kongruent

Das aus dem Partizip Präsens congruens des lateinischen Verbs congruere (›übereinstimmen‹) abgeleitete Wort tauchte im späten 17. Jahrhundert erstmals in Texten der Kanzleisprache auf, die damals ein besonders undurchdringliches Gestrüpp aus deutschen und lateinischen Elementen bildete. Hier konnte es neben der ursprünglichen lateinischen Bedeutung genauso für ›passend, akzeptabel, angemessen‹ stehen.

Bekannt ist kongruent jedem Schüler aus der Mathematik. Dort bezeichnet es beispielsweise in der Geometrie zwei deckungsgleiche Figuren. Der Mathematiker Ernst Schröder erklärt dazu 1890 in seinen »Vorlesungen über die Algebra der Logik«: »Es gibt Raumteile, die sich nur durch ihre Lage unterscheiden; diese heissen ›kongruent‹.« Im späten 18. Jahrhundert wurde das Wort auch im allgemeineren Sinne von ›gleich‹ verwendet; heute definiert es das Duden-Universalwörterbuch mit ›in allen Punkten übereinstimmend, völlig gleich‹. Dem entspricht als ein Beispiel unter vielen ein Satz aus Oswald Spenglers kulturpessimistischem Buch »Der Untergang des Abendlandes« von 1918/22:

Die exakte sinnlich-geistige Erfahrung ist im Gegenteil ihrer Struktur nach dem vollkommen kongruent, was tief religiöse Naturen des Abendlandes, Pascal zum Beispiel, der Mathematiker und Jansenist aus der gleichen inneren Notwendigkeit war, wohl als Erfahrung des Herzens, als Erleuchtung in bedeutenden Momenten ihres Daseins kennen gelernt haben.

Doch der tatsächliche Gebrauch ist wesentlich unbestimmter – ähnlich wie bei kohärent ( Kohärenz), mit dem es manchmal nahezu synonym erscheint. Das Paradebeispiel dafür ist Goethe, bei dem sich ein weitgestreckter Bedeutungshorizont nachweisen lässt, weil er es auf literarische und andere künstlerische Leistungen im Sinne von ›in sich stimmig, harmonisch, geschlossen‹ anwendete. Eine Zeichnung der Gräfin Egloffstein etwa nennt er 1823 »höchst congruent und verständig«. Mit Bezug auf künstlerischen Geschmack meinte das Wort bei Goethe auch ›gefestigt‹. So lobt er 1831 den Theaterintendanten Graf von Brühl in Berlin: »[M]an ist Ihnen schuldig, daß die Übereinstimmung des Äußern mit dem Innern nicht allein mit Worten gelehrt, sondern durch lebendigen Vorgang ein congruenterer Geschmack möglich geworden.«

Die Schreibweise mit k setzte sich wie bei vielen anderen Wörtern und gar Stadtnamen im späten 19. Jahrhundert durch – das k entsprach mehr dem erstarkten deutschen Nationalgefühl als das lateinisch-französische c. Das berühmteste Beispiel für die nationale Symbolik dieser beiden Buchstaben ist übrigens der Name der Stadt Köln: Erst im Januar 1919 führte die Kölner Stadtverwaltung endgültig die K-Schreibweise ein, die dann durch Erlass der preußischen Staatsregierung im folgenden April für allgemein verbindlich erklärt wurde; vorher ging es jahrhundertelang zwischen K und C hin und her. Paradoxerweise waren sich ausgerechnet die Franzosen, die Köln zwischen 1794/1801 und 1813 beherrschten und Cologne nannten, sowie die späteren preußischen Könige und deutschen Kaiser, die auf dem vornehmeren Cöln bestanden, einig in der Bevorzugung der Schreibweise mit C. Die Kölner Bürger hingegen kämpften schon ab den 1850er-Jahren für das gute deutsche K wie in Kölle. Vor der eigenen Haustür aber erlaubte Kaiser Wilhelm II. aus dem Cöln mit C liebenden Geschlecht der Hohenzollern schon 1912 dem Ort Rixdorf, der damals noch außerhalb Berlins lag, sich in Neukölln mit k umzubenennen. Aber der Name der alten Siedlung Cölln an der Spree und der Stadt Köln sind ja auch nicht wirklich kongruent.