Jeder, dem dieses Wort zum ersten Mal in die Quere kommt, findet es wohl gleichermaßen verwirrend: Es hat irgendwas mit Religion zu tun, aber – anders als sein Klang vermuten lassen könnte – nichts mit Gott. Die Bedeutung im Deutschen ist von Anfang an dieselbe wie im Französischen, nämlich als Adjektiv ›frömmelnd, scheinheilig‹ und als Substantiv ›Frömmler, übertrieben religiöser Mensch, Betschwester, Scheinheiliger, abergläubische Person‹.
In der Gebersprache, aus der das Wort um 1700 zunächst als Adjektiv und Substantiv in der Form bigot entlehnt wurde, wird die zweite Silbe lang ausgesprochen, wenn es ein Maskulinum ist; nur die weibliche Form bigote hat eine kurze Endsilbe. Substantiv und Adjektiv werden in der französischen Literatur der Übernahmezeit fast nur für Frauen gebraucht. Das erklärt vielleicht, warum man sowohl dem Substantiv als auch dem Adjektiv im Deutschen ziemlich schnell ein zweites t als Marker für die kurze Aussprache in der Endsilbe verpasste. Das Substantiv Bigott verschwand schon im 18. Jahrhundert wieder aus dem Deutschen; das Adjektiv ist bis heute geblieben. Zum Beispiel erklärt Friedrich Schiller 1789 die psychische Labilität des Antihelden seiner Erzählung »Der Geisterseher«: »Eine bigotte, knechtische Erziehung war die Quelle dieser Furcht; diese hatte seinem zarten Gehirne Schreckbilder eingedrückt, von denen er sich während seines ganzen Lebens nie ganz losmachen konnte.« Und Karl May versichert 1910 in seiner Autobiografie: »Ich habe bereits gesagt, daß ich an jedem Sonn- und Feiertag zweimal in die Kirche ging, doch ohne bigott zu sein oder mir dies gar als Verdienst anzurechnen.«
Das Wort wird oft verbunden mit dem Vorwurf der Heuchelei. Es ist ein Lieblingswort aller Kirchenkritiker, die damit ihre eigene Aufgeklärtheit betonen wollen. Und man kommt bei der Lektüre Hunderter Belege in den Werken unterschiedlichster Autoren nicht umhin, dem französischen Schriftsteller Julien Green zuzustimmen, der einmal bemerkte: »L’anticléricalisme et l’incroyance ont leurs bigots tout comme l’orthodoxie.« (›Der Antiklerikalismus und der Unglaube haben ihre Bigotten genau wie die Stenggläubigkeit.‹)
Übrigens hat bigott mit dem deutschen Wort Gott doch mehr zu tun, als es zunächst den Anschein haben mag. Als es im Altfranzösischen im 12. Jahrhundert aufkam, war bigot ein Schimpfwort für die Normannen. Bekanntlich waren diese ursprünglich einmal Wikinger, die in ihren Sprachen Dänisch, Norwegisch und Schwedisch, welche sich allmählich aus dem Altnordischen entwickelten, sehr häufig eine Schwurformel benutzten, die unserer heutigen deutschen Redewendung bei Gott entsprach.