Das Attribut fulminant war früher Vertretern der Macht vorbehalten. Sie drohten mit fulminanten Strafpredigten, erließen fulminante Kabinettsordres, stellten fulminante Ultimaten. Sie waren Pfarrer, Könige oder Reichskanzler: »Bismarcks fulminante Rede, sein Appell an die Deutschen, die Gott fürchteten und sonst nichts in der Welt, – die Ablehnung des Septennats [die Bewilligung des Wehretats für sieben Jahre, mh] und die Auflösung des Reichstags steigerten die fieberhafte Erregung, in der wir alle lebten«, schreibt Lily Braun in ihren »Memoiren einer Sozialistin« knapp zwei Jahrzehnte später rückblickend auf die sprichwörtlich gewordene Rede des Reichskanzlers vom 6. Februar 1888 im Berliner Reichstag.
Das Wort, das im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt wurde, geht auf fulminans, das Partizip Präsens von lateinisch fulminare zurück. Dieses ist mit fulgur (›Blitz‹) verwandt. Zugrunde liegt die Vorstellung ängstlicher Untertanen, die Mächtigen könnten aus der Höhe Blitze schleudern wie Zeus. Die Bedeutung ›blitzend, drohend, heftig, donnernd‹ klingt noch 1936 in Klaus Manns Roman »Mephisto« an. Hier heißt es über die Titelfigur, den Schauspieler Hendrik Höfgen, der Anfang 1933 sicherheitshalber erst einmal nach Paris fährt:
Sein Gedanke war: Ich muß Zeit gewinnen. Es dürfte kaum ratsam sein, sich gerade jetzt in Berlin zu zeigen. In einigen Wochen hat man sich wahrscheinlich beruhigt […]. Hingegen standen die fulminanten Überraschungen erst bevor. Als Höfgen in Paris eintraf, war das Erste, was er erfuhr, die Nachricht vom Brande des deutschen Reichstags.
Im Roman »Der Zauberberg« von Klaus’ Vater Thomas Mann wird zwölf Jahre zuvor die Wirkung des Schlangengifts, mit dem Mynheer Peeperkorn seinem Leben ein Ende setzt, als fulminant beschrieben. Der Klinikchef Hofrat Behrens, der den Tod des holländischen Kaffeemagnaten feststellt, resümiert:
Die Wirkung muß fulminant gewesen sein. Alles spricht dafür, daß es ihm sofort den Atem verschlagen hat, Lähmung des Respirationszentrums, wissen Sie, rapider Erstickungstod, wahrscheinlich ohne Zwang und Qualen.
Zu diesem Zeitpunkt setzte sich aber schon der mittlerweile dominierende positive Sinn des Wortes durch. Heute nennt man musikalische oder schauspielerische Darbietungen ebenso wie sportliche Höchstleistungen fulminant und meint damit ›großartig‹. Auch Kritik, Zeitungsartikel und Reden können weiterhin fulminant sein. Oft liest und hört man das Adjektiv im Sinne von ›gravierend‹ – im Bundestag etwa ist mehrfach vom fulminanten Scheitern eines gegnerischen politischen Vorhabens oder von fulminanten Sicherheitsproblemen die Rede. Doch das Element des Drohenden aus dem Götterhimmel der Macht und der Plötzlichkeit, das dem Wort früher zu eigen war, ist nun weitgehend verschwunden. Beängstigend ist nur noch das Fulminat, das Quecksilbersalz der Knallsäure, das wegen seiner hohen Explosivität von Alfred Nobel als Zündstoff für Dynamit verwendet wurde.