maliziös

Totgesagte leben länger. Das Wort maliziös wird im DWDS als »veraltend« bezeichnet. Doch eine einfache Suche bei Google Books zeigt an, dass es noch in zahlreichen Unterhaltungsromanen erscheint, also Texten, die sich keineswegs an ein hochgebildetes, älteres Publikum wenden.

Am Ende des 17. Jahrhunderts, als die Fremdwörterei hierzulande mit Übernahmen aus dem Französischen ihren modischen Höhepunkt erreichte, gelangte auch maliziös ins Deutsche. Von Anfang an hatte es die gleiche Bedeutung wie das französische malicieux, nämlich ›boshaft‹ mit dem Nebensinn von ›Verschlagenheit, Hinterlist und Sarkasmus‹. Zuvor gab es in deutschen Texten schon das gleichbedeutende maliciosisch, das auf lateinisch malitiosus zurückgeht. In Jakob Michael Reinhold Lenz’ Tragikomödie »Der Hofmeister« aus dem Jahr 1774 empfangen die Freunde Fritz von Berg und Pätus einen Brief, der das Schicksal des »genotzüchtigten« Gustchens enthüllt. In einem abgerissenen Satz, wie er typisch für die Literaturepoche des »Sturm und Drang« ist, flucht Pätus: »Ich will den hundsföttischen maliziösen Brief den Augenblick – (zerreißt ihn).«

Heute wird maliziös oft zur Beschreibung eines Gesichtsausdrucks verwendet. Verantwortlich dafür ist vielleicht der seinerzeit viel gelesene und sehr ernst genommene Johann Caspar Lavater mit seinen »Physiognomischen Fragmenten, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe«. In seiner Analyse des Gesichts eines russischen Jünglings kommt Lavater im vierten Band von 1778 zum Schluss: »Maliziöser Witz, natürliche, aber kalte Güte, Hitze der Leidenschaften und unbeschreibliche Leichtbeweglichkeit scheinen mir die Ingredienzien zu dem Charakter des vor uns liegenden Gesichtes zu seyn.« Und im teils autobiografischen Roman »Aus dem Leben einer Frau« der Protofeministin Louise Aston heißt es 1847: »In diesem Augenblicke wurde die Thüre leise geöffnet und das schöne, doch maliciöse Gesicht der Gräfinn Lichtenfels schaute hinein.« Ein Gebrauch, wie er sich in der oben erwähnten Unterhaltungsliteratur noch immer findet.

Im Gegensatz zu maliziös ist das verwandte Substantiv Malice (›Bosheit, boshafte Bemerkung‹), das ebenfalls im 17. Jahrhundert aus dem Französischen zu uns kam, heute tatsächlich veraltet. Man kennt es noch aus der Klassikerlektüre. In Friedrich Schillers »Kabale und Liebe« von 1784 ereifert sich der Hofmarschall über eine konkurrierende Schranze, die ihm beim Schmeicheln zuvorgekommen ist: »Schnappt mir das Kompliment weg – Ich meyne in Ohnmacht zu sinken. Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden.« Mitte des 20. Jahrhunderts verwenden Erich Auerbach und Hermann Kant Malice in ihren jeweiligen Hauptwerken »Mimesis« beziehungsweise »Die Aula«. In den Intelligenzblättern kommt das Wort noch gelegentlich vor; insgesamt aber sinkt sein Stern messbar.