desolat

Hoffmann von Fallersleben ist heute eher durch den Text des Deutschlandliedes oder Kinderlieder wie »Ein Männlein steht im Walde« und »Morgen kommt der Weihnachtsmann« in Erinnerung. 1841 aber macht er sich in einem Gedicht über die taten- und ideenlosen Intellektuellen der späten Biedermeierzeit, in der allmählich der Geist der Revolution von 1848 zu brodeln beginnt, lustig. Die Opfer von Hoffmanns Spott sitzen im »Café National«, so heißt das Gedicht, und lesen die Zeitungen – doch darin erschöpft sich auch schon ihre politische Energie:

Und die Zeitungsblätter rauschen,

Und man liest und liest sich satt,

Um Ideen einzutauschen,

Weil man selbst gar wenig hat.

Und sie plaudern, blättern, suchen,

Endlich kommt ein Resultat:

Noch ein Stückchen Aepfelkuchen!

Zwar der Cours steht desolat.

Zu diesen Zeitpunkt hatte das etwa 300 Jahre zuvor aus lateinisch desolatus entlehnte Adjektiv bereits die heutige Bedeutung ›trostlos, traurig; schlecht, miserabel‹ angenommen. Zuvor, bis ins 19. Jahrhundert, bedeutete es zunächst ›wüst, einsam, öde, verlassen‹. Es gab sogar ein Substantiv mit dem Genus Neutrum dazu, und oft ist in den Quellen zu lesen, ein Kloster sei zum Desolat geworden, also gewissermaßen zum Geisterkloster. In der Chronik des Erzstiftes Magdeburg von Andreas Werner zum Beispiel wird 1584 über den Schwarzen Tod, der die Gegend zwei Jahrhunderte zuvor heimgesucht hatte, berichtet:

Anno Christi 1350. war das unerhoerte grosse Sterben / da alle Kirchöffe zu klein worden / das man die todten nirgend mehr lassen kundte. […] / Es schienen auch alle Closter, fast einem Desolat gleich / so scharff und strenge hatte sie diese Purgation mitgenommen.

Heute kann sich das Adjektiv auf Zustände konkreter wie geistiger Art beziehen, etwa auf finanzielle Schieflagen wie beim »Cours« in Hoffmanns Gedicht. Desolat können aber auch Gegenstände sein. In Wilhelm Raabes Roman »Der Hungerpastor« von 1863 gehören »desolate Porzellanfiguren« zu den Waren, die der jüdische Trödler Samuel Freudenstein in der Kröppelgasse anbietet.

Jede dieser Verwendungsweisen von desolat findet man heute als sprachliches Kleingeld in den Medien. Wer noch Bildungspunkte sammeln will, sollte das Wort wie Annette von Droste-Hülshoff in einem ihrer Briefe zur Beschreibung der seelischen Verfassung einer Person einsetzen: »Die Tante ist desolat, ihr ganzer Reiseplan zerstört.«