Insignien

Während sich der römische Kaiser Konstantin der Große und sein Heer 312 auf die Schlacht an der Milvischen Brücke bei Rom vorbereiteten, soll ihnen am Himmel ein Kreuz aus Licht erschienen sein, das die griechische Inschrift »Έν τούτφ νίκα« (›Durch dieses siege!‹) trug. Als Konstantin tatsächlich seinen Gegner bezwungen hatte und das Römische Reich christlich geworden war, überlieferten spätere Geschichtsschreiber die Botschaft des Himmels in der lateinischen Version »In hoc signo vinces!« (›In diesem Zeichen wirst du siegen!‹). In der Folge spielten Kreuze in den Insignien der Mächtigen Europas mehr als ein Jahrtausend lang eine herausragende Rolle. Jeder König und erst recht jeder Kaiser oder Zar führte damit mehr oder weniger bewusst seine Legitimation auf Konstantin zurück.

Bis heute haftet dem im 16. Jahrhundert ins Deutsche gelangten Wort Insignie, das fast nur im Plural gebraucht wird, etwas Sakrales an. Insignien, also Symbole von Macht und Würde wie Krone, Zepter, Tiara oder Reichsapfel, sind typisch für Personen und Institutionen, die ihre Stellung und Würde zumindest früher von Gott herleiteten wie Kardinäle, Bischöfe, Könige, Fürsten und Grafen. Dazu erklärt Julius Bernhard von Rohr in seiner »Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren« von 1729: »Bey den Reichs-Grafen sind die Insignien, die vergüldeten Spohren, vergüldeten Casquetes, der Harnisch, die vergüldeten Handschuhe und der Degen.«

Im Zusammenhang mit der Krönung von König Charles III. im Mai 2023 wurde das Wort naturgemäß sehr häufig in deutschen Medien gebraucht. Wenn Insignien dagegen auf rein weltliche Institutionen bezogen werden, schwingt oft etwas Ironisches mit, so wie in Ehm Welks Roman »Der hohe Befehl« aus dem Jahr 1939, wo es heißt: »[D]ie Insignien des Dorfgerichts lagen mit einigen Gesetzbüchern in einer offenen Kiste auf dem Boden«. Allerdings sind mit Insignien manchmal auch Abzeichen und Symbole des Nationalsozialismus gemeint. Am 209. Tag des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher im August 1946 versuchte der Rechtsanwalt Georg Böhm, die Richter davon zu überzeugen, dass die Mitgliedschaft in der Reiter-SA nicht unbedingt auf eine fanatische faschistische Einstellung schließen lasse: »Ich bringe dieses Reiterzeichen in Ausführung in Silber zur Einzelvorlage vor den Gerichtshof als Dokument; ich darf vielleicht darauf hinweisen, daß es wohl das einzige Abzeichen ist, das keinerlei nationalsozialistische Insignien trägt.«

In jüngerer Zeit wird Insignien auch ohne jeden Bezug zur Macht im übertragenen Sinne von ›Kennzeichen, Symbol‹ gebraucht. 1999 liest man in der »Zeit« über die damals noch recht neue Tendenz zum Körperschmuck: »Sogar der eigene Körper wird irreversibel mit Insignien von Andersheit beschriftet, die weiland als primitiv (Piercing et cetera) oder als proletenhaft (Tätowierungen) galten.«

Der Singular von Insignien lautet übrigens das Insigne. Er ist so selten, dass die meisten Menschen ihn nicht kennen, wenn sie das Wort tatsächlich einmal in der Einzahl benutzen wollen. Der Rechtschreibduden bemerkt: »Manchmal werden daher Formen wie die Insignie oder das Insignium gebildet, die nicht als standardsprachlich gelten [Hervorhebungen im Original, mh].« Beide falschen Formen sind in Medien wesentlich häufiger vertreten als die korrekte Variante.