Paladin

Caspar Friedrich Neickel, der erste Theoretiker der Museumskunde, zitiert 1727 aus der Beschreibung einer Raritätenkammer in Florenz, dort werde ein Schwert »von den alten Paladinen aus Franckreich« gezeigt. Palatinus war im Spätlatein die Amtsbezeichnung für einen der wichtigsten Würdenträger an kaiserlichen oder königlichen Höfen. In der mittelalterlichen französischen Dichtung wurden mit dem Wort, das mit lateinisch palatium (›Palast, Pfalz‹) verwandt ist, die zwölf ritterlichen Gefolgsleute Kaiser Karls des Großen benannt. Noch heute ist »Paladin Karls des Großen« eine beliebte Frage in Kreuzworträtseln, für die es paradoxerweise dreizehn Antworten gibt: Gui, Riol, Ogier, Alfons, Arland, Garein, Holger, Oliver, Roland, Turpin, Astolfo, Ganelon und Lambert.

Im Jahr 1778 hielt Paladin dann offiziell Einzug auch in die deutsche Dichtung, als Gottfried August Bürger in seinem Gedicht »Das Lob Helenens« reimt:

Einst hätten in der Wunderzeit

Der Riesen und der Moren

Die Paladine weit und breit

Zur Dame sie erkoren.

Wieland gebrauchte das Wort ebenfalls, aber regelrecht Karriere machte es dann in der romantischen Mittelalter- und Märchendichtung bei Ludwig Tieck, Wilhelm Hauff und anderen.

Schon im 19. Jahrhundert nahm das Wort seine heutige übertragene Bedeutung ›eifrigster Anhänger‹ an. In der Zeitschrift »Die Grenzboten« ist 1842 der Satz zu lesen: »Die russische Negierung gehört zu den eifrigsten Paladinen der Legitimität.« Hier klingt bereits deutlich der spöttische Ton an, der dem Wort noch immer anhaftet, wenn es im Sinne von ›treuer Gefolgsmann, Anhänger (aus dem Kreis um jemanden)‹ verwendet wird. Oft soll damit angedeutet werden, dass es sich dabei um eine besonders speichelleckerische Schranze handelt. So meint es wohl der Historiker Herfried Münkler, als er 2022 kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine urteilt:

Putin ist der Herrscher in Russland. Aber hätte es dafür der demütigenden Vorführung seiner wichtigsten Minister und engsten Mitarbeiter bedurft? Es ging offensichtlich darum, vor aller Welt die Geschlossenheit der russischen Staatsspitze in der Ukrainepolitik zu demonstrieren. Alle Paladine Putins haben zugestimmt, keiner hat Bedenken geäußert oder Einwände vorgebracht.

In Medien wie »Zeit« oder »Berliner Zeitung« wurden als Paladine schon die Gefolgsleute Adolf Hitlers, Walter Ulbrichts, Saddam Husseins und des US-Präsidenten George W. Bush bezeichnet. Eine Ausdehnung des Wortgebrauchs auf Anhänger von einhellig positiv beurteilten Politikern erscheint undenkbar.