Farben dienten schon in der Antike der politischen Unterscheidung. Berühmt sind die sogenannten Zirkusparteien im Römischen Reich, die sich nicht nur zusammentaten, um ihre bevorzugten Wagenlenker anzufeuern, sondern auch politische Gruppierungen sein konnten. Ebenso erkannte man auf den Schlachtfeldern aller Zeiten Freund und Feind an verschiedenen Farben. So lag es wohl nahe, das bereits im 16. Jahrhundert zunächst ganz konkret im Sinne von ›Farbe‹ aus dem Französischen entlehnten Wort Couleur auf politische Gesinnungen und religiöse Parteiungen zu übertragen.
Gemeinhin wird Heinrich Heines Formulierung »Pfaffen von allen Couleuren« aus seinen »Reisebildern« von 1831 als Frühbeleg für diesen Gebrauch angesehen. Allerdings spricht Heine in diesem Fall von den Kostümen einer Berliner Operninszenierung, die unter anderem die Krönung des französischen Königs durch die Jungfrau von Orléans darstellte – wobei natürlich Pfaffen von katholischer Couleur auftraten. Daher ist das Wort hier vielleicht doch ganz wörtlich zu verstehen – so wie Heine es in seinen französischen Briefen und Texten mehr als hundertmal verwendet, nämlich mit der konkreten Bedeutung ›Farbe‹.
Tatsächlich scheint Couleur erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit politisch-weltanschaulichem Bezug versehen worden zu sein. Gottfried Keller verwendet es 1855 eindeutig so, und im deutschen Reichstag wird das Wort 1889 sogar erstmals auf politische Fraktionen übertragen – vorher und nachher ist in den Debatten viel häufiger von Couleur als einer durch Karamellisierung von Zucker hergestellten Lebensmittelfarbe die Rede; zur Charakterisierung von Gesinnungen wird das Wort im Reichstag erst um 1900 häufiger eingesetzt.
In diesem Sinne verbreitete sich Couleur allgemein im frühen 20. Jahrhundert und vor allem, als sich nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution 1918/19 die Zahl der Parteien und Splittergruppen in Deutschland und Österreich noch einmal vervielfachte. Vor diesem Hintergrund schimpft Karl Kraus 1926 in der »Fackel« über die viel zu vielen Demonstrationen in Wien: »[D]iese scheußlichen Explosionen der Massenseele, diese Aufmärsche des Troglodytentums jeglicher Couleur, diese Höllenmusik des Sonntags, zu der die Rädelsführer aller politischen Gesinnungen die arme Menschheit mißbrauchen […].«