echauffieren

Im Winter 2022/23, als sich alle Sorgen um die hohen Heizkosten machten, hätte man sich vielleicht einfach häufiger echauffieren sollen. Denn das Verb bedeutet, seitdem es zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus dem Französischen entlehnt wurde, das Gleiche wie in der Gebersprache: ›(sich) erhitzen‹ – sowohl im physischen Sinne durch Anstrengung als auch im psychischen Sinne durch übermäßige Emotion.

Heinrich Heine lässt 1821 bewusst doppeldeutig im Unklaren, welches echauffieren gemeint ist, als er einen seiner Professoren beschreibt: »Als ich einmal in Göttingen bey Professor Saalfeld hospitirte, und dieser mit seiner steifen Beweglichkeit auf dem Katheder hin und her sprang, und sich echauffirte, um auf den Kaiser Napoleon recht ordentlich schimpfen zu können.« Heines Zeitgenosse Karl Gutzkow behauptet 1840 das Verschwinden derartiger Gefühlsregungen: »Das 19. Jahrhundert, dieses klare, durchsichtige, wie Januarluft schneidende Jahrhundert hat aufgehört, sich noch für irgend etwas zu ›echauffiren‹ (sonst nannte man dies Echauffement Schwärmerei), für irgend etwas ausgenommen Geld, Geld und Ruhm.«

Wie wir wissen, war diese Todesanzeige etwas verfrüht – wenige Jahre später, 1848, echauffierten sich die deutschen Revolutionäre aus durchaus ehrenwerten Gründen. Auch das 20. Jahrhundert echauffierte sich bekanntlich wieder ziemlich häufig, sogar in Massen bei faschistischen Reden oder Rockkonzerten, und die sozialen Medien des frühen 21. Jahrhunderts sind voll von sich echauffierenden Menschen.

In der Neubearbeitung des Grimm’schen Wörterbuchs wird echauffieren als »veraltend« bezeichnet. Vielleicht gilt das ja für die zugehörigen Substantive Echauffiertheit, Echauffement und Echauffierung sowie für den adjektivischen Gebrauch des Partizips echauffiert. Doch die Verwendung des Verbs echauffieren ist – darauf deuten digitale Quellensammlungen hin – im neuen Jahrtausend möglicherweise sogar angestiegen. Wenn selbst eine Jugendbuchautorin wie Kirsten Boie das Verb benutzt, dann geht sie wohl davon aus, dass es noch ziemlich bekannt ist. In Boies Roman »Skogland« aus dem Jahr 2005 sagt eine Mutter zu ihrer Tochter: »Mich wundert, dass du dich über eine kleine Ähnlichkeit so echauffieren kannst.« Zwar wird das Wort damit als Erwachsenenausdruck gekennzeichnet, aber Boie setzt voraus, dass ältere Jugendliche das Wort zumindest schon einmal gehört haben. Möglicherweise liegen die Wörterbuchautoren des neuen »Grimm« mit ihrem Abgesang auf das Verb also genauso schief wie Gutzkow 1840 mit seiner Grabrede auf das zugehörige Gefühl.