diskreditieren

Seitdem in Italien des späten Mittelalters unser europäisches Geld- und Bankensystem erfunden wurde, beruht die Stellung einer Person in der Gesellschaft auf Kredit. Das Wort, das mit dem lateinischen Verb credere (›glauben‹) verwandt ist, drückt aus, wie groß der Glaube eines Gläubigers ist, dass derjenige, der sich Geld leihen möchte, es auch zurückzahlen kann. Schwierig wird es für den Leiher, wenn er in Diskredit kommt. Dieses Wort wurde vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in der Kaufmannssprache für fehlende Kreditwürdigkeit verwendet. Es geht auf das italienische discredito zurück. Diskredit können nicht nur Menschen haben, sondern ebenso ein ganzer Staat. Der preußische Reformkanzler Freiherr vom Stein hatte eine klare Idee davon, was man dagegen tun könne – einfach mehr Steuern eintreiben. 1811 schreibt er: »Der Discredit kann gehoben werden durch Verbesserung des Abgaben-Systems.« Weil der Kredit eines Menschen oder einer Firma auf ihrem guten Ruf beruht, kann Diskredit genauso den schlechten oder zerstörten Leumund bezeichnen. Heute gebraucht man in beiden Bedeutungen eher das Wort Misskredit.

Noch gängig ist das Verb für den Vorgang des In-Diskredit-Bringens, das im 17. Jahrhundert aus französisch discréditer entlehnt wurde. Beispielhaft für die heutige übertragene Verwendung des Wortes im politisch-gesellschaftlichen Sinne ist eine Stelle in Theodor Fontanes Jugenderinnerungen »Von Zwanzig bis Dreißig«, in der er die etwas zwiespältige Persönlichkeit Louis Schneiders darstellt. Schneider war Hofschauspieler und Vorleser des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., außerdem unterhielt er ein fast freundschaftliches Verhältnis zu Russlands Zar Nikolaus I., der den fortschrittlichen Kräften Europas als eine Stütze galt. Schneider hatte 1827 die literarische Vereinigung »Tunnel über der Spree« mitbegründet. Seine Kontakte zu den antidemokratischen gekrönten Häuptern machten ihn aber während der Revolution 1848/49 vielen Mitgliedern verdächtig, und so schreibt Fontane Jahrzehnte später: »Wie sich denken läßt, zirkulierten im Tunnel allerhand Anekdoten über ihn, die sämtlich den Zweck verfolgten, entweder ihn politisch zu diskreditieren oder aber ihn als ›komische Figur‹ zu ridikülisieren.«

Just zur Mitte des 19. Jahrhunderts drohte nicht nur Louis Schneider eine Diskreditierung – dieses Verbalsubstantiv existiert ebenfalls seit dem 17. Jahrhundert und wird unter anderem von Leibniz in seinen deutschen Schriften verwendet –, sondern auch einer weitaus bedeutenderen Person, die ebenfalls engen Kontakt zum preußischen König hatte: Otto von Bismarck war sehr erleichtert, als Friedrich Wilhelm IV. davon absah, ihn als Gesandten nach Wien abzukommandieren. »Ich hatte die Befürchtung, daß man dort fortfahren würde, mich als gegnerisches Element zu behandeln, mir den Dienst zu erschweren und mich am Berliner Hofe zu discreditiren«, blickt der spätere Reichskanzler Jahrzehnte später in seinen »Gedanken und Erinnerungen« schaudernd zurück. Kaum auszumalen, welchen Verlauf die deutsche Geschichte genommen hätte, wenn es den Wienern tatsächlich gelungen wäre, Bismarck in Diskredit zu bringen.