufzuschlagen – und so dafür sorgt, dass die Kunden bei den Terminen wirklich kaufen, sind elf Prozent Verkaufszeit ein klasse Wert.
Sich richtig bücken
Stellen Sie sich vor, man steckt Sie in einen Raum, in dem lauter Geldscheine auf dem Boden liegen. Sie dürfen sich jetzt genau einmal bücken, um so viele Scheine wie irgend möglich aufzuheben. Sie dürfen aber die Anordnung der Geldscheine vorher nicht ändern.
Jetzt gibt es zwei Strategien. Die erste ist, Sie fangen an zu üben. Sie arbeiten an der Kraft Ihrer Hände und daran, wie weit Sie in gebückter Haltung die Arme ausstrecken können, damit Sie möglichst viele Geldscheine nehmen können. Sie basteln sich Saugnäpfe für die Finger oder versuchen Ihre Finger künstlich zu verlängern, damit Sie mehr greifen können. Die andere Möglichkeit ist: Sie schauen sich um. Dann werden Sie feststellen, dass in diesem Raum lauter Fünf-Euro-Scheine liegen – und zwei Fünfhunderter. Wenn Sie sich jetzt geschickt platzieren, können Sie beide aufheben und gehen mit 1.000 Euro nach Hause.
Sie haben also die Wahl: Entweder Sie sind fleißig und arbeiten hart – mit hart meine ich richtig hart. Oder Sie schalten Ihr Hirn ein. Fleiß ist wichtig, keine Frage. Aber viel entscheidender ist, dass Sie eine entsprechende Qualität erreichen.
Die Formel lautet: Erfolg = Quantität x Qualität
Verkäufer können ihren Umsatz steigern, wenn sie einfach die Quantität in die Höhe schrauben. Viel telefonieren, viele Gespräche führen. Dann bekommen sie auch automatisch Abschlüsse. Aber nicht so viele, wie sie gerne hätten. Das Verhältnis von Umsatz zum eingesetzten Aufwand, also die Effizienz, bleibt mager. Und oft auch die Effektivität.
Wenn Sie es machen wie Will Smith in „Streben nach Glück“ und nicht mehr trinken, nicht mehr aufs Klo gehen, nicht auflegen, gleich neue Nummer wählen – dann werden Sie zwar in Rekordzeit enorm viele Kunden anrufen. Aber Sie haben damit noch nicht bestimmt, was bei diesen Telefonaten rauskommt! Wenn Sie nichts trinken, werden Sie in der zweiten Hälfte des Tages nur noch unkonzentriert telefonieren können, weil Sie vollkommen dehydriert sind. Wenn Sie sich zwischen zwei Telefonaten nicht die Zeit nehmen, einen Blick in Ihre Unterlagen zu werfen, können Sie sich nicht auf den nächsten Kunden einstellen. Entsprechend wenige Termine oder Abschlüsse werden Sie kriegen.
Es gibt also eine Grenze für die Quantität Ihrer Arbeit. Wenn Sie weiterkommen wollen, müssen Sie an der Qualität arbeiten. Oder anders ausgedrückt: Ihre Wirksamkeit erhöhen.
Physik für Verkäufer – der längere Hebel
Wir alle haben in der Schule gelernt: Last x Lastarm = Kraft x Kraftarm.
Anders formuliert: Je länger der Hebel ist, desto weniger Kraft brauche ich, um dieselbe Last zu stemmen. Oder: Je länger der Hebel ist, eine desto größere Last kann ich bei gleichem Krafteinsatz stemmen. Das ist das Gesetz des längeren Hebels und es funktioniert auch im Verkauf. Sie können mit minimalem Energie-Einsatz die dicksten Abschlüsse machen. Dafür müssen Sie aber einen richtig langen Hebel finden. Also Top-Arbeitsqualität liefern. Clever an die Sache herangehen.
Sie können Ihren Erfolg drastisch steigern, wenn Sie den langen Qualitätshebel ansetzen. Wenn Sie beim richtigen Kunden im richtigen Moment mit dem richtigen Angebot aufschlagen, werden Sie mit Sicherheit verkaufen – und zwar nicht nur ein bisschen was. Sie werden richtig große Umsätze hebeln.
Der Qualitäts-Hebel besteht also im Grunde aus drei einzelnen Hebeln: Kunde, Moment, Angebot. Die müssen Sie gezielt einsetzen.
Hebel eins: Kunden (aus)sortieren
Spätestens seit dem ersten Kapitel dieses Buches ist Ihnen klar: Um Ihr Marktpotenzial voll auszuschöpfen, müssen Sie sich auf die A-Kunden konzentrieren, die B-Kunden mitbedienen und die C-Kunden loslassen.
Jetzt sage ich: Auch um Ihre Arbeitskraft intelligent einzusetzen, ist das wichtig.
Wenn ich mir den Reiseplan eines Verkäufers anschaue, kann ich ganz genau erkennen, ob das ein guter Verkäufer ist. Verbringt er neunzig Prozent seiner Zeit bei C-Kunden, weiß ich: Das ist ein schlechter. Der wird nicht viel Umsatz machen. Hat er viele A- und B-Kunden da stehen – vielleicht so achtzig, neunzig Prozent –, wird er höhere Umsätze haben.
Die beiden werden genau dieselbe Zeit bei ihren Kunden verbringen, aber allein dadurch, dass ein Verkäufer mehr Zeit bei Kunden mit hohem Potenzial verbringt, macht er auch mehr Umsatz. Selbst wenn er im Gespräch nicht so überzeugend ist und seltener zum Abschluss kommt. Weil er, wenn er mal erfolgreich ist, ganz andere Summen bewegt als der Verkäufer, der im C-Bereich herumkrebst. System schlägt Talent.
Ein entscheidender Schritt für den Verkäufer ist also, sich so ein System einzurichten. Kriterien für die Einteilung festzulegen. Das habe ich im ersten Kapitel nur flüchtig gestreift, weil es da ums Grundsätzliche ging. Jetzt geht es ums schlaue Vorgehen – dazu gehört ein System, das Ihnen klar sagt, bei welchen Kunden Sie Ihre Zeit verschwenden und bei welchen Sie sie sinnvoll investieren.
Die meisten Unternehmen teilen ihre Kunden ja schon in verschiedene Klassen ein. In der Regel gehen sie dabei nach Jahresumsatz vor, also zum Beispiel: bis 5000 Euro: C-Kunde. Bis 10.000 Euro: B-Kunde. Ab 15.000 Euro mit nach oben offener Skala: A-Kunde.
Das ist im Prinzip schon mal richtig – greift aber zu kurz. Sie machen mit einem Kunden vielleicht 12.000 Euro Umsatz, aber allein die Vertreterbesuche kosten schon 13.000 Euro, weil Sie den jede Woche mit einem Außendienstler beackern müssen, damit er überhaupt kauft. Blicken Sie also auch auf den Deckungsbeitrag nach Verrechnung von Umsatz und Kosten!
Ein weiterer Fehler, der gemacht wird, ist, das Potenzial des Kunden nicht zu beachten. Sie haben vielleicht einen Kunden, der macht nur 4.000 Euro Umsatz im Jahr, hätte aber das Potenzial für 80.000 Euro. Da Sie ihn aber als C-Kunden einstufen und ihm entsprechend wenig Aufmerksamkeit widmen, weiß er gar nicht, was Sie alles anzubieten haben, das genau auf seinen Bedarf passt. Und wird nie zum A-Kunden. Dabei ist es doch so: Was der Kunde nicht da hat, kann er nicht verbrauchen. Was der Händler nicht da hat, kann er nicht verkaufen. Und: Was Sie ihm nicht verkaufen, verkauft ihm der Wettbewerb. Achten Sie deshalb genau auf Ihre Kunden!
Kriterien zur Kundeneinordnung
Für eine sinnvolle Einteilung Ihrer Kunden brauchen Sie mindestens die Faktoren Umsatz, Deckungsbeitrag und Potenzial. Dann können Sie anfangen, eine kompetente Einteilung zu machen. Gute Verkäufer gehen einen Schritt weiter und stellen sich folgende Fragen:
- Welches Referenz-Potenzial hat mein Kunde? Komme ich über ihn noch an andere Kunden heran? Kann er bestimmte Türen öffnen, die für mich bisher versperrt sind? Hat der Kunde eine Leuchtturmposition in der Branche?
- Welchen Aufwand fordert der Kunde? Ist er eher pflegeleicht oder wird das eine aufwändige Sache mit ihm? Will er täglich oder wöchentlich beliefert werden? Oder reicht es, wenn einmal im Monat ein Laster auf seinem Hof vorfährt?
- Gibt es da ein Cross-Selling-Potenzial? Kauft er nur drei bestimmte Artikel oder kann ich ihm noch andere Produkte verkaufen?
- Kauft er nur Standard oder sucht er eine Individuallösung? Kann ich mehr bei der Individuallösung verdienen oder bin ich bei diesem Kunden günstiger dran, wenn ich ihm etwas von der Stange verkaufe?
- Ist mein Unternehmen der A-, B- oder C-Lieferant für diesen Kunden? Sollten wir C-Lieferant sein, sind wir als erstes unseren Auftrag los, wenn der Kunde beschließt, sich nur noch von A-Lieferanten versorgen zu lassen!
- Wie sieht es bezüglich Bonität und Zahlungsmoral aus? Was bringt mir ein Kunde, der einen Haufen Umsatz macht, aber dann nicht zahlt? Oder ewig dafür braucht.
Das ist natürlich ein ganzer Haufen Kriterien. Welche davon entscheidend sind und welche weniger wichtig, ist abhängig von Ihrer Branche und von Ihrem Unternehmen. Das müssen Sie also selbst entscheiden, in Absprache mit Ihrem Chef.
So, jetzt haben Sie Ihre Kunden eingeteilt. Was machen Sie jetzt mit ihnen?
No Germans, please!
Ein Bekannter von mir wollte vor ein paar Jahren Urlaub am Gardasee machen. Er hat im Internet ein wunderschönes Hotel in Sirmione gefunden; beim Kontaktformular angekommen stand dann aber in fetten Buchstaben, dass die Besitzer keine Gäste aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wünschen, sondern nur Pauschaltouristen aus Großbritannien und Italiener, die vorab eine Anzahlung machen. Mein Bekannter war baff. Er machte einen Screenshot von der Homepage und zeigte es mir mit der Bemerkung: „ganz schön radikal“.
***
Ja, das mag eine extreme vertriebliche Maßnahme sein, dachte ich. Aber wenn ich mir das Verhalten vieler deutscher Urlauber anschaue, die morgens fast schon Schneisen ins Büffet schlagen, und dagegen die Engländer betrachte, die auch mittags und abends im Hotel essen, hat die Entscheidung des Hoteliers nichts Ungewöhnliches mehr an sich.
Aus vertrieblicher Sicht hat dieser Hotelier völlig Recht. Er ist seine C-Kunden radikal losgeworden. Und hat damit Platz geschaffen für Gäste, die einen besseren Umsatz bringen. Die Touristen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz werden sich im ersten Moment ärgern. Aber im Endeffekt fühlen sie sich in einem anderen Hotel, wo sie wirklich willkommen sind, wohler, als wenn dieses Hotel sie zähneknirschend begrüßen würde.
Die meisten Unternehmen können aber nicht auf ihre Homepage setzen: „C-Kunden bitte draußen bleiben.“ Oder: „Wenn Sie weniger als 5.000 Euro im Jahr bei uns ausgeben wollen, suchen Sie sich einen anderen Lieferanten.“ Wie also gehen Sie mit den verschiedenen Kunden-Kategorien um?
C-Kunden
C-Kunden – das ist genau die Sorte Kunden, die Sie keinen Zentimeter vorwärts bringen. Sie erzeugen kaum Umsatz, das Potenzial ist gleich null und der Deckungsbeitrag ist sowieso beim Teufel. Wenn Sie diese Kunden nicht von heute auf morgen alle abstoßen wollen, sollten Sie eine Möglichkeit finden, sie zeit- und geldsparend zu betreuen. Das kann über ein Call Center oder eine Online-Bestellfunktion gehen. Oder Sie setzen sie einfach auf Ihren Katalogverteiler. Die Besuche bei C-Kunden sollten Sie – wenn überhaupt – auf ein- bis zweimal pro Jahr zurückfahren. Kümmern Sie sich lieber um die dicken Fische! Und sehen Sie zu, dass Sie in Zukunft C-Kunden gar nicht mehr annehmen. So wie der Gastwirt am Gardasee.
B-Kunden
B-Kunden sind keine einheitliche Gruppe. Es gibt B1- und B2-Kunden.
B1-Kunden
Viele Verkäufer sortieren sie aufgrund ihres Umsatzvolumens als A-Kunden ein. Irrtümlicherweise. Mit diesem Kunden werden sie aber nicht weiter wachsen können, da er alles, was er braucht, bereits bei ihnen kauft. Der B1-Kunde generiert also gute Umsätze, hat aber kein weiteres Potenzial. Deshalb ist das Beste, was Sie tun können, diesen Kunden abzusichern und ihn zu halten. Aber besonders um B1-Kunden zu kümmern brauchen Sie sich nicht. Es ist okay, sie durch den normalen Felddienst betreuen zu lassen.
Viele fragen jetzt: „Wie, nicht kümmern? Der erzeugt doch ordentlich Umsatz! Der ist wichtig!“
Wichtig vielleicht, aber was wollen Sie mit Ihrem Zeiteinsatz bewirken? Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Es nützt Ihnen nichts, diese Kunden noch zu umwerben. Noch mehr ist einfach nicht zu holen. Ganz im Gegensatz zu den B2-Kunden.
B2-Kunden
B2-Kunden erzeugen wenig Umsatz. Manche sogar gar keinen. Noch keinen. Sie haben aber großes Potenzial. Weil der Kunde eine Leuchtturmfunktion hat. Weil er gut vernetzt ist. Weil bei ihm demnächst eine größere Investition ansteht und er gewillt ist, für eine gute Lösung eine ordentliche Summe auf den Tisch zu legen. Dies fällt nur nicht auf, weil bisher noch keiner auf die Idee gekommen ist, ihm diese anzubieten.
B2-Kunden können übrigens auch Neukunden sein. Also: Schauen Sie genau hin. Erstellen Sie für jeden Kunden eine genaue Bedarfsanalyse und ein individuelles Angebot. So werden Sie ihn zuverlässig einordnen und – ganz wichtig – vom C-Kunden unterscheiden. Besuchen Sie die B2-Kunden und nehmen Sie sich Zeit für sie. Machen Sie ihnen Zusatzangebote, auf die sie selbst noch nicht gekommen sind. Es lohnt sich. Ihr Umsatz wird sich gewaltig steigern. B2-Kunden können so ganz schnell zu A-Kunden
werden.
A-Kunden
A-Kunden machen gute Umsätze – wenn nicht sogar die besten – und sie haben das Potenzial, mit Ihnen zu wachsen. Das lohnt jeden Aufwand. Ein A-Kunde wird durch einen Key Account Manager gehegt und gepflegt. Er bekommt regelmäßig Besuch. Sie bieten ihm von sich aus Lösungen für seine Probleme an. Er bekommt Angebote, die wirklich kein anderer bekommt. So gelingt es Ihnen, den A-Kunden nicht nur zu halten, sondern sein Wachstumspotenzial voll auszuschöpfen.
Wenn Sie festgelegt haben, welchem Kunden Sie wie viel Aufmerksamkeit schenken, gehen Sie in die Detailplanung. Um bei den wichtigen Kunden punktgenau zu landen, muss das Timing stimmen.
Hebel zwei: Der richtige Moment
Ein Großhändler hat noch tonnenweise Streusalz vom letzten Winter. Weil es ein milder Winter war, ist das Zeug im Lager liegengeblieben. Da der Platz aber gebraucht wird, hat der Großhändler zu seinen Vertrieblern gesagt: „Wir machen eine Streusalzaktion. Schaut mal, was geht.“
Im Mai!
Mit falschem Timing können Sie sich eine Menge kaputtmachen. Für viele Waren gibt es Saisons. Nicht bei allen so ausgeprägte wie bei Streusalz, das im Sommer wirklich niemand brauchen kann. Aber Phasen, in denen die Ware läuft wie geschnitten Brot, und andere, wo sie sich eher zäh verkauft, gibt es in jeder Branche.
Klar können Sie antizyklisch vorgehen. In der Nebensaison können Sie versuchen, mit Sonderangeboten den Umsatz anzukurbeln. In Ausnahmefällen mag das auch funktionieren.
Entgegen den Branchenzyklen zu verkaufen hat aber drei Haken: Erstens verpulvern Sie viel Energie, denn mit demselben Aufwand, mit dem Sie in der Nebensaison vier Abschlüsse tätigen, bekommen Sie in der Hauptsaison vierzig. Zweitens müssen Sie in der Nebensaison mit den Preisen runtergehen, machen also unmittelbar Verlust oder jedenfalls weniger Gewinn. Und drittens machen Sie sich damit langfristig die Preise kaputt. Weil der Kunde, der im Mai von Ihnen günstiges Streusalz bekommen hat, im September fragt: „Was, jetzt wollen Sie das Doppelte dafür? Ich bin doch nicht blöd!“
In meiner Branche weiß ich zum Beispiel: Im September und Oktober organisieren meine Kunden die Personalentwicklung für das Folgejahr. Damit ist immer verbunden, dass in diesem Zeitraum auch Coachings, Seminare und Schulungen gebucht werden. Wenn ich also im August anrufe, werde ich vertröstet. Wenn ich im November anrufe, bin ich zu spät dran. Dann sind alle Budgets ausgeschöpft. Ich muss das richtige Zeitfenster er-
wischen.
In manchen Branchen ist die Hochsaison sogar auf ein konkretes Datum festgelegt. Immer wenn irgendwelche Leitmessen sind, geht es bei denen hoch her. Die Entscheidungen fallen dann kurz vor oder auf der Messe. Wenn Sie einen Tag zu spät sind, kann es sein, dass das Budget Ihres Kunden bereits ausgegeben ist und Sie leer ausgehen.
Für Flugzeughersteller ist das die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Berlin. Wenn die vorbei ist, veröffentlichen Boeing und Airbus immer ihre Zahlen: So und so viele Flugzeuge haben wir verkauft. Denn auf dieser Messe werden die großen Deals gemacht. Da kaufen die Fluggesellschaften ihre Flugzeuge. Das ganze Vertriebswesen ist auf diese Messe zugeschnitten.
Nicht nur in der Branche insgesamt gibt es Hoch- und Nebensaison. In jedem Betrieb gibt es noch mal individuelle Besonderheiten: Der eine läuft zwischen Weihnachten und Neujahr auf Sparflamme, der andere nicht. Vielleicht gibt es bei Ihrem Kunden immer am ersten Mittwoch im Monat ein Meeting, in dem über Investitionen entschieden wird. Oder Ihr Ansprechpartner fährt Anfang August in den Urlaub, sodass in dieser Zeit keine Termine möglich sind.
All das müssen Sie wissen!
Tragen Sie also in Ihren Terminkalender ein:
- wichtige Messen (klar)
- Entscheidungstermine Ihrer Kunden
- An- und Abwesenheiten Ihrer Ansprechpartner
Entsprechend dieser Daten vereinbaren Sie Ihre Kundentermine. Die Flautezeit nutzen Sie, um sich vorzubereiten. Sich über Ihre Kunden zu informieren. Ihre Angebote neu zusammenzustellen und Ihre Präsentation auf Vordermann zu bringen. Zu Beginn der Saison stehen Sie dann gut vorbereitet in den Startlöchern.
Das richtige Timing ist aber nicht nur fürs Verkaufsgespräch wichtig. Sondern genauso für alles, was daraus folgt: Angebot abgeben, nachhaken, Vertrag zuschicken. Um das perfekt timen zu können, müssen Sie wissen, wie die internen Entscheidungsstrukturen Ihres Kunden sind. Die können Sie praktischerweise beim Kundengespräch erfragen.
Mit drei Fragen zum richtigen Timing beim schriftlichen Angebot
Das richtige Timing ist auch wichtig, wenn es um die Abgabe von Angeboten geht. Mit drei gezielten Fragen erhöhen Sie die Chancen deutlich, einen Auftrag zu holen.
- „Bis wann brauchen Sie das Angebot spätestens?“
- „Bis wann brauchen Sie die Ware spätestens? Wann soll das Produkt bei Ihnen spätestens in Betrieb genommen werden?“
- „Wann werden Sie entscheiden?“ respektive: „Wie sieht bei Ihnen der Entscheidungsprozess zeitlich aus?“
Das Zauberwort ist „spätestens“. Damit finden Sie heraus, wie ernst es dem Kunden mit dem Projekt ist. Sagt er „Es eilt nicht ...“ oder „Wir müssen mal sehen“, dann wissen Sie, dass dieses Projekt auf seiner Prioritätenliste nicht ganz oben steht.
Diese drei Fragen geben den Rahmen vor, wann Sie am besten nachfassen. Dabei sollten Sie sich von der typischen Faustformel, „Angebotsabgabe + eine Woche = Nachhaktermin“ verabschieden. Sie können erst mit Erfolg nachhaken, wenn der Kunde entschieden hat. Wann er entscheidet, hängt von den Strukturen in seinem Unternehmen ab. Also müssen Sie die kennen.
Um zum richtigen Zeitpunkt beim richtigen Kunden zu sein, müssen Sie sich also gut vorbereiten.
Manchmal allerdings müssen Sie Ihre Vorbereitung über den Haufen werfen.
Die Gunst der Stunde
Ich bin mit einem Verkäufer unterwegs. Er verkauft Haarpflegeprodukte für den Marktführer in diesem Bereich und besucht dazu systematisch die Friseurgeschäfte. Auf dem Rückweg zum Auto gebe ich ihm ein paar Tipps für den nächsten Besuch. Als der Verkäufer den Motor startet, klingelt sein Handy. Er schaltet die Freisprechanlage ein. Ich bekomme folgendes Gespräch mit:
Verkäufer: „Hallo, Herr Mair. Was kann ich für Sie tun?“
Kunde: „Haben Sie Ihr Premium-Shampoo gerade lagermäßig da?“
„Ja. Wie viel brauchen Sie denn?“
„Eine Wochenration.“
„Ja. Das geht. Wann soll ich sie Ihnen schicken lassen?“
„Gleich wäre super. Ansonsten aber spätestens am Nachmittag.“
„Kann ich machen. Darf ich fragen, wieso das so dringend ist?“
„Meine übliche Bezugsquelle hat eine ganze Charge zurückgerufen, weil die gerade Qualitätsprobleme haben. Jetzt habe ich fast nichts mehr da und ich hab’ einen Haufen Termine diese Woche. Die kann ich nicht absagen.“
„Danke. Gut. Bis gleich.“
Der Verkäufer legt auf. Er will gerade die Zentrale anrufen, als er innehält. Man merkt, wie es in seinem Kopf rattert, dann wählt er eine neue Num-
mer.
Verkäufer: „Hallo, Herr Winkler. Sie bestellen ja normalerweise bei unserem Wettbewerber. Ich habe gehört, dass der gerade Lieferschwierigkeiten hat. Frei heraus: Brauchen Sie gerade Nachschub?“
Als das Telefonat vorbei ist, notiert er sich einen Auftrag. Danach wählt er noch sieben Nummern. Der Verkäufer hat mit diesen insgesamt neun Telefonaten gerade mehr Shampoos verkauft als bei fünf Besuchstouren. Und das an Kunden, die vorher noch nie bei ihm eingekauft haben. Der Beschluss, die geplante Tour abzubrechen, steht rasch. Stattdessen lässt er den Rest des Tages die gerade eingegangenen Bestellungen an seine Neukunden ausliefern.
***
Manchmal ergeben sich Chancen, die in keinem Plan stehen. Dann muss ein Verkäufer flexibel genug sein, um sie zu nutzen. Viele tun das nicht. Sie halten ihre Termine für heilig. Aber die Stammkunden können im Normalfall auch noch einen Tag länger auf ihre Lieferung warten – die Neukunden nicht. Wer da die Chance verpasst, hat sie für immer verloren.
Nutzen kann sie aber nur, wer sich darauf vorbereitet hat. Das klingt zunächst widersinnig: Wie soll ich mich auf etwas vorbereiten, von dem ich keine Ahnung habe, ob und wann es kommt? Ich kann unmöglich darauf zählen, dass der Wettbewerber dann und dann Lieferschwierigkeiten haben wird. Wer soll vorausahnen, dass wegen Pestizidresten in einem bestimmten holländischen Tierfutter plötzlich die Grenzen für jedes Tierfutter dichtgemacht werden – unabhängig vom Hersteller? Oder dass eine Kälteperiode im August die Nachfrage nach Heizdecken schlagartig in die Höhe treibt? Wie kann man sich auf so etwas vorbereiten?
Ganz einfach: Indem Sie Ihre Wettbewerber und deren Kunden ständig im Auge behalten. Machen Sie es wie der Haarpflegemittel-Vertreter: Führen Sie eine Liste, auf der steht:
- Welche potenziellen Kunden gibt es in Ihrem Einzugsbereich, die zurzeit noch beim Wettbewerb einkaufen?
- Was und wie viel kaufen diese dort? Bei welchem der Wettbewerber?
- Wer davon hat das Potenzial zum A-Kunden? Wen möchten Sie gerne abwerben?
- Wer ist dort der Ansprechpartner? Notieren Sie sich die Kontaktdaten.
- Welche Ihrer Kunden kaufen außerdem noch beim Wettbewerb – Produkte, die Sie auch im Angebot haben? Was? Wie viel? Warum?
Am besten führen Sie diese Liste als Tabelle oder Datenbank im Computer, dann können Sie sie leicht nach verschiedenen Kriterien sortieren. Halten Sie die Daten immer aktuell. Speichern Sie die Datei in Ihrem mobilen Gerät oder drucken Sie sich einen Auszug mit den wichtigsten Wunschkunden aus und nehmen ihn immer mit, dann können Sie auch von unterwegs jederzeit reagieren.
Mit einer gut geführten Kundenliste steigt oder fällt ein Unternehmen. Wenn Sie dort sauber den Bedarf und das Potenzial Ihrer Kunden und derer, die es noch werden sollen, aufführen, können Sie unerwartete Chancen blitzschnell nutzen. Damit machen Sie nicht nur mehr Gewinn und Umsatz, sondern gewinnen vielleicht noch auf lange Sicht Kunden. Es lohnt sich also, sich auf das Unerwartete vorzubereiten!
Und wenn Sie dann im richtigen Augenblick mit dem richtigen Kunden sprechen, brauchen Sie nur noch eins. Ja, richtig.
Hebel 3: Das richtige Angebot
Wie? Jetzt fange ich noch mal mit dem richtigen Angebot an? Dabei habe ich doch schon in Kapitel drei ausführlich beschrieben, wie wichtig es ist, den Bedarf des Kunden gründlich zu ermitteln und ihm genau das zu bieten, was er braucht. Stimmt.
Aber ... Wundert es Sie noch, wenn der Kreuter jetzt sagt: „Das reicht mir nicht!?“ Wenn Sie eine gründliche Bedarfsermittlung machen, sind Sie ein guter Verkäufer. Aber gut ist mir nicht gut genug. Ich will, dass Sie ein herausragender Verkäufer werden.
Der herausragende Verkäufer geht noch einen Schritt weiter. Er erfüllt nicht nur wie eine Wunschfee die Bedürfnisse seines Kunden und verschwindet dann. Nein. Wenn der Kunde sich zufrieden lächelnd zurücklehnt, legt der herausragende Verkäufer erst los. Er bietet seinem Kunden noch viel mehr. Das Extra-Angebot. Das Zuckerl. Das, was aus einem zufriedenen Kunden einen begeisterten macht – und für den Verkäufer aus einem guten Abschluss das Geschäft des Jahres.
Eigentlich müsste also jeder Verkäufer ganz heiß auf diese Zusatzgeschäfte sein. Bei jeder Gelegenheit müsste er sagen: „Wir haben da noch was für Sie!“ Tatsächlich passiert das aber höchstens bei zehn Prozent der Verkaufsgespräche. Ich frage mich immer, warum Frauen beim Friseur jedes Mal eine Spülung angeboten wird und den Männern nicht. Sie werden auch immer gefragt, ob sie die Haarkur für zu Hause mitnehmen wollen. Mir ist das noch nicht passiert. Warum bloß?
Es gibt drei Gründe, warum Verkäufer keine Zusatzverkäufe machen.
Der erste ist ziemlich offensichtlich: Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass sie das machen könnten. Sie haben nur die „großen“ Produkte ihrer Palette im Auge und versuchen, die an den Mann zu bringen. Anstatt sich zu fragen: Wenn ich das schon verkaufe, was kann ich da zusätzlich noch anbieten? Wie mache ich meinem Kunden das Leben leichter?
Der zweite ist: Sie wollen dem Kunden nicht lästig sein. Sie befürchten: Wenn sie ihn fragen, ob er noch Interesse an dem und dem hat, dann denkt er, sie wollten sich nur bereichern.
Sehen Sie es mal von der anderen Warte: Vielleicht ist der Kunde ja froh, wenn Sie ihn auf ein bestimmtes Produkt aufmerksam machen. Wenn Sie ihm sagen: Wir haben gerade dieses oder jenes Produkt reinbekommen – das würde sich mit dem, was Sie da gerade kaufen, prima ergänzen. Der Kunde muss nicht länger suchen. Sie nehmen ihm damit viel Arbeit ab.
Der dritte Grund ist der peinlichste: Viele Verkäufer kennen gar nicht das ganze Sortiment ihres Unternehmens. Sondern nur das, was sie am häufigsten verkaufen. Ihnen ist nicht klar, dass ihr Unternehmen noch ein Produkt anbietet, das sich prima mit anderen Produkten und Dienstleistungen ergänzt.
Gehen Sie also die Angebote Ihres Unternehmens durch und finden Sie heraus, was sich prima ergänzt.
Zusatzverkäufe
Wenn Sie gerade beim Kunden sind und dieser Ihnen etwas abkaufen will, können Sie ihm gleich einen zusätzlichen Nutzen anbieten. Dieses Zuckerl gibt es in drei Geschmacksrichtungen: Up-Selling, Cross-Selling und Aktionen.
Bei McDonald’s können Sie sehen, wie das Prinzip funktioniert. Wenn Sie da vor der Theke stehen und einen Burger und ein Getränk bestellen, fragt die freundlich lächelnde junge Frau hinter der Theke immer:
„Möchten Sie nicht ein Menü? Da sind noch Pommes dabei, und es ist sogar preiswerter als Burger und Getränk zusammen.“
Das nennt sich Up-Selling: Statt nur einen Burger, der Sie leidlich satt macht, haben Sie jetzt ein ganzes Menü bekommen und Sie können ordentlich reinhauen. Wer das intus hat, ist pappsatt.
Up-Selling gibt es in zwei Varianten: Mengen-Up-Selling oder Qualitäts-Up-Selling.
Das Mengen-Up-Selling kennen Sie zum Beispiel aus dem Fitnessstudio: Wenn ein Kunde sich für einen Vertrag mit zwölf statt sechs Monaten Laufzeit entscheidet. Oder im Supermarkt: Wenn er statt einer Schokolade direkt fünf kauft, weil fünf eine Verpackungseinheit ist.
Qualitäts-Up-Selling bedeutet: Der Kunde kauft nicht den normalen Reifen, sondern einen mit einer höheren Laufleistung. Er nimmt nicht zweilagiges, sondern dreilagiges Toilettenpapier. Nicht das Versicherungspaket M, sondern das Versicherungspaket L oder XL.
Gerade für das Qualitäts-Up-Selling brauchen Sie Verkäufer, die die Kunden beraten. Der Kunde will die Standardqualität. Der Verkäufer sagt aber: „Für nur zehn Euro mehr bekommen Sie die Premiumvariante. Damit haben Sie eine Menge Zusatznutzen, und es ist viel preiswerter, als wenn Sie jedes Extra einzeln bezahlen würden.“ Nur wer die Zusatzfunktionen absolut nicht braucht, kann so einem Angebot widerstehen. Es ist Ihr Job herauszufinden, welches Zusatzangebot dem Kunden wirklich nützt.
Aber nochmal zurück zu McDonald’s. „Wollen Sie noch eine Apfeltasche zu Ihrem Menü?“ Wenn Sie Ja sagen, ist gerade erfolgreich ein Cross-Selling über die Bühne gegangen. Der Verkäufer bietet zu dem Produkt, das Sie gerade gekauft haben, zusätzlich etwas Passendes an. Dafür muss er aufmerksam sein. Darauf achten, was der Kunde in dieser Situation noch brauchen könnte. Noch ein paar Suppenknochen zum Siedfleisch? Zum Mikrowellengerät eine hitzefeste Glasschüssel mit Deckel? Die Chance, dass der Kunde „gute Idee“ sagt, ist hoch.
Amazon, Zalando und Ebay machen es perfekt vor. „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...“, und dann folgt eine Übersicht mit passenden Waren, durch die Sie sich durchklicken können.
Was schätzen Sie, wie viele Kunden die Möglichkeit von Cross-Selling nutzen? Bei einem Test unter Hausfrauen hat man herausgefunden: Je nach Produkt lassen sich sieben bis neun von zehn gerne auf das Angebot ein, noch etwas anderes zusätzlich zum Gewünschten zu kaufen. Das kann eine Zusatzquote von bis zu 90 Prozent für Ihren Umsatz bedeuten. Es gibt Unternehmen, die nur von diesen Zusatzverkäufen leben. Kinos zum Beispiel.
Eigentlich gibt es in Kinos nur Filme zu sehen. Aber man bekommt natürlich noch Popcorn, Nachos, Cola und Eis, und vielleicht gibt es noch die Möglichkeit, nach dem Film Billard zu spielen. Eigentlich wollten Sie nur zwölf Euro da lassen. Am Ende waren es dann doch 60, 70 oder 80 Euro – je nachdem, mit wie vielen Leuten Sie gekommen sind.
Es gibt auch eine Kette von Autohändlern, bei der kostet der Ölwechsel nur 9,90 Euro. Damit kommt das Unternehmen nicht auf seine Kosten. Aber es lockt Kunden in die Werkstatt. Bei der Gelegenheit schauen die Mechaniker sich natürlich auch den Wagen an. Wenn dann mit den Bremsen oder der Kupplung etwas nicht in Ordnung ist, stehen am Ende ganz schnell
350 Euro Reparaturkosten auf der Rechnung – und die Kunden sind froh, dass das jemand entdeckt hat!
Die dritte Geschmacksrichtung des Zusatzverkaufs ist die Aktion.
Die Funktioniert nach dem Prinzip „Nur für kurze Zeit“ oder „nur, solange der Vorrat reicht“: Beim Kauf von einer Flasche Grenadine gibt’s nur heute einen Cocktail-Shaker dazu! Oder: Angebot der Woche: Zwei Snickers zum Preis von einem!
Die Aktion ist also ein aktives, zeitlich befristetes Angebot, das in der Regel noch einen Preisvorteil bietet. Dass das Angebot zeitlich oder mengenmäßig knapp ist, weckt den Jagdinstinkt des Kunden: schnell die Chance nutzen, solange sie da ist!
Einer meiner ehemaligen Kunden hat im April immer ein spezielles Angebot, das nur für einen Monat gilt. Wenn man zwei Kanister Reinigungsmittel kauft, bekommt man ein hochwertiges Grillset geschenkt. Diese Aktion funktioniert bei ihm richtig gut. Der April ist fast sein umsatzstärkster Monat. Viele Leute nehmen die zwei Kanister oder bestellen gleich zehn Kanister. Die vier Grillsets, die sie dann übrig haben, verschenken sie an Kunden oder die Verwandtschaft.
Ich liebe es, wenn ich gefragt werde: „Möchten Sie unser Aktionsangebot nutzen?“ Nicht, weil ich passionierter Schnäppchenjäger wäre. Sondern weil ich sehe: Hier sind Verkäufer aktiv. Ich frage dann immer neugierig nach: „Wie oft müssen Sie fragen, bis ein Kunde das Angebot annimmt?“
Manche sagen: Zehn bis zwölf Mal. Manche sagen auch: Jeder zweite Kunde nimmt das Angebot an! Die Verkäufer erhöhen ihren Umsatz also um die Hälfte. Nur durch fragen.
Der Nebeneffekt von effektivem Cross- und Up-Selling und von Aktionen ist: Sie haben schöne Umsätze. Der viel bessere Effekt ist aber: Sie können Ihren Kunden ein Rundum-sorglos-Paket bieten – weswegen sie wieder zu Ihnen kommen werden.
Allerdings nur, wenn Sie dabei geschickt vorgehen. Strategisch.
Die richtige Reihenfolge beim Verkaufsgespräch
Wenn ein Verkäufer einen Kunden besucht, muss er fünf verschiedene Bereiche abklappern:
- das Stammsortiment,
- den Up-Selling-Bereich,
- Cross-Selling-Produkte,
- Produkte aus der Aktionsphase,
- Neuprodukte, die der Kunden entweder noch nicht kennt oder die neu im Sortiment sind.
Wenn ich es schaffe, diese Bereiche in der richtigen Reihenfolge abzufragen, bekomme ich einen weiteren Hebel, der meinen Umsatz in die Höhe treiben kann. Dazu muss ich psychologisch geschickt vorgehen.
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Ich habe mal eine Verkäuferin eines Softdrink-Herstellers auf ihrer Tour durch die Restaurants begleitet. Deren Verkaufsgespräche liefen grundsätzlich nach diesem Schema ab:
„Brauchen Sie was?“ – „Nein.“
„Haben Sie alles?“ – „Ja.“
„Haben Sie auch genug?“ – „Ja.“
Oh Mann, dachte ich. Ist ja schön und gut, wenn die Verkäuferin den Kunden als erwachsenen Menschen betrachtet, der sich schon melden wird, wenn ihm was fehlt. Nur: Dafür braucht der keinen Verkäufer. Da reicht die Online-Bestellfunktion des Herstellers.
Ich habe ihr also ein paar Tipps gegeben. Das nächste Gespräch lief schon komplett anders. Sie fragte wieder das Stammsortiment ab, aber diesmal mit gezielt offenen Fragen: Wie viel haben Sie davon noch? Wie lange kommen Sie damit aus? Die Folge war: Der Kunde kam ins Nachdenken und bestellte fleißig. Die Verkäuferin addierte die Bestellungen: Sie konnte 1.400 Euro notieren.
Jetzt fing sie an, die neuen Produkte vorzustellen. Der Gastwirt hatte aber schon 1.400 Euro ausgegeben und rechnete gerade nach, wie viele Apfelschorlen er einschenken musste, um den Betrag wieder reinzubekommen. Zu den Neuheiten sagte er nur: beim nächsten Mal vielleicht.
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Viele Verkäufer fangen bei ihren Bestandskunden mit dem Stammsortiment an. Das ist ihnen sicher: Der Spatz in der Hand ... Aber so verbauen sie sich eine Menge Chancen. Der Kunde, der gerade schon seinen Bedarf vollkommen gedeckt hat, ist wenig empfänglich für Zusatzangebote. Ja, das Stammsortiment ist sicherer Umsatz. Das ist es aber auch noch, nachdem Sie die Neuprodukte vorgestellt haben.
Ich habe jahrelang herumprobiert, wie ich das Verkaufsgespräch geschickt aufbaue. Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist ein Erfahrungswert, wenn ich in dieser Reihenfolge vorgehe, verkaufe ich mit Abstand am meisten.
Erst werden die Neuigkeiten präsentiert. Meistens kommt Ihr Kunde schon von sich aus: „Was haben Sie heute Neues?“ Sie präsentieren ihm ein bis drei neue Produkte und schauen, wie er reagiert.
Dann fragen Sie das Stammsortiment ab und nutzen dabei die Möglichkeit für Up-Selling. Wenn Ihr Kunde zwölf statt der üblichen acht Stück nimmt, kriegt er den Karton gleich dazu. Ein besserer Preis ist eine Selbstverständlichkeit.
Dann machen Sie Cross-Selling: Wenn Sie immer dieses Handtuchpapier benutzen, brauchen Sie auch Müllbeutel. Lassen Sie uns mal schauen. Schwupp! Schon sind Sie im Cross-Selling drin.
Als Letztes präsentieren Sie die Aktionsangebote. Die Chance ist ziemlich groß, dass der Kunde ablehnt, weil er inzwischen vollkommen abgefüttert ist. Es gibt aber auch Kunden, die kaufen auch jetzt noch!
Machen Sie vor jedem Kundengespräch eine klare Strategie fix: Minimalziel. Optimalziel. Welche neuen Produkte zeige ich meinem Kunden? Welche davon sind für ihn überhaupt sinnvoll? Welches Up- beziehungsweise Cross-Selling kann ich bei ihm machen? Welches meiner Aktionsangebote kommt für ihn in Frage? Und ganz wichtig: Welche Produkte kann ich meinen Kunden in welcher Phase des Gesprächs anbieten?
So erstellen Sie ein optimales Angebot. Eins, mit dem Sie diesen speziellen Kunden nicht nur zufrieden machen. Sondern glücklich.
Wollen Sie ein Angebot wirklich unwiderstehlich machen, nutzen Sie den Mein-Baby-Effekt.
Extra-Trick: Der Mein-Baby-Effekt
Was kaufen Sie lieber: Einen Maßanzug oder einen von der Stange? Klar, den Maßanzug. Jedenfalls, wenn er im bezahlbaren Rahmen bleibt. Individualisierte Angebote laufen viel besser als Standards. Bei wichtigen Kunden setzen wir deshalb auch in unserem Trainingsteam noch eins drauf. Das Verfahren beginnt, sobald ein Kunde gesagt hat: „Bitte erstellen Sie mir für das und das ein Angebot.“
Wenn ein Kunde ein schriftliches Angebot haben will, wissen meine Mitarbeiter: Der holt oft von mehreren Seiten Angebote ein und will sie vergleichen. Da müssen wir dafür sorgen, dass er sich für unseres entscheidet. Klar, wir könnten das über den Preis machen. Dann würden wir uns aber selbst abwerten. Nein, danke!
Also klärt mein Mitarbeiter, bis wann der Interessent das Angebot braucht. Das kann der nächste Montag sein. Am Mittwoch vor dem Termin ruft er an:
„Herr Hahnemann, ich sitze gerade über Ihrer Anfrage und habe überlegt: Können wir es in gelb, blau oder rot machen?“ – „Lieber in Rot oder Blau.“ Das notiert er sich und hat noch ein paar weitere Fragen:
„Ist Ihnen links oder rechts lieber? Passt Ihnen oben besser als unten?“ Auf diese Weise fragt er einige Alternativen ab. Damit das Angebot einfach besser passt.
Kurz vor Angebotsabgabe ruft er den Kunden nochmal an.
„Hallo, Herr Hahnemann! Ich sitze hier gerade mit zwei Experten und wir diskutieren Ihr Angebot. Es gäbe da noch drei Alternativen. Könnten wir die schnell klären? Dann bekommen Sie das Angebot wie zugesagt.“
Pünktlich zum vereinbarten Termin geben wir unser Angebot ab. Der Kunde hat jetzt drei, vier Angebote vorliegen. Welches wird er wohl nehmen? Wenn er nicht der Entscheider ist, für welches wird er wohl argumentieren, wenn ihn der Chef nach seiner Meinung fragt?
Von den vier Angeboten ist einem deutlich anzusehen, dass es von der Stange ist. Dann liegen da zwei, bei denen die Verkäufer am Anfang die Anforderungen abgefragt und das Angebot individuell für diesen Kunden zusammengestellt haben. Und dann liegt da unser Angebot. Das ist mehr als maßgeschneidert – der Kunde hat es quasi mit uns zusammen erstellt. Es ist „sein Baby“. Wie entscheidet er sich?
Na klar: Er wird „sein“ Angebot auswählen. Mehr noch: Er wird es mit Zähnen und Klauen gegen Einwände verteidigen – selbst wenn es zehn oder fünfzehn Prozent teurer ist als die anderen.
Eine Studie vom Verband der Ingenieure unter 500 Einkäufern wollte herausfinden, welches Angebot gewählt wird, wenn es einen kompletten Angebotsgleichstand gibt. Wenn also alle Preise und Leistungen der Wettbewerber identisch sind. Die Antwort war eindeutig. Sie nehmen das Angebot desjenigen, der den Auftrag will. Nicht braucht. Will. Genau das kommunizieren Sie mit dem Baby: Ich will den Auftrag. Ich will mit dir, lieber Kunde, zusammenarbeiten. Unbedingt.
Es ist egal, ob Sie das ganze Prozedere im Hintergrund wirklich ablaufen lassen oder ob Sie in Wirklichkeit einfach nur ein 08/15-Angebot ein bisschen modifizieren und dabei Ihre schauspielerischen Qualitäten zeigen. Das entscheidet jeder für sich. Wichtig ist nur, dass Sie den Willen und die Bereitschaft zur Leistung kommunizieren.
So, jetzt wissen Sie, wie Sie an der Quantitäts- und der Qualitätsschraube drehen können und dem richtigen Kunden im richtigen Moment das richtige Angebot machen.
Vielleicht haben Sie beim Lesen der letzten Kapitel ab und zu gedacht: Das, was der Kreuter da schildert, das bekomme ich nicht hin. Das will ich auch gar nicht hinbekommen. Es ist einfach nicht mein Stil. Oder Sie haben gedacht: Klingt toll, aber in meine Leute kriege ich das nie rein. Die sind ganz anders drauf. Und wissen Sie was? Sie haben Recht. Es gibt nämlich zwei Verkäufertypen: Hunter und Farmer. Manche der Techniken, die ich geschildert habe, passen besser für Hunter, andere besser für Farmer. Wenn also jemand zum falschen Typ gehört ...
Moment. Fangen Sie gar nicht erst an, so zu denken. Den falschen Typ gibt es nicht. Nur verschiedene. Und für jeden gibt es den passenden Aufgabenbereich.