Ein Parforceritt ist keine Ochsentour. Während mit Letzterer die Vorstellung lang andauernder, mühseliger und beharrlicher Zielstrebigkeit verbunden ist, ist der Parforceritt immer etwas Schnelles und Rabiates. Das Wort geht zurück auf die Parforcejagd, eine mit Pferden und Hunden betriebene Hetzjagd, die sich vor allem beim Adel in Frankreich – von dort kommt ihr Name par force (›mit Kraft‹) – und in England großer Beliebtheit erfreute, aber auch in Deutschland Nachahmer fand. Die sogenannte Parforceheide südwestlich von Berlin verdankt ihren Namen dieser Leidenschaft; angelegt wurde sie zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Jagdgebiet mit Reitschneisen, die durch den Baumbestand geschlagen wurden. Bei solchen Jagden mussten die Reiter bis zu 30 Kilometer dem Wild in hohem Tempo folgen. Davon ausgehend wurde schon im 18. Jahrhundert das Wort Parforceritt für jede Art von schnellen, gehetzten und anstrengenden Ritten geprägt.
Von Anfang an wird der Ausdruck ebenso im übertragenen Sinne gebraucht für etwas, das rasch und nicht allzu gut vorbereit erfolgen muss, zum Beispiel ein schneller, nicht sehr tief gehender Überblick über ein Wissensgebiet oder ein riskantes, schwieriges Unterfangen – in der Musik oft mit Bewunderung für einen Virtuosen verbunden. Der älteste Beleg hierfür bezieht sich auf die Juristerei und meint ein dahingeschludertes Werk: In der Fachzeitschrift »Archiv für die theoretische und practische Rechtsgelehrsamkeit« ist 1792 zu lesen, dass
[…] das Civilgesetz in concreto gewöhnlich blos nur ein sehr unregelmäßiges und launigtes Werk des Zufalls ist, was durch einem [sic!, mh] Parforceritt in dem neuerlich in praktischen Umlauf gebrachten Campo aequitatis nach der Kaprice, Schwäche oder Stärke des Ritters im Sattel erzeugt zu werden pflegt.
Campo aequitatis, ein Wort, das Cicero in einer Gerichtsrede benutzte, dient hier als Wortspiel: Es kann mit ›Feld des Rechts‹ – aequitas war bei den Römern der Grundsatz der Rechtsgleichheit – ebenso übersetzt werden wie mit ›eingeebneter Reitplatz‹ – in Parforcejagdgebieten wurden Wege, auf denen die Jäger ritten, oft künstlich eingeebnet, damit sich niemand den kostbaren Hals brach.
Diese übertragene Verwendung blieb aber im 19. Jahrhundert relativ selten. Wenn etwa bei Verhandlungen im deutschen Reichstag über Parforceritte von Kavalleristen gesprochen wurde, dann waren damit tatsächlich anstrengende Truppenbewegungen zu Pferd gemeint. Das Gleiche gilt für die Werke von Karl May. In »Old Surehand I« von 1894 heißt es nach mehreren Stunden im Sattel, die Old Shurehand, Old Shatterhand und andere bei der Verfolgung von Komantschen zugebracht hatten: »Das ist der ›Kleine Wald‹, das Ziel unsers Parforcerittes.«
Im 20. Jahrhundert wurde Parforceritt wohl nicht zuletzt deshalb auf immer mehr Gebiete übertragen, weil der Reichsjägermeister Hermann Göring 1936 die Parforcejagd verboten hatte und in der Folge der ursprüngliche Sinn des Ausdrucks immer mehr in Vergessenheit geriet. Damit war die Schneise für den Galopp in die allgemeine Bildungssprache endgültig geschlagen und eingeebnet. Heute verkünden aktuelle Medienüberschriften unter anderem einen Parforceritt durch Beethovens Musik, einen Parforceritt durch die Moralgeschichte und – mit Saskia Esken bei einem Jahresempfang der SPD in Reutlingen – gleich einen ganzen »Parforceritt durch alle Problembereiche der Welt«.