misogyn

Man ist geneigt, misogyn für neu zu halten, weil es so fest verwurzelt im aktuellen feministischen Jargon ist. Das Wort ist gleichbedeutend mit frauenfeindlich und gehört zum Wortfeld von chauvinistisch und sexistisch. Doch tatsächlich handelt es sich um eine uralte griechische Vokabel. In »Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker« findet sich 1874 ein wenig bekannter Spitzname des berühmtesten aller griechischen Halbgötter:

Misogynes (Gr. M.), Beiname des Hercules: »der Weiberfeind«; von einem Gesetz, welches dem Priester dieses Heroen in Phocis verbot, während der ein Jahr langen Dauer seines Priesterthums ein Weib zu berühren.

Herkules stand nicht allein mit solcher Ablehnung, wie der Staatsrechtler Karl von Rotteck in seiner ab 1812 veröffentlichten »Allgemeinen Geschichte« über das Leben in Athen zu berichten weiß:

Einen grellen Kontrast mit den leidenschaftlichen Verehrern der Schönheit bildeten die Weiberfeinde (Misogynen), deren es in Griechenland in ansehnlicher Menge und zum Teil unter den ausgezeichnetsten Männern gab. Euripides war Misogyn. Melancholisches Temperament, Bizarrerie oder unglückliche Liebe waren die Quellen dieser Krankheit.

Als maskulines Substantiv wurde Mysogyn im 18. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Der junge Lessing verfasste 1748 ein Lustspiel »Der Misogyn« über einen Witwer, der nach der Erfahrung dreier Ehen zum Weiberfeind wird. Das heute wesentlich geläufigere Adjektiv kam erst im 19. Jahrhundert auf. In Theodor Fontanes Roman »Der Stechlin« von 1897/98 bekundet die freigeistige und ironische Gräfin Melusine ihr Desinteresse an einem »misogynen Prinzen«.

Der Ausdruck blieb aber recht selten, bis man in den 1970er-Jahren ein gebildeter scheinendes Synonym für das rasch abgenutzte frauenfeindlich suchte. Misogyn ist gewissermaßen dessen feuilletonistische Variante. In den Kulturteilen deutscher Bildungsblätter wurden zuletzt unter anderem die Rapper Haftbefehl, Kollegah und Farid Bang, der Nationalsozialismus, Wagners Alberich, sogenannte Incels und die biblische Geschichte von Evas Schöpfung aus Adams Rippe als misogyn bezeichnet.