servil

Bei den Römern der klassischen Zeit waren alle Diener Sklaven. Mit dem Wort servus war immer ein Sklave gemeint, aber man kann es genauso gut mit ›Diener‹ übersetzen. Das zugehörige Adjektiv servilis bedeutet ›sklavisch‹ oder ›zu einem Sklaven gehörig‹. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Wort ins Deutsche entlehnt, wo es lange Zeit die Form servilisch hatte, die noch 1813 im Verdeutschungswörterbuch von Adelung steht. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich unter dem Einfluss des französischen servile die heute dominierende Form servil durch.

Der älteste Beleg aus dem Jahr 1657 zeigt eine Verwendungsweise, die heute ungewöhnlich wäre. Der lutherische Theologe und Schriftsteller Johann Balthasar Schupp schreibt über die Niederlande, die sich lange den katholischen Spaniern unterworfen hatten: »Aber als der Duc de Alba sie auff Spanisch / und gar zu servilisch tractiren wollte / da warffen sie dieses Joch / mit Gewalt von ihren Schultern.« Hier drückt das Wort offensichtlich ›in der Manier eines Sklavenhalters‹ oder ›wie Sklaven‹ aus.

Im Ideenstreit der Zeit vor dem Revolutionsjahr 1848 wurden servil und das daraus gebildete Substantiv Servilismus zu politischen Kampfbegriffen. Wolfgang Menzel etwa, der später zu einem Franzosen hassenden und antisemitischen Nationalisten wurde, urteilt 1828 in der ersten Fassung seiner Literaturgeschichte:

Im Allgemeinen aber muß der subtilste Kritiker so gut wie das gemeine Zeitungspublikum einen Strich ziehen zwischen Liberalismus und Servilismus, Republikanismus und Autokratie. […] Die liberale Partei ist diejenige, die den politischen Charakter der neueren Zeit bestimmt, während die sogenannte servile Partei noch wesentlich im Charakter des Mittelalters handelt.

Die als Servilismus bezeichnete reaktionäre Geisteshaltung verkörpere niemand besser als der österreichische Staatkanzler Fürst Metternich – darin waren sich der noch liberale Menzel von 1828, Heinrich Heine, der servil oft als Schimpfwort benutzte, ihr Freund Karl Gutzkow und die übrigen Literaten des sogenannten Vormärz einig. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stieg servil, das vorher schon wie servilisch fast immer mit der Bedeutung ›knechtisch, kriecherisch, unterwürfig‹ einherging, zum eindeutig abwertenden Modewort auf. Allerdings ist vor allem in den Streitschriften nicht immer zu erkennen, ob es nun eher politisch oder privatpsychologisch gemeint ist.

Je weiter die politische Begrifflichkeit des 19. Jahrhunderts verblasste, desto stärker dominierte die Verwendung von servil wie des Substantivs Servilität als Charakterbeschreibung. Servil wird jemand genannt, der nicht nur kurze Zeit taktisch überhöflich und unterwürfig ist: Vielmehr ist ihm das Kriechertum schon zur Natur geworden. Laut Nietzsche ist dieser Wesenszug weit verbreitet: »Alle Menschen, welche sich nicht auf irgendein Waffenhandwerk verstehen – Mund und Feder als Waffen eingerechnet –, werden servil«, verkündet der Philosoph in »Menschliches, Allzumenschliches«, seinem »Buch für freie Geister« von 1878.