Quintessenz

Dieses Wort war in der frühen Neuzeit so populär, dass es mehrere Versuche gab, es zu verdeutschen, etwa als Fünftelsaft in dem Gedicht »Lob des Schweins« von Aloys Blumauer, aus dem Jahr 1786. Blumauer, ein Vertreter der Aufklärung, vergleicht dabei Mensch und Schwein – und gesteht dem Letzteren den Vorzug zu: »Der Mensch verschlingt den Fünftelsaft der Erde und nützt er so, wie du?« Den Ausdruck hatte Gottfried August Bürger als Übersetzung von quinta pars nectaris in einem Gedicht von Horaz geprägt. Er wurde bis ins 19. Jahrhundert einige Male aufgegriffen, setzte sich aber nie durch.

Zunächst in der lateinischen Form quinta essentia (›das fünfte Seiende‹) wird Quintessenz seit dem 16. Jahrhundert in deutschen Texten gebraucht. Es geht zurück auf griechisch pempte usia: Als dieses »fünfte Seiende« bezeichnete Aristoteles das von ihm angenommene fünfte Element – neben Feuer, Wasser, Erde und Luft –, den Äther. In der mittelalterlichen Naturlehre stand das spätlateinische Wort für die fünfmal ausgezogene Kraft eines Stoffes, über die hinaus Feineres nicht gewonnen werden kann. Gebraucht wurde es in dieser Bedeutung von Theologen, Philosophen und Alchimisten für den ätherähnlichen Spiritus. Dieser, so glaubten sie, erhalte und erzeuge Leben und könne in Experimenten durch Destillation oder Ähnliches gewonnen werden. Der Arzt Paracelsus, der quinta essentia im späten 15. Jahrhundert als funfftwesen verdeutscht, beschreibt den Stoff

[…] als ein materien, die da corporalischen wird ausgezogen aus allen gewechsen und aus allem in dem das leben ist, gescheiden von aller unreinikeit und tötlikeit, gesubtilt auf das aller reinigeste, gesondert von allen elementen. nun ist zu verstehen, das quinta essentia ist alein die natur, kraft, tugent und arznei, die dan in dem ding verfasset ist.

Hiervon ausgehend meinte quinta essentia bis ins 19. Jahrhundert einfach das Beste von flüssigen Heilmitteln und Getränken oder das höchste Konzentrat einer Substanz. Eingedeutscht wurde das Wort schließlich im 17. Jahrhundert. In einer 1672 erschienenen Übersetzung der »Medicina Experimentalis« des englischen Naturphilosophen Kenelm Digby wird eine ganze Reihe von Tieren und Pflanzen aufgezählt, deren Quintessenz man gewinnen könne, darunter Kröten, Judenkirschen, Kellerasseln sowie Menschenblut oder -knochen.

Im 17. Jahrhundert nahm Quintessenz zudem die übertragene Bedeutung ›kennzeichnendes Merkmal, das eigentliche Wesenhafte‹ oder schlicht ›das Beste‹ an. In den philosophischen Debatten des 18. Jahrhunderts erlangte es den Status eines Modeworts. Die Intrigantin Adelheid von Walldorf aus Goethes »Götz von Berlichingen« etwa nennt ihren Gesprächspartner Weislingen »die Quintessenz des männlichen Geschlechts«. Und 1798 antwortet Schiller Goethe dankbar für einen gerade erhaltenen Brief: »Zu dem ersten Blatt Ihres lieben Briefes kann ich nur Amen sagen, denn es enthält die Quintessenz dessen was ich mir wohl auch zu Trost und Ermunterung zurief.« Das entspricht dann schon der heutigen Duden-Definition im Universalwörterbuch ›Wesentliches, Wichtigstes; Hauptgedanke, Hauptinhalt‹. Daneben wird das Wort weiterhin im Sinne von ›das Beste‹ oder ›das eigentlich Wesenhafte‹ verwendet. Walter Benjamin erläutert in dem bis zu seinem Tod 1940 unvollendeten »Passagen-Werk«, was Baudelaire mit dem »Neuen« meint: »Es ist die Quintessenz des falschen Bewußtseins, dessen nimmermüde Agentin die Mode ist.«