Pyrrhussieg

Als die CDU bei der Berliner Wahlwiederholung im Jahr 2023 zwar mit Abstand stärkste Partei wurde, aber sich zunächst keine realistischen Perspektiven für eine Regierungskoalition unter ihrer Führung anzubieten schien, sprachen mehrere Medien von einem Pyrrhussieg der Christdemokraten.

Dieses Wort existiert seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Deutschen. In den Medien der 1850er-Jahre wie der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« und der »Gartenlaube« lässt er sich mehrfach im Zusammenhang mit englischen Erfolgen im Krimkrieg gegen Russland nachweisen. Man kann 160 Jahre später nur staunen, dass die Briten und die mit ihnen verbündeten Franzosen diesen Krieg trotz all der Pyrrhussiege doch noch für sich entschieden. Denn ein Pyrrhussieg wird im Duden-Universalwörterbuch definiert als ›Erfolg, der mit hohem Einsatz, mit Opfern verbunden ist und eher einem Fehlschlag gleichkommt‹.

Der Ausdruck gehört zu den Zusammensetzungen mit einem griechischen Namen und einem deutschen Grundwort, an denen unsere Sprache reich ist. Pyrrhos I., den die Lateiner Pyrrhus nannten, war ein griechische König im dritten Jahrhundert vor Christus, der ähnlichen Feldherrenruhm anstrebte wie sein Verwandter Alexander der Große. In einem Krieg gegen die Römische Republik, die damals dabei war, ganz Italien zu unterwerfen, gelang es ihm zwar aufgrund seines großen strategischen Talents, die Römer in Bedrängnis zu bringen, doch am Ende verlor er den Krieg. Entscheidend dafür war, dass seine Verluste in mehreren siegreichen Schlachten schwerwiegender waren als die seiner Gegner. Nachdem Pyrrhos die Schlacht bei Asculum in Apulien gewonnen hatte, soll er, wie Plutarch überliefert, eine ihm vorgetragene Gratulation mit dem Satz gekontert haben: »Noch einen solchen Sieg über die Römer, – dann sind wir vollständig verloren!«

Am Ende des 19. Jahrhunderts war das Wort schon so etabliert, dass es auf nicht militärische Verhältnisse übertragen werden konnte. Karl Kraus etwa schreibt 1899 in der »Fackel« über die Innenpolitik in Wien:

Dritthalb Jahre lang hat eine parlamentarische Mehrheit von Schlachzizen, jungtschechischen Demokraten und clericalen Deutschen mittelst des Nothverordnungsparagraphen Oesterreich beherrscht. Dann gerieth sie in Conflict mit der Krone und unterlag. Ihr Sieg in dem Kampfe gegen die Minorität war ein Pyrrhussieg gewesen. Er hatte ihre Widerstandskraft so sehr geschwächt, dass sie beim ersten Streiche, den der Absolutismus führte, fiel.

In diesem Sinne erscheint es als nicht ganz zutreffend, den Wahlgewinn der CDU als Pyrrhussieg zu bezeichnen, denn die Partei ging ja nicht geschwächt aus der Abstimmung hervor, sie wäre auch ohne Regierungskoalition stärkste Kraft geblieben und ihr Sieg führt nicht zwangsläufig zu späteren Niederlagen.