Koinzidenz

Um auszudrücken, dass etwas unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen ist, sagt man, das passiere nur, »wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen«. Bildungssprachlich könnte man auch formulieren: »Bei einer Koinzidenz von Weihnachten und Ostern.« Die frühesten Belege für das Wort in deutschen Texten aus der Zeit um 1700 beziehen sich alle auf Kalenderereignisse. Der vom Polyhistor Stanislaus Reinhard Acxtelmeier herausgegebene und möglicherweise auch verfasste »Monatliche Staats-Spiegel« spekuliert 1699 über die »Coincidenz der auf gewise Monaths-Täge gesetzten Feste / so man Festa immobilia nennet«. Schon lateinisch coincidentia konnte aber genauso das Zusammenfallen anderer, normalerweise nicht zusammengehörender Phänomene bezeichnen. Der spätmittelalterliche Gelehrte Nikolaus von Kues sah die »coincidentia oppositorum«, den Zusammenfall der Gegensätze, sogar als wesentlich für Gott an: Sie alle seien in ihm aufgehoben.

Als Koinzidenz wird meist nicht der bloße Zufall bezeichnet, sondern das glückhafte Zusammenwirken zweier unterschiedlicher Faktoren. Als zum Beispiel 1517 das finanzielle Interessen des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen zur Unterbindung des Ablasshandels mit den religiösen Vorbehalten Martin Luthers zusammenfielen – so Leopold von Ranke 1839 in seiner »Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation« –, sei der entscheidende Schritt zur Reformation erfolgt: »Der Moment, von welchem das große Weltereigniß ausgeht, ist die Coincidenz von beiden.«

Heute – in einer Zeit, die besessen ist von Verschwörungstheorien und vermeintlichen geheimen Drahtziehern – wird Koinzidenz auch gerade dann gebraucht, um Zweifel am bloß zufälligen Zusammenfall zweier Ereignisse anzudeuten. Die Verbindungen merkwürdige Koinzidenz und seltsame Koinzidenz gehören zu den häufigsten Kollokationen, in denen das Wort in den Medien gebraucht wird.